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Veröffentlicht am 10.06.2022

Ein Buch das ein Jahrhundert und ein Kontinent umspannt

Fischers Frau
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Karin Kalisa hat uns hier ein richtiges Sprachkunstwerk und eine interessante Geschichte in einer wunderschönen Rahmenhandlung präsentiert. Mia Sund hat Textilarchäologie studiert, arbeitet als Kuratorin ...

Karin Kalisa hat uns hier ein richtiges Sprachkunstwerk und eine interessante Geschichte in einer wunderschönen Rahmenhandlung präsentiert. Mia Sund hat Textilarchäologie studiert, arbeitet als Kuratorin in einem Museum in Greifswald. Als ihr ein außergewöhnlicher Teppich auf den Tisch gelegt wird, ist sie sofort fasziniert. Einerseits ist das ein Fischerteppich von der Ostsee, andererseits umfasst dieser Teppich so viele auffallende Abweichungen von einem traditionellen Fischerteppich, dass Mia Sund der Sache auf den Grund gehen will. Dies ist ein echter Teppich, keine Fälschung. Aber auch einzigartig, weil er sich nicht eindeutig zuordnen lässt. Mia beginnt nachzuforschen, nach den Ursprüngen des Teppichs. Zuerst in Greifswald und Umgebung, dann in Zagreb, woher der Teppich nach Greifswald gesendet wurde. Und in Zagreb beginnt die Entstehungsgeschichte dieses Teppichs:
Nina Silke Strad oder Silkestrad ist eine ungewöhnliche junge Frau mit einer ungewöhnlichen Herkunft. In ihrem Leben hat sie schon viele Stationen durchlaufen, bis sie in den zwanziger Jahren von Zagreb aus an der Ostsee landet und da den Fischern, denen ein Fangverbot auferlegt wurde, das Teppichknüpfen beibringt. Sie verliebt sich in Carl, sie heiraten, sie knüpft Teppiche und erzählt den anderen Knüpferinnen Geschichten. Das Leben könnte so schön sein, wenn es nicht 1933 in Deutschland wäre. Carl und Mia müssen fliehen, nach Schweden, wo sie nach dem Krieg eine Schule gründen, zum Teppichweben und -knüpfen.
Und hier knüpft wieder die äußere Rahmenhandlung an: Mia und Milan, der Teppichrestaurator aus Zagreb werden ein Paar, sie gründen in Triest ein „Ufficio verifica tappeti“ und verleihen Güte- und Qualitätssiegel für Teppiche, die handgeknüpft sind, nicht aus Kinderarbeit stammen und wenn nachweisbar ist, „dass Arbeitsbedingungen, Umweltbedingungen und Transportbedingungen eingehalten werden“ (S. 241). Mia muss nun nicht mehr Angst vor ihrem gewalttätigen Vater haben, sie kann endlich frei leben und lieben.
Die wunderschöne Architektur des Romans nimmt den Leser gefangen. Ohne der Rahmenhandlung könnte sich die Geschichte um Nina und Carl nicht entfalten, ohne der inneren Geschichte wäre die äußere Handlung unverständlich oder schlimmer noch: banal. Die zwei Erzählstränge berühren sich nur punktuell, bleiben eigentlich zu jeder Zeit getrennt. Und trotzdem sind sie eng miteinander verwoben.
Der Satzbau ist einzigartig. Der Stil - hochanspruchsvoll - ist aber nicht ganz leicht zugänglich. Kurze Sätze, doch nicht in Hemingwayscher Manier. Kalisis Sätze sind scheinbar nur kurz. Eigentlich setzen sie sich fort, auch nach dem Punkt, dem Komma oder nach dem Gedankenstrich: „In einem Taubenschlag von Korrespondenz sitzt sie hier – und doch spricht sie nicht mit dem, mit dem sie jetzt sprechen müsste. Sie sitzt und bleibt sitzen. Denn ginge sie, ginge sie zu ihm – ginge sie immer nur in ein ‚Bis morgen‘. Ein Aufschub, kein Aufbruch. Wieder würde alles gleich bleiben, wo sie selbst jetzt nicht mehr dieselbe bleiben kann. All diese Fäden in ihrer Hand. Die gibt sie nicht wieder her.“ (S. 145) Es sind solche Passagen, voller Lyrik und einem tiefen Sinn, der sich eigentlich erst hinterher offenbart, die den Zauber des eigenartigen Stils von Kalisi verweben. Betrachten wir einen Dialog zwischen Nina und Carl näher:
„Dieses Haus war meine Heimat. Jetzt ist sie leer“, sagte Carl.
„Das Haus ist leer, nicht deine Heimat“, antwortete Nina.
„Aber meine Heimat hat kein Zuhause mehr.“
„Passt denn deine Heimat in vier Wände?“
„Ich bin wohl mehr Fischers Frau als du, Nina“, meinte Carl lächelnd.
„Bin ich das denn, Fischers Frau?“
„Das wollte ich dich gerade fragen. Ob du das sein willst.“
In sieben Zeilen wird so viel und Intensives reingepackt: der Begriff Haus und Heimat, was sie bedeuten, der Titel des Romans und gleichzeitig die Anspielung auf das alte Grimmsche Märchen vom Fischer und seiner Frau.
Das Buch ist berührend und hält einen in seinen Seiten fest, auch nach der Lektüre der letzten Zeilen von Ilse Aichinger.
Die Umschlagsgestaltung fand ich sehr gelungen. Die Umrisse zweier jungen Frauen die in gegensätzliche Richtungen blicken und beide das Meer in sich tragen. Die Europa-Karte mit den vielen Stationen die im Buch eine Rolle spielen, in den inneren Seiten des Buchdeckels erleichtern das Lesen und Zu Recht Finden in der weitläufigen europäischen Geographie und Geschichte unseres Kontinents.

