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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.05.2022

Wie einst aus Gedanken Bücher wurden

Papyrus
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Wenn man in einer Bibliothek steht und die Regalwände sind bis unter die Decke mit Büchern gefüllt, so ist das ein erhabenes, andächtiges Gefühl, hier so viele in Schrift eingefangende Gedanken an einem ...

Wenn man in einer Bibliothek steht und die Regalwände sind bis unter die Decke mit Büchern gefüllt, so ist das ein erhabenes, andächtiges Gefühl, hier so viele in Schrift eingefangende Gedanken an einem Ort versammelt zu sehen. Doch einst, vor langer Zeit, da gab es nichts von all dem, keine Buchstaben, keine Schrift, kein Medium, um Dinge darauf zu verewigen und so natürlich auch keine Bücher. Die Geschichte, wie unsere Welt es gemacht hat, das 'Wunder der Bücher' zu erschaffen, Schritt für Schritt, das erzählt uns Irene Vallejo in ihrem unvergleichlichen, als Sachbuch titulierten Werk 'Papyrus – Die Geschichte der Welt in Büchern'. Angefangen im antiken Griechenland mit der von Alexander dem Großen erschaffenen Vision von einer Bibliothek, die alle Bücher dieser Welt enthält, bis hin zum Untergang des römischen Reichs, vor allem in dieser Zeit verweilt die Autorin und erzählt, mit ganz viel Begeisterung und Liebe, von dem, was nötig war, um die eigenen Erkenntnisse zu verewigen, seine Gedanken für die Nachwelt zu bewahren. Sie macht dies nicht im Stil eines akribisch detaillierten Sachbuchs mit chronologischen Verlauf, wie wir das hier vielleicht erwartet haben, nein, ganz und gar nicht. Sie, die so viel weiß über diese Zeit, über die Menschen, denen das Buch schon damals so außerordentlich wichtig war, die jedes noch so kleinste Detail, jeden Nebenstrang und alles weit darüber hinaus, genauestens recherchiert hat, sie wählt einen anderen Weg. Dieser ist von Anekdoten durchspickt, mit Sprüngen vor und zurück in der Zeit versehen, mit Bezügen auch zur Gegenwart und auch für das Innehalten und Sinnieren in eigenen Gedanken schafft sie Raum.
Dies alles, ja es ist viel, aber so spannend, interessant und humorvoll und das, was aus Büchern entsteht, Theater, Film, auch diese Dinge werden geschätzt und elegant und unterhaltsam eingebunden in 'das große Ganze'.
Wer Bücher liebt, muss dieses Werk lesen. Er wird es auf ewig in Ehren halten. Eine größere Hommage an das Buch, ganz ohne Podest, aber dafür mit ganz viel Wertschätzung und Bewusstsein für seine Bedeutung, damals und heute, wird er nicht finden.

Veröffentlicht am 24.05.2022

Das jährliche Einhornrennen und daraus wird ein großes Abenteuer

Skandar und der Zorn der Einhörner
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Es gibt Einhörner und Einhörner. Hier in dieser Geschichte sind es letzteren, die das große Abenteuer rund um den jungen Skandar und seine neu gewonnenen Freunde vorantreiben. Es sind kaum zu bändigende ...

Es gibt Einhörner und Einhörner. Hier in dieser Geschichte sind es letzteren, die das große Abenteuer rund um den jungen Skandar und seine neu gewonnenen Freunde vorantreiben. Es sind kaum zu bändigende düstere und nicht nur in ihrer Seele dunkle Einhornwesen, die wild und sehr zornig das jährliche Einhornrennen, das Ereignis des Jahres, nutzen, um Tumult und Chaos zu verbreiten und den Sieger mit sich fortzureißen. Und es ist der junge Skandar, der gerade 'seinen Traum lebt' und tatsächlich zum Einhornreiter ausgebildet wird, der zum Held wird in dieser Geschichte. Zusammen mit seinen Freunden muss er alles geben, um das Abenteuer, in das er so plötzlich hineingeraten ist, zu bestehen. Und dieses Abenteuer hat es wirklich in sich. Ob am Schluss alles zu einem guten Ende führt, das soll natürlich nicht verraten werden. Aber, wenn man sich wünscht, dass es bald einen zweiten Band mit einer neuen aufregenden Geschichte mit Skandar und seinen Freunden geben wird, ja dann kann man ja zumindest hoffen.
Ein tolles sehr besonderes Buch mit genau der richtigen Menge Fantasie und Magie, einem tollen Abenteuer, bei dem man, egal ob Junge oder Mädchen, einfach sehr gerne dabei sein würde und Einhörnern, von denen man nur hoffen kann, dass sie sich nicht bei euch zuhause eingeschlichen haben. Aber ich bin mir sicher, da sitzen nur die Guten.

