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Veröffentlicht am 04.07.2023

"Ganz Paris träumt von der Liebe..."

Sommertage im Quartier Latin
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Ganz viel Spätsommer, viel Liebe (für allem für Paris), leckeres Essen und stimmungsvolle Musik – das sind die Zutaten für Lily Martins Roman „Sommertage im Quartier Latin“. Hinter dem Pseudonym Lily Martin ...

Ganz viel Spätsommer, viel Liebe (für allem für Paris), leckeres Essen und stimmungsvolle Musik – das sind die Zutaten für Lily Martins Roman „Sommertage im Quartier Latin“. Hinter dem Pseudonym Lily Martin verbirgt sich Anne Stern und von ihr weiß man seit ihrer erfolgreichen Reihe um die Hebamme Fräulein Hulda Gold, dass sie schreiben kann.

Dies stellt sie auch in während der „Sommertage“ unter Beweis, allerdings handelt es sich hier – im Gegensatz zur Hulda-Serie - um eine sehr leichte Sommerromanze, die eine Idealversion von Paris feiert: Herzkino in Papierform mit ganz viel Postkartenhochglanz – ein Stadtidyll, das leichte Lesefreude zum Weltvergessen verspricht, indem alles hübsch und freundlich ist. Das ideale Sommerbuch also für heiße Tage, fürs Parisweh und den Traum von einer wahren Liebe. Durch die Seiten weht nicht nur der warme Sommerwind, sondern auch der Duft von Brioche, Macarons und Noisettes, es klingen immer wieder die Töne bekannter französischer Popsongs und Chansons durch die Seiten und Paris wird durch die Konzentration auf ein Viertel zum Dorf.

Dieses Dorf wird von durchweg liebenswerten Figuren bevölkert, sei es der Lebkuchenhändler Pierre Leco, der Concièrge Samir oder die alternde Diva Jacobine Simenon. Alles ist warm, hell, wohlwollend und charmant – das einzige, was man dem Roman vorwerfen könnte, ist somit die Tatsache, dass er zu süß, zu zuckrig, zu seicht ist, aber das Mysterium um die verschwundene Großmutter der Protagonistin Lola sowie die Tatsache, dass Lola schon sehr früh ihre Mutter verloren hat, bringt auch ein paar düstere Zwischentöne in den Handlungsbogen. Dieser ist – wie bei Geschichten des Herzens dieser Art – selbstverständlich weitestgehend absehbar, aber man liest Liebesgeschichten ja auch genau deshalb: weil man den Weg zum sicheren Happy End mitbeschreiten möchte. Wen interessiert es da, dass vielleicht das ein oder andere Mal zu oft sich die Wangen röten?

Ich habe mir eine reizende Geschichte mit sympathischen Figuren gewünscht, mit der man sich durch Sommerstunden treiben lassen kann und genau das habe ich bekommen.

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Veröffentlicht am 11.05.2023

Die Melodie der Wahrheit

Melody
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"Melody" hat mir sehr viel Freude bereitet. In eleganten Sätzen und gehobener Atmosphäre wird der Leser in das Mysterium der verschwundenen Melody, einst Verlobte des überaus erfolgreichen Dr. Stotz, eingeführt. ...

"Melody" hat mir sehr viel Freude bereitet. In eleganten Sätzen und gehobener Atmosphäre wird der Leser in das Mysterium der verschwundenen Melody, einst Verlobte des überaus erfolgreichen Dr. Stotz, eingeführt. Dieser steht am Ende seines Lebens und engagiert den jungen Juristen Tom, um die Zeugnisse seines Lebens in eine sinnvolle und vor allem präsentable Form zu bringen - auf den ersten Blick ein typischer Fall von erwünschter positiver Selbstinszenierung. In zahlreichen Sitzungen zwischen Wein und anderen Spirituosen, untermalt von hervorragender italienischer Küche, enthüllen Tom und Dr. Stotz das Rätsel um Melody Schicht für Schicht.

