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Veröffentlicht am 21.08.2023

Unglaublich fesselnd & unglaublich wichtig. Ich konnte nicht aufhören, zu lesen!

Frag nach Jane
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Dieser Roman hat mir die Nachtruhe gestohlen. Aber das war vollkommen freiwillig. Ich habe abends um 21 Uhr angefangen zu lesen und frühmorgens aufgehört. Ich musste wissen, wie es weitergeht!

Dabei hatte ...

Dieser Roman hat mir die Nachtruhe gestohlen. Aber das war vollkommen freiwillig. Ich habe abends um 21 Uhr angefangen zu lesen und frühmorgens aufgehört. Ich musste wissen, wie es weitergeht!

Dabei hatte mich das Thema des Buches zunächst vordergründig geängstigt. Abtreibung, unfreiwillige Adoptionen. Heftig. Ist es auch. Aber es geht um mehr. Es geht insgesamt um das Thema "Freiwillige & Selbstbestimmte Mutterschaft". Ein leider aktuelles Thema, wenn man die neuesten Entwicklungen in einigen Staaten der USA bedenkt.....

Die Autorin erzählt abwechslungsreich und fesselnd und gleichzeitig sehr informativ von vor allem drei Frauen, die mit diesem Thema konfrontiert werden und die mehr miteinander zu tun haben, als man zunächst denkt.

Da ist Angela, die seit Jahren Mutter werden will und bei der die künstlichen Befruchtungen bisher immer fehlgeschlagen sind. Sie arbeitet in einem Antiquitätenladen, wo sie irgendwann in einer Schublade einen Brief einer Frau an ihr adoptiertes Kind findet. Angela versucht nun, das Kind zu finden und erfährt dabei eine Menge über illegale Abtreibungen und die Frauen, die für eine Legalisierung gekämpft haben.

Dann ist da Nancy, die selbst adoptiert wurde und ihre Cousine zu einer illegalen Abtreibung begleitet, die um ein Haar tödlich endet. Eine Ärztin empfiehlt ihr daraufhin, sie sollte in solchen Fällen alle Arztpraxen abtelefonieren und "nach Jane fragen", dann würde sie professionelle Unterstützung durch Ärzte bekommen. So wird Nancy auf das "Jane" Netzwerk aufmerksam.

Und dann gibt es Evelyn, die Anfang der 1960er Jahre unverheiratet schwanger wird, von ihren Eltern in ein von Nonnen geleitetes Heim für "gefallene" Mädchen gesteckt wird und gezwungen wurde, ihr Kind zur Adoption freizugeben.

Obwohl das Thema eher schwierig ist, fesselt das Buch und unterhält sogar, ohne seicht zu sein. Eine wirkliche Meisterleistung der Autorin.

Unbedingt lesen! Es gibt viele interessante Wendungen und Zusammenhänge, die nach und nach klar werden. Und am Ende einen unglaublichen Twist.

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Veröffentlicht am 10.07.2023

Moderne Liebesgeschichte über Menschen 40+

Stürmisch verliebt
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Mit 40+ ist das (Liebes-)leben noch längst nicht vorbei. Allerdings gibt es noch nicht all zu viele Romane, die dies thematisieren. Stina Jensen hat jetzt einen Roman geschrieben, der genau dieses Thema ...

Mit 40+ ist das (Liebes-)leben noch längst nicht vorbei. Allerdings gibt es noch nicht all zu viele Romane, die dies thematisieren. Stina Jensen hat jetzt einen Roman geschrieben, der genau dieses Thema aufgreift und erzählt. Da immer mehr Menschen älter und gleichzeitig fit, neugierig und aktiv sind, wird es Zeit, dies auch in der Literatur mehr zu würdigen!

Die Autorin Stina Jensen schreibt über eine Frau, die einen Liebesroman über nicht mehr ganz junge Frauen schreiben will und soll. Denn diese Altersgruppe kauft erwiesenermaßen die meisten Bücher (stimmt!).

Die Protagonistin Steffi ist schon Ende vierzig, ist früh Oma geworden und eigentlich ganz glücklich mit Tochter und Enkelkind und ihrem Job als Lektorin in einem Verlag. Nur romantische Liebe & Erotik, die gibt es derzeit nicht in ihrem Leben. Die Ehe ist schon längst gescheitert und alle Versuche danach waren nicht gerade von Erfolg gekrönt. Als dann ihr Verlag an neue Eigentümer verkauft wird, mit denen sie eine peinliche private Problematik verbindet, flüchtet Steffi auf die Nordseeinsel Nortrum, um dort ihren Resturlaub abzugelten und gleichzeitig einen Roman zu schreiben über die Liebe 40+. Sie kommt eigentlich ganz gut voran, aber Mark, der Sohn des Nachbarn, lenkt sie immer mehr ab.....