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Veröffentlicht am 07.06.2022

Habe die Ehre, Herr von Herzfeldt!

Das Mädchen und der Totengräber (Die Totengräber-Serie 2)
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Oliver Pötzsch hat uns einen neuen spannenden Krimi um den jungen Kriminaler Leo von Herzfeldt vorgelegt. Sehr anschaulich geschrieben, lässt uns das Buch direkt dabei sein an den verschiedenen Schauplätzen ...

Oliver Pötzsch hat uns einen neuen spannenden Krimi um den jungen Kriminaler Leo von Herzfeldt vorgelegt. Sehr anschaulich geschrieben, lässt uns das Buch direkt dabei sein an den verschiedenen Schauplätzen des Romans: Der Tiergarten am Prater, das Kunsthistorische Museum (wunderschönes Gebäude, übrigens), in einer ägyptischen Villa in einem Wiener Nobelbezirk, in der Polizeidirektion, in einem Bordell, in einer Pension einer neugierigen Witwe, im Gefängnis und natürlich am Wiener Zentralfriedhof. .
Und ja, wieder einmal mehr bewahrheitet es sich: Antisemitismus ist nicht eine Erfindung des Jahres 1933. Aber dieses Mal geht Pötzsch sogar einen Schritt (oder mehrere?) weiter: alles was nicht Wianerisch spricht und eine andere Hautfarbe hat, zählt als Mensch zweiter Klasse. Juden, Piefkes (Menschen mit deutscher Aussprache), Schwarze die wie Tiere in Zoos vorgeführt werden – „Wuide“ eben, die misshandelt und geschlagen werden dürfen von rechtschaffenen Wiener Vollzugsbeamten. Frauen werden diskriminiert, weil sie eben Frauen sind und deswegen z.B. nicht geeignet als Tatortfotografinnen sind.
Sogar unser Strahlemann, Polizeiinspektor Leopold von Herzfeldt ist nicht ganz freizusprechen von einer dominanten Haltung Julia Wolf gegenüber: er bestimmt wann und wohin sie ausgehen, in welches Theater, auch wenn die Vorstellung nicht unbedingt Julias Geschmack trifft. Er beachtet Julias kleine Tochter nicht, im Gegenteil, er will eigentlich seine Zeit nur mit Julia allein verbringen. Bis Julia einmal der Kragen platzt und sie Leopold endlich ihre Meinung sagt. Natürlich werden sie sich versöhnen, Julia wird ihm sogar das Leben retten in einem schon fast makabren Showdown, Jetzt wünsche ich mir unbedingt ein drittes Buch, um zu erfahren, ob die zwei endlich heiraten werden. Ob das im Habsburger Kaiserreich möglich ist? Ein Baron, obwohl das Baronat erst eine Generation zurück liegt, der eine Bürgerliche mit Kind heiratet?
Der zweite Showdown des Buches findet bald nach dem ersten dramatischen Kampf im Zoo statt und ist nicht minder spektakulär. Vor allem werden nun restlos alle Ungereimtheiten beseitigt.
Schön fand ich, dass Leopold von Herzfeldt sich in diesem Buch mehr zur Wehr setzt, nicht mehr alle antisemitischen Bemerkungen hinnimmt und elegant kontert. Diese kurzen scharfsinnigen verbalen Schlagabtausche sind ein kleiner, aber charmanter Teil des Romans. Man hat fast den Eindruck, als würde ein Piefke sich den Wiener Schmäh zu eigen machen und geschickt anwenden.
Das Titelbild ist in den gleichen Farben gehalten, wie im Vorgängerroman, nur anstelle des Kreuzes wird nun Wien im Umriss einer Engelsstatue sichtbar. Faszinierend und geheimnisvoll. Macht aber auch Sinn, wenn man bedenkt, dass Augustin Rothmayer, der Wiener Totengräber und das liebenswerte Original, einiges zum Lösen der Mordserie beiträgt.
Also, abgemacht, Herr Pötzsch? Wir kriegen noch ein drittes Buch!

