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Veröffentlicht am 07.01.2023

Wie und was man lesen sollte...

Die Katze, die von Büchern träumte
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Wenn ein buch schon im Inhaltstext mit “Eine zauberhafte Hommage an die Macht der Literatur und der Fantasie” beworben wird, kann man als Bibliophile nur schwer daran vorbeigehen, nicht wahr? So ging es ...

Wenn ein buch schon im Inhaltstext mit “Eine zauberhafte Hommage an die Macht der Literatur und der Fantasie” beworben wird, kann man als Bibliophile nur schwer daran vorbeigehen, nicht wahr? So ging es mir jedenfalls, als ich Die Katze, die von Büchern träumte entdeckte und das Büchlein wanderte prompt auf die Leseliste.

Ein Junge, eine Katze und die Rettung der Bücher
Bei keine 200 Seiten ist die Handlung dieser Geschichte schnell erzählt: Der schüchterne und eigenbrötlerische High School Schüler Rintaro lebt mit seinem Großvater zusammen, der ein Buchantiquariat führt und vergräbt sich dort für sein Leben gerne zwischen Nietzsche, Dumas und Shakespeare. Doch als sein Großvater plötzlich verstirbt, weiß Rintaro nicht mehr, was er tun soll. In diesem Moment taucht eine sprechende Katze auf und bittet Rintaro um Hilfe, denn es gilt Bücher zu retten. Dazu führt der getigerte Kater Rintaro in geheimnisvolle Welten, in denen die Bücher in Gefahr sind. Die Geschichte ist dementsprechend unterteilt in die verschiedenen Labyrinthe, genannte Welten, die sich alle anderen “Buchproblemen” widmen.
Schnell wird deutlich, dass es nicht nur darum geht, die Bücher zu retten, sondern vor allem auch Rintaro, der sich nach dem Tod seines Großvaters immer weiter zurück gezogen hat, die Schule schwänzt und droht zum klassischen Hikikomori zu werden. Die Geschichte setz hier klare Fokuspunkte und konzentriert sich allein auf diese beiden zentrale Themen. Dieser starke Fokus ist in meinen Augen weder als besonders gut, noch schlecht zu bewerten, sondern sei hier einfach zur Orientierung erwähnt.

Das Abenteuer der Rettung der Bücher ist also auch eine Selbstfindungsreise. Dementsprechend bekommen wir als Leser/in einen guten Eindruck von Rintaro, wie er denkt und fühlt und was für Probleme er hat. Die restlichen Charaktere bleiben dagegen etwas blass, einschließlich die titelgebende Katze, die dann doch überraschend wenig zur Rettung der Bücher beiträgt. Überhaupt entpuppen sich die Rettungmissionen als relativ unspektakulär. Rintaro trifft auf Menschen, die Bücher schlecht behandeln (dazu gleich mehr), er redet kurz mit ihnen und schon nach kurzer Zeit lässt sich sein Gegenüber überzeugen und ist bekehrt. Mission erfüllt. Das ging mir alles zu leicht und zu schnell und es ließ die wiederholten Warnungen der Katze, die Missionen seien super gefährlich, albern wirken.

Wie und was du zu lesen hast
Was mich jedoch an den Mission noch mehr egstört hat, als ihre Einfachheit ist die elitäre Sichtweise auf Literatur,d ie hinter ihnen steht. Im Grunde ist eine Aussage des Buches, dass nur Klassiker es wert sind, gelesen und geliebt zu werden. So wird zum Beispiel immer wieder betont, wie besonders Rintaros Buchhandlung sei, weil es angeblich der einzige Ort ist, an dem man noch “Literatur” wie Kant oder Nietzsche finden kann, während alle anderen Buchhandlungen nur noch Mainstream Schund verkaufen. Tatsächlich wird sogar behauptet, man bekäme Bücher von Kafka, Austen oder Saint-Exupéry nirgendwo sonst mehr (von online-handel hat der Autor offenbar noch nie was gehört). Diese Lobpreisung der klassischen Literatur als das einzig Wahre fand ich schon etwas albern und ich lese selbst auch gerne Klassiker, aber eben nicht nur. Noch schlimmer wurde es dann im dritten Labyrinth. Hier wird es als Misshandlung von Literatur dargestellt, wenn ein Verlag es wagt Bücher zu drucken, die keine tiefgehende Bedeutung haben, sondern einfach der Unterhaltung dienen. Auch wie man zu lesen hat, wird ganz genau festgelegt. So bist du zum Beispiel kein/e Bücherliebhaber/in, wenn du nicht regelmäßig bestimmte Bücher (Klassiker!) erneut liest. Kurzfassungen, Lektüreschlüssel und Zusammenfassungen darfst du nicht mal mit der Kneifzange anfassen, die gehören in den Giftschrank! Und wenn dich das Buch beim Lesen nicht fordert, und Kopfschmerzen bereitet, dann ist es nichts wert.

Letztendlich ist dieser kurze Roman zwar eine Hommage an die Literatur, nur eben leider eine ganz bestimmte, ausgewählte Art von Büchern gewidmet. Das fand ich mehr als schade, sollte Lesen doch eigentlich etwas sein, was Menschen aller Art, Herkunft, Gesellschaftsschicht etc. verbindet. Man sollte sich nicht dafür schämen müssen, wenn man statt zu Nietzsche, lieber zu Fitzek greift und es ist auch keine Schade der reinen Unterhaltung oder Entspannung wegen zu lesen, aber genau das wird hier unterschwellig suggeriert und hat mir daher sehr missfallen. Auf drei Sterne gerettet hat die Geschichte eigentlich nur ein paar allgemeingültige Aussagen zum lesen/zu Büchern, die ich sehr schön fand. So zum Beispiel, dass Lesen zwar toll ist, man aber darüber hinaus seine Mitmenschen und den Bezug zur Realität nicht vergessen sollte, oder dass Bücher einem in schwierigen Zeiten als Freunde zur Seite stehen können.

Fazit:


Die Geschichte rund um Rintaro vermittelt durchaus Liebe zur Literatur, allerdings aus einer sehr elitären Perspektive heraus, die ganz genau festlegt, wie man zu lesen hat und was es wert ist gelesen zu werden. Das ist mehr als traurig, denn ein paar sehr schöne Lebensweisheiten und Aussagen über Bücher sind in der Geschichte enthalten. Schade nur, dass sie offenbar nicht für alle Bücher und nicht für alle Leser/innen gelten.

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Das Patriarchat der Dinge und alles andere

Das Patriarchat der Dinge
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Nachdem ich letztes Jahr Unsichtbare Frauen las und es mich nicht vollständig überzeugen konnte, wurde mir im Anschluss mehrfach Das Patriarchat der Dinge empfohlen. Dementsprechend war ich mehr als neugierig, ...

Nachdem ich letztes Jahr Unsichtbare Frauen las und es mich nicht vollständig überzeugen konnte, wurde mir im Anschluss mehrfach Das Patriarchat der Dinge empfohlen. Dementsprechend war ich mehr als neugierig, ob dieses Buch das Thema überzeugender behandeln würde, als das vorherige.

Eine Welt gemacht von Männern für Männer
Worum geht es in diesem Sachbuch überhaupt? Hinter dem fast schon poetischen Titel versteckt sich im Grund eine einzige Geschichte, nämlich die, dass unsere Welt von Männer für Männer gestaltet wurde und noch immer wird. Sei es Stadtplanung, Medizin oder schlicht das Design von Alltagsgegenständen, der weiße cis Mann ist die Norm und Frauen werden entweder gar nicht extra berücksichtigt (häufigster Fall) oder werden als absonderliche Anomalie betrachtet und bekommen eine lediglich verkleinert und pink angemalte Version angeboten, Stichwort shrink it and pink it. Das ist im besten Fall ärgerlich und unpraktisch für Frauen, die Gegenstände nutzen müssen, die nicht für sie gedacht ist, im schlimmsten Fall ist es jedoch lebensbedrohlich, nämlich dann, wenn Sicherheitsvorkehrungen und Konzepte beispielsweise im Auto die weibliche Anatomie ignorieren oder in der Medizin die Wirkung von Medikamenten nur an männlichen Körpern (sowohl bei Versuchstieren, als Menschen) getestet werden.

