Profilbild von Lesereien

Lesereien

Lesejury Star
offline

Lesereien ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Lesereien über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.05.2023

Wien, ein Café und menschliche Schicksale

Das Café ohne Namen
0

Robert Seethaler, das bedeutet für mich leise Literatur, die es auf unprätentiöse Weise schafft, das ganz Große einzufangen. Nämlich das, was das Leben ausmacht: Die Suche nach Erfüllung, das Zwischenmenschliche, ...

Robert Seethaler, das bedeutet für mich leise Literatur, die es auf unprätentiöse Weise schafft, das ganz Große einzufangen. Nämlich das, was das Leben ausmacht: Die Suche nach Erfüllung, das Zwischenmenschliche, Schicksalsschläge, die Wege, für die wir uns entscheiden...

Auch mit seinem neuen Buch "Das Café ohne Namen" gelingt ihm das wieder. Es geht um Robert Simon, der sich dazu entschließt, ein altes Marktcafé am Karmelitermarkt in Wien zu übernehmen. Er hat keine Erfahrung mit Gastronomie und doch wird sein Café bald zu einem Magneten für die Menschen des Viertels. Sie treffen sich alle dort, die Marktverkäufer und Bauarbeiter, die Trinker und die Tratschenden, die Verliebten und die Enttäuschten.

"Vor zehn Jahren war es ein staubiges Loch, jetzt sitzen dort jeden Abend außer Dienstag Menschen, um wenigstens für ein paar Stunden den ganzen Schlamassel um sie herum zu vergessen."

Als Leser*in sehen wir die Jahre an diesen Menschen vorbeiziehen. Wir sehen, wie der Traum von einem Café zur Wirklichkeit wird, wie sich eine Stadt verändert, wie Menschen mit Veränderungen hadern und sie doch akzeptieren müssen.

Es ist eine runde Geschichte, in der Lebensabschnitte und Zeitenwenden nahtlos ineinander übergehen. Eine Geschichte, die etwas Essentielles einfängt, die von vorne bis hinten stimmig ist. Aber was mich am meisten berührt hat, das war die Unaufgeregtheit, mit der Seethaler erzählt. Dieses so Stille und doch so Tiefe. Das mag ich sehr, sehr. Immer wieder. ❤️

Also: Reist schleunigst nach Wien mit diesem wunderbaren Roman!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.05.2023

Eine kulinarische Reise nach Mexiko

Zu Gast bei Frida Kahlo
0

Frida Kahlo als Gastgeberin. Das ist die Idee dieses Kochbuchs, das allen Koch- und Backbegeisterten die mexikanische Küche nahe bringt.

Einleitend wird der Leser mit der Figur Frida Kahlo vertraut gemacht ...

Frida Kahlo als Gastgeberin. Das ist die Idee dieses Kochbuchs, das allen Koch- und Backbegeisterten die mexikanische Küche nahe bringt.

Einleitend wird der Leser mit der Figur Frida Kahlo vertraut gemacht und es wird auf informative und lebendige Weise ihr Leben dargestellt. Anschließend werden die Besonderheiten der mexikanischen Küche und die traditionellen Kochutensilien erläutert. Das ist ein spannender und lehrreicher Einblick, den man gerne als Vorbereitung auf das Kochen und Ausprobieren liest!

Doch das eigentliche Highlight des Buches sind selbstverständlich die Rezepte! Von Basisrezepten bis Hauptspeisen und Cocktails... die Auswahl ist vielfältig und es ist alles dabei, was man sich wünschen könnte. Außerdem sind die Rezepte sehr ansprechend gestaltet, in kräftigen Farben und umgeben von tollen Fotos (Hubert Schüler), die große Lust bereiten, selbst zu kochen.

Insgesamt ist dieses Buch ein Must-Have für alle, die gerne Neues probieren, die sich kulinarisch inspirieren lassen oder die vielleicht sowieso schon ein Faible für die mexikanische Küche haben. In meiner Küche hat dieses Buch jedenfalls einen festen Platz bekommen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.03.2023

Ein besonderer und lesenswerter Roman!

WEST
0

Es ist das Jahr 1815 in Pennsylvania. John Cyrus Bellman hat seine Heimat England verlassen, um sich in der Neuen Welt niederzulassen. Doch seine Frau Elsie ist bei der Geburt der Tochter gestorben und ...

Es ist das Jahr 1815 in Pennsylvania. John Cyrus Bellman hat seine Heimat England verlassen, um sich in der Neuen Welt niederzulassen. Doch seine Frau Elsie ist bei der Geburt der Tochter gestorben und Cy kann ein Verlust nicht überwinden. Erst als er einen Artikel in der Zeitung über den Fund eines riesigen Skeletts im Westen des Landes liest, keimt neue Hoffnung in ihm auf. Er ist davon überzeugt, dass diese riesigen Tiere leben und beschließt, sich selbst auf die Suche nach ihnen zu begeben.

Der Roman begleitet Cy auf seiner Reise durch ein unbesiedeltes und zu großen Teilen noch völlig unentdecktes Land, das sich vor den Augen des Lesers entfaltet. Cys Hoffnung, in der wilden, unberührten Natur Erfüllung zu finden und seine Abenteuerlust durch sie stillen zu können, wird bald mit der Realität konfrontiert. Unbeholfen und klein wirkt der Mensch im Angesicht der Schlangen, Bären und Wölfe, der harten und menschenfeindlichen Winter und der gefährlichen Wege.

Gleichzeitig hat der Westen, auf den die Träume des Protagonisten projiziert werden, etwas Großes und Mythisches an sich. Er ist nicht nur Gefahr, nicht nur wilde Natur, sondern repräsentiert auch den unerschütterlichen Glauben der Menschen und den Drang zu entdecken und zu erforschen.

Davies erzählt unaufgeregt und in einer schlichten Sprache, die Bilder von großer Kraft und Ausdrucksstärke heraufbeschwört. Der Roman ist ein Western, der durch seinen poetischen und tiefgründigen Charakter hervortritt und sich von anderen vermeintlich ähnlichen Geschichten in dieser Hinsicht stark abhebt. Er verklärt die Zeit der Siedler nicht und zeichnet stattdessen ein glaubhaftes Bild von ihnen, das sich auch aus Vergewaltigungen und Betrügereien zusammensetzt.

Ein besonderer und lesenswerter Roman!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.03.2023

Atmosphärisch

Die nicht sterben
0

Nach einem Kunststudium in Paris kehrt die Protagonistin des Romans in den kleinen Ort B. in Rumänien zurück. Stets hat sie dort in der Villa ihrer Großtante die Sommerfrische verbracht. Doch B. ist in ...

Nach einem Kunststudium in Paris kehrt die Protagonistin des Romans in den kleinen Ort B. in Rumänien zurück. Stets hat sie dort in der Villa ihrer Großtante die Sommerfrische verbracht. Doch B. ist in ihrer Wahrnehmung nicht mehr so, wie es einst war. Das Gras vor den Villen ist hochgewachsen, der Asphalt aufgesprungen, die Straßenlaternen haben aufgehört zu leuchten und Internetempfang gibt es nur auf einem Hügel. Die Menschen ziehen weg, der Verfall ist allgegenwärtig.

Dann überschlagen sich die Ereignisse. Eine der Gäste der Großtante rutscht bei einer Wanderung aus und stürzt in den Tod. In der Familienkrypta, wo für sie Platz geschafft werden soll, wird ein übel zugerichteter Toter gefunden. Doch dessen nicht genug. Eines der Gräber entpuppt sich als das Grab Vlad des Pfählers, besser bekannt als Graf Dracula. Und die Protagonistin somit als seine Nachfahrin.

Grigorcea versteht es auf sehr gekonnte Weise, Vergangenes und Gegenwärtiges sowie Metaphorik und Kritik miteinander zu verbinden. Sie verwebt ihre politischen Aussagen mit einer schaurigen, archaischen und spannungsgeladenen Atmosphäre, die auf Symbolen, Andeutungen, Ahnungen und rhetorischen Fragen beruht. Ständiges Unheil scheint in der Luft zu liegen, Tod und Verwesung sind nie fern.

