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Veröffentlicht am 13.06.2022

Deutsch-deutsche Geschichte spannend erzählt

Das zweite Geheimnis
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1973 – In Ostberlin finden die Weltfestspiele der Jugend statt. Ria Nachtmann macht in Bulgarien Urlaub und trifft dort heimlich den westdeutschen Journalisten Jens, der ihre große Liebe ist. Sie war bis ...

1973 – In Ostberlin finden die Weltfestspiele der Jugend statt. Ria Nachtmann macht in Bulgarien Urlaub und trifft dort heimlich den westdeutschen Journalisten Jens, der ihre große Liebe ist. Sie war bis vor 12 Jahren Spionin des Bundesnachrichtendienstes. Ihr Schwager Henning ist Grenzsoldat und wird bei einer versuchten Flucht angeschossen und verhaftet. Durch diesen Fluchtversuch gerät Ria ins Visier der Stasi, sie wird in Bulgarien festgenommen, in die DDR gebracht und dort verhört. Die Vernehmerin Marga merkt, dass Ria sich anders verhält als andere Verdächtige und beschäftigt sich näher mit ihr. Ihre Vorgesetzten veranlassen allerdings, dass Ria freigelassen wird. Doch Marga folgt Ria weiter privat.
Da Ria die DDR verlassen will, nimmt sie verdeckt Kontakt zum BND auf. Ihr früherer Kontaktmann meldet sich und die Flucht wird geplant.
Titus Müller schildert die Geschehnisse die im Frühjahr und Sommer 1973 passieren, sehr anschaulich. Die Vernehmung von Verdächtigen durch die Stasi, das Training und Doping von jugendlichen Sportlern, die moralische Manipulation von Menschen, damit sie als Spitzel für die Stasi tätig werden, der Drill der Grenzsoldaten, hier könnte man noch vieles mehr auflisten, werden uns vor Augen geführt. Der Autor erzählt das alles in einer klaren Sprache, ohne zu emotional zu werden. Die Geschichte von Ria und ihrer Familie wird spannend erzählt, man möchte immer wissen, wie es weiter geht.
Wer sich für die jüngste Geschichte interessiert, sollte diesen Roman nicht verpassen. Der letzte Band der Trilogie erscheint lt. Verlag im Sommer 2023, ich werde ihn auf keinen Fall verpassen.

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Veröffentlicht am 11.05.2022

Chemie ist Veränderung und damit Leben

Eine Frage der Chemie
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Elizabeth Zott ist Wissenschaftlerin, keineswegs durchschnittlich, pragmatisch, direkt, sieht gut aus, ist nicht eitel. Und dann stellen wir uns die 1950ziger und Anfang der 1960ziger Jahre vor, wir wissen ...

Elizabeth Zott ist Wissenschaftlerin, keineswegs durchschnittlich, pragmatisch, direkt, sieht gut aus, ist nicht eitel. Und dann stellen wir uns die 1950ziger und Anfang der 1960ziger Jahre vor, wir wissen sofort wie schwer es sie hatte. Elizabeth ist Chemikerin und arbeitet am Hastings Forschungsinstitut, einer Männerdomäne. Dort lernt sie Calvin Evans kennen, ebenfalls ein herausragender Chemiker. Die beiden verlieben sich ineinander, werden ein Paar und leben zusammen. Calvin möchte Elizabeth heiraten, aber sie lehnt ab, weil sie weiß, dass die Gesellschaft sie dann nur noch als Calvins Frau wahrnehmen würde. Bei einem tragischen Unfall stirbt Calvin. Verzweifelt und schwanger bleibt Elizabeth allein zurück.

Ende 1961, Elizabeths Tochter Madeline geht inzwischen zur Schule, beginnt sie mit der Moderation der Kochshow „Essen um sechs“ und wird zum Star. Für Elizabeth ist das keine Kochshow, sondern eine Unterrichtsstunde in Chemie und sie fordert die Frauen dazu auf, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen.

Ich habe mit Interesse und Spannung das Leben von Elizabeth Zott verfolgt, geschmunzelt, gelacht, bin teilweise sehr nachdenklich gewesen. Elizabeth und Calvin hatten beide keine einfache Kindheit, sind trotz Hürden ihren Weg gegangen. Sie holt sich oft symbolisch eine blutige Nase, weil sie mit dem Kopf durch die Wand will, Diplomatie ist nicht ihr Ding. Gleichberechtigung ist für Elizabeth selbstverständlich.

Lernen sie Elizabeth Zott kennen, die keine Küche, sondern ein Labor hat in dem sie kocht und natürlich forscht und Experimente durchführt. Ich hätte sie gerne persönlich getroffen, diese ungewöhnliche Persönlichkeit. Lesenswert!

Seite 270: Kochen ist Chemie. Und Chemie ist Leben. Ihre Fähigkeit, alles zu ändern – Sie selbst eingeschlossen –, beginnt hier.

