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Veröffentlicht am 20.03.2023

"Die Wahrheit ist ein Pfau"

Die spürst du nicht
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Die Eltern der 14jährigen Sophie-Luise sind sehr beschäftigt. Sie als Politikerin und er ebenfalls in führender Position. Also erfüllen sie ihrer Tochter (fast) jeden Wunsch. Und mal ehrlich. Wie gut kommt ...

Die Eltern der 14jährigen Sophie-Luise sind sehr beschäftigt. Sie als Politikerin und er ebenfalls in führender Position. Also erfüllen sie ihrer Tochter (fast) jeden Wunsch. Und mal ehrlich. Wie gut kommt es an, wenn eine „Grüne“ sich als „Gutmensch“ offenbart, und einem Flüchtlingskind aus Somalia einen Urlaub in der Toskana schenkt? Das Mädchen ist schüchtern und alle Beteiligten sind davon überzeugt: „Die spürst du nicht“. Welches Drama sich dann allerdings im Feriendomizil ereignet, das sprengt alles Vorstellbare.

Ayana, so heißt das Mädchen aus Somalia, besucht die gleiche Klasse, wie Sophie-Luise. Ihre Eltern sprechen kaum Deutsch. Nur ihr Bruder und sie selbst können sich einigermaßen verständigen. Dass sie mit in die Toskana reisen soll, das gefällt den Eltern überhaupt nicht. Der Bruder überredet sie dann doch noch und vielleicht freut sich Ayana ja auch auf die Zeit. Neben den Eltern Sophie-Luises fährt noch ein befreundetes Ehepaar mit in den Urlaub. Chillen am Swimmingpool, Sekt trinken und über Nebensächlichkeiten plaudern, das gefällt den vier Erwachsenen. Wichtig für sie: vor den Freunden so gut wie möglich dazustehen und mit ihrem Reichtum zu prahlen. Wie sich diese Freundschaft allerdings entwickelt, als zu dem Unglück kam, das ist vorauszusehen.

Ein Buch, welches den Finger in etliche Wunden legt. Wie fühlen wir uns, wenn wir mit Menschen aus fernen Landen kommunizieren? Denken wir, dass wir besser seien? Oder sind wir sogar dankbar, dass wir nicht vor Krieg und Misshandlung fliehen müssen? Erkennen wir die Furcht unserer Mitmenschen an, oder setzen wir uns darüber hinweg? Kann man Recht mit Geld und/oder dem Zutun von Freunden kaufen?

Besonders gut gefielen mir die verschiedenen Perspektiven, aus denen die Geschichte erzählt wird. Diese fiktiven Kommentare auf Facebook sind perfekt getroffen. Dann diese Furcht vor gesellschaftlichem und finanziellem Absturz, wenn gewisse Dinge an die Öffentlichkeit kommen. An die Eltern Ayanas wird dabei nicht gedacht. Die Sprache wechselt je nach Charakter und ist bildgewaltig. Und die Charaktere optimal herausgearbeitet. Klare Empfehlung und einen Sternenregen gibt es von mir.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Ein Skandal erschüttert nicht nur den Kaiser

Schloss Liebenberg. Hinter dem falschen Glanz
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Ist es Hass gegenüber der Gräfin, der Adelheid umtreibt? Auch wenn sie eigentlich eine junge Frau ist, die Gehorsam und Demut lebt? Ja, das zeigt sich spätestens dann, als sie von einem Bekannten des Journalisten ...

Ist es Hass gegenüber der Gräfin, der Adelheid umtreibt? Auch wenn sie eigentlich eine junge Frau ist, die Gehorsam und Demut lebt? Ja, das zeigt sich spätestens dann, als sie von einem Bekannten des Journalisten Harden angesprochen wird. Die Ereignisse überschlagen sich in diesem zweiten Band um Schloss Liebenberg und auch gegen den miesen Opitz wollen einige Bedienstete vorgehen.

