Profilbild von Herbstrose

Herbstrose

Lesejury Star
offline

Herbstrose ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Herbstrose über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.08.2023

Bücher und Freunde

Der Buchspazierer
0

Nachdem der alte Inhaber seine Buchhandlung an seine Tochter übergeben hatte, bleibt Carl Christian Kollhoff nur noch die Aufgabe, die bestellten Bücher abends an die Kunden auszuliefern. Dies tut er mit ...

Nachdem der alte Inhaber seine Buchhandlung an seine Tochter übergeben hatte, bleibt Carl Christian Kollhoff nur noch die Aufgabe, die bestellten Bücher abends an die Kunden auszuliefern. Dies tut er mit Hingabe, kennt er doch jeden persönlich und weiß um seinen Lesegeschmack. