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Veröffentlicht am 27.11.2022

Kein Partygag, sondern echte Aufklärungsarbeit!

100 Karten über Sex
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Wer meinem Blog, oder meinem Insta Account schon länger folgt, dürfte mitbekommen haben: Ich liebe den Katapult Verlag/das Katapult Magazin. Daher “arbeite” ich mich weiter hochmotiviert durch das Verlagspogramm. ...

Wer meinem Blog, oder meinem Insta Account schon länger folgt, dürfte mitbekommen haben: Ich liebe den Katapult Verlag/das Katapult Magazin. Daher “arbeite” ich mich weiter hochmotiviert durch das Verlagspogramm. Nach kuriosen Grenzen und Wissenswertes über Sprachen widmen wir uns nun der (angeblich) schönsten Sache der Welt.

Von A wie Asexuell bis Z wie Zensur
Das Buch heißt 100 Karten über Sex, das ist natürlich etwas griffiger als 100 Karten über Sex, Sexualität, Geschlechteridentität, Feminismus und geschlechtsbezogene Gesellschaftsnormen, wobei letztere die breite Bandbreite an Themen in diesem Buch besser ausdrückt (wäre aber wohl kein Verkaufsschlager geworden). Die Diversität und Themenvielfalt in diesem Atlas begeisterte mich von den ersten Seiten an. Zwar darf auch der Katapult typische Humor nicht fehlen, wenn z.B. Orte oder Bandnamen aufgezählt werden, die eindeutig zweideutig sind, geschildert wird, warum ein Staubsaugerhersteller sein Modell für die Bedürfnisse mancher Männer anpasste oder auf das Paradoxon des Namens des Kondomhersteller Ramses verwiesen wird. Doch während ich beim Spracheatlas manche doch recht flachen Witze zu albern fand, war man hier sparsamer und trifft die Balance zwischen Ulk und informativen Beiträgen deutlich besser.

Doch die Themenbandbreite ist, wie gesagt, groß und der Atlas spricht viele Themen an, die alles andere, als zum Lachen sind, so erfahren wir u.a. in welchen Ländern Homosexualität oder Transidentität mitunter per Todesstrafe verboten sind. Andere Themen sind u.a. die Anzahl von Fehlgeburten, sexuelle Gewalt im Krieg, Todesfälle im “einvernehmlichen Geschlechtsverkehr”, die Verbreitung von Genitalverstümmelung oder die steigende Anzahl an HIV Infektionen in Osteuropa und Asien. Bei solchen Karten muss man schon schlucken, aber es ist wichtig, dass auch diese Schattenseiten angesprochen werden und Katapult macht dies an dieser Stelle eindringlich, mit den gewohnt leicht zugänglichen Grafiken. Lobenswert sind an dieser Stelle auch die ergänzenden Texte, davon gibt es mehr, als im Spracheatlas, was aber wahrscheinlich den Themen zugrunde liegt. Die Texte sind informativ und benennen Probleme deutlich, wahren aber gleichzeitig einen gewissen sensiblen Ton, der bei einigen dieser Themen auch angemessen ist.

Als Ausgleich zu diesen schwer verdaulichen Statistiken, finden sich in dem Buch aber auch viele Grafiken, die Mut und Hoffnung machen. Die lebesbejahend sind, die Diversität feiern und einen offenen Umgang mit Sexualität fördern. Sei es, wenn über weibliche Masturbation gesprochen wird, aufgeklärt wird, dass es Homosexualität, und Intergeschlechtlichkeit auch im Tierreich gibt, also alles andere als gegen die Natur ist, oder wenn echte Aufklärungsarbeit über die Klitoris geleistet wird, deren vollständiges Aussehen selbst einige Ärzte nicht kennen. Am Ende klappt man das Buch zu und hat das Gefühl, viel Trauriges, aber auch viel Gutes gelesen zu haben und vor allem so einiges gelernt zu haben.

Fazit:


Wieder ein Volltreffer von Katapult. Manche mögen bei dem Titel vielleicht an ein lustiges Buch als Partygag denken, doch 100 Karten über Sex ist so viel mehr. Mit seinen ansprechenden Grafiken, den informativen Texten und der breiten Themenvielfalt leistet es echte Aufklärungsarbeit in so ziemlich allem, was mit “Sex and Gender” zu tun hat. Eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Menschen, Götter, Hybris

Mythen der Antike: Sisyphos & Asklepios (Graphic Novel)
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Ein weiterer Band der Mythen der Antike Reihe durfte bei mir einziehen. Dieses Mal stehen zwei mythische Gestalten im Fokus, von denen die meisten wohl schon mal gehört haben, den genauen Mythos dahinter ...