Wer da noch behauptet, wir bräuchten keine Feminismus Bewegung mehr, sollte dringend dieses Buch lesen, denn Endler führt wirklich zahlreiche Beispiele auf, die zeigen, wie sehr Frauen auch im Alltag noch benachteiligt werden. Was der Autorin ebenfalls gut gelingt ist, die Verknüpfungen des Patriarchats und des Kapitalismus aufzuzeigen. Es mag zwar wenig überraschen, dass beide Hand in Hand gehen, doch hier bekommt man nochmal genaustens die direkten Auswirkungen dieser unseligen Paarung aufgezeigt.

Rebekka Endler ist wütend, sehr wütend
Wenn man von eben erwähnten lebensgefährlichen Datenlücken in Medizin, Katastrophenschutz und Sicherheit absieht, mögen all diese kleinen und großen Benachteiligen im einzelnen vielleicht nicht dramatisch sein und nein, ich sterbe nicht, weil in meine Jeanstaschen nichts außer ein paar Münzen passt, nichtsdestotrotz macht die Summe all dieser Benachteiligungen wütend. Zumal ja vieles davon einfach zu lösen wäre, wenn Frauen nur endlich mal mitgedacht werden würde. Und nur weil es vielleicht nichts lebensentscheidendes ist, ob ich als Frau z.B bei einer Gesundheitsapp mitbedacht erde oder nicht, heißt es doch nicht, dass man dies nicht kritisieren darf und ob der Ungerechtigkeit nicht verärgert sein darf. Wir Frauen haben also einen guten Grund wütend zu sein und ein Recht, dass man unsere Wut wahrnimmt. Dementsprechend hat auch Rebekka Endler allen Grund dazu, wütend zu sein und ja auch, diese Wut in ihr Buch einfließen zu lassen und sprachlich auch mal ausfallend zu werden. Das muss nicht jeder mögen, ist aber zu akzeptieren.

Was in meine Augen jedoch nicht ok ist, ist bei all der Emotionalität des Themas die Recherche zu vernachlässigen und das geschieht in diesem Buch leider ein paar mal. Häufiger betrachtet sie bestimmte Beispiele aus einem sehr einseitigen, ihrer Argumentation zuträglichem Blickwinkel und lässt größere Kontexte außer Blick. Zum Beispiel erwähnt sie ein in Frauenhaut gebundenes Medizinbuch aus dem 19. Jh. und wirft dem Arzt, der dieses herstellte die krudesten Gewalt- und Rachefantasien vor. Dass das Binden, gerade von Medizinbüchern in Menschenhaut im 19. Jh. zwar nicht in Massen geschah, aber doch gängige Praxis (und nicht mit denselben moralischen Tabus belegt war, wie heute) war und dafür mehrheitlich die Haut von verstorbenen Männern verwendet wurde, erwähnt sie nicht. Tatsächlich haben viele derjenigen, deren Haut nach ihrem Tod als Einband endete, diese zu Lebzeiten genau dafür verkauft. Daher stammt auch das Sprichwort “seine Haut zu Markte tragen“. Durch das Weglassen dieses Kontextes, erscheint Endlers Beispiel jedoch in einem ganz anderen Licht, liest sich ihr Text doch jetzt so, als ob ausschließlich Frauen von sadistischen Ärzten als Form von Rache an dem gesamten weiblichen Geschlecht, gegen ihren Willen gehäutet wurden.
Und solcherart Beispiele finden sich häufiger. Es ist völlig ok auch in einem Sachbuch emotional zu sein, trotzdem sollte doch eine gewisse fachliche Professionalität gewahrt werden, und Kontexte nicht ignoriert werden, nur weil das Gesamtbild dann nicht zu dem passt, was man erzählen möchte.

(K)ein Buch über Feminismus im Allgemeinen
Leider ist das nicht mein einziger Kritikpunkt am Buch. Was mir ebenfalls nicht ganz zusagte, ist die Art und Weise, wie die Autorin ihr Buch strukturiert. Im Vorwort schrieb sie noch, sie wolle kein allgemeines Buch über Feminismus schreiben, sondern sich ganz auf das titelgebende Patriarchat der Dinge konzentrieren. Letztendlich hat sie sich an diesen Vorsatz aber nicht gehalten und irgendwie doch ein allgemeines Feminismusbuch geschrieben. Denn während sie zunächst doch noch sehr eng beim Thema vom patriarchistischem Design bleibt, weicht sie selbst diesen Begriff immer weiter auf und redet am Ende über viele Sachverhalte, in denen es zwar um die Unterdrückung der Frau geht, die mit patriarchistischem Design jedoch nichts mehr zu tun haben. Hinzu kommt ein ausgeprägter Drang zum Abschweifen. Endler beginnt mit einem Theme, führt dazu dann noch konkrete Beispiele auf, zu diesen Beispielen jedoch folgen weitere Beispiele und schwupps, ist sie vom eigentlichen Thema abgewichen und findet auch oft den Weg dahin nur mühsam oder gar nicht wieder zurück. Das gestaltet das Lesen dieses Buches oftmals mühsam und langatmig, da man sich des Öfteren fragt “Warum reden die Autorin jetzt nochmal von dem und dem?”

Dieser Hang zum Abschweifen führt auch dazu, dass eigentlich treffende und gute Aussagen etwas untergehen. An dieser Stelle wäre es einfach besser gewesen enger beim Thema zu bleiben und dieses dafür akzentuierter zu besprechen.

Fazit:


Auch dieses Buch über Sexismus im Design und Alltag konnte mich nur halb überzeugen. Das Thema ist wichtig, ja und Rebekka Endler listet zahlreiche wachrüttelnde Beispiele auf, die wütend und nachdenklich zugleich machen und führt uns Leser*innen gut die fatalen Zusammenhänge von Patriarchat und Kapitalismus vor. Leider verliert sie bei all der Wut hin und wieder sowohl den Blick fürs Wesentliche, als auch den auf die großen Kontexte, was ihre Argumente einseitig werden lässt.

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Emotional, doch ohne Tiefe

Der letzte Papierkranich - Eine Geschichte aus Hiroshima
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Ich kann nicht genau sagen wieso, oder was das über mich aussagt, aber die Atombombenabwürde in Hiroshima und Nagasaki üben eine grausige Faszination auf mich aus. Vielleicht, weil es nicht in meinem Kopf ...

Ich kann nicht genau sagen wieso, oder was das über mich aussagt, aber die Atombombenabwürde in Hiroshima und Nagasaki üben eine grausige Faszination auf mich aus. Vielleicht, weil es nicht in meinem Kopf will, wie man zu diesen Waffen greifen konnte, wie man wissentlich so viel Leid und Elend verursachen konnte. Ich versuche das Schicksal dieser Menschen zu verstehen, versuche zu verstehen, was aber eigentlich nicht verstanden werden kann. Trotzdem greife ich immer wieder zu Büchern, die diese Thematik aufgreifen und so geriet auch Der letzte Papierkranich schnell in mein Blickfeld.

“Wir alle sind Geschichten”
In dem Buch haben wir zwei Handlungsstränge. Die Rahmenhandlung spielt in der Gegenwart. Mizuki macht sich Sorgen um ihren Großvater Ichiro, der zunehmend verbittert und verzweifelt wirkt. Sie möchte ihm helfen und sucht daher die Ursache für seine Traurigkeit. Schnell stößt sich auf die tragische Vergangenheit ihres Großvaters in dessen Heimatstadt Hiroshima …
Dieser Gegenwart-Teil ist komplett in Versform geschrieben, wobei der “Text” in einer freien Versform ist, während die Kapitel stets von einem Haiku eingeleitet werden. Ein Ansatz, den ich sehr interessant fand und der sich doch besser lesen ließ, als erwartet.

Schatten der Vergangenheit
zehren an seiner Seele
Was geschieht in seinem Kopf,
was ihm so zusetzt?

Was bedrückt
den Mann,
der mir einst
das Radfahren
beibrachte?

(Der letzte Papierkranich von Kerry Drewery, Arctis Verlag, 2020, S. 21.)


Wenngleich ich, nur eine Leseprobe des Originals gelesen habe und es daher nicht ganz genau sagen kann, habe ich doch das Gefühl, dass Meritxell Janina Piel als Übersetzerin hier auch einen wirklich guten Job gemacht hat. Zumindest bei den freien Versen. Die Haikus verlieren manchmal etwas von ihrer Bedeutung, aber das kreide ich ihr nicht an, denn Haikus sind halt echt schwer zu übersetzten, da man ja drauf achten muss die Silbenzahl beizubehalten.