Stina Jensen ist ein spritziger, humorvoller und moderner Roman gelungen, der über genau einen solchen Roman erzählt. Ein wenig Buch im Buch, ein wenig Einblick ins Verlagswesen und eine realistische und moderne Schilderung von den vielen Verletzungen, Geheimnissen und Erfahrungen, die Menschen prägen, die die 40 schon längst hinter sich gelassen haben und sich zwar gerne verlieben würden - aber auch Angst davor haben.

Handlungsort ist die fiktive Insel Nortrum, die mehrere Romanautorinnen erschaffen haben, um einer Insel-Roman-Reihe den richtigen Rahmen zu geben. Dies ist der zweite Band, der auch eigenständig funktioniert. Wenn man alle Bände liest, bekommt man kleine Infos, was aus den Protagonisten aus den anderen Bänden geworden ist.

Also: Auf nach Nortrum!

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Veröffentlicht am 23.05.2023

Was für ein Buch! Über stille Stärke und unglaubliche Widerstandskraft

So weit der Fluss uns trägt
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Victoria wächst in den 1940er Jahren im westlichen Colorado auf einer Pfirsichfarm auf. Sie liebt die Natur, sie gibt ihr Kraft. Und die braucht Victoria uch. Denn sie musste in jungen Jahren schon viele ...

Victoria wächst in den 1940er Jahren im westlichen Colorado auf einer Pfirsichfarm auf. Sie liebt die Natur, sie gibt ihr Kraft. Und die braucht Victoria uch. Denn sie musste in jungen Jahren schon viele Schicksalsschläge verkraften. Früh verlor sie ihre Mutter und nun muss sie ganz alleine den Haushalt bewältigen und auf der Farm arbeiten. Victoria ist brav und fleißig und passt sich an, ihr gewalttätiger und unzuverlässiger Bruder Seth ist ihr keine Hilfe, im Gegenteil.
Nur einmal macht Victoria was sie will: Sie verliebt sich leidenschaftlich in einen Wanderarbeiten und schleicht sich heimlich davon. Denn Wilson Moon wird als "Indianer" beschimpft und die Gesellschaft in Colorado ist konservativ Ende der 40er Jahre. Es gibt jedoch eine Nachbarin, die allgemein als verrückt beschrieben wird, die Victoria unterstützt. Diese Unterstützung wird sie später noch brauchen, denn der nächste große Schicksalsschlag steht an. .....

Dieser Debütroman erzählt eigentlich eine tragische Geschichte. Von verlorener Liebe, gesellschaftlichen Zwängen und Verlust. Aber er erzählt auch von Durchsetzungsvermögen, von Widerstandskraft und von einer Frau, die ihren Weg geht. Ruhig und selbstbestimmt. Ohne große Bildung aber mit viel Intelligenz und einer ganz speziellen Beziehung zur Natur, die sie nährt und die ihr zeigt, dass es darauf ankommt, immer weiterzumachen. Egal, was kommt.

Mich hat dieses Buch sehr berührt und auch wenn ich zwischendurch kaum weiterlesen konnte, weil ich wusste, dass es jetzt wirklich schlimm wird, so war der Roman doch ein ganz großartiges Leseerlebnis. Denn es passiert nicht nur Schlechtes. Es gibt auch Freundschaft, Zusammenhalt, Hilfe von den "anständigen und einfachen" Leuten im Ort und ein großes Vertrauen in die Natur, die es auch immer wieder schafft, weiter zu leben.

So ein wenig hat mich der Roman an Hard Land von Benedict Wells oder Big Sky Country von Callan Wink erinnert. Beides Bücher, die auch von Verlust und Schwierigkeiten erzählen und doch so viel Menschlichkeit ausstrahlen.

Eine ganz große Leseempfehlung! Sobald das Buch erscheint: Lesen!

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Veröffentlicht am 17.05.2023

Was für ein kleines, feines, herzergreifendes Buch

Spargel in Afrika
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Abschied, Vater-Sohn und Eltern-Kind. Ein unerschöpfliches, existentielles Thema. In diesem schmalen Buch hervorragend dargestellt. Sprachlich sehr interessant gelöst. Vor allem wird das Thema anhand von ...

Abschied, Vater-Sohn und Eltern-Kind. Ein unerschöpfliches, existentielles Thema. In diesem schmalen Buch hervorragend dargestellt. Sprachlich sehr interessant gelöst. Vor allem wird das Thema anhand von Erzählungen übers Essen behandelt. Pfifferlinge, Weihnachtsessen und eben der titelgebende "Spargel in Afrika". Den hatte der Diplomaten Vater extra nach Afrika liefern lassen. Und dann hatte der Koch die Petersilien Kartoffeln vergessen...
Ein Sohn erinnert sich vor allem an diese Geschichte. An gemeinsame Mahlzeiten. Die oft das Verständnis und die Nähe ersetzen. Oder war genau das die Nähe? Und liegt im Gedanken an Essen nicht aus immer der Wunsch, genug zu bekommen? Genug Liebe, Zuwendung, Nahrung, Leben?