Ein weiterer Band der Mythen der Antike Reihe durfte bei mir einziehen. Dieses Mal stehen zwei mythische Gestalten im Fokus, von denen die meisten wohl schon mal gehört haben, den genauen Mythos dahinter kennen jedoch viele nicht. Die Rede ist von dem Heiler Asklepios und König Sisyphos.

Der Arzt, der König und die Sache mit der Hybris
Fangen wir mit Asklepios an, denn entgegen dem Titel, startet auch die Graphic Novel mit ihm. Asklepios der Sohn Apollons und der Meister der Heilkunst der später von den Griechen sogar selbst als Gott der Heilkunst verehrt wurden und dessen Tempel zu den frühsten Zentren der Medizin wurden, zu denen Menschen aus aller Welt pilgerten, um Linderung zu erfahren. Hippokrates erlernte im Asklepios Heiligtum auf Kos sein Handwerk und auch in Rom hielt sein Kult Einzug. Und sein von einer Schlange umwundener Stab, der Asklepiosstab, auch Äskulapstab genannt, ist bis heute ein internationales Symbol der Medizin. Doch all das passierte nach dem irdischen Leben des Heilers, mit diesen beschäftigt sich jedoch diese Graphic Novel und erzählt Asklepios Geschichte von dessen dramatischen Geburt, bis zum Tod.
Darauf folgt recht übergangslos die Geschichte von König Sisyphos. Wo Asklepios den Menschen helfen wollte, hat Sisyphos hauptsächlich seien eigenen Interessen im Sinn. Seine Strafe, die als Redewendung für eine endlose, mühsame und sich nicht lohnende Arbeit, Eingang in unsere Sprache gefunden hat, ist das Ergebnis seiner verschlagenen Tricks, mit denen er sogar die Götter und den Tod übers Ohr hauen konnte.

Ein Heiler und ein verschlagener König, das scheint auf den ersten Blick eine seltsame Kombination zu sein. Der Kontrast zwischen Asklepios, der den Menschen helfen möchte und Sisyphos, der stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, ist groß. Aber das ist wohl genau so beabsichtigt, denn Geschichten über die Folgen von Hybris, gibt es in der griechischen Mythologie viele, trotzdem entschied man sich, genau diese beiden in einem Doppelband zu vereinen. Vielleicht weil es zeigt, dass es keine Rolle spielt, aus welchem Grund man die natürliche Ordnung ins Wanken bringt, ob aus guter Absicht, wie Asklepios, oder puren Eigennutz, wie Sisyphos, das Ergebnis bleibt dasselbe: Die natürliche Ordnung des Universums muss wieder hergestellt werden. Im Nachwort geht Luc Ferry genau darauf näher ein und knüpft sogar Verbindungen zu neuzeitlichen Werken, wie z. B. Mary Shellys Frankenstein. Zwar hat er viele seiner Aussagen, schon so, oder in ähnlicher weise, in älteren Bänden getroffen und LeserInnen der Reihe, die schon länger dabei sind, erfahren leider kaum etwas Neues, für Einsteiger ist dieses Nachwort jedoch sehr erhellend.

Nun ist Sisyphos & Asklepios nicht der erste Doppelband in dieser Reihe, doch er macht seien Sache besser, als andere. Bei Orpheus und der Raub der Persephone hatte ich z. B. ein paar Kritikpunkte, die hier deutlich besser gemacht wurden. Gut gefallen hat mir, dass die Schlussfolgerungen auch ohne Nachwort schon aus den beiden Geschichten allein relativ klar wird, sodass es in diesem Punkt der lose Übergang von dem einem zum anderen Mythos nicht weiter schlimm ist. Auch ist kein Mythologievorwissen nötig, da beide Mythen leicht verständlich erzählt werden. Letztendlich sind es aber auch von der Länge sehr gut gewählte Geschichten. Während Orpheus und Persephone jeweils mehr Raum bzw. je einen eigenen Band gebraucht hätte, haben diese beiden Mythen die passende Länge, um zusammen in einem Band zu funktionieren.

Fazit:


Sisyphos & Asklepios ist ein Band in der Mythen der Antike Reihe, der mich wieder voll überzeugen konnte und zeigt, dass das Kombinieren zweier Mythen in einem Band doch sinnvoll möglich ist. Daher gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Düsteres Fantasymärchen

Tenebrae. Band 1
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Schon in der Vorschau hat das Cover meine Aufmerksamkeit geweckt und als ich dann die Teaser Überschrift “Düsteres Fantasy Märchen” las, war für mich schon klar, dass ich Tenebrae lesen wollen würde.

Ein ...

Schon in der Vorschau hat das Cover meine Aufmerksamkeit geweckt und als ich dann die Teaser Überschrift “Düsteres Fantasy Märchen” las, war für mich schon klar, dass ich Tenebrae lesen wollen würde.

Ein gefallener Held und eine ganz und gar nicht hilflose Prinzessin
Tenebrae, was übrigens Latein für Finsternis ist, beginnt ohne viel Tara direkt in der Geschichte. Wir lernen den Ritter Arzhur kennen, einst ein strahlender Held, doch nun aufgrund eines Fehlers in der Vergangenheit ein Trunkenbold, der sich als Söldner verdingt. Als dann drei mysteriöse alte Frauen erscheinen und ihm für einen Auftrag nicht nur Gold, sondern auch die Wiederherstellung seiner Ehre versprechen, ist Arzhur natürlich mehr als willig den Handel einzugehen. Und der Auftrag klingt auch wir die perfekte Gelegenheit, um aus der Sache wieder als tugendhafter und bejubelter Ritter hervorzugehen: Eine Prinzessin soll aus einer von Monster bewachten Burg gerettet und ihrem Vater, dem König zurückgebracht werden. Doch was wie eine einfache Heldentat klingt, ist nicht das, was es zu sein scheint.

Bei zwei geplanten Bänden zu je 80 Seiten kann sich jeder Denken, dass diese Heldenreise der anderen Art sehr zügig vonstattengeht und so ist es auch. Die Geschichte hält sich nicht mit allzu vielen Details auf und ist auch nicht sonderlich komplex, dafür hat sie einen hohen Unterhaltungswert. Arzhur und Islen als Protagonist/innen werden genug beleuchtet, dass man als Lese/in mit ihnen mitfiebert und die Geschichte hat genug Geheimnisse, die es zu lüften gilt, um konstant Spannung zu erzeugen. Die Handlung mag etwas geradlinig ablaufen, hat aber trotzdem den ein und anderen Twist vorzuweisen, die die klassische Heldenreise hinterfragen und wie schon der Teaser versprach, das Bild eines düsteren Märchens zeichnen. Zum Ende hin überschlagen sich dann die Ereignisse, werden nochmals düsterer und lassen einen sich im Hinblick auf die Entwicklung der Charaktere sehr auf den zweiten Band freuen.

Gekrönt wird die interessante Erzählung durch den wunderschönen Stil von Vincent Mallié. Die Mimik der Charaktere ist ausdrucksstark, selbst wenn mal nicht alle Details ausgearbeitet sind. Letzteres gilt vor allem für die drei Hexen, die oft nebulös und bedrohlich zugleich wirken. Sehr gut gefallen haben mir auch die Proportionen der Frauenfiguren. Unsere Prinzessin sieht nicht aus wie eine zarte Elfe, die in nächsten Moment droht davon geweht zu werden, sondern hat ein gesundes Gewicht und wirkt damit viel lebendiger. Und zum Schluss auch ein Lob an die tolle Kolorierung von Bruno Tatti, dem es meisterlich gelingt sowohl für die lichten, als auch düsteren Momente die richtige Farbstimmung auszuwählen.

Fazit:


Tenebrae erzählt keine allzu komplexe, aber dafür eine sehr unterhaltsame und spannende Geschichte, die mit düsteren Elementen spielt und klassische Helden hinterfragt. Begleitet von einem sehr ansprechenden Zeichenstil und stimmungsvolle Kolorierungen ist Tenebrae ein Leckerbissen für zwischendurch.

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Veröffentlicht am 19.04.2022

In der Tragödie gibt es keinen Gewinner

Mythen der Antike: Antigone (Graphic Novel)
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Nachdem ich meinen Einstieg in diese Graphic Novel Reihe mit Oedipus fand, wollte ich als Nächstes den Band lesen, der direkt darauf aufbaut, denn Antigone ist die Tochter von Oedipus. Gesagt, getan und ...

Nachdem ich meinen Einstieg in diese Graphic Novel Reihe mit Oedipus fand, wollte ich als Nächstes den Band lesen, der direkt darauf aufbaut, denn Antigone ist die Tochter von Oedipus. Gesagt, getan und ich verrate euch gleich: Antigone konnte ihren Vater sogar übertreffen.