Der zweite Band schließt nahtlos an das erste Buch an. Wieder ist es eine gute Mischung aus Erzählung und historischen Fakten, die mir gut gefällt. Sehr bewegend fand ich die Beschreibung der Situation von Kindern aus Arbeiterfamilien. Sie hatten kaum Chance, eine gute Schule zu besuchen. Wurden sie krank, waren sie auf die Gnade vom Adel oder anderen reichen Nachbarn angewiesen. Kein Wunder, dass so viele starben. Es kümmerte kaum jemanden.

Ja, und dann war da noch dieser Skandal, der auch den Kaiser nicht unbehelligt ließ. Interessant zu sehen, dass schon damals das Wort „Rückgrat“ nicht für jedermann galt. Freunde wurden zu Gegnern und jeder versuchte, für sich Ausreden zu finden, die auch vor Gericht anerkannt wurden. Das Thema Kolonien spielt in dem Buch ebenfalls eine Rolle. Und alles, was geschrieben steht, kann in guten historischen Sachbüchern nachgelesen werden.

Wieder einmal überzeugte mich die Autorin Hanna Caspian durch ihre akribische Recherche. Sie überlässt nichts dem Zufall oder ihrer Phantasie. Danke für die abwechslungsreichen Stunden, die Sie mir mit dem Buch beschert haben. Jetzt freue ich mich sehr auf den letzten Band und das große Finale. Es sind ja noch einige Fragen offen.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Fantastisches Buch im Breitbildformat

Fünf Winter
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Sehr spät am Abend wird Joe Mc Grady zu einem Haus gerufen. Dort findet er einen völlig verstörten und gleichzeitig über die Maßen alkoholisierten Mann, der behauptet, in seiner Hütte hinge ein Toter Mensch. ...

Sehr spät am Abend wird Joe Mc Grady zu einem Haus gerufen. Dort findet er einen völlig verstörten und gleichzeitig über die Maßen alkoholisierten Mann, der behauptet, in seiner Hütte hinge ein Toter Mensch. Joe glaubt das nicht wirklich und möchte sich selbst ein Bild von dem angeblichen Tatort machen. Dort findet er nicht nur die Leiche eines Mannes. Der Zustand des Toten ist es, der bei ihm Gänsehaut hervorruft. Während seiner Einsätze in den vergangenen Jahren sah er viele Leichen. Diese hier toppt alles bisher dagewesene. Und es ist nicht die einzige, die in diesem Mordfall eine Rolle spielt.

Es dauerte eine Weile, bis ich voll in das Geschehen eintauchen konnte. Aber die Ausdauer lohnte sich, denn dieser Roman ist tatsächlich einzigartig. Nicht nur die Geschehnisse in den 1940er Jahren beschreibt der Autor sehr genau. Und ja, es ist wirklich ein Krimi im Breitbildformat. So lebendig, farbenfroh und bildhaft ist die Sprache von James Kestrel. Der Übersetzer Stefan Lux hat zudem hervorragende Arbeit geleistet.

Wer nicht nur Spannung mag, sondern ebenfalls in die Historie von Japan, Hawaii und USA eintauchen möchte, der muss dieses Werk lesen. Es zeigt gut die Hintergründe zu den Geschehnissen, das Zusammenspiel von Geheimdiensten und Polizeibehörden. Für mich besonders bemerkenswert, dass die Ermittler und weitere Beteiligte so ganz ohne Handy, PC und Skype auskamen. Ein wirklich fantastisches Buch, das viele Leser in seinen Bann ziehen wird.

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Veröffentlicht am 13.03.2023

Wir dürfen niemals schweigen

Als wir die Maikäfer waren
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Wer schwimmen kann, hat etliche Vorteile. Wie viele Flüchtende aus afrikanischen Ländern ertrinken, weil sie sich nicht über Wasser halten können. Wie wichtig es ist, wusste bereits der Vater von Eva. ...

Wer schwimmen kann, hat etliche Vorteile. Wie viele Flüchtende aus afrikanischen Ländern ertrinken, weil sie sich nicht über Wasser halten können. Wie wichtig es ist, wusste bereits der Vater von Eva. Immer wieder nahm er sie mit ins Wasser und hemmte so ihre Scheu davor. Und das wiederum rettete ihr das Leben. Als sie nämlich mit zwei weiteren Mädchen, alle drei jüdischen Glaubens, ins kalte Nass der Donau katapultiert wurde. Durch Seile verbunden, mussten die drei ans Ufer treten, die Mittlere wurde erschossen und riss die beiden Anderen mit ins Wasser. Wie grausam können Menschen sein.