Es gilt im Roman für den Sohn Abschied zu nehmen vom Vater, der doch nur die Versäumnisse seiner eigenen Kindheit kompensieren wollte. Genauso, wie es der Sohn wiederum mit seinen Kindern macht. Wird der Sohn seinen Frieden finden und gestärkt seine Rolle als neue älteste Generation wahrnehmen können?

Mich hat diese Geschichte sehr berührt, sehe ich mich doch selbst als Mutter, für die "sorgen" auch "versorgen" ist. Gemeinsame Mahlzeiten, Schulbrote, Lieblingsessen kochen. So habe ich es selbst erfahren. Und unbewusst selbst so gemacht.
Gibt dieses Umsorgen Sicherheit und Nähe? Vielleicht? Hoffentlich!
Ich muss derzeit selbst schrittweise Abschied nehmen von meiner Mutter. Und letztens im Pflegeheim wollte meine Mutter unbedingt, dass ich mit ihr zusammen esse, sie hat mir ihr halbes Abendessen überlassen. Das Thema scheint uns also zu verbinden und hört auch im hohen Alter nicht auf. Danke Mutti für Deine Fürsorge!

Nicht alle Leser:innen werden ähnliche Erfahrungen haben. Die Erfahrung vom Abschied von den Eltern müssen wir aber irgendwie alle meistern. Daher eine ganz große Empfehlung für dieses Buch.

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Veröffentlicht am 27.03.2023

Die Sprache ist reine Poesie

Der Inselmann
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Was für eine Sprache! Dieser recht schmale Roman erzählt so vieles. Über Einsamkeit, Sprachlosigkeit, dysfunktionale Familien und eigene Stärke. All dies mit einem melancholischen Grundton in ...

Was für eine Sprache! Dieser recht schmale Roman erzählt so vieles. Über Einsamkeit, Sprachlosigkeit, dysfunktionale Familien und eigene Stärke. All dies mit einem melancholischen Grundton in einer beeindruckenden, poetischen Sprache. Protagonist ist Hans, den wir im Grunde genommen fast sein ganzes Leben begleiten. Als Zehnjähriger zieht er mit seinen Eltern auf eine Insel in einem See. Für die Eltern ist es wohl eher eine Flucht, nach Innen statt nach Außen. Denn es ist Anfang der 60er in der DDR. Dies wird aber nur mittels einiger weniger Andeutungen klar. Hans fühlt sich sofort wohl auf der Insel, er ist ein stiller Junge, der die Natur liebt und im Hund des vorherigen Bewohners einen neuen Freund findet. Seinen einzigen Freund aus Kindertagen musste er in der Stadt zurücklassen. Ansonsten trauert er der Stadt und der Schule jedoch nicht nach, Hans ist eher Mobbing Opfer als ein Star. Aber er ist gut im Ertragen. Er erträgt, dass er seine Eltern mehr liebt als diese ihn, er erträgt die Sprachlosigkeit in der Familie und die Einsamkeit auf der Insel. Doch als die Schulaufsicht kommt und Hans nun jeden Tag eine Stunde über den See rudern muss, um zur Schule zu gehen, wird sich Hans irgendwann verweigern - was dramatische Folgen haben wird. Aber auch das wird Hans ertragen. Denn sein Ziel bleibt: Er will auf die Insel zurück!

Dem Autor Dirk Gieselmann ist mit "Der Inselmann" ein fulminanter Debutroman gelungen. Sprachlich ausgefeilt und inhaltlich wunderbar und zunehmend schwebend zwischen den Zeiten und zwischen Erinnerung, Traum, Wunsch und Realität. Nicht alles ist klar definiert und Sozialkritik ist (wenn überhaupt) nur unterschwellig zu spüren. Erzählt wird ein einsames Leben eines stillen und wortkargen (aber nicht sprachlosen) Menschen, der mit großer innerer Stärke ein alles andere als einfaches Schicksal lebt. Ein wenig hat es mich an "Ein ganzes Leben" von Robert Seethaler erinnert.

Ich habe es sehr genossen, das Buch zu lesen. Trotz der relativ wenigen Seiten habe ich oft innegehalten, um den Text wirken zu lassen.
Ich hatte das große Glück, den Autor im Rahmen des "Leseclubfestivals" in Köln persönlich kennenzulernen und dort mit anderen Leser:innen über den Roman zu sprechen. Daher weiß ich jetzt, dass der Autor gerne viele weiße Seiten eingefügt hätte, um zum Pausieren und Nachfühlen einzuladen. Und, warum das Buch der Inselmann heißt - und wie der Autor die Sprache entwickelt hat. Es war eine sehr interessante Diskussion. Auch dafür ganz großen Dank an alle, die mitdiskutiert haben.
Und eine große Empfehlung für dieses sehr besondere Buch.

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