Spannender, atmosphärischer Auftakt einer neuen Science-Fiction Reihe von Marie Graßhoff
Der dunkle SchwarmIm Washington des Jahres 2100 ist die junge Atlas tagsüber als anonymer Niemand in der Masse der Programmierer für Hypermind - einen der größten Konzerne - tätig. Atlas verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten, ...
Im Washington des Jahres 2100 ist die junge Atlas tagsüber als anonymer Niemand in der Masse der Programmierer für Hypermind - einen der größten Konzerne - tätig. Atlas verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten, die fast schon ans Hellseherische grenzen und die ihr ermöglichen Gedanken und Erinnerungen anderer zu lesen, wenn sie sich in deren Hives hackt. Und in der Nacht verdient Atlas als Oracle ihr Geld mit diesen besonderen Fähigkeiten, die sie etwa für Industriespionage einsetzt. Dabei findet sich an Atlas Seite stets als treuer Begleiter ihr Bodyguard Julien - ein Androide der Kampfklasse.
Vom ebenso jungen wie reichen Künstler Noah Levy wird Atlas mit der Aufklärung eines aus technischen Gründen quasi unmöglichen Mordes beauftragt, bei dem ein gesamter Hive ausgelöscht wurde. Dabei starben zweihundert Menschen zur gleichen Zeit und unter den Opfern war auch Noahs Schwester Sara Levy.
Marie Graßhoff erzählt ihre Geschichte im dunklen Schwarm in kurzen Kapiteln, die Überschriften wie Die Tage einer müden Seele, Die Heimat eines vergangenen Kampfes oder auch Das Muster einer zufälligen Auslöschung tragen, aus Sicht ihrer interessanten Protagonistin Atlas. Dabei ist das Rätsel um Atlas Vergangenheit und den Ursprung ihrer besonderen Fähigkeiten wohl fast noch größer als die Aufklärung der Ermordung sämtlicher Mitglieder eines Hives.
Ausgesprochen gut gefallen haben mir die atmosphärischen, teilweise düsteren, durchweg gelungenen Beschreibungen von Marie Graßhoff, die ein dystopisches Washington des Jahres 2100 vor meinem inneren Auge haben lebendig werden lassen. Dabei wird das Washington der Zukunft als Moloch von Stadt samt verdreckter Sub-Levels geschildert, das so tief in Smog getaucht ist, dass der Himmel nur alle paar Tage kurz sichtbar wird und so gut wie nie die Sonne scheint. Diese Megastadt Washington, in der oft nur die Werbetafeln und -anzeigen allgegenwärtig sind und wo die Protagonistin Atlas noch nie einen Baum gesehen hat, hat bei mir Assoziationen an Blade Runner geweckt.
Als besonders gelungen habe ich dabei etwa die Schilderung des Aufenthalts von Atlas in Johnson´s Hacker Hotel in den verdreckten Sub-Levels - und im Kontrast dazu die Beschreibung des an einen Garten erinnernden und von Bienensummen erfüllten Anwesens von Bennie Haloren, dem Gründer der Umweltschutzorganisation The Cell - empfunden.
Der dunkle Schwarm ist gut lesbar und flüssig geschrieben. Zudem erzählt Marie Graßhoff ebenso fesselnd wie spannend, woran insbesondere das oftmals recht hohe Erzähltempo sowie die gelungenen Beschreibungen von Kampf- und Actionszenen ihren Anteil haben. Gut gefallen hat mir etwa der Kampf, den sich Atlas und ihr treuer Kampfandroide Julien zu Beginn des dunklen Schwarms mit den Vasallen des Industriellen Mr. Soho auf einem Schrottplatz liefern und der sogar einen riesigen Kampfroboter mit einschließt.
Mit Atlas hat Marie Graßhoff eine interessante und komplexe Protagonistin für ihre Geschichte ersonnen, von der ich gerne noch mehr lesen möchte. Neben Atlas hat mir auch ihr Androide Julien gut gefallen, der Atlas nicht nur beschützt, sondern sich auch um sie kümmert, wenn er ihr etwa Frühstück bestehend aus Pancakes und Kaffee macht. Zwischen Atlas und Julien stimmt einfach die Chemie, obwohl Julien "nur" ein Androide ist. Im Vergleich dazu bleiben weitere Nebencharaktere des dunklen Schwarms, was leider auch den jungen Künstler Noah und die toughe Polizistin Lora Hiland betrifft, sowie Atlas Beziehung zu diesen leider ein wenig blass.
Zum Ende des dunklen Schwarms sind leider Fragen für mich offen geblieben. Insofern würde ich hoffen, dass Marie Graßhoff diese in einer bereits angekündigten Fortsetzung des dunklen Schwarms noch behandeln und klären würde. Auch würde ich gerne noch mehr über die dystopische Version der Zukunft, die Marie Graßhoff im dunklen Schwarm entworfen hat, erfahren - wie insbesondere über die Kolonien auf dem Mars, wo ausschließlich Menschen aus den Sub-Levels in Minen Terraforming und Bergbau betreiben müssen.