„Als wir die Maikäfer waren“ ist die Niederschrift von Zeitzeugen, die hier ihre unvorstellbaren Leiden schildern. Es beginnt mit dem Hinweis auf das „Schuhdenkmal“ an der Donau. Ein Künstler platzierte Schuhe aus Metall, die an das Massaker der Pfeilkreuzler erinnern. Für mich nicht vorstellbar, dass dieses Denkmal vor wenigen Jahren geschändet wurde. Daher immer wieder: Wehret den Anfängen und vergesst niemals.

Neben dem Erleben der Mädchen gibt es weitere Schilderungen von Überlebenden des Holocaust. Einfühlsam berichtet Christoph Heubner davon und gibt damit nicht nur denen eine Stimme, die mit dem Leben davonkamen. „Als wir Maikäfer waren“ ist der dritte Band einer Trilogie und das Lesen und Verstehen jedes einzelnen Buches sollte ein Muss für jeden Menschen sein.

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Veröffentlicht am 13.03.2023

Ein ganz besonderes Leseerlebnis

Requiem
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Arthur Eberle, Onkel von Fritz Eberle, gibt Unterricht in Musik. Fritz spielt Cello und überschätzt seine Fähigkeiten enorm. Sein Spiel ist nicht einmal dürftig. Der Ehrgeiz seines Vaters liegt allerdings ...

Arthur Eberle, Onkel von Fritz Eberle, gibt Unterricht in Musik. Fritz spielt Cello und überschätzt seine Fähigkeiten enorm. Sein Spiel ist nicht einmal dürftig. Der Ehrgeiz seines Vaters liegt allerdings darin, dass der Filius einmal im städtischen Orchester auftritt. Hier ist Erich Krakau seit Jahren der erste Cellist und das nicht ohne Grund. Er ist ein begnadeter Musiker, der nur einen „Makel“ hat. Er ist Jude. Wie es in den 1930er Jahre halt war, die braune Uniform machte jeden zum Herrn über „Randgruppen“. Eine Union von rechten Genossen, der „Kampfbund für Deutsche Kultur“, wird unter anderem in „Requiem“ näher beschrieben.

Für mich war das Lesen dieses Mal etwas ganz Besonderes. Es ist ein Unterschied, ob ich einer Story folge, die von Dritten erzählt wurde, oder eine Geschichte lese, die tatsächlich vom Autor selbst erlebt wurde. Karl Alfred Loeser schrieb den Roman in den 1930er Jahren und er wurde nie veröffentlicht. Erst 1999 fand die Familie von ihm verfasste Manuskripte. Dazu gehört auch
„Der Fall Krakau“ beziehungsweise „Requiem.

Nein, eine Autobiographie ist der Roman nicht. Viel mehr eine Beschreibung, wie es damals den Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland ging. Wie sie angefeindet wurden, wie sie schuldlos im Gefängnis landeten und keinerlei Gesetz oder Recht für sie galt. Das erlebte Loeser hautnah bei seinen Freunden und Bekannten. Er floh schweren Herzens zunächst nach Holland und dann nach“ Brasilien. Aber auch hier musste er wachsam sein. Der Antisemitismus war auch in diesem Land stark vertreten. Es wird vermutet, dass er aus dem Grund seinen Roman nicht veröffentlichen wollte. Er mochte nicht als Jude erkannt werden.

Bereits auf der ersten Seite wurde ich von der Erzählung gefesselt. Die gehobene Sprache und die vielen Bilder, die im Laufe des Lesens in meinem Kopf entstanden, gaben den Ausschlag. Wie sich die Charaktere, hier besonders die Ehefrau von Krakau, im Laufe der Geschichte entwickelten, grandios. Und der Spannungsbogen, der sich nur langsam straffte und bis zur letzten Seite gespannt blieb, ebenfalls bewundernswert. Ganz klare Leseempfehlung und fünf Sterne plus.

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