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Veröffentlicht am 15.11.2022

Die Mordslady auf schiefer Bahn

Frau Morgenstern und die Flucht
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Violetta Morgenstern wählt statt ihrer Pension den Weg als staatliche Auftragskillerin. Dass ausgerechnet ihr Freund eliminiert werden soll, geht ihr allerdings zu weit und so steht sie selbst auf der ...

Violetta Morgenstern wählt statt ihrer Pension den Weg als staatliche Auftragskillerin. Dass ausgerechnet ihr Freund eliminiert werden soll, geht ihr allerdings zu weit und so steht sie selbst auf der Abschussliste. Ihr Kollege Miguel Schlunegger steht ihr bei, verschwindet mit ihr im Untergrund und übernimmt mit ihr zusammen nun private Aufträge. Einer davon soll den Tod eines Jungen aufklären und führt zu einem Geheimnis, das einen ganzen Ort gefährdet.
Das Cover, ganz nach Tradition der drei Vorgänger-Bände, ist farbenfroh und zeigt uns die toughe Killerin. Auch dieses Buch startet wieder mit einem spannenden Prolog und führt in kurzen Kapiteln immer tiefer ins Abenteuer von Frau Morgenstern und ihrem Partner. Im Vergleich zu den ersten drei Geschichten hat dieser Krimi kein bisschen an Fahrt verloren; ganz im Gegenteil – der Autor konnte noch ein Schippchen auf die aberwitzigen Begebenheiten drauflegen. Die Lektüre der drei vorhergehenden Geschichten ist übrigens zum Verständnis dieses Krimis nicht notwendig. Allerdings wird dieser Band jedem Appetit auch auf die anderen Morgenstern-Erlebnisse machen.
Marcel Huwyler ist ein wunderbarer Erzähler. So irreal ein Auftragskillertum im Namen des Staates – und wohlgemerkt des Schweizer Staates - auch scheinen mag, man kauft es dem Autor ab, wie auch so manch andere geniale Idee. Er schafft es auch hier wieder, seine ausgefallenen Ideen in großartige Sätze zu kleiden – er jongliert geradezu mit den Wörtern. Seine knackigen, aussagekräftigen Äußerungen sind mit viel Wortwitz ausgestattet; vor allem die Beschreibung der Gedanken seiner Protagonisten sind wunderbar ironisch; seine Wortkreationen so überraschend wie treffend.
Wer die Geschichten um die Mordslady liest, wird geradezu in die Geschehnisse hineingezogen und mag sich kaum mehr davon trennen. Ich empfehle allerdings, sich für diesen Krimi recht viel Zeit zu nehmen, um jedes einzelne Wort zu genießen – und gleichzeitig länger etwas von der großartigen Geschichte zu haben.
Ich habe Violetta und Miguel, eigentlich zwei grundverschiedene Charaktere, richtiggehend ins Herz geschlossen, mit ihnen mitgefiebert und gerade in diesem Band sogar mit den Auftragskillern mitgefühlt. Daher freue ich mich jetzt schon wieder auf die Fortsetzung dieser kurzweiligen Krimireihe, die ausgeklügelt bis ins letzte Detail ist.

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Veröffentlicht am 09.11.2022

Geheimnisvolle Mumien

Der Tod steigt aus dem Sarkophag
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Millionärstochter Alison Granville befindet sich mitten in der Ausbildung zur Privatdetektivin, als sie den Geburtstag ihrer Tante Mildred organisieren soll. Die Egyptian Sculpture Gallery im British Museum ...

Millionärstochter Alison Granville befindet sich mitten in der Ausbildung zur Privatdetektivin, als sie den Geburtstag ihrer Tante Mildred organisieren soll. Die Egyptian Sculpture Gallery im British Museum als Party-Location wird allerdings bald zum Ausgangspunkt für Alisons zweiten Fall. Ein umgestoßener Sarkophag löst das Unheil aus, eine Museumsaufseherin stirbt, Alisons beste Freundin verschwindet. Liegt die Ursache hier in einem Fluch auf Alisons Familie?
Das düstere Cover zeigt eine geöffnete Doppeltür, die Blick auf einen ägyptischen Sarkophag und eine leblose Hand daneben ermöglicht. Das Buch ist in fünf Teile gegliedert; auf einen Abstecher in die Vergangenheit der Granvilles folgen übersichtliche Kapitel, die mit minutengenauen Zeit- und detaillierten Ortsangaben beschriftet sind. Der Schreibstil ist sehr einnehmend und immer wieder mit humorigem Unterton versehen.
Zu diesem Krimi gibt es bereits den Vorgänger „Der Tod bucht Zimmer 502“, der zwar nicht zum Verständnis dieser Geschichte notwendig ist, dessen Lektüre sich aber auf jeden Fall lohnt. Sympathische Charaktere, Cliffhanger am Ende vieler Kapitel, eine temporeiche Handlung mit einigen Missverständnissen und viel Situationskomik machen diesen London-Krimi zu einem kurzweiligen Highlight. Protagonistin Alison erweist sich als brillante Ermittlerin, Polizist Teddy bringt neben seinen fachlichen Fähigkeiten auch eine gehörige Portion Familienangelegenheiten mit in die Geschichte, und die schrullige Tante Mildred sowie der umsichtige Butler Roy erlauben einen Einblick in Londons bessere Gesellschaft.
Insgesamt ist dem Autor hier wunderbare Geschichte gelungen, die einen sofort in seinen Bann zieht. Wie beruhigend, dass er uns am Ende sogar eine Fortsetzung verspricht!