Die augenscheinliche Obsession des alten Mannes mit seiner spurlos verschwundenen Liebe hat mich sehr fasziniert. Die wie ein Krimi anmutende Handlung ist spannend - auch wenn sie in einem vermeintlich ruhigen Gewand daherkommt. Der Leser kann nicht umhin, selbst Vermutungen zum Verbleib Melodys anzustellen - nicht zuletzt, weil man auch von Dr. Stotz in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. An der Seite von Tom erfährt man dennoch auch Frustration, denn erfahren kann man über Melody immer nur so viel, wie Dr. Stotz preiszugeben bereit ist. Dass die krimiartige Handlung auch den ein oder anderen Twist aufbietet, ist natürlich ein absoluter Bonus - zumal der Roman so durchkomponiert ist, dass ihm auch im letzten Drittel nicht die Luft ausgeht.

Die Figuren sind insgesamt erstaunlich problemfrei - geschuldet ist dies sicherlich der Tatsache, dass das gesamte Personal des Romans sich im Luxusbereich bewegt. Auch wenn Dr. Stotz unheilbar krank ist, echte Empathie oder gar Trauer kommen im Angesicht dieses bedrückenden Umstands nicht auf. Es ist ein fait accompli über den es sich offensichtlich nicht zu diskutieren lohnt. Das wäre denn auch mein einziger Kritikpunkt an dem Roman: eine rechte Identifikation oder Involviertheit mit den Figuren kommt nur schwer zustande. Selbst der eher durchschnittlich anmutende Tom interessierte mich als Charakter nur mäßig. Einzig die große Unbekannte - Melody - sticht aus diesem Kreis reizvoll heraus, sie ist Dreh- und Angelpunkt des eigentlichen Anliegens des Textes: der Frage nach der persönlichen Wahrheit. Denn eins wird in "Melody" deutlich: Wahrheit ist immer das, was ich dafür halte.

Insgesamt, ganz besonders aufgrund dieser spannenden Diskussion des Wahrheitsgedanken, eine sehr empfehlenswerte und unterhaltende Lektüre, gut geschrieben und fein unterhaltend.

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Veröffentlicht am 15.02.2023

Das kleine bisschen Weihnachtsglück

Andere Sterne
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„Andere Sterne“ ist die etwas andere Weihnachtsgeschichte, die den Traum von Weihnachten dennoch sehr eindrücklich einfängt. Ronja wünscht sich ein paar einfache Dinge: dass ihr Vater weniger trinkt, nicht ...

„Andere Sterne“ ist die etwas andere Weihnachtsgeschichte, die den Traum von Weihnachten dennoch sehr eindrücklich einfängt. Ronja wünscht sich ein paar einfache Dinge: dass ihr Vater weniger trinkt, nicht in Bars geht, sich um sie kümmert, eine Arbeit hat und ihr Geborgenheit schenkt. All diese Dinge sollten mehr oder weniger selbstverständlich sein, doch Ronjas Vater scheitert regelmäßig daran und so sind sie und ihre Schwester auf sich selbst gestellt.

Ingvild H. Rishoi ist eine nachdenklich stimmende, berührende, völlig kitschfreie und sehr moderne Weihnachtserzählung gelungen, die nicht nur das heutige Oslo überzeugend in Szene setzt, sondern auch auf wenigen Seiten das Seelenleben einer Grundschülerinnen, die täglichen Herausforderungen im Umgang mit dem immer wieder hinweggleitenden und unzuverlässigen Vater und die Sehnsucht nach dem kleinen bisschen Glück sehr stimmungsvoll darstellt. Besonders auch die Darstellung der Hilfsbereitschaft verschiedener Männerfiguren ist ihr geglückt, unterläuft sie damit doch auch gängige Handlungskonzeptionen und Lesererwartungen. Ebenso gelungen ist auch der verantwortungsvolle Zusammenhalt des Schwestern-Duos – in Abwesenheit von elterlicher Fürsorge spendet man sich gegenseitig Trost und Nähe.

