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Veröffentlicht am 09.03.2023

Spannend erzählter Segeltörn in die Katastrophe

In blaukalter Tiefe
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"In blaukalter Tiefe" von Kristina Hauff ist ein fesselnder, kammerspielartiger Spannungsroman, der von der ersten Seite an einen beim Lesen in seinen Bann zieht.
Erzählt aus verschiedenen Perspektiven ...

"In blaukalter Tiefe" von Kristina Hauff ist ein fesselnder, kammerspielartiger Spannungsroman, der von der ersten Seite an einen beim Lesen in seinen Bann zieht.
Erzählt aus verschiedenen Perspektiven begleitet man Caroline, ihren Mann Andreas, Andreas Anwaltskollegen Daniel und dessen Frau Tanja, wie gemeinsam mit dem Skipper Eric zu einem Segeltörn in die schwedischen Schären aufbrechen. Was als eine sorgenfreie Auszeit vom Alltag geplant war, endet jedoch schon bald in einer Katastrophe, denn schnell wird deutlich, dass jeder seine eignen Geheimnisse hat und dass unter der nach außen ruhig wirkenden Fassade im inneren Konflikte brodeln, die drohen, sich ihren zerstörerischen Weg nach draußen zu bahnen. Zudem scheint der Skipper Eric nicht der zu sein, der er vorgibt zu sein...

Von Beginn an wird ziemlich schnell klar, dass jedes Mitglied der Segelgemeinschaft auf Zeit sich etwas anderes von dem Segeltörn verspricht.
Dank der kurzen Kapitel und der häufigen Perspektivenwechsel gewinnt man einen guten Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt aller handelnden Personen sowie einen Eindruck der angespannten Stimmung und Dynamik innerhalb der Gruppe. Die so gewonnene Außen- und Innenperspektive ermöglicht so ein vielschichtiges und detailliertes Gesamtbild der Lage auf dem Segelschiff. Das Bild, das hierbei von den einzelnen Charakteren gezeichnet wird, ist hierbei alles andere als positiv und wenig sympathisch, doch genau hier liegt der Reiz der unheilvollen Geschichte.
Konstant wird so die Spannung hochgehalten und man fragt sich, wann die unterschwellig feindliche Stimmung explodieren wird und es zur Katastrophe kommt.
Einzig Carolines als Charakter konnte mich nicht so richtig überzeugen, da teilweise zu überzogen und zu wenig glaubwürdig.
Neben der scharfen und klugen Charakterisierung der handelnden Personen sticht der atmosphärische und bildliche Schreibstil hervor. Die stimmungsvolle Beschreibung der Küstenlandschaft verstärken den bedrohlichen und geheimnisvollen Ton des Romans. Man fühlt sich regelrecht als Teil der Segelgemeinschaft, bei der man nebenbei auch etwas über das Segeln lernt.

Insgesamt ist "In blaukalter Tiefe" von Kristina Hauff ein atmosphärisch beklemmender, thrillerartiger und gut konstruierter Roman, dessen Stärke in der Charakterisierung der Personen und ihrer Geheimnisse und inneren Konflikte liegt. Zudem lässt die Spannung zu keinem Zeitpunkt spürbar nach lach und das Ende weiß zu überraschen.

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Veröffentlicht am 05.02.2023

Sprachlich toll erzählte Kindheit des Vaters in Sibirien

Sibir
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"Sibir" von Sabrina Janesch ist eine sprachlich eindrucksvoll und von der eigenen Familiengeschichte beeinflusste erzählte Geschichte über Vertreibung, Heimat und das Fremdsein.
Im Mittelpunkt der Erzählung ...

"Sibir" von Sabrina Janesch ist eine sprachlich eindrucksvoll und von der eigenen Familiengeschichte beeinflusste erzählte Geschichte über Vertreibung, Heimat und das Fremdsein.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht Josef Ambacher, der als 10-jähriger gemeinsam mit seiner Familie wie auch Hunderttausend anderer Deutscher nach Sibirien in die Fremde von der Sowjetarmee verschleppt wird. Jahre später kommt er nach Deutschland und ist dort wie auch in der Steppe Kasachstan Fremder. Verwoben wird seine Geschichte mit der seiner Tochter Leila, die selbst das Fremdsein aufgrund ihrer polnischen Mutter spürt und sich daran macht, die nachlassende Erinnerungen ihres Vaters zu behalten, sodass sein Lebensgeschichte nicht in Vergessenheit gerät. Josefs Schicksal steht für das vieler Deutscher, die 1945 nach Sibirien vertrieben wurden und erinnert eindringlich daran.