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Veröffentlicht am 01.11.2022

Segeln auf dem Zwischendeck

Unsterblich sind nur die anderen
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Als auf der Nordatlantikfähre MS Rjúkandi drei Männer verschwinden, machen sich zwei Frauen auf die Suche nach ihren Freunden. Ihre Vermutung, nach ein paar Tagen wieder zu Hause zu sein, bestätigt sich ...

Als auf der Nordatlantikfähre MS Rjúkandi drei Männer verschwinden, machen sich zwei Frauen auf die Suche nach ihren Freunden. Ihre Vermutung, nach ein paar Tagen wieder zu Hause zu sein, bestätigt sich dabei leider nicht. Dafür geschehen einfach zu merkwürdige Dinge auf dem Schiff, dessen seltsame Atmosphäre und eigenartige Crew - mit coolem Kapitän und wandlungsfähiger Barfrau - die Suchenden irritieren. Der Autorin ist hier ein recht beeindruckender Roman über Freundschaft und Liebe, aber auch Leben und Tod gelungen.
Ein düsteres Cover mit der verschwommenen Silhouette eines Schiffs am Horizont; im Vordergrund das dunkle unendliche Meer, das auf seinen Wellen die Buchstaben des Buchtitels wiegt. Ein Buch also, das sein Publikum mit dem ersten Blick einfängt und – auch von der ersten bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt. Schon die Einleitung nimmt einen vollkommen ein und diese Eingenommen-Sein setzt sich in der gesamten Handlung fort. Vor allem ist auch die bildhafte Sprache sehr beeindruckend, selbst wenn Sätze ab und zu unvollendet bleiben. Die Geschichte wird von verschiedenen Seiten her betrachtet: der Kern des Buchs behandelt die Suche der beiden Frauen nach ihren drei Freunden. Daneben tauchen immer wieder kurze Einträge des Kapitäns ins Logbuch auf. Zusätzlich erinnern Szenen mit Regieanweisungen an ein antikes Theater und runden die Handlung damit ab.
Als Leser darf man sich über manches in diesem Buch wundern, über anderes freuen und schließlich immer wieder dankbar sein, dass man die Geschichte nur von außen betrachtet. Aber wenn man ganz ehrlich ist, muss man zugeben, dass wir alle eigentlich mitten in diesem Geschehen drinstecken. In unser aller Leben geht es um die Kraft und den Willen zu entscheiden, um die Erlaubnis zu vergessen, um die Wahl zwischen Pflichtbewusstsein und sich anderen ausliefern. Und es geht auch um ein bequemes Leben auf Kosten anderer, um Themen wie Flucht und Rettung, die nicht nur in unserer Zeit aktuell sind.
Das ungewöhnliche, vor allem aber sehr intensive Buch, verdient daher eine absolute Leseempfehlung für alle, die sich auf eine außergewöhnliche Reise begeben wollen. Eine Reise, deren Ende im Ungewissen liegt.

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Die Wirklichkeit, die niemals eingetroffen ist

Verbrenn all meine Briefe
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Autor Alex fragt sich, woher seine Wut kommt, warum seine drei Kinder Angst vor ihm haben. Er beginnt nachzuforschen und entdeckt eine Linie dieser Wut in der Geschichte seiner Familie. Und er stößt in ...

Autor Alex fragt sich, woher seine Wut kommt, warum seine drei Kinder Angst vor ihm haben. Er beginnt nachzuforschen und entdeckt eine Linie dieser Wut in der Geschichte seiner Familie. Und er stößt in der Vergangenheit auf die unglückliche Liebesgeschichte von Karin, die mit dem berühmten Schriftsteller Sven verheiratet ist, sich aber eines Tages in Olof verliebt.
Das Cover ist beherrscht vom Buchtitel und dem Namen des Autors, das untere Viertel zeigt das Schwarz-Weiß-Foto eines Paares auf einer Wiese liegend. Der Roman wird auf drei Zeitebenen erzählt: als Ich-Erzähler begibt sich Alex in der Gegenwart auf Spurensuche und blickt außerdem auf seine Kindheit zurück; im dritten Erzählstrang erfährt man die Geschehnisse aus Karins Leben.
Der Ich-Erzähler nähert sich der Lösung des Familiengeheimnisses sehr behutsam, denn er weiß, dass es sich schon immer auch direkt seinen eigenen Charakter ausgewirkt hat. Der Autor erfüllt dabei die gesamte Geschichte mit einer derartigen Lebendigkeit, dass die Gefühle und Begebenheiten direkt für den Leser spürbar werden. Die Sprache ist den Situationen angepasst, in den gefundenen Briefen sehr bildhaft und in allen Kapiteln durchgehende sehr berührend. Man spürt die Charaktere förmlich, verfolgt gespannt ihrem Erlebten; genauso trifft einen auch die Ausweglosigkeit der Protagonisten, ihr Schweigen und ihr Eingesperrt-Sein in ihre Handlungen, ihre Versuche, mit Situationen und Ängsten klarzukommen. In allem schwingt zwar eine drückende Grundstimmung mit, dennoch hinterlässt der Roman keine Schwere, denn der Protagonist ist seinem Problem auf den Grund gegangen und vermittelt so auch Hoffnung – für alle Beteiligten.
Dieser Roman ist absolut lesenswert; er ist intensiv, er berührt und macht betroffen. Ein Glück, dass es Autoren gibt, die diese Intensität in Worte fassen können, und Übersetzer, die diese Intensität auch in andere Sprachen zu übertragen imstande sind.

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Veröffentlicht am 26.09.2022

Aus dem Tagebuch der Mutter

Schlangen im Garten
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Nach Johannes Tod wird ihre Familie verdächtigt, die Trauerarbeit zu verschleppen. Nicht nur das Traueramt, auch die Nachbarn sind sich darüber einig. Nur die Familie selbst, Vater Adam, Tochter Linne ...

Nach Johannes Tod wird ihre Familie verdächtigt, die Trauerarbeit zu verschleppen. Nicht nur das Traueramt, auch die Nachbarn sind sich darüber einig. Nur die Familie selbst, Vater Adam, Tochter Linne und die Söhne Steve und Micha möchten ihr Leben nicht einfach so fortsetzen. Sie wollen Johanne in wahren – und auch erfundenen - Geschichten bei sich behalten.
Das unverkennbare Diogenes-Cover zeigt das Bild einer Frau. Die Frau, die in dieser Geschichte schon gar nicht mehr lebt; die Frau, die auch gleich im starken ersten Satz des Buches auftaucht. Vor Schultes Sprachstil ist sehr beeindruckend, sie schafft es selbst Alltäglichem mit ihren genauen Beschreibungen Wichtigkeit und vor allem Poesie zu verleihen.
Jede Person geht anders mit Trauer um, und doch meint das Umfeld oft besser zu wissen, wie man mit dem Verlust eines geliebten Menschen umzugehen hat. Die Autorin erschafft dazu sogar ein eigenes Traueramt, dessen Beamte die Beobachtungen über die Hinterbliebenen in ihren Berichten festhalten. Die Charaktere sind sympathisch und in ihren Eigenheiten dennoch sehr realistisch gezeichnet, selbst das Verhalten des Trauerbeamten wird nicht nur hinterfragt, sondern schlüssig erklärt.
Vor Schulte beschreibt die Trauer und die Auswirkungen auf das Leben der Hinterbliebenen auf grandiose Weise. Wohin mit der Verzweiflung, der Wut, dem Verloren-Sein? Wie umgehen mit der Unfähigkeit zu handeln, mit den verpassten Möglichkeiten? Jeder Mensch, der schon einmal getrauert hat, wird sich in dieser Geschichte wiederfinden. Menschen, denen dieses Gefühl bisher noch erspart geblieben ist, werden einen Schimmer davon bekommen, wie es ist, wenn einem der Boden unter den Füßen plötzlich weggerissen wird.
Und doch ist es kein trauriges Buch, sondern vielmehr eine wunderschöne Geschichte, die von Hoffnung und Liebe erzählt. Ich habe noch kein vergleichbares Buch gelesen, dass mit Trauerbewältigung besser umgegangen wäre als dieser Roman. Schade, dass fünf Sterne das Maximum an Bewertung sind. Diese Geschichte verdient mindestens zehn davon.

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