Für mich ist „Andere Sterne“, das mit seinem wunderbaren Schluss bei mir Erinnerungen an H.C. Andersens „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ weckte, eine sehr gelungene zeitgenössische Erzählung für einen ganz besonderen Blick auf den Zauber von Weihnachten.

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Veröffentlicht am 05.12.2022

Scharfsinniges und bissiges Familiengemälde

Meine bessere Schwester
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Rebecca Waits frecher, humorvoller und bedrückender Roman “Meine bessere Schwester” enthüllt toxische Familiendynamiken und belastete Geschwisterbeziehungen. Schonungslos und mit sehr feiner Beobachtungsgabe ...

Rebecca Waits frecher, humorvoller und bedrückender Roman “Meine bessere Schwester” enthüllt toxische Familiendynamiken und belastete Geschwisterbeziehungen. Schonungslos und mit sehr feiner Beobachtungsgabe werden die Rivalitäten zwischen Kindern und die einzigartigen, sehr unterschiedlichen Beziehungsgeflechte zwischen Eltern und Kindern ausgelotet. Die Autorin schreckt nicht vor unangenehmen Wahrheiten zurück. Es gelingt ihr hervorragend sich in jede ihrer Figuren ausgiebig einzufühlen, herauszuarbeiten, warum diese so fühlt und wieso sie sich nur so verhalten kann. Bezeichnenderweise wirbt sie bei aller Empathie nicht um die Sympathie des Lesers für ihre wirklich sehr beladenen Figuren. So gelingt ihr eine faszinierende Balance zwischen scharfsinnigen Einzelporträts und einem umfassenden Familiengemälde, beherrscht von starken Charakteren mit sehr unterschiedlichen Einzelinteressen. Durch die zwischen neutral und ironisch-distanziert schwankende Erzählweise werden hochdramatische Momente vermieden, dafür gibt es zahlreiche humorvolle Beschreibungen und lustige Situationen, die den Leser zum Lachen bringen.
Handlungstechnisch ist der zeitliche Verlauf bisweilen etwas verwirrend, die Handlung springt zwischen Gegenwart und Rückblicken munter hin und her, es gibt sehr viele Personen, die die Handlung bevölkern, insgesamt hätte sicherlich etwas gestrafft werden können, auch wenn die Rückbliche natürlich absolut unerlässlich sind, um z.B. das Verhalten und die Handlungsoptionen der Mutter Celia zu verstehen.
Im Übrigen hätte ich mir im Klappentext einen deutlichen Verweis darauf gewünscht, dass dieser Roman als wesentliches Thema psychische Erkrankungen/Störungen behandelt (u.a. Schizophrenie und Psychosen). Ich weiß, dass dies Bereiche sind, mit denen viele Leser auch nicht konfrontiert werden möchten, selbst ich fühlte mich da etwas überrumpelt, als der leichte Ton in die Untiefen von Paranoia und Wahnvorstellungen glitt.
Insgesamt ist „Meine bessere Schwester“, dessen Originaltitel „I’m Sorry You Feel That Way“ eigentlich sehr viel besser umschreibt, worum es in diesem Roman geht – um Dominanz, Desinteresse, Ausnutzen von Beziehungen zum eigenen seelischen Vorteil, Oberflächlichkeit und falsches Mitgefühl – eine unterhaltsame, bissige, psychologisch detaillierte und überzeugende Familiengeschichte, in der wir alle etwas von uns wiederfinden können.

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Veröffentlicht am 06.10.2022

Das weibliche Mittelalter

Matrix
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In „Matrix“ überstrahlt die junge, unansehnliche Marie alles. Von ihrer angeheirateten Halbschwester Eleonore von Aquitanien (die Familienverhältnisse werden von Lauren Groff alles andere als nachvollziehbar ...