Doch das eigentliche Grauen ist letztlich nicht Vlad der Pfähler, ist kein wieder zum Leben erwachter Vampir. Das Grauen ist greifbar, real und lässt sich in der Gegenwart verorten. Denn die blutsaugenden Vampire, das sind im Roman die Politiker und die Machthungrigen. Es sind die, die es zulassen und unterstützen, dass das Land ausgebeutet wird, dass Gesetze missachtet werden, dass Korruption und Wahlbetrug allgegenwärtig sind, dass Gelder veruntreut werden und ausländische Investoren sich breit machen.

Die nicht sterben ist ein Roman voll atmosphärischer Dichte, der seinen ganz eigenen Stil findet. Ein lesenswerter Roman also, den es nicht zu verpassen gilt!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.03.2023

Ein Muss für Shakespeare-Fans

Der Tyrann
0

Wie ist es möglich, dass ganze Nationen Tyrannen, Demagogen und Egomanen verfallen?
Diese Frage hat sich Stephen Greenblatt unweigerlich vor der Trump-Wahl stellen müssen. Das Buch “Der Tyrann” ist das ...

Wie ist es möglich, dass ganze Nationen Tyrannen, Demagogen und Egomanen verfallen?
Diese Frage hat sich Stephen Greenblatt unweigerlich vor der Trump-Wahl stellen müssen. Das Buch “Der Tyrann” ist das Ergebnis seiner Überlegungen. Auf eindrückliche Weise zeigt der Literaturwissenschaftler darin, wie zeitlos und allgemeingültig Shakespeares Charakterstudien tyrannischer Herrscherfiguren und die Mechanismen ihres Aufstiegs zur Macht sind. Die Parallelen zu heutigen Machthabern sind allzu offensichtlich, als dass man sie übersehen könnte. Ob eine Figur da Richard III. oder Trump heißt, scheint kaum noch von Bedeutung, denn das, was ihre Persönlichkeiten und ihre Strategien der Machtergreifung auszeichnet, ähnelt sich allzu sehr.

Shakespeares Tyrannen sind inkompetent, schamlos und wahnsinnig. Richard III., Macbeth, King Lear, Leantes oder Coriolan sind geistig ungeeignet, Entscheidungen zu treffen. Wahnsinn und Egomanie zeichnen sie aus. Richard sagt über sich selbst: “Oh, ich kann lächeln und beim Lächeln morden”. Die shakespearischen Herrscherfiguren haben das Bedürfnis, sich überlegen zu fühlen. Niemand darf ihnen widersprechen, ihren Befehlen ist Glaube zu leisten, das, was sie behaupten, auch wenn es nicht auf Tatsachen beruht, ist die Wahrheit. Denn: “Wenn der Tyrann träumt, es gebe Betrug oder Verrat, dann gibt es Betrug oder Verrat.” Demagogen wie Jack Cade aus “Heinrich VI.” machen dem Volk darüber hinaus falsche Versprechungen, (“alle solln fressen und saufen auf meine Kosten”) und gründen ihre Anliegen auf der Sehnsucht nach einer besseren und glorreichen Vergangenheit. Es hätte daher kaum überrascht, wenn ‘Make England Great Again’ Cades Wahlspruch gewesen wäre.

Doch warum scheint niemand zu sehen, welche gewaltbereite und grausame Männer die Macht an sich zu reißen versuchen? Warum bleiben alle tatenlos und sehen zu? Greenblatt erklärt es mit Richard III. folgendermaßen: “Richard ist für die höchste Machtposition so offensichtlich und grotesk unqualifiziert, dass sie ihn aus ihren Gedanken verbannen. Sie konzentrieren sich stets auf etwas anderes, bis es zu spät ist. Sie erkennen nicht schnell genug, dass das scheinbar Unmögliche wirklich geschieht. Die Struktur, auf die sie sich verlassen haben, erweist sich als unerwartet zerbrechlich.” Die Zerbrechlichkeit von Regierungsformen und Frieden sind für Shakespeare eine Voraussetzung für die Machtergreifung von Tyrannen. Eine weitere sind die Mitläufer, die Kollaborateure, die Befehlsausführer und die, die schweigen und wegsehen.

Für alle Shakespeare-Fans, für die, die Shakespeares Zeiten überdauernde Relevanz noch entdecken wollen und für all diejenigen, die an Zeitgeschehen und heutiger Politik interessiert sind, ist das Buch ein Muss!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere