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Veröffentlicht am 30.05.2022

Die Zeit entschuldigt, wie sie tröstet. (Johann Wolfgang von Goethe)

Morgen werden wir glücklich sein
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1940 Paris. Die Lehrerin Marie, die Pianistin Geneviève und die Ärztin Amiel waren nicht nur Nachbarskinder, sondern bilden seit ewigen Zeiten eine Einheit. Während des Zweiten Weltkrieges, als die „Bosches“, ...

1940 Paris. Die Lehrerin Marie, die Pianistin Geneviève und die Ärztin Amiel waren nicht nur Nachbarskinder, sondern bilden seit ewigen Zeiten eine Einheit. Während des Zweiten Weltkrieges, als die „Bosches“, die Nazi-Deutschen die französische Metropole einnehmen, hebt dieses Ereignis der drei Frauen, die sich eine Wohnung teilen, komplett aus den Fugen. Während Geneviève die deutschen Besatzer mit ihrem Klavierspiel unterhält, um sich einige Vorteile zu verschaffen, und sich sogar mit einem Deutschen einlässt, entscheidet sich Marie für den Einsatz bei der Résistance, um jüdischen Schülern das Leben zu retten. Amiel, die selbst jüdischer Abstammung ist, muss dagegen jeden Tag fürchten, von den Deutschen abgeholt und in ein Lager gebracht zu werden. Trotzdem unterstützt sie Marie bei ihrem Kampf gegen die verhassten Besatzer. Marie ist entsetzt von Genevièves Verhalten und kündigt ihr die Freundschaft und lenkt auch nicht ein, als Geneviève ihre Hilfe dringend benötigt...

Lea Korte hat mit „Morgen werden wir glücklich sein“ einen sehr berührenden und spannenden historischen Roman vorgelegt, der den Leser zurückführt in die düsterste Zeit deutscher Geschichte. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil erlaubt dem Leser, sich den drei Hauptprotagonistinnen stark anzunähern und ihre Gedanken- und Gefühlswelt genau zu erkunden. Die Vergangenheit von Marie, Amiel und Geneviève wird eingerahmt von einem Gegenwartsstrang mit den Akteurinnen Malou und Josephine, den Enkelinnen von Marie und Geneviève, die gemeinsam in einem Aufzug stecken und das Zerwürfnis ihrer Großmütter aufarbeiten. Wechselnde Perspektiven, die zum einen die Sicht von Marie, zum anderen die von Geneviève preisgeben, geben dem Leser einen guten Rundumblick um die damaligen Umstände. Die Autorin hat den historischen Kontext sehr gut recherchiert und mit ihrer Handlung verwebt, so dass der Leser während der Lektüre Geschichte hautnah miterlebt und gleichzeitig mit den drei Frauen durch ein Wechselbad der Gefühle marschiert. Die wechselseitige Sicht auf die damaligen Geschehnisse spiegelt die Reaktionen der Menschen gut wieder, so dass der Leser sich gut einfühlen kann in die Widerstandsbewegung, die gegen die Nazis rebellierte, aber auch in die „Mitläufer“, die zum Teil den Weg des geringsten Widerstandes gingen, um nur ja nicht in den Fokus zu geraten. Dieser Widerstreit findet auch zwischen den Marie und Geneviève statt und steht stellvertretend für wahrscheinlich viele solcher Freundschaften, die dadurch in die Brüche gegangen sind. Die Geschichte lebt nicht nur von den zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern vor allem auch durch das sehr subtil geschilderte Kriegsgeschehen und die unsäglichen Dinge, die jede der drei Frauen durchmachen musste. Der Spannungsbogen beginnt gemächlich, schraubt sich aber innerhalb der Handlung immer weiter in die Höhe. Entspannung bietet der Gegenwartsstrang, in dem die Enkelinnen versuchen, den Zwist beizulegen.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und lebendig in Szene gesetzt. Sie überzeugen mit realistischen menschlichen Eigenheiten und lassen den Leser ganz nah an sich heran, der mit ihnen fühlt und fiebert. Marie ist eine freundliche, ehrliche Frau, die sich für andere einsetzt und dabei auch die Gefahr nicht scheut. Amelie ist zurückhaltend und hilfsbereit, sie lebt ihren Beruf als Ärztin und kümmert sich aufopferungsvoll um ihre Patienten, auch wenn sie unterschwellig oft von der Angst gelähmt ist. Geneviève wirkt oftmals oberflächlich und sorglos. Bei ihr stimmt das Sprichwort „Wer sich mit Hunden ins Bett legt, wacht mit Flöhen auf“, allerdings muss man ihr zugute halten, dass sie oftmals einfach nur helfen wollte.

„Morgen werden wir glücklich sein“ ist ein berührender Roman, der Historie, Freundschaft, Liebe und Verrat auf wunderbare Weise in sich vereint. Sowohl tragisch und dramatisch als auch tiefgründig und mit einem Hoffnungsschimmer trifft die Autorin hier mitten ins Herz des Lesers. Absolute Leseempfehlung für ein Highlight!

Veröffentlicht am 22.05.2022

"Totally Stripped"

Rolling Stones - Alle Songs
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Seit meinem Geburtsjahr 1962 gibt es sie: die Rolling Stones und fast jeder kann mindestens einen ihrer Songs mitsingen. Schon meine Eltern waren von ihnen begeistert und haben mir dies mit der Muttermilch ...

Seit meinem Geburtsjahr 1962 gibt es sie: die Rolling Stones und fast jeder kann mindestens einen ihrer Songs mitsingen. Schon meine Eltern waren von ihnen begeistert und haben mir dies mit der Muttermilch vererbt sowie den Wunsch geweckt, selbst mal Musik zu machen. Viele Jahre habe ich als Studio- und Konzertmusikerin gearbeitet und hatte so auch die Ehre, die Stones oftmals hautnah zu erleben. Wer einmal ein Konzert von ihnen miterlebt hat, wird süchtig, denn sie strahlen auch heute noch eine Energie aus, wie sie manch junge Band nicht erreicht.
Seit 60 Jahren geben sie die größten Konzerte weltweit, füllen Stadien über mehrere Tage und begeistern ihre Fans immer wieder aus Neue. Wer nicht nur ihre Musik liebt und schätzt, sondern sich auch intensiver mit der Band, ihrer Entstehung und ihrer Geschichte befasst, für den ist das neue Buch „Rolling Stones – Alle Songs“ von Philippe Margotin und Jean-Michel Guesdon zum 60.jährigen Bühnenjubiläum ein absolutes Must-Have, denn sie bilden chronologisch die Bandgeschichte nebst den Songs von ihren Anfängen bis heute ab und lassen auch den genialen Charlie Watts nochmals lebendig werden, der erst im vergangenen August verstarb.
Allein das Buch selbst ist schon recht imposant, denn es wiegt nicht nur schwer in der Hand, sondern präsentiert auf knapp 770 Seiten neben den bisher veröffentlichten Songs deren Vorgeschichte und Aufnahme. Es gibt viele Archivaufnahmen nicht nur von den Stones, sondern auch von bekannten Musikgrößen, die mit ihnen zusammengearbeitet haben wie z.B. Ry Cooder, Merry Clayton oder Marianne Faithful. Dazu werden nebenbei Anekdoten, Gossip und Hintergrundinformationen geliefert. Und immer wieder spektakuläre Fotos von Konzerten, Backstage oder private Schnappschüsse, die einem die Band noch viel näher bringen. Das Glossar ist leider nicht sehr ausführlich und auch eine Auflistung der Platten-Cover hätte das Buch wunderbar abgerundet. Insgesamt aber ist dieses Nachschlagewerk ein echter Knaller.
Und während man sich durch das wunderbar zusammengestellte Material blättert, mal hier, mal da die Informationen einsaugt , sollte man dabei unbedingt einen Sampler auf den Plattenteller legen, den Lautstärkeregler nach oben schieben und lauthals mitsingen. Nach der Lektüre freue ich mich schon sehr auf die diesjährige „Sixty“-Tour, um die Band einmal mehr live zu erleben, auch wenn sich das Gesicht der Band durch den Tod von Charlie Watts verändert hat.
Ein absolutes Must-Have für alle, die die Rolling Stones lieben und nicht genug Informationen über diese grandiose Band bekommen können. Erstklassiges Nachschlagewerk zum Schmökern und Schwelgen! Sehr empfehlenswert!!!

Veröffentlicht am 15.05.2022

Die Vögel der Hoffnung sind überall, hört sie singen. (Terri Guillemets)

Die Zügel hält mein Herz
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1894 Texas. Die Übergabe eines Pferdes wird für Mark Wallace und seinen Freund Jonah Brooks zu einem echten Abenteuer, denn die beiden Mannsbilder müssen einer jungen Frau bei der plötzlich einsetzenden ...

1894 Texas. Die Übergabe eines Pferdes wird für Mark Wallace und seinen Freund Jonah Brooks zu einem echten Abenteuer, denn die beiden Mannsbilder müssen einer jungen Frau bei der plötzlich einsetzenden Geburt helfen. Danach sehen sie sich gezwungen, das Baby irgendwo unterzubringen, weil die Mutter es nicht will und bringen es ins Waisenhaus „Harmony House“. Dies wird von Katherine Palmer und Eliza Southerland geleitet, die sich liebevoll um die ihnen anvertrauten verlassenen Kinder kümmern, sich aber auch für die Straßenkinder einsetzen. Die Begegnung mit Katherine ist für Mark eine große Überraschung, denn mit dieser Frau wollte er einst sein Leben verbringen, doch sie ließ ihn abblitzen. Die Wiederbegegnung wird überschattet von der Tatsache, dass in dem Ort Straßenkinder auf mysteriöse Weise spurlos verschwinden. Mark und Jonah machen sich daran, den Dingen auf den Grund zu gehen. Dabei sind nicht nur ihre Leben, sondern auch ihre Herzen in Gefahr…
Karen Witemeyer hat mit „Die Zügel hält mein Herz“ den zweiten Band ihrer historischen Hanger’s Horsemen-Serie vorgelegt, der dem Vorgänger in punkto Spannung, Wildwest-Atmosphäre sowie Romantik in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenfrohe und humorvolle Erzählstil bindet den Leser schnell an sich und katapultiert ihn in den Wilden Westen Ende des 19. Jahrhunderts, wo er auf Mark und Jonah trifft, die beide den Hanger’s Horsemen angehören, einer Gruppe von Männern, die für Gerechtigkeit kämpfen. Über wechselnde Perspektiven steht der Leser abwechselnd an der Seite von Mark, Jonah, Katherine sowie Eliza und darf ihre Gedanken- und Gefühlswelt hautnah miterleben. Die Begegnung zwischen Katherine und Mark nach so langer Zeit lässt bei beiden alte Erinnerungen wach werden, wobei Mark immer noch hadert, warum Katherine seinen Heiratsantrag damals abgelehnt hat. Zwischen den beiden sind die Gefühle immer noch spürbar, und als Leser hofft man natürlich auf ein Happy End und die Offenbarung, warum es damals mit den beiden nicht geklappt hat. Aber auch zwischen der selbstbewussten Eliza und dem ruhigen Jonah scheint sich etwas zu entwickeln. Als Farbige sehen sich beide täglich mit Ablehnung und vielen Vorurteilen in ihrem Umfeld konfrontiert und müssen sich hier behaupten. Spritzige Dialoge sowie die spannende Aufklärung der verschwundenen Kinder halten den Leser in Atem und jagen ihn durch eine Achterbahn der Gefühle, während er an den Seiten klebt und ein wunderbares Kopfkino erlebt. Auch der christliche Aspekt wurde sehr schön in die Handlung integriert, in dem es um Gottvertrauen und Nächstenliebe geht.
Die Charaktere sind liebevoll mit Leben versehen und nehmen den Leser mit ihren menschlichen Eigenheiten schnell für sich ein, der sich auf ein spannendes Abenteuer mit ihnen freut. Katherine ist eine warmherzige und fürsorgliche Frau, die alles für ihre Schützlinge tut. Mark ist ein Mann, der nach außen eine raue Schale zeigt und zupacken kann. Innerlich allerdings hat er ein Herz aus Butter und nagt noch immer daran, dass er von der Liebe seines Lebens abgelehnt wurde. Eliza ist starke und mutige Frau, die manchmal etwas schroff wirkt, jedoch immer ein offenes Ohr und eine helfende Hand bietet. Jonah ist ein ruhiger Zeitgenosse, der schon einiges erlebt hat und sich niemandem schnell öffnet.
„Die Zügel hält mein Herz“ ist ein wunderschöner Mix aus abenteuerlichem Western und Romantik, der den Leser mit Gefühl und Spannung an die Seiten fesselt und ein tolles Kopfkino erleben lässt. Absolute Leseempfehlung für wunderbare Unterhaltung!

Veröffentlicht am 15.05.2022

Guter Kaffee ist wie gute Musik - beides berührt die Seele. (Roger Cicero)

Töchter der Speicherstadt – Der Duft von Kaffeeblüten
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1889. Der Hamburger Kaffeehändler Johann Behmer lernt auf seiner Brasilienreise Maria da Silva kennen, die Tochter eines Kaffeeplantagenbesitzers. Marias Vater ist schwer krank, und als Frau darf sie die ...

1889. Der Hamburger Kaffeehändler Johann Behmer lernt auf seiner Brasilienreise Maria da Silva kennen, die Tochter eines Kaffeeplantagenbesitzers. Marias Vater ist schwer krank, und als Frau darf sie die Plantage nicht selbst weiterführen. Deshalb nimmt sie den Heiratsantrag von Johann an und kehrt mit ihm in seine Heimat Hamburg zurück. Dort wird sie vor allem von Johanns Zwillingsbruder Alfons und dessen Frau Gertrud misstrauisch beäugt und wie eine Aussätzige behandelt. Obwohl von Geburt an mit Kaffee im Blut aufgewachsen, wird ihr auch die Mitarbeit im Kaffeegeschäft Brehmer & Söhne verweigert, was Maria vor allem ihrer missgünstigen Schwägerin Gertrud zu verdanken hat. Aber Maria lässt sich so schnell nicht unterkriegen, hält in der Speicherstadt Augen und Ohren offen und findet, wenn auch widerwillig, in ihrem Ehemann einen Verbündeten. Im Geheimen kauft sie die Plantage ihres Vaters und beginnt einen eigenen Kaffeehandel. Dann bricht der Erste Weltkrieg aus und der Handel mit Kaffee ist kaum noch möglich. Gleichzeitig muss Marie feststellen, dass ihr Ehemann durch familiäre Intrigen aus dem Geschäft gedrängt werden soll…
Anja Marschall hat mit „Der Duft von Kaffeeblüten“ den ersten Band ihrer historischen „Speicherstadttöchter“-Trilogie vorgelegt, der den Leser zu einer Reise von Brasilien nach Hamburg einlädt, um mehr über das „schwarze Gold“ zu erfahren und eine starke Frau kennenzulernen, die sich als Außenseiterin gegen persönliche Vorbehalte, Missgunst und gesellschaftliche Konventionen zur Wehr setzen muss. Der flüssige und farbenfrohe Erzählstil sowie die gute mit der Geschichte verwebte historische Kontext wirft beim Leser schnell den inneren Projektor an, um die Handlung wie einen Kinofilm im Kopf abzuspulen, während man die Lektüre regelrecht einsaugt. Die Zeitspanne zieht sich von 1889 bis 1918. Brasilianerin Maria da Silva bekommt durch ihre Heirat mit Johann in Hamburg eine neue Heimat. Doch als exotisch-anmutende Frau wird sie von ihrer Umwelt erst einmal wie ein Fremdkörper wahrgenommen. Auch der Neid und die Missgunst innerhalb Johanns Familie macht ihr zu schaffen, so dass sie mit dem Leben in Deutschland fremdelt, wenn es nicht den Kaffee gäbe. Dieser ist ihre Leidenschaft, davon versteht sie viel, auch wenn andere ihr das nicht zutrauen. Das Rollenbild der Frau war damals einzig darauf beschränkt, Ehefrau und Mutter zu sein und nicht als Geschäftsfrau tätig zu werden. Maria hat das Glück, in Johann einen sehr geduldigen Ehemann zu haben, der sie vieles gewähren lässt, auch wenn andere versuchen, einen Keil zwischen sie zu treiben. Mit farbenfrohen Beschreibungen weiß die Autorin dem Leser nicht nur die brasilianische Kaffeeplantage vor Augen zu führen, sondern auch die Stadt Hamburg, in deren Speicherstadt die Kaffeebörse damals ihren Sitz innehatte.
Die Charaktere sind lebhaft ausgestaltet und überzeugen mit glaubwürdigen Eigenheiten, so dass der Leser sich schnell in ihrer Mitte wiederfindet und ihnen bei ihrem Treiben über die Schulter schaut. Maria ist eine offene, fröhliche und starke Frau, die viel Mut beweist, kämpft und sich den Widerständen entgegenstellt. Johann und Alfons sind zwar Zwillinge, doch die Brüder sind wie Feuer und Wasser, während Johann gutmütig ist, zeichnet sich Alfons durch Falschheit aus. Gertrud, seine Frau, ist aus noch schlimmerem Holz gestrickt. Sie ist egoistisch, neidisch, missgünstig, intrigant und versprüht dabei eine Arroganz, die regelrecht abstößt und zeigt, dass edle Abstammung kein Garant für anständiges Verhalten ist.
„Der Duft von Kaffeeblüten“ ist ein sehr kurzweiliger und interessanter Ausflug ins 18./19. Jahrhundert, wo nicht nur der Besuch im alten Hamburg Spaß macht, sondern der Leser auch auf eine durchsetzungsstarke, außergewöhnliche Frau trifft, Familiengeheimnisse und Liebe inklusive. Absolute Leseempfehlung und gespannte Erwartung auf die Fortsetzung!

