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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.02.2023

Bilder sagen mehr, als sie zeigen

Papierblüten. Schatten über der Villa Brendl
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Auf einer Tapetenausstellung der Herstellerfirma Brendel kommt stürzt die Enkelin der Firmenchefin tragisch in den Tod. Als schwarzes Schaf der Familie galt Alice schon immer, weil sie mit ihren Photographie-Ausstellungen ...

Auf einer Tapetenausstellung der Herstellerfirma Brendel kommt stürzt die Enkelin der Firmenchefin tragisch in den Tod. Als schwarzes Schaf der Familie galt Alice schon immer, weil sie mit ihren Photographie-Ausstellungen zu schockieren wusste und damit ihr Familie, insbesondere ihre beiden Geschwister in Schwierigkeiten brachte. Jetzt wird bekannt, dass sie einem alten Familiengeheimnis auf der Spur war, dem ungelösten Todesfall der jungen Malerin Camille Blumenberg, die unter falscher Identität im Haus der Brendels lebte und 1939 auch dort ums Leben kam. Hat die Familie einen Mord vertuscht? Oder gar selbst begangen? Eventuell aus nationalsozialistischer Gesinnung? Schon einmal, in den 70er Jahren, waren Stimmen zu dem Fall laut geworden und führten zum Niedergang der angesehen Textilfabrikantenfamilie. Die Geschwister von Alice, die beide mit Schwierigkeiten in ihrem Leben zu kämpfen haben, verfolgen die Spur, die Alice vor ihrem eigenen Tod aufgenommen hat. Ihr Ziel ist es, das Geheimnis zu lüften, die Ehre der Familie wieder herzustellen und endlich auch Ordnung in ihr eigenes Leben zu bringen.
Lilly Wolf verknüpft in ihrem Roman gelungen Kriminal-, Unterhaltungs- und historischen Roman und die zwei Zeitebenen, auf denen der Roman spielt. Der Leser begibt sich gern mit den interessanten Figuren auf die Reise in die Vergangenheit und folgt den spannenden Ereignissen, die sich um die Familie Brendel sowohl im Jahre 1939 als auch in der Gegenwart ranken. Wer sich einmal auf diese Reise begibt, mag das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen! Gut gemachte Unterhaltung für ein paar spannende Lesestunden!

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Veröffentlicht am 22.02.2023

Ambivalenz trägt manchmal mehr zum Verständnis bei als Eindeutigkeit

Nackt in die DDR. Mein Urgroßonkel Willi Sitte und was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat
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In seinem Buch „Nackt in die DDR“ geht der Autor Aron Boks den Spuren seines berühmten Urgroßonkels, Willi Sitte, Maler und Parteifunktionär der DDR, nach. Im Bemühen, dessen umstrittene Person zu verstehen, ...

In seinem Buch „Nackt in die DDR“ geht der Autor Aron Boks den Spuren seines berühmten Urgroßonkels, Willi Sitte, Maler und Parteifunktionär der DDR, nach. Im Bemühen, dessen umstrittene Person zu verstehen, begibt er sich nicht nur tief in seine eigene Familiengeschichte, sondern schildert auch das Leben in der DDR, zusammen mit historischen und kulturpolitischen Hintergründen, die den Autor, selbst erst nach der Wende geboren, immer wieder fordern, sich zu den Entwicklungen zu positionieren und eine eigene Haltung zur DDR zu erforschen.
Ganz besonders spannend ist die Person Willi Sittes aufgrund ihrer Ambivalenz: Auf der einen Seite steht seine feste Überzeugung, einen idealen Staat im Sinne des Sozialismus aufbauen zu können und die Kunst in dessen Dienst zu stellen. Auf der anderen Seite stellt er sich und seine Kunst in den Dienst eines Systems, das die sozialistische Idee korrumpiert und, je schlechter der Zustand des Staates, desto härtere Mittel auffährt, ihr System aufrecht zu erhalten. Lange sieht er sich dem Druck und der Missachtung „der Partei“ ausgesetzt, doch er arrangiert sich und mit zunehmendem Einfluss weiß er das System für sich, aber auch für seine Schützlinge zu nutzen.
Der Autor zeichnet ein differenziertes, facttenreiches Bild von Willi Sitte. Auch wenn er auf der Suche nach einem Urteil über seinen Vorfahren ist, schließt er sich doch nicht einer der vielen Wertungen über Sitte an, sondern hält die Ambivalenz bis zum Schluss hin aus: Es gibt eben nicht nur Gute und Böse. Was eben auch zählt, ist die Idee, nicht nur ihre Realisierung.
Bei seiner Schilderung bezieht der Autor einen ganzen Chor von Stimmen ein. Zunächst einmal die seiner zahlreichen Verwandtschaft. Dabei entsteht ein umfassendes Familienporträt mit spannenden Personen und Familiengeschichten, die auch Sinnbild für das Leben in der DDR sind.
Da der Autor selbst zuvor kaum einen Bezug zur DDR hatte, obwohl seine Familie daher kommt – ein Umstand, der seine Neugier noch beflügelt -, erschließt er sich einen sehr persönlichen Zugang zu der Geschichte dieses Landes. Damit gelingt ihm eine spannende und sehr lebendige Darstellung der historischen, politischen und kulturellen Hintergründe, die gerade für jüngere Leser, die auch zur „Nachwendegeneration“ gehören, eine lohnendere Lektüre sein dürfte, als so manches Schulbuch.
Ein packendes Buch über Menschen und über die Geschichte unseres Landes, das zeigt, dass in der DDR nicht alles besser, aber bei weitem auch nicht alles schlechter war, und das wichtig ist, wenn wir uns – im doppelten Sinne – besser verstehen wollen.