Ständig wechselnd zwischen der Vergangenheit in Sibirien und den 90er-Jahren in der Mühlheide wird die Geschichte aus Sicht von Josef und Leila erzählt, wodurch eine vielschichtige Charakterzeichnung beider entsteht.
Atmosphärisch erwacht hierbei unter der Feder von Janesch die sibirische Landschaft zum Leben. Gerne hätte ich noch mehr aus der Kindheit Josefs gelesen und mehr aus der Zeit während und nach der Vertreibung und der Rückkehr nach Deutschland gelesen. So blieben für mich manche Handlungsstränge etwas zu sehr an der Oberfläche oder erschließen sich mir nicht ganz.
Darüber hinaus wird auch deutlich mit welchen Herausforderungen, Problemen und Anfeindungen Josef als Kind zu kämpfen hatte und die ihn und seine Tochter auch noch in Deutschland begegnen. Es wird aber auch spürbar, welche Kraft, sie aus ihrer Gemeinschaft ziehen, aber auch welche Schatten aus der Vergangenheit noch über ihnen liegen. Als nach Zusammenbruch der Sowjetunion neue Aussiedler aus Russland kommen, treteb alte Erinnerungen hervor während Josef den neuen Ankömmlingen hilft. Die Geschichte regt dabei zum Nachdenken über Heimat an und gibt auch Einblicke in das Leben der "Russlanddeutschen".

Trotz der leichten emotionalen Distanz mancher Textstellen ist "Sibir" ein wichtiges Buch über das Schicksal vieler Hunderttausend Deutscher in der Sowjetunion nach 1945 und ist aufgrund der Thematik Vertreibung, der Bedeutung von Heimat sowie Leben und Ankommen in der Fremde zeitlos aktuell. Mit großer sprachlicher Eleganz schafft es die Autorin ein berührendes von der Geschichte geprägtes Familienporträt zu erzählen, von dem ich gerne noch mehr erfahren hätte.

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Veröffentlicht am 05.12.2022

Schweigen in den Alpen

Wintersterben
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"Wintersterben" von Martin Krüger ist ein spannender Thriller mit Gruselelementen, der in den Schweizer Alpen spielt.

Valeria Ravelli wird beauftragt, den Mord an einem ehemaligen BKA-Ermittler und Fremdenlegionär ...

"Wintersterben" von Martin Krüger ist ein spannender Thriller mit Gruselelementen, der in den Schweizer Alpen spielt.

Valeria Ravelli wird beauftragt, den Mord an einem ehemaligen BKA-Ermittler und Fremdenlegionär aufzuklären. Gefunden wurde dessen schon mumifizierte Leiche, die Spuren von längerer Folter aufweist, in einer Höhle in den Walliser Alpen. Gemeinsam mit einem Kollegen ermittelt sie in dem Fall. Dafür begibt Valeria sich in das Dorf Steinberg, in dem ihr eine Welle des Schweigens und der Feindseligkeit ausgehend von den eigenbrötlerischen Einwohnern entgegenschlägt. Jeder Dorfbewohner scheint Geheimnisse zu haben. Je mehr sie ans Licht bringt, desto stärker begibt sie sich in Gefahr und es beginnt ein Spiel um Leben und Tod.

Von Beginn an schafft es der Autor durch relativ kurze Kapitel und viele Wendungen den Spannungsbogen aufzubauen und hochzuhalten, der in einem rasanten Finale und einem Cliffhanger endet. Aus wechselnden Perspektiven folgt man Valeria und ihrem Kollegen Colin Baines, wie sie nach und nach dem Geheimnis rund um den BKA-Mann aufdecken und die Wand des Schweigens brechen. Besonders gut gelungen ist dem Autor die Erzeugung einer düsteren und beklemmenden Atmosphäre. Mit wenigen Worten fühlt man den Regen auf der Haut, ist den feindseligen Blicken der Dorfbewohner ausgesetzt und wird das unheimliche Gefühl, nicht los, beobachtet zu werden. Gekonnt wird hierbei mit Realität und Einbildung gespielt, sei es in dem Alpendorf oder in der stark abgeschirmten Luxusvilla eines zwielichtigen reichen Industriellen.
Einzig zum Ende hin schwächelt die Handlung ein bisschen und wirkt zu überladen und abgedreht im Vergleich zum Rest der Geschichte. Weniger wäre hier mehr gewesen verliert die Handlung doch so ein bisschen an Glaubwürdigkeit.