Viele großartige Künstler/innen, ein Stil
Bevor ich inhaltlich auf Antigone zu sprechen komme, möchte ich einen Punkt ansprechen, der mir an der Reihe im Gesamten jetzt schon sehr gefällt. Vielleicht ist es ja wem schon aufgefallen, dass oben im Titel nicht ganz die gleichen Namen, wie bei Oedipus stehen, das liegt nämlich daran, dass Luc Ferry für seine Graphic Novel unterschiedliche Künstlerinnen ins Boot holt. War es bei Oedipus noch Diego Oddi, erfreut und bei Antigone Clotilde Guiseppe Baiguera mit seienr Kunst. Das bemerkenswerte dabei ist aber, dass es tatsächlich kaum auffällt. Wir haben zwar unterschiedliche Künstlerinnen, die wenn man genau hinschaut auch ihre persönlichen Eigenarten und Charakteristika haben, aber der grundlegende Stil bleibt derselbe. Man braucht also trotz der diversen Illustrator/innen nicht fürchten, dass man mal ein Band umgehen muss, weil der Stil nicht den persönlichen Geschmack trifft.

In der Tragödie gibt es keinen Gewinner
Kommen wir zum Inhalt. Ich muss jetzt ein großes Geständnis machen und hoffe, dass meine ehemaligen Archäologie- und Alte Geschichte Profs das nie lesen werden: Bevor ich diese Graphic Novel las, hatte ich keine Ahnung wer Antigone ist und worum es in der Tragödie geht. Dass es eine Tragödie namens Antigone von Sophokles gab, das wusste ich, das war dann aber auch schon alles. Schande über mich, Asche auf mein Haupt.
Umso neugieriger verfolgte ich Antigones Schicksal in dieser Graphic Novel und war mit jeder Seite begeisterter. Tatsächlich, gerade auch nach der Lektüre des wieder sehr informativen Anhangs, ist Antigone für mich eine der vollkommensten Tragödien. Mit Oedipus konnte ich nur bedingt mitfühlen, denn wenngleeich unwissend wen, hat er ja bewusst einen Menschen umgebracht und damit die Ereignisse in Gang gesetzt. Sein Schicksal könnte man daher nach meiner persönlichen Meinung auch einfach als Strafe, Karma oder was auch immer, denn als Tragik sehen. Doch Antigone ist da anders.

Die Tragik ist hier dadurch bedingt, dass beide im Streit stehenden Parteien eigentlich völlig nachvollziehbare, legitime und vernünftige Gründe für ihr Handeln haben. Im Gegensatz zum Heldenepos gibt es keinen deutlichen Feind, den der tapfere Held erschlägt und damit Recht und Ordnung wiederherstellt. Nein, hier sind sowohl Antigones, als auch Kleons Positionen rechtens und vernünftig und die eigentliche Tragik ist, dass sie im Gegensatz zueinander stehen und damit einen Konflikt auslösen, der in nichts anderem, als den Untergang enden kann.
Als Leser/in ist dies einem klar, das Unheil absehbar und doch berührt einen das geschilderte Drama. Man erwischt sich dabei zu hoffen, dass es doch noch eine Lösung gibt, aber wenn man genau darüber nachdenkt, muss man zur Einsicht kommen, dass es diese Lösung gar nicht geben kann und gerade durch diese Erkenntnis, hallt das Ende von Sophokles Tragödie noch lange nach und regt zum Nachdenken an. Mir jedenfalls wird Antigone und die hier vorliegende wunderbare grafische Umsetzung noch lange im Gedächtnis bleiben.

Fazit:


Eine wunderbare Adaption einer der vollkommensten griechischen Tragödien, die alle meine Erwartungen übertroffen hat. Egal, ob man Sophokles Tragödie nun schon kennt, oder nicht, diese Graphic Novel holt sowohl erzählerisch, als auch grafisch den/die Leser/in ab, regt zum Nachdenken an und hallt noch lange nach. Mein Monatshighlight.

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Veröffentlicht am 20.02.2022

Einsteigerfreundliche Adaption einer der bekanntesten Griechischen Tragödien

Mythen der Antike: Ödipus (Graphic Novel)
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Eine Graphic Novel Reihe zu den diversen Mythen der griechischen Antike? Das scheint ein wahr gewordener Traum von mir zu sein. Als ich diese Reihe aus dem Splitter Verlag entdeckte, stand für mich fest: ...

Eine Graphic Novel Reihe zu den diversen Mythen der griechischen Antike? Das scheint ein wahr gewordener Traum von mir zu sein. Als ich diese Reihe aus dem Splitter Verlag entdeckte, stand für mich fest: Die muss ich lesen! Da schon einige Bände erschienen sind und die Reihenfolge, da es sich um abgeschlossene Geschichten handelt, beliebig ist, hatte ich die Qual der Wahl. Ich entschied mich mit Oedipus zu starten, da dies tatsächlich ein Mythos ist, mit dem ich weniger vertraut bin und von dem ich nur die groben Grundzüge kannte. Daher war ich super gespannt auf diese grafische Umsetzung.