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Veröffentlicht am 29.04.2022

Ein spannender alter Fall in der Provinz

Das versunkene Dorf
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Beim Einsatz in einem Pariser Vorort wird Hauptkommissarin Noémie Chastain durch Schüsse eines Drogenhändlers schwer verletzt. Ihr Leben wird gerettet, allerdings ist eine Gesichtshälfte für immer entstellt. ...

Beim Einsatz in einem Pariser Vorort wird Hauptkommissarin Noémie Chastain durch Schüsse eines Drogenhändlers schwer verletzt. Ihr Leben wird gerettet, allerdings ist eine Gesichtshälfte für immer entstellt. Trotzdem möchte sie so schnell wie möglich zurück in den Polizeidienst. Nicht nur ihr Lebensgefährte Adriel, sondern auch ihre Vorgesetzten und Teile ihres Teams sind damit überfordert. Noémie wird für einige Wochen in die Provinz nach Avalone abgeschoben. Überstützt wird sie vom Psychologen Melchior, der ihr mit Direktheit, Geduld, Sarkasmus und Fürsorge durch den Alltag hilft und ihr wieder neuen Lebensmut gibt.

Noémie muss zuerst lernen, dass es in der Provinz viel ruhiger zugeht als in Paris und die Dinge in manchen Fällen anders gehandhabt werden. Eines Tages taucht eine Tonne im Stausee auf, in dieser Tonne wird eine Leiche gefunden. Jetzt kann Noémie ihre Fähigkeiten einsetzen. Bei den einsetzenden Ermittlungen tritt ein alter Fall wieder zutage. Zur Zeit des Baues des Stausees und der Umsiedlung des Dorfes sind drei Kinder verschwunden, angeblich wurden sie entführt. Die Hauptkommissarin holt viele Dinge, die unter der Oberfläche schwelen hervor. Es kommt soweit, dass das Wasser des Stausees abgelassen wird und eine weitere Leiche entdeckt wird.

Olivier Norek treibt die Geschichte kontinuierlich voran, es bleibt bis zum Schluss spannend. Die Charaktere der Hauptprotagonistin, der Mitarbeiter und der Dorfbewohner sind sehr gut beschrieben. Die angespannte Atmosphäre im Dorf nach Entdecken der ersten Leiche spürt man. Durch diesen Fall findet Noémie wieder zu sich selbst.

Ein lesenswerter spannungsreicher Kriminalroman, nur zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 01.04.2022

Spannende Zeitreise in die 1970-Jahre

Gretas Erbe
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Die Pfalz Anfang der 1970-Jahre. Greta Piontek lebt als Ziehkind von Harald und Elfriede Hellert bei der Familie auf dem Winzerhof, sie ist 16 Jahre. Maria, die Mutter von Greta, ist bei ihrer Geburt gestorben ...

Die Pfalz Anfang der 1970-Jahre. Greta Piontek lebt als Ziehkind von Harald und Elfriede Hellert bei der Familie auf dem Winzerhof, sie ist 16 Jahre. Maria, die Mutter von Greta, ist bei ihrer Geburt gestorben und die Hellerts haben sie aufgenommen, da der Vater unbekannt ist. Das Ehepaar hat vier leibliche Kinder: Johann, Robert, Renate und Mathias, der von allen Matse gerufen wird. Greta gehört nicht wirklich zur Familie, oft steht sie abseits. Das beste Verhältnis hat sie zu Robert und Matse.

Schon früh musste Greta im Haushalt und bei der Arbeit auf dem Winzerhof und Weinberg helfen. Sie ist begabt, geht gerne zur Schule und träumt davon Lehrerin zu werden. Robert, der rebellische Sohn der Hellerts, und Greta verlieben sich ineinander, müssen es aber verheimlichen, weil beide wissen, dass die anderen Familienmitglieder es nicht akzeptieren würden. Matse, der jüngste der Hellerts, mag Greta auch sehr gerne, sie beschäftigt sich oft mit ihm und hilft ihm z.B. bei den Hausaufgaben.

Immer wieder gibt es besondere Situationen, in denen ein Familienmitglied der Hellerts die Hilfe von Greta in Anspruch nimmt. Dann glaubt Greta, dass sie jetzt endlich zur Familie gehört. Doch jedes Mal wird sie wieder enttäuscht. Irgendwann erkennt sie, dass sie nur ihre eigene Zukunft sein kann.

Dem Autorenteam ist es gelungen die 1970-Jahre sehr anschaulich widerzuspiegeln, egal ob es um Kleidung, Einrichtung oder Fahrzeuge geht. Die Aufbruchstimmung der Jugend, das Festhalten vieler an den alten Traditionen, die Widersprüchlichkeit zwischen dem was gesagt wird und dem was dann heimlich gemacht wird ist groß, das zeigt sich z.B. bei der Diskussion um den § 218. Das Buch ist wunderbar flüssig geschrieben, die verschiedenen Protagonisten gut dargestellt. Gretas Weg vom Teenager zur jungen Frau war spannend zu beobachten. Ich bin schon sehr gespannt auf den zweiten Teil und freue mich darauf ihn zu lesen.