Nichtsdestotrotz ist "Wintersterben" ein spannender Thriller von Anfang bis Ende, der vor allem durch seine atmosphärisch düsteren Beschreibungen punkten kann.

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Veröffentlicht am 24.10.2022

Überzeugendes Plädoyer für eine neue Zeitkultur

Alle_Zeit
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Zeit ist eine zentrale Ressource in unserer Gesellschaft, jedoch ist diese nicht gleich verteilt. Viele leiden unter Zeitarmut, darunter wenig überraschend viele Frauen. Wer Zeit hat oder auch nicht, ist ...

Zeit ist eine zentrale Ressource in unserer Gesellschaft, jedoch ist diese nicht gleich verteilt. Viele leiden unter Zeitarmut, darunter wenig überraschend viele Frauen. Wer Zeit hat oder auch nicht, ist eine Frage von Macht und so wundert es auch nicht, dass nur einig wenig Privilegierte in den Genuss von wirklicher Freizeit, die frei von Fremdbestimmung und Pflichten ist, kommen. Um eine gerechtere Verteilung von Zeit in der Gesellschaft zu erreichen, ist deswegen eine neue Zeitkultur dringend notwendig. Nur wenn jeder die Möglichkeit hat, sich bewusst Zeit für sich persönlich anzueignen, kann jeder Einzelnen sich frei entfalten und zu freien und handlungsfähigen Mitgliedern der Gesellschaft werden.

Aufgelockert durch persönliche Erfahrungen, schafft es die Autorin ihrer Forderung nach einer neuen Zeitkultur überzeugend Ausdruck zu verleihen. In sechs gut strukturierten Kapiteln geht sie hierbei vor allem auf die Ursachen und Folgen von Zeitarmut im privaten sowie im gesellschaftlichen Bereich ein und sorgt so für den einen oder anderen neuen Denkanstoß bei den Leser*innen.

Seine Lesezeit mit Teresa Bückers "Alle_Zeit" zu verbringen lohnt sich somit auf jeden Fall, handelt es sich bei diesem leicht verständlich geschriebenen Sachbuch um ein sehr informatives und zum Nachdenken anregendes Buch über Zeit.

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Veröffentlicht am 25.08.2022

Skurrile und nachdenklich machende Geschichte über Trauer

Schlangen im Garten
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Trauer ist ein äußerst individuelles Gefühl, jeder geht anders damit um und jeder braucht unterschiedlich lange für den Trauerprozess und den erlittenen Verlust anzunehmen. Was dem einen hilft, ist für ...

Trauer ist ein äußerst individuelles Gefühl, jeder geht anders damit um und jeder braucht unterschiedlich lange für den Trauerprozess und den erlittenen Verlust anzunehmen. Was dem einen hilft, ist für jemand anderes keine Hilfe. Auch innerhalb einer Familie äußert sich Trauer bei jedem anders und ein jeder geht anders damit um.

So auch bei Familie Mohn, die im Roman „Schlangen im Garten“ von Stefanie vor Schulte um die tote Mutter Johanne trauert. Der Vater Adam und die drei Kinder Micha, Steve und Sinne versuchen alle auf ihre eigene Art und Weise mit dem Verlust der geliebten Mutter klarzukommen. Doch wie sie das Machen entspricht nicht der Vorstellung ihres Umfelds, so schaltet sich sogar das Traueramt ein und wirft der Familie Mohn Verschleppung der Trauerarbeit vor.
Das Vorhandensein eines Traueramts deutet schon an, dass die Geschichte nicht in der uns bekannten realen Welt erzählt wird. Als Leser*in taucht man in eine surreale, teils schräge und märchenhafte Welt ein, in der man die einzelnen Familienmitglieder bei ihrer individuellen Trauerbewältigung begleitet, wobei sie sich nicht an die Normen und Regeln der Gesellschaft halten. Passend zu dieser surrealen Welt ist die Sprache voller Metaphern und Poesie, was jedoch auch manchmal etwas zu viel des Guten ist und den Lesefluss behindert.

Es ist definitiv kein Roman für zwischendurch, man muss sich auf den klaren Schreibstil voller Metaphern einlassen und das skurrile und fantasievolle Setting auch mehr als Versinnbildlichung der Gefühle ansehen, um an „Schlangen im Garten“ richtig Freude daran zu haben. Doch es lohnt sich, den man wird mit einer ausdrucksstarken Geschichte, die Trauer in einem anderen Licht zeigt, belohnt, die trotz des eher traurigen Themas voller Wärme und Herz ist.

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