Veröffentlicht am 22.05.2022

Ein wahrhaftig bildhaftes Buch mit feinsinniger Geschichte

Der Riese am Horizont
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Es war einmal ein kleines Dorf, in dem ging alles seinen unaufgeregten Gang. Und dann, eines Tages, war er plötztlich da. Ein Riese, so groß, dass man nur seine Beine sehen konnnte, alles andere von ihm ...

Es war einmal ein kleines Dorf, in dem ging alles seinen unaufgeregten Gang. Und dann, eines Tages, war er plötztlich da. Ein Riese, so groß, dass man nur seine Beine sehen konnnte, alles andere von ihm befand sich jenseits der Wolken. Er tat nichts böses. Er sprach auch nicht. Er stand einfach ganz still da. Und die Leute im Dorf regten sich über dieses unbekannte Wesen riesig auf. Nur der Ich-Erzähler dieser Geschichte, ein Junge, er hatte zwar ein wenig Angst vor dem Unbekannten, aber er glaubte, dass der Riese bestimmt nett ist und er hätte auch gerne mit ihm geredet, aber seine Eltern erlaubten es ihm nicht. Viele Wochen zogen ins Land und der Riese stand einfach da und nichts geschah. Und dann fasste sich der Junge ein Herz und ging den Riesen besuchen, kuschelte sich an sein leicht zitterndes warmes Bein und fühlte sich richtig gut.
Das ist dann fast schon das Ende der Geschichte und sie ist sanft, macht nicht viele Worte, hat einen feinen Sinn hinter dem Sinn und ist wunderschön. Und dann ist da noch etwas, etwas Wunderbares, Gewaltiges, die Bildgestaltung dieses Buches. Hier wird nicht illustriert, hier wird gemalt, sehr kunstvoll und leicht abstrakt. Seite um Seite umhüllen die Zeichungen das geschriebene Wort und auch das ist wunderschön. Hier war jemand mit sehr viel Liebe am Werk, zu dem, was er erschaffen wollte. Und das hat richtig gut funktioniert.
Ein Buch, vielleicht für Kinder gedacht, aber auch sehr für Erwachsene gemacht. Zumindest kommt es so bei einem an.

Veröffentlicht am 22.05.2022

Ein mitreißendes Familienepos über drei Generationen hinweg

Über Carl reden wir morgen
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Die Brugger-Familie, sie betreibt eine Hofmühle in einem kleinen Dorf, irgendwo im Österreichischen, schon seit langer Zeit. Carl, der Namesgeber dieses Familienepos, er steht für die jüngste Generation ...

Die Brugger-Familie, sie betreibt eine Hofmühle in einem kleinen Dorf, irgendwo im Österreichischen, schon seit langer Zeit. Carl, der Namesgeber dieses Familienepos, er steht für die jüngste Generation in dieser Geschichte. Aber es ist sein Großvater Anton, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Anfang macht. Er hat die Mühle gerade übergeben bekommen und setzt so die Brugger Tradition fort. Seine Schwester Rosa hingegen sucht ihr Glück als Hausangestellte in der Stadt. Sie träumt von Freiheit und bekommt schlechte Behandlung und Demütigung, bis hin zum Missbrauch. Als Antons Frau stirbt, kehrt sie, von ihrem Bruder zur Hilfe gerufen, in die Enge ihres Heimatdorfes zurück und kümmert sich fortan um die nächste Brugger-Generation, Antons nun mutterlosen Kinder. Und das Leben geht weiter. Irgendwann übernimmt der Sohn Albert die Familienmühle und startet zudem den Versuch, ein Kaufhaus in dem kleinen Ort zu etablieren, was auch, trotz Zweifel aus der eigenen Familie, gelingt. Als seine Frau wählt er Anna, eine Zugereiste aus der Stadt, für die das Dazugehören zu einer in mehr wie einer Hinsicht schwierigen Angelegenheit wird. Und dann sind wir endlich angekommen, bei Carl, über den dann wirklich noch viel zu sagen ist, morgen. Er bildet zusammen mit seinem Zwillingsbruder Eugen, der später nach Amerika auswandert und den Geschwistern Gustav und Elisabeth die nächste Generation der Bruggers.
Wenn man diesen Stammbaum vor Augen hat, kann man sich vorstellen, welcher Berg an Geschichten, eingebetet in die tatsächliche Geschichte zu der jeweiligen Zeit, hier auf die Leser wartet. Dramatisch ist schon ein sehr präsenter Begriff, über alle Generationen hinweg. Hier nehmen Schicksale ihren Lauf. Personen handeln und die Geheimnisse dahinter, man erfährt erst sehr viel später das Warum. Und das ist nicht ohne. Was gerade gegen Ende dieses, doch wahrscheinlich auf Fortsetzung angelegten Buches ans Licht kommt, das kann einem schon ein wenig den Atem nehmen, so dass man sich am liebsten wegdrehen würde. Aber das funktioniert natürlich nicht, denn dieses so packend geschriebene Werk, auch literarisch sehr vorzeigbar, es umgibt jede einzelne Person mit einer solchen Präsenz und einer Intensität der Gefühle, dass es unmöglich ist, sich dem zu entziehen. Und dazu kommt, die Autorin, sie wertet nicht über ihre Protagonisten. Sie erzählt einfach, wie es ist, die Zeit, die Menschen, das Leben.
Ein tolles Buch, das alles hat, was es braucht, um zu Recht herausgehoben zu werden aus dem 'Alltäglichen'. Und das nicht ganz abgeschlossene Ende, es ist als Einladung zu verstehen, auch einer Fortsetzung wieder die Tür zu öffenen. Ich bin auf jeden Fall erneut dabei.

Veröffentlicht am 15.05.2022

Eine Kindheit mitten in den Troubles und noch viele Jahre mehr

Amelia
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Die achtjährige Amelia wächst in Belfast auf und es sind die 1969 begonnenen Troubles, der bürgerkriegsähnliche Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken, die ihre Kindheit und die Jahre danach prägen. ...

Die achtjährige Amelia wächst in Belfast auf und es sind die 1969 begonnenen Troubles, der bürgerkriegsähnliche Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken, die ihre Kindheit und die Jahre danach prägen. Was macht man, wenn man in einem Umfeld aufwächst, in dem Menschen gegeneinander kämpfen, mit Waffengewalt, in dem Bomben Zerstörung bringen, Häuser abgefackelt werden und es täglich Tote zu beklagen gibt. Man lebt darin, man lebt damit. Anfangs empfindet man nur Angst und sucht Schutz bei den Erwachsenen, aber diese können dem Kind diesen Schutz nicht geben. Und so nimmt man es an, das, was passiert und versucht trotzdem, schöne Empfindungen zu erleben, sich das Glück mit allerkleinsten Dingen, für kurze Zeit, selbst zu schenken.
Anna Burns, die spätere Booker Prize Gewinnerin (Milchmann, 2018), erzählt hier in ihrem Debütroman von 2001, von einem solchen Leben, mitten im Nordirlandkonflikt, im Zeitraum von 1969 bis zum Jahr 1996, zwei Jahre, bevor ein 'Waffenstillstand' dem Grauen für die Bevölkerung ein Ende setzte. Sie schreibt auf, was passiert, in der Abgeschlossenheit dieses Kriegsgebiets, schonungslos. Sie erzählt von Menschen, die zu Gewalttätern werden, gegen 'den Feind', bis hin zum Tod, von sexuellen Greueltaten, von Übergriffen, bei denen der Gegner gar keiner ist, davon, wie die menschlichen Sitten verrohen und wahlweise einem allumfassenden Hass oder der vollständigen Abstumpfung gegen die einst hochgehaltenen Werte von Anstand und Ehre weichen. Und die Lichtblicke dazwischen, die werden immer weniger, sehr bald gibt es sie nicht mehr. Und die Autorin, sie sorgt dafür, dass wir als Leser gezwungen sind, hinzusehen. Einfach umdrehen und davonlaufen ist keine Option. Der Roman beeindruckt durch eine Art Erbarmungslosigkeit und eine Radikalität, alles genauso zu zeigen, wie es ist. Burns weicht in ihrer Darstellung keinen Schritt zurück, einfach weil es ihr genauso richtig scheint. Und ich als Leser akzeptiere das.
Das Buch ist gut, nicht bzgl. eines einzelnen Aspekts, es ist einfach gut. Und schwer zu verdauen, noch lange danach.