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Veröffentlicht am 17.02.2023

Pures Lesevergnügen für kleine und große Mädchen

Die wilden Pferde von Rydal Hill - Leuchtende Hügel
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Valerie, die Hauptfigur in dem Roman „Die wilden Pferde von Rydal Hill“, braucht eine Auszeit: von ihrem stressigen Leben in Deutschland und vor allem von Pferden, denn es ist etwas vorgefallen, was sie ...

Valerie, die Hauptfigur in dem Roman „Die wilden Pferde von Rydal Hill“, braucht eine Auszeit: von ihrem stressigen Leben in Deutschland und vor allem von Pferden, denn es ist etwas vorgefallen, was sie gänzlich aus der Bahn geworfen hat. Sie besucht ihren Bruder, der im Lake District in England mit seiner Freundin eine Schaffarm führt und begegnet: Pferden. Einer charmanten Ponyherde, die auf den Fells wie Wildpferde ein freies Leben führt. Und sie begegnet Ben, einem mysteriösen Jungen, Einzelgänger und Besitzer der Ponyherde. Doch obwohl er alles gibt, für seine Herde zu sorgen, passiert ein Unglück nach dem anderen, sodass sein Vater beschließt, die Herde zu verkaufen. Damit beginnt ein dramatischer Wettlauf mit der Zeit, die Ponyherde zu retten, und zwar nicht nur vor dem drohenden Verkauf …
Warnung! Wer die ersten Seiten gelesen hat, will gar nicht wieder aufhören. Die Story und die Erzählkraft der Autorin ziehen den Leser so in ihren Bann, dass er alles um sich vergisst. Er brennt darauf, zu erfahren, wie die Story um Valerie und Ben weitergeht, die Geheimnisse um Valeries Vergangenheit, aber auch um das Schicksal der wilden Pferde von Rydal Hill, das schon im Jahre 1923 seinen Lauf zu nehmen begann, zu lüften.
Bei aller Spannung aber vermittelt das Buch auch eine Ruhe und verschafft dem Leser eine wohltuende Auszeit von allem ringsum. Die wundervollen Landschaftsbeschreibungen, die liebevolle Ausgestaltung der Figuren und ihres Lebens in den Dörfern im Lake Distrikt und die Schilderungen der schon fast magisch anmutenden Begegnungen mit den Ponys nehmen jeden Leser gefangen. Auf wunderbare Weise hält dieses Buch, was Lesen verspricht: eine heilsame Reise in die Welt der Phantasie.
Einziges Manko: auf eine Fortsetzung müssen alle begeisterten Leseratten, von denen das Buch viele verdient, bis Herbst warten. Aber das Warten lohnt sich bestimmt!

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Veröffentlicht am 05.02.2023

"Einsamkeit ist keine Farbe und auch nie nur ein Moment."

Saubere Zeiten
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Einer der Sätze aus dem Roman „Saubere Zeiten“ von Andreas Wunn, die mich mit am meisten beeindruckt haben. Und einsame Menschen findet man in dem Roman genügend: den Erzähler Jakob Auber, dem die Mutter ...


Einer der Sätze aus dem Roman „Saubere Zeiten“ von Andreas Wunn, die mich mit am meisten beeindruckt haben. Und einsame Menschen findet man in dem Roman genügend: den Erzähler Jakob Auber, dem die Mutter schon als kleines Kind verloren ging und der damit auch den Vater irgendwie verloren hat, der seine Beziehung verliert und auch seine zwei ältesten Freunde, Ben und Theresa. Und auch sie wirken sehr einsam in ihrem Leben. Er findet – auf der Spurensuche nach seiner Familiengeschichte – Bella, die auch sehr einsam in Brasilien lebt, sie hat ihren Sohn verloren und lange Zeit zuvor schon ihre Eltern und ihre Heimat. Und kaum hat er sie gefunden, da verliert er auch sie schon wieder. Diese Einsamkeit scheint sich von Generation zu Generation zu vererben. Ob es Jakob gelingt, seinen eigenen Sohn davor zu bewahren?
Als sein Vater stirbt, hinterlässt er dem Erzähler ein Zimmer voller Erinnerungen, voller Tagebücher des Großvaters und voller eigener Tonbandaufnahmen. So erfährt Jakob Hintergründe zu Aufstieg und Niedergang seines Großvaters, dem großen Waschpulvererfinder von „Auber macht sauber“, von der Jugend seines Vaters Hans und von Bella, die auf vielfältige Weise mit den Aubers verbunden ist. Er beginnt diese Geschichte aufzuschreiben, um auch die eigene Geschichte besser zu verstehen.
Zweimal nennt der Erzähler seinen eigenen Vater einen guten Erzähler mit dem Blick für das Detail. „Zwar verzichtete er auf Adjektive und jede Art von Ausschmückung, aber wenn er zum Beispiel von Bella erzählte, gelang es ihm, sie vor meinen Augen erstehen zu lassen.“ Mit diesem Satz lässt sich auch der Erzählstil des Autors gut beschreiben. Er erzählt schlicht und leise, aber sehr nachdrücklich. Er lässt viel Platz für die eigenen Gedanken und Gefühle des Lesers und erschafft mit seiner Geschichte einen Sog, dem sich der Leser kaum entziehen kann. Er begibt sich mit dem Erzähler tief in die Geschichte seiner Familie und erlebt sie mit ihm, er lernt viel über ihn und über sich, aber vor allem, dass es kein Waschmittel gibt, dass, auch wenn es noch so sauber macht, die Geschichte reinwaschen kann und dass diese Geschichte, die Menschen prägt, ob sie von ihr wissen oder nicht, seil sie -wie Bella sagen würde – in ihren Körpern ist: „Alles, was wir tun, und alles, was wir sehen, und alles, was wir hören ist in unserem Körper. Das Leid und die Freude. Die Liebe und da Glück. Und auch das Grauen. Es ist alles in uns drin. Es bleibt alles in uns drin. Und wir müssen lernen, damit umzugehen. Und auch mal was rauszulassen.“

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Veröffentlicht am 21.12.2022

Ein Leben spannender als im Film

Agent Sonja
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Manchmal kann man sich nicht vorstellen, was Leute für Leben führen. Woher nehmen sie den Mut, die Leidensbereitschaft, aber auch die Skrupellosigkeit, Dinge zu erdulden oder Dinge zu tun, die ein Normalsterblicher ...

Manchmal kann man sich nicht vorstellen, was Leute für Leben führen. Woher nehmen sie den Mut, die Leidensbereitschaft, aber auch die Skrupellosigkeit, Dinge zu erdulden oder Dinge zu tun, die ein Normalsterblicher nur aus Romanen oder Filmen kennt?
Ein solches Leben führte Ursula Kuczynski. Schon als junges Mädchen weiß sie, was sie will und was sie nicht will. Sie ist eine glühende Anhängerin des Kommunismus und lässt sich weder durch die Worte ihres Vaters noch durch die Brutalität ihrer politischen Gegner davon abbringen. Als Spionin für die Russen unternimmt sie mehrere gefährliche Aktionen, gegen die Nazis, aber auch später im Kalten Krieg gegen die Amerikaner. Sie spürt den Geheimnissen des Atombombenbaus nach und liefert den Russen wertvolle Informationen für den Bau einer eigenen Bombe – um ein Kräftegleichgewicht zu schaffen und einen weiteren Krieg zu verhindern. Nach außen hin erahnt niemand, mit wem er es bei Ursula Kuczynski, Codename „Agent Sonja“ zu tun hat: sie ist liebende Mutter, fürsorgende Ehefrau und berühmt für ihre Scones.
Ähnlich wie die Protagonistin führt auch das Buch quasi ein Doppelleben. Bereits das Cover changiert zwischen typischer Krimiaufmachung und historischer Monographie aus dem englischsprachigen Raum: dicke rote Lettern vor grauen Hintergrund, der schwarze Umriss einer weiblichen Silhouette von hinten. Und auch vom Inhalt her glaubt der Leser, es eher mit einem Spionagethriller zu tun zu haben, wüsste er nicht, dass dies die Biographie einer unglaublichen Frau und die Darstellung eines spannenden Kapitels der Geschichte der Spionage im 2. und im Kalten Krieg ist. Packend, kenntnisreich und mitreißend erzählt! Unbedingt lesenswert!

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