Wenn deine Welt von einer Sekunde zur anderen explodiert
Der mittlere Teil ist wieder in Prosaform geschrieben und in dem erzähl Großvater Ichiro von seiner Vergangenheit und den Ereignissen in Hiroshima, als die Bombie fiel, wobei er mit seinen Erinnerungen unmittelbar vor dem Abwurf beginnt.

Aus dem Augenwinkel sehe ich Hiro, der zum Fenster geht.
“Ein B-29-Bomber”, stellt er fest. “Aber nur einer.”
Mein Finger liegt auf Seite dreihundertachtundvierzig und markiert das letzte Wort, das ich im “Davor” lesen werde, während ich das deutliche und vertraute Brummen des amerikanischen Flugzeugs höre. Hiro dreht sich zu mir um. “Da ist irgendwas …”
Der Rest seines Satzes verbrennt im alles verschlingenden Weiß.

(Der letzte Papierkranich von Kerry Drewery, Arctis Verlag, 2020, S. 32f..)


Als Leser/in begleiten wir Ichiro und seinen Freund Hiro auf ihrer Suche nach Keiko durch das bis zur blanken Erde zerstörtem Hiroshima. Leider kann man sich eigentlich, wenn man den online genutzten Inhaltstext durchgelesen hat, diesen Teil fast sparen, da der Inhaltstext aber auch wirklich ALLES vorwegnimmt, was in Anbetracht der Kürze des Buches nicht nur ärgerlich, sondern schlichtweg untragbar ist.

Hat man nur den Klapptext auf der Rückseite des Buches gelesen (den ich auch oben verwende) ist man besser dran und ist das Schicksal von Ichiro und Keiko in Hiroshima deutlich emotionaler, wenngleich, und das ist mein großer Kritikpunkt an diesem Buch, alles trotzdem sehr oberflächlich bleibt. Das Buch ist im Grunde viel zu kurz, um die Emotionen wirklich zu übermitteln, die es den/die Leser*in fühlen lassen will. Die Handlung fliegt dahin, Figuren bleiben blass, für tiefgründige Auseinandersetzungen mit dem Grauen fehlt die Zeit. Die Geschichte ist dramatisch, keine Frage, doch es ist Schrecken, erzählt im Eiltempo, weshalb es viel von seiner Eindringlichkeit verliert. Auch das Ende der Rahmenhandlung fand ich viel zu schnell erzählt und in meinen Augen auch etwas zu kitschig. Zumindest letzteres ist jedoch eher Geschmackssache. Ein bisschen hatte ich auch das Gefühl, dass die Autorin ihre Ideen aus Die letzten Glühwürmchen und Sadako will leben zusammengemischt hat, aber das nur mein Gefühl, ich will der Autorin da nichts unterstellen und lasse diesen Punkt auch nicht in meiner Bewertung einfließen.

Fazit:


Das Buch ist für Jugendliche als Einstieg in dieses Thema sicher nicht verkehrt. Es ist ein kurzes, aber einnehmend erzähltes Einzelschicksal, dass ohne zu verstören versucht, dieses katastrophale Ereignis abzubilden. Um wirklich nachhaltig bewegend zu sein, fehlt es jedoch deutlich an Tiefe, denn ein sensibles Thema allein, macht noch kein tiefgründiges Buch.

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Veröffentlicht am 19.04.2022

Nicht meine Art von Grusel

Spuk in Hill House
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Dieses Buch steht schon seit dem Erscheinen dieser Neuauflage auf meiner Wuli. Lange habe ich versucht es zu ertauschen, doch niemand wollte es abgeben, ein Punkt, der schlecht für mich ist, aber immer ...

Dieses Buch steht schon seit dem Erscheinen dieser Neuauflage auf meiner Wuli. Lange habe ich versucht es zu ertauschen, doch niemand wollte es abgeben, ein Punkt, der schlecht für mich ist, aber immer für das Buch spricht. Als ich es dann endlich ergattern konnte, war ich super neugierig auf das Buch und legte gleich los. Umso enttäuschter bin ich, dass ich mich nicht den begeisterten Stimmen anschließen kann.