Eine durchweg runde Sache
Bei einer Graphic Novel wandert das Augenmerk natürlich zuerst auf den Zeichenstil. Die Reihe wird von wechselnden Künstlern illustriert. Im vorliegenden Band ist Diego Oddi der Hauptverantwortliche. Was auffällt ist die starke Strichführung, die gerade in den Umrissen deutlich wird und ein Fokus auf Gesichter und Mimik. Der Stil wirkt klar und realitätsnah, was ihn in meinen Augen auch sehr Comiceinsteiger freundlich macht, mehr, als beispielsweise ein abstrakterer Stil. Diese Einsteigerfreundlichkeit wird noch durch eine sehr strukturiert und “aufgeräumt” wirkende Panelanordnung verstärkt. Man kann der Geschichte leicht folgen, auch wenn man bisher noch nicht so viele Berührungspunkte mit Comics oder Graphic Novels hatte.
Neben der gelungenen grafischen Adaption bietet sich aber auch die Geschichte selbst sehr gut für den Einstieg in die Comic-, aber auch Mythenwelt an, denn wir begleiten den Oedipus von seiner Geburt, bis zum Tod, es gibt also einen klaren roten Faden, der sich ebenso wie den Bildern leicht folgen lässt auch ohne vorhandenes Mythologiewissen. Lediglich ganz am Ende könnten völlig Mythologie Unerfahrene etwas ins Rätseln kommen, wenn der Auftritt der Erinnyen, ohne wirkliche Erklärung ihrer Rolle in der griechischen Sagenwelt erfolgt.

Hier lernen selbst Mythologie Erfahrene noch was
Nun muss sich natürlich auch diese Mythologie Adaption meinen “Pingeligkeits-Test” stellen, hat aber eigentlich nichts zu befürchten. Zu meiner größten Zufriedenheit hält sich die Graphic Novel nah an den Quellen, in diesen Fall, bis auf das Ende, sehr nah an Sophokles Tragödie König Oedipus und dem Drama Oedipus auf Kolonos. Der/Die Leser/in bekommt hier also eine recht originalgetreue Version verständlich geliefert, ein Aspekt, der mir bei einer solchen Reihe, die den Anspruch hat die Mythen einem breiten Publikum näherzubringen, wichtiger ist, als zum Beispiel bei einer freien Belletristik-Adaption. Das einzige, was ich bemängeln kann, ist die bereits bei der Coverbesprechung erwähnten Begegnung mit der Sphinx auf der Stadtmauer, aber so pingelig dafür einen Punkt abzuziehen, bin dann selbst ich nicht.

Die Graphic Novel kann also durchweg überzeugen, aber das ist ja noch nicht alles. Am Ende findet sich nämlich noch ein von Luc Ferry verfasster Ergänzungsteil. Dieser setzt sich vor allem mit der Wiederlegung der psychoanalytischen Interpretation, zugunsten einer kosmologischen Deutung des Mythos auseinander. Klingt ziemlich wissenschaftlich? Ist es tatsächlich auch. Dieser kurze Aufsatz könnte in meinen Augen problemlos auch in Fachzeitschriften abgedruckt werden. Das kann man nun mögen oder nicht. Mir hat es eigentlich gefallen, ich hätte aber gerne noch eine breitere Analyse des Oedipus Mythos und vor allen seiner Bedeutung für die Nachwelt gesehen. Eine Auseinandersetzung mit der Interpretation der Sphinxszene als Darstellung der Überlegenheit des vernunftbegabten Mannes über “das Rätsel Weib” im Symbolismus des 19. Jahrhundert wäre zum Beispiel interessant gewesen, aber gut man kann ja nicht alles haben, deshalb werde ich auch dafür keinen Punk abziehen.

Fazit:


Diese Oedipus Adaption aus der Mythen der Antike Reihe überzeugt als einsteigerfreundliche Adaption einer der bekanntesten Griechischen Tragödien. Strukturiert, nah an den überlieferten Quellen erzählt und grafisch ansprechend auf den Punkt gebracht, bietet es den idealen Einstieg für eine Auseinandersetzung mit König Oedipus als klassische tragische Figur in den Fängen des Schicksals. Die drei erwähnten kleineren kritischen Anmerkungen reichen in diesem Fall nicht aus, um dafür einen ganzen Punkt abzuziehen.

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