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Veröffentlicht am 22.05.2022

Schatz, es ist nicht so, wie es aussieht!

Ein unvollkommener Ehemann
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Das ist ein schrecklicher, grotesker und brutaler Satz, an Zynismus wohl kaum zu übertreffen. Eine Ehefrau überrascht ihren Mann im Bett mit der Nachbarin beide nackt und die Nachbarin reitet ihn hemmungslos ...

Das ist ein schrecklicher, grotesker und brutaler Satz, an Zynismus wohl kaum zu übertreffen. Eine Ehefrau überrascht ihren Mann im Bett mit der Nachbarin beide nackt und die Nachbarin reitet ihn hemmungslos und der liebe Gatte sagt „Schatz, es ist nicht so, wie es aussieht!“ Roxy, die Ehefrau, packt ihre beiden Kinder und zieht zu ihrer Mutter für eine Zeitlang. Ihr Vater ist nach kurzer schwerer Krankheit gestorben, Roxy hat ihren Eltern in dieser schweren Zeit beigestanden und als sie nach der Beerdigung des Vaters heimkehrt, muss sie ihren Mann Dave in Flagranti ertappen.
Um ihrer Mutter nicht zu sehr auf der Tasche zu liegen und um sich von ihrer häuslichen Misere abzulenken, führt sie das Geschäft ihres Vaters fort. Sie fährt Mercedes für Kunden, die nicht reguläres Taxi benützen wollen. Und sie hat Erfolg damit. Ihre Freundinnen und ihre Mutter bestärken sie darin. Gleichzeitig versucht Dave alles, um sie zu überreden, wieder zu ihm nach Hause zu kehren. Er vermisst sie und die Kinder, er will wieder eine Familie sein, so wie früher. Eine gekittete Beziehung hat immer eine Sollbruchstelle. Doch auch wenn Roxy letztlich einwilligt, zurückzukehren, so wie früher geht das nicht mehr. Das kann und will Dave nicht einsehen. Nicht nur, dass Roxy Dave nicht mehr voll und blind vertrauen kann, sie ist nicht mehr die kleine liebe Ehefrau, die für Kinder und Mann allein lebt. Sie ist erfolgreich, hat gute Kontakte unter Kollegen, hat ein Sicherheitsnetz unter den Müttern in der Nachbarschaft, die ihr helfen, die Kinder zu betreuen, wenn sie unterwegs ist, ihre eigene Mutter und besten Freundinnen unterstützen sie. Um ihren beruflichen Verpflichtungen nachkommen zu können, muss Roxy ihren Mann anlügen, nur noch Aufträge am Vormittag annehmen, wenn die Kinder in der Schule und der Mann bei der Arbeit ist. Aber manche Fahrten sind auch am Nachmittag oder sogar über Nacht. Roxy kann und will gute Kunden nicht verlieren.
Dave ist voll in seinem Machogehabe gefangen und sieht nicht, wie falsch er liegt. Er glaubt, wenn er nur den Mercedes verkauft, zur Not auch hinter Roxys Rücken, wird alles so wie früher. Aber ein Früher gibt es jetzt nicht mehr. Es gibt nur noch ein Vorwärts. Roxy zieht die Konsequenzen und Dave zieht aus…
Die Gespräche zwischen Mutter und Tochter, zwischen Roxy und ihren Kindern oder Roxy und ihren Freundinnen sind bezaubernd. Meistens sind Gespräche zwischen Mutter und Tochter ja spannungsgeladen, weil da meistens nie geklärte neuralgische Punkte zwischen ihnen liegen, aber Roxy und ihre Mutter verstehen sich, helfen sich und bauen sich gegenseitig auf. Roxy führt aber auch andere Gespräche, mit ihren Kunden und Kundinnen, und die sind wiederum sehr vielseitig und interessant, bereichern und erweitern Roxys Horizont. Dave und Roxy sprechen nicht mehr richtig miteinander. Er denkt nur noch, dass Roxy mit der Fahrerei aufhören muss, um sein Heimchen am Herd zu spielen. Diese Gespräche verlaufen im Sand, führen nirgendwohin, sind von Anfang an abwertend und negativ.
Mein Fazit: Roxy hat richtig gehandelt. Fort mit Schaden!

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Veröffentlicht am 16.05.2022

Irland ist auch mitten in Europa.

Amelia
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Ukrainische Flüchtlingskinder können in Deutschland ihre Schule online fortführen, wenn sie es denn nach Deutschland schaffen und die Lehrer in der Ukraine die Bomben überleben.
Irische Kinder hatten ...

Ukrainische Flüchtlingskinder können in Deutschland ihre Schule online fortführen, wenn sie es denn nach Deutschland schaffen und die Lehrer in der Ukraine die Bomben überleben.
Irische Kinder hatten keine Fluchtmöglichkeit. Bomben, Scharfschützen, niedergebrannte Häuser waren ihre Normalität. Wenn man von 1969 bis 1994 im Krieg lebt, 25 Jahre lang nichts als Tod und Terror erlebt, dann verrohen die Menschen, verlieren ihre Menschlichkeit, werden zu Bestien, verlernen das rationale Denken. Wir begleiten Amelia Burns durch ihre Kindheit, Jugend und Teil ihres Erwachsenenalters. 1989 schafft sie endlich den Absprung und fährt nach London. Doch der Krieg lässt sie nicht los. Wie so viele anderer Kriegsmädchen leidet sie an Alkoholsucht, Anorexie, ihre im Krieg getöteten Freundinnen und Geschwister verfolgen sie, werfen ihr vor, weshalb Amelia noch lebe, wenn sie doch tot seien.
Wie erbarmungslos muss eine Gesellschaft sein, wenn fünf Vierzehn- bis Fünfzehnjährige befohlen wird sich an einem Ort einzufinden, damit ihnen die Kniescheiben zerschossen werden, für ihre Straftaten? Und die Kinder finden sich auch tatsächlich da ein, vier von Ihnen werden beide Kniescheiben zerschossen, der fünfte wird mit einer leichten Wunde an der Wade begnadigt, nur um nachher doch noch seinen Tod zu finden.
Wie brutal kann eine Gesellschaft werden, wenn ein junger Mann vom eigenen Cousin hinterrücks erstochen wird und ihm die Uhr geklaut wird? Eine Uhr die der junge Mann ihm freiwillig geben wollte und um die Familie nicht in Gefahr zu bringen wollte er sie in Zivilkleidung besuchen, nicht in Uniform.
Wie hartherzig und gewalttätig kann eine Gesellschaft sein, wenn eine Frau, Mutter von sechs Kindern, zuerst Sex haben muss, egal mit wem, um danach in Ruhe andere Menschen töten zu können? „Die Einstimmung auf einen Mord, das wird jeder bestätigen können, fordert ihren Tribut, und Bronagh war da keine Ausnahme. Glücklicherweise hatte ihr Unterbewusstsein ein Gegengift entwickelt. Bevor sie jemanden umbrachte, brauchte sie lediglich ein wenig zwangsgestörte menschliche Nähe, und das zwangsgestörte Mittel der Wahl war für Bronagh dominanter und sehr schneller Sex.“ (S. 264)
Und als der Frieden endlich da ist, wissen sie nicht, was mit sich machen, die Überlebenden. Ein banaler Tagesausflug wird zur Sensation, den zuerst alle ablehnen und dann vehement einzufordern. Es ist interessant, auf diesem Tagesausflug auf eine kleine Insel, Rathlin, begegnen ihnen auch vom Krieg gezeichnete Menschen: Fremde sind nur im Laden willkommen, ansonsten werden sie angefeindet. Sie haben sich so lange abgeschottet, dass sie in Fremden Feinde sehen. Aber auch die Lovett Familie, die diesen Tagesausflug unternimmt, kann den Tag nicht richtig genießen, bis sie nicht erst streiten: „Um sich entspannen zu können, mussten sie erst streiten“ (S. 377). Vielleicht gehört das auch zum Friedensprozess.
Ich frage mich, wie damals, 1648, nach dem Dreißigjährigen Krieg, der Friedensprozess vor sich ging? Wann begannen die Menschen endlich an den Frieden zu glauben?
Ohne Pathos, schlicht und nüchtern erzählt uns Anna Burns aus Amelias Sicht über das veränderte Leben. In der Kindheit waren es Raupen, niedergebrannte Häuser, Papierpuppen, erschossene Menschen - alle haben den gleichen Stellenwert. Später sind es dann Freunde, Geschwister, niedergebrannte Häuser, erschossene Menschen, Bomben. Dies ist ein Kriegsbericht aus erster Hand, eindringlicher und schärfer als Antonia Rados ihn je vorbringen könnte