Spuk oder kein Spuk, das ist hier die Frage
Ich muss sagen, dass mir diese Rezension alles andere als leicht fällt. Nicht nur, weil ich das Buch eigentlich so gerne hätte gemocht hätte, sondern vor allem deshalb, weil ich denke, dass die Gründe weniger beim Buch selbst liegen, als viel mehr der Tatsache geschuldet sind, dass Buch und ich einfach nicht zusammen passen. Das ist natürlich auch ein legitimer Grund ein Buch nicht zu mögen, macht das Rezensieren jedoch schwerer, da ich dem Buch kaum etwas vorwerfen kann, außer nicht meinen Geschmack getroffen zu haben. Ich entschuldige mich daher schon mal, dass diese Rezension etwas kürzer ausfallen wird.
Ich werde euch jetzt einfach erzählen, was ich mir ursprünglich erhofft hatte und warum Spuk in Hill House diesen Erwartungen nicht entsprach. Das hat für euch Leser/innen dann immerhin noch Mehrwert, als dass Leute mit ähnlichen Erwartungen wie ich, das Buch besser einschätzen können.

Also, was habe ich mir erhofft? Ein Gruselbuch natürlich, aber vor allem übernatürlichen Horror. Ich liebe Geistergeschichten jeglicher Art. Das Spannendste daran ist dann für mich immer herauszufinden, wieso, weshalb, warum es spukt, welche tragische Vergangenheit dahintersteckt und was der Geist eigentlich will. Das alle setzt natürlich voraus, dass es tatsächlich spukt und hier stieß ich bei Spuk im Hill House auf das erste Problem. In Shirley Jacksons Schauerroman ist es nämlich alles andere als sicher, ob überhaupt übernatürliches in dem House vorhanden ist, oder ob alles auf eine eigenwillige Architektur und der Psyche der Protagonistin basiert.
Der Roman entwickelt sich zum Psychothriller. Sprachlich elegant und atmosphärisch dicht webt die Autorin ein Spinnennetz rund um die Figuren und den/die Leser/in dem, einmal verfangen, sich kaum noch sagen lässt, was wahr ist und was nicht, was Einbildung und was Realität. Das ist wirklich gut gemacht, keine Frage und objektiv betrachtet kann ich auch nachvollziehen, warum dieses Buch zum Klassiker wurde und auch viele begeisterte Anhänger hat. Nichtsdestotrotz ist es einfach nicht meine Art von bevorzugtem Grusel. Ich mag “echte” Geistergeschichten. Ich will den übernatürlichen Horror erleben und mich nicht ständig fragen, ob das, was geschildert wird, nur dem Wahnsinn der Figuren entspricht. Daher war Spuk in Hill House leider nicht mein Buch.

Fazit:


Ich war einfach die falsche Leserin für dieses Buch. Statt übernatürlichem Horror bekommt man ihr vor allem einen Psychothriller und das Charakterprofil eines zunehmend labiler werdenden Menschen. Das kann definitiv begeistern und hat ja auch seine zahlreichen Liebhaber/innen. Es ist jedoch keine Art von Grusel, die ich bevorzuge.

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Absolut durchschnittlich mit kaum eigenen Ideen

The Crown's Game
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Dieses Buch stand schon lange auf meiner Wuli. Der Klapptext erinnerte mich gleich an Der Nachtzirkus von Erin Morgenstern und dieses Buch liebe ich abgöttisch. Da wollte ich the Crowns Game natürlich ...

Dieses Buch stand schon lange auf meiner Wuli. Der Klapptext erinnerte mich gleich an Der Nachtzirkus von Erin Morgenstern und dieses Buch liebe ich abgöttisch. Da wollte ich the Crowns Game natürlich auch eine Chance geben, leider konnte es mich nicht mal annähernd so begeistern.

Magier im Zarenreich
Was mich an dem Buch am meisten gereizt hatte, war das Setting des russischen Zarenreichs und zwar nicht nur in Anlehnung, wie z. B. bei der Grischa Trilogie, sondern tatsächlich Sankt Petersburg als historischen Schauplatz. Ich hatte halt schon immer eine Schwäche für historische Fantasy. Leider konnte mich die Autorin hier nur halb überzeugen.
Gut gelungen sind Evelyn Skye die Beschreibungen von Sankt Petersburg bez. der Landschaften allgemein. Man bekommt als Leserin einen guten Eindruck der Pracht der Zarenstadt und sie geht in ihren Beschreibungen glücklicherweise über die reine Betonung von Zwiebeldächern hinaus, das hat mir gut gefallen und man gewinnt den Eindruck, dass die Autorin schon selbst dorrt war, oder sich zumindest viele Fotos angeschaut hat.

Leider scheint sie diese Akribie bei der restlichen Recherche nicht an den Tag gelegt zu haben. Sie bemüht sich zwar sichtlich russischen Flair aufkommen zu lassen, bedient sich dabei aber vor allem Klischees. So betrinken sich die Leute mit Kwas, dabei hatte der im 19. Jh. schon fast gar keinen Alkohol mehr, der Alkoholgehalt von Kwas liegt bei ca. 0,5 – 1%, zum Vergleich die meisten Fruchtsäfte haben einen Gehalt von 0,3% (das könnte man bei der Gelegenheit auch Leigh Bardugo mal sagen).
An anderen Stellen ist sie hingegen viel zu modern unterwegs. Ihre Darstellung eines Hofballs zum Beispiel hätte jeden Hofmeister des 19. Jahrhunderts ob der Verstöße gegen das Zeremoniell in panische Schnappatmung versetzt.

Der tödliche Kampf, der keiner ist
Über diese Fehler hätte man ja noch hinwegsehen können, wenn die Handlung wenigstens gut gewesen wäre. Doch das Wort, dass mir nach dem Lesen vor allem im Kopf rumspukt ist: langweilig! Wir haben zwei Magier im Zarenreich. Aus Gründen, die etwas fadenscheinig sind, darf es aber nur einen Magier in Russland geben, also müssen die beiden in einen tödlichen Wettkampf zeigen, wer als Magier des Zaren und damit für die Verteidigung Russlands gegen seine Feinde besser geeignet ist.
Die beiden Protagonisten Vika und Nikolai wurden ihr ganzes Leben darauf vorbereitet, doch sobald sie einander erblicken, sind sie sofort verliebt und der eigentlich tödliche Wettkampf wird von Anfang an halbherzig und unwillig mit ein paar Zauberkunststückchen ausgeführt, weswegen nie das Gefühl von Spannung oder Bedrohung aufkommt.

Auch finde ich es etwas seltsam, dass ein Zar der einen Magier für den Krieg sucht sich von Spielereien wie Springbrunnen und bunte Hausfassaden beeindrucken lässt. Hier hatte ich das schale Gefühl, dass direkt versucht wurde Der Nachtzirkus zu kopieren, ohne darauf zu achten, ob das überhaupt zur eigenen Ausgangssituation passt. Auch gibt es so manche Szenen zwischen Vika und Nikolai, die unangenehm direkt an Erin Morgensterns Werk erinnern, und zwar in einer Art und Weise dir über Inspiration” hinausgehen, bei weitem aber nicht deren Raffinesse erreichen.

Und das Liebesdreieck, das keins ist*
Nun habe ich schon viel kritisiert und bin leider immer noch nicht fertig, denn genauso langweilig, wie der Kampf der Magier, ist die romantische Beziehung. Vika und Nikolai haben selbst für Jugendbuchverhältnisse eine Blitzliebe und das will schon was heißen. Als Drittes im Bundes haben wir den Prinzen Pascha, der da mehr Dramatik reinbringen soll, einem am Ende aber nur Leid tut, denn was ein Liebesdreieck sein soll, ist in Wahrheit keins, denn Pascha war nie wirklich eine Option. Es ist von Anfang an klar, dass Vika und Nikolai das gepushte Paar sind. Liebesdreiecke können spannend sein, aber nur, wenn beide potenzielle Charaktere echte reelle Chancen haben. So ist es nur viel heiße Luft und der Ausgang von Anfang n klar. Gähn. Auch sonst bleibt die unsterbliche Liebe der beiden Protagonisten hohl und oberflächlich. Es wird viel geschmachtet und Aussehen und Magiekünste des anderen gelobt, große Gefühle sucht man aber vergebens.

Fazit:


Vielleicht, wenn man noch nie ein Jugendfantasyroman gelesen hat oder wenn man die typischen YA Kniffs und Wendungen amüsant findet, kann man Gefallen an The Crown’s Game finden. Wem jedoch die gängigen Jugedbuchklischees mittlerweile auf die Nerven gehen, der wird auch mit diesem Buch nicht glücklich werden. Denn mit seiner Instaliebe und der schwachen Handlung ist dies ein völliges 0815 Buch, an das ich mich in einem Jahr wahrscheinlich schon gar nicht mehr erinnern werde.

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