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Veröffentlicht am 14.09.2021

Authentisch und berührend

Die vier Winde
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Der Dust Bowl gilt bis heute als Amerikas schwerste und folgenreichste Umweltkatastrophe; sie hat sich ins kollektive Gedächtnis der Nation eingebrannt. Diese Zeit hat Kristin Hannah in dem Roman beschrieben.

1921: ...

Der Dust Bowl gilt bis heute als Amerikas schwerste und folgenreichste Umweltkatastrophe; sie hat sich ins kollektive Gedächtnis der Nation eingebrannt. Diese Zeit hat Kristin Hannah in dem Roman beschrieben.

1921: Elsa Wolcott lebt als Außenseiterin in ihrer Familie in Texas. „Sie war von allem zu viel – zu groß, zu dünn, zu blass, zu unsicher.“ Bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Lesen, zieht sie sich in ihre eigene Welt zurück. Mit 25 lernt sie durch einen Zufall Raffaello Martinelli kennen, verliebt sich in den einige Jahre jüngeren Mann und wird schwanger. Elsas Eltern sind entsetzt über die Schwangerschaft. Ihr Vater bringt sie zu den Martinellis und lässt sie dort mit den Worten: „Und dich möchte ich nicht mehr sehen. Du bist nicht mehr meine Tochter.“ zurück.

Die Eltern von Raf nehmen sie auf, Elsa und Raf heiraten. Das Leben auf der Farm ist hart, aber Elsa gewöhnt sich daran und unterstützt die Familie tatkräftig. Sie bekommt zwei Kinder, Loreda und Anthony. Da Elsa nie von ihrer Familie geliebt wurde, fällt es ihr schwer ihrem Mann und ihren Kindern zu sagen und zu zeigen, wie sehr sie sie liebt.

In den 1930-Jahre ist eine schreckliche Dürre und der Dust Bowl, die Staubstürme, beginnen. Es ist außerdem die Zeit der Weltwirtschaftskrise. Das Leben auf der Farm wird immer härter, bis fast unmöglich, sie hungern. Raf, ein Träumer, erträgt das Leben nicht mehr und verlässt die Familie. Dann erkrankt Anthony schwer, er hat eine Staublunge und der Arzt rät ihr Texas zu verlassen und nach Kalifornien zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt verlassen viele Einwohner ihre Heimat, weil sie an einem anderen Ort auf ein besseres Leben hoffen. Elsa macht sich ebenfalls auf den Weg, ihre Schwiegereltern Rose und Tony bestärken sie darin, die Farm zu verlassen. Die beiden bleiben allerdings in Texas.

In Kalifornien angekommen, stellen die drei fest, dass sie nicht willkommen sind und es dort auch kaum Arbeit gibt. Ihr Leben findet in einem Zelt statt und ist erbärmlich. Mit dem Lohn, den sie verdienen, können sie kaum überleben. Dann begegnen sie Jack, der sie und alle anderen Wanderarbeiter dazu aufruft und anregt sich zu wehren.

Kristin Hannah erzählt die Geschichte von Elsa, ihren Kindern und ihrer Familie sehr anschaulich. Man ist stets mittendrin im Geschehen und spürt am Anfang die Einsamkeit von Elsa, ihr Unvermögen ihre Gefühle auszudrücken, bei Beschreibung der Staubstürme fühlt man die Staubkörner auf den Armen, im Haar und zwischen den Zähnen. Elsa ist eine sehr mutige Frau, die immer wieder aufsteht und weitermacht, nur sie selbst ist von ihrem Mut nicht überzeugt. Zwischendurch hat man kurz das Gefühl, dass sich die Beschreibung der ständig wiederkehrenden Staubstürme in die Länge zieht. Doch dadurch wird einem ins Gedächtnis gerufen, wie lang diese damalige Umweltkatastrophe wirklich war und wie hartnäckig einige Farmer den Unwägbarkeiten trotzten.
Das Geschehen wird überwiegend aus Sicht von Elsa erzählt, aber auch aus der Sicht ihrer Tochter Loreda. Zwischen Mutter und Tochter ist das Verhältnis nicht immer gut. Aber Loreda sieht im Laufe der Zeit auch die Liebe und Stärke ihrer Mutter zu ihr und ihrem Bruder.

Für mich ist Kristin Hannah eine herausragende Erzählerin und das Buch berührend. Es sind Sätze wie „Es war nur möglich, ohne Liebe zu leben, wenn man sie nie gekannt hat.“ oder „Armut erdrückte den Menschen, sie war wie ein Loch, in das man fiel und in dem man jeden Tag weniger Licht sehen konnte.“ die dieses Buch besonders machen. Es hat für mich mehr als 5 Sterne verdient.

Sehr empfehlenswert!

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