Veröffentlicht am 14.05.2022

Das Leben ist eine Reise, kein Ziel. (Ralph Waldo Emerson)

Wohin der Wind uns trägt
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1847 South Carolina. Nachdem sowohl Vater als auch Onkel im Krieg gestorben sind und sie auch noch ihr Heim verloren haben, sieht die Zukunft für die Steinmann-Geschwister nicht gerade rosig aus. Der Älteste ...

1847 South Carolina. Nachdem sowohl Vater als auch Onkel im Krieg gestorben sind und sie auch noch ihr Heim verloren haben, sieht die Zukunft für die Steinmann-Geschwister nicht gerade rosig aus. Der Älteste Stewart möchte mit einem Treck nach Oregon ziehen, und die 18-jährige Joanna nutzt ihre Überredungskünste, damit sie gemeinsam mit ihren Schwestern Carole, Branca und Beckie ihn begleiten können, während Denise sich für eine Zweckehe mit einem älteren Mann entscheidet und zurückbleibt. Die lange Reise per Planwagen stellt alle vor große Herausforderungen, die auch einige Gefahren bergen. Während der Reise hält Joanna Kontakt zur alten Heimat und ihrer besten Freundin Linda, die sie schmerzlich vermisst. Eines Tages erhält Joanna von Linda beunruhigende Nachrichten, die die Steilmanns in eine gefährliche Lage bringen könnten…
Elisabeth Büchle hat mit „Wohin der Wind uns trägt“ einen wunderschönen tiefgründigen historischen Roman vorgelegt, der den Leser mit liebenswerten Charakteren auf eine abenteuerliche und spannende Reise schickt. Der flüssige, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einem Ausflug ins 19. Jahrhundert ein, wo er sich den Geschwistern Steilmann auf einen langen Treck gen Westen anschließt und mit ihnen gemeinsam einiges erlebt. Die Autorin hat ein wunderbares Talent, Situationen, Örtlichkeiten und Charaktere so lebensecht zu beschreiben und amerikanische Geschichte gut recherchiert miteinfließen zu lassen, dass beim Leser schon mit den ersten Zeilen das Kopfkino anspringt und die Seiten förmlich an den Händen kleben, bis das Ende erreicht ist. Während die Bilder vor dem inneren Auge vorbeiziehen, durchlebt er mit den Protagonisten so manch brenzlige Situation, sieht die enge Bindung zwischen den Geschwistern und ist mit ihnen gemeinsam auf Entdeckungsreise, die sich mit immer wieder neuen überraschenden Wendungen sehr abwechslungsreich und spannend gestaltet. So muss es sich für die Siedler angefühlt haben, die sich damals auf den ungewissen und beschwerlichen Weg gemacht haben, eine neue Heimat zu finden. Der christliche Aspekt wurde sehr empathisch in die Handlung mit eingebunden, es geht um Hoffnung, Nächstenliebe und das Vertrauen in Gottes Führung.
Die Charaktere sind lebensecht und facettenreich in Szene gesetzt. Mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften nehmen sie den Leser in ihre Mitte, der sich sofort als Teil ihrer Gemeinschaft fühlt und mit ihnen fiebert, hofft und bangt. Joanna ist eine offene junge Frau mit einer gesunden Neugier. Sie besitzt eine schlagfertige, aber auch spitze Zunge und wirkt nicht nur selbstbewusst, sondern auch selbstlos. Schwester Beckie ist warmherzig, hilfsbereit und fest in ihrem Glauben verankert. Alec ist ein sanftmütiger Mann, der aber nicht auf den Mund gefallen ist. Linda ist für Joanna als Freundin ein Fels in der Brandung. Stewart trägt als ältester Steinmann die ganze Verantwortung auf seinen Schultern. Und Laurie wächst Joanna schnell ans Herz und wird eine gute Freundin in allen Notlagen.
„Wohin der Wind uns trägt“ ist von der ersten bis zur letzten Seite ein wunderbares Kopfkino. Mit seinem spannenden und abwechslungsreichen Mix aus Western, Familienbande, Romantik, Freundschaft und tiefgründiger Botschaft weiß er durchweg den Leser wunderbar zu unterhalten. Absolute Leseempfehlung für ein echtes Lesehighlight! Chapeau!