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Veröffentlicht am 16.05.2022

Ein Buch mit prominenten Gästen

Fast ein Idyll
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Das Titelbild ist eine tolle Aufnahme aus alter Zeit. Ich frage mich, welcher Mann es als erster wagte vom Ganzkörpertrikot auf beziehungsweise in eine Badehose umzusteigen?
Prominente Gestalten aus der ...

Das Titelbild ist eine tolle Aufnahme aus alter Zeit. Ich frage mich, welcher Mann es als erster wagte vom Ganzkörpertrikot auf beziehungsweise in eine Badehose umzusteigen?
Prominente Gestalten aus der Vergangenheit treten in diesem Buch auf. Vom Nobelpreisträger Erwin Schrödinger bis zu Cleopatra, von Josephine Baker bis zu Jane Austen, von Franz Joseph dem Ersten bis zu Marilyn Monroe, Max Schmeling und Goethe, Archimboldo und Bach, sie alle haben ihre kurzen Auftritte in diesem Buch. Manche direkt, so wie Erwin Schrödinger, der versucht einem Achtjährigen seine Theorie zu erklären, weil er kein Katzenmörder ist, auch wenn die Leute ihn dafür halten. Und das Schöne ist: der Knirps versteht die Quantenphysik auf Anhieb. Jane Austen hat Zeit ihres Lebens Briefe an ihre Schwester Cassandra geschrieben. Susanne Falk lässt sie in diesem Buch gleich fünf Mal zur Feder greifen und Cassandra schreiben. Eine kurze zarte Romanze bahnt sich in ihren Briefen an, nur um im letzten Brief ein jähes Ende zu finden.
Die Halbwertszeit eines Flügeladjutanten bei Hofe oder einer Millionärsgattin in den USA scheint in diesem Buch recht kurz zu sein.
Einer der sympathischsten Auftritte hat Max Schmeling, der große Boxer. Nun 84jährig geht er jeden Morgen schwimmen ins Freibad und hat eine riesige Wasserrutsche für die Kinder gespendet.
Josephine Baker tritt nicht direkt auf, nur ihr Vogel Strauß, der ein unrühmliches Ende findet. Madame braucht seine Federn und sein Leder. Marilyn Monroe sieht ihrem berühmten Liebhaber nach der gemeinsam verbrachten Nacht nach. Traurig, aber sie teilt das Schicksal aller Geliebten dieser Welt. Kein Mann wird je seine Frau für eine Geliebte verlassen.
Heute weniger bekannte Persönlichkeiten wie Amelia Erhard, Emilie Flöge, Dinah Washington lösen sich ab mit Beethoven, Bertha von Suttner, Selma Lagerlöf, Marlene Dietrich, Johannes Brahms und Clara Schumann, Shakespeare und Percy B. Shelley.
Wie ein Rahmen umfassen die beiden Anekdoten um Kaiser Franz Joseph I. das Buch. In der Eröffnungsszene erschießt der Kaiser seinen Flügeladjutanten versehentlich bei der Jagd, in er Schlussszene lässt er sich von seiner Geliebten mit Gugelhupf und schnellem Sex trösten.
Ich mochte die subtile Ironie die über den Buchseiten schwebt. Bei manchen lauter, direkter, so wie in den Episoden mit Franz Joseph I. oder das Gespräch zwischen Kleopatra und ihrem Gärtner, andere feiner, hintergründiger, wie „Ein Sommertag“ (Johannes Brahms und Clara Schumann). Ein tiefes menschliches Verstehen zeigt sich in allen Episoden, exemplarisch in den Seiten um den jungen Bach oder um Beethoven, der im Glockenläuten endlich was hören und empfinden kann.
Ich hätte gerne weiter gelesen, das Buch erschien mir viel zu kurz. Vielleicht sind Fortsetzungen geplant, gell Frau Falk?

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