In „Matrix“ überstrahlt die junge, unansehnliche Marie alles. Von ihrer angeheirateten Halbschwester Eleonore von Aquitanien (die Familienverhältnisse werden von Lauren Groff alles andere als nachvollziehbar dargelegt, sodass es in mir immer wieder rief „Falsch!“ bis in der zweiten Hälfte des Romans schließlich doch deutlich gemacht wurde, dass die Verwandtschaft über Eleonores Ehemann, den Plantagenet-König Henry II. gegeben war) mit siebzehn Jahren in ein heruntergekommenes Nonnenkloster verbannt, macht sich Marie daran, ihre (Führungs-)Qualitäten zu entdecken und das Leben und die Gemeinschaft der frommen Frauen zu einer neuen Blüte zu führen. Im Fokus ihrer Bemühungen steht der maximale Schutz der ihr anvertrauten Frauen und die größtmögliche Unabhängigkeit und Autonomie von der männlich dominierten Kirche und Außenwelt. Geleitet von Visionen, in denen die Jungfrau Maria ihr den Weg zeigt, erschafft sie fantastisch anmutende Bauten, erdenkt strategische Winkelzüge und entwickelt sich zur allseits von Frauen verehrten Lichtgestalt des weiblichen Mittelalters. Prägend für ihren Lebensweg bleibt die komplexe Liebe für Königin Eleonore.

Der Roman erzählt die Geschichte eines weiblichen Traums von Selbstbestimmung, fern von männlichen Hierarchien, patriarchalischer Unterdrückung und Bevormundung. Lauren Groff setzt mittelalterliches female empowerment mitreißend und in einem ganz eigenen Stil in Szene – ich habe den Roman verschlungen und mit sehr viel Freude gelesen, denn das Klosterleben ist bei Groff alles andere als langweilig und alltäglich, eine Gemeinschaft von Frauen birgt so manche Herausforderung. Die Figuren, die den Roman bevölkern, werden häufig eher stereotyp charakterisiert, ihre Rolle (Priorin, Infirmarin, Herbergsmutter etc.) steht über einer eigentlichen Auseinandersetzung mit ihrem Wesen, nicht zuletzt weil die Protagonistin Marie alles überstrahlt – sie dient als Fokalisierungsinstanz und kommt in ihren Berichten über ihre Visionen auch selbst zu Wort. Großartiger Weise befasst sich der Roman über weite Strecken mit Maries mittleren Lebensjahren, also ihrem persönlichen „Mittelalter“ - auch das eine sehr besondere, gute Leseerfahrung. Männerfiguren, die tatsächlich als solche bezeichnet werden können, sucht man in diesem Roman vergeblich. In einem feinen Kniff, der die Message ihres Romans unterstreicht, verbannt Groff alle Männer an den Rand des Geschehens. Mir fällt keine einzige männliche Figur ein, die namentlich erwähnt wird oder überhaupt einen Satz sagen dürfte – hier wird die Marginalisierung des Mannes auf die Spitze getrieben und dies auf eine unfassbar elegante und feine Art, dass der Roman in keiner Weise plakativ und hyperfeministisch (wie andere Werke der jüngeren Zeit) daherkommt, sondern auf sehr subtile Art deutlich macht, wie eine Welt, die von (mehr) Frauen geführt werden würde, aussehen könnte. Nicht ganz so gelungen sind die immer wieder aufkommenden Kommentare des Romans zum Klimawandel, sie wirken doch leicht anachronistisch und übertrieben visionär in ihrer offensiv didaktischen Absicht. Darauf hätte ich leichten Herzens verzichten können.

Sprache und Stil des Romans passen hervorragend zur Materie, der Roman wurde ganz ausgezeichnet von Stefanie Jacobs übersetzt. Man fliegt trotz der sehr niveau- und gehaltvollen Sprache nur durch die Seiten, an keiner Stelle knirscht es und der Text hat seinen ganz eigenen Klang. Ein großes Kompliment an die Übersetzerin!

Insgesamt ein absolut empfehlenswerter Blick auf das weibliche Mittelalter, den Anfang einer neuen Ära und eine faszinierende Frau, deren Schicksal Lauren Groff auf bravouröse Weise ausmalt und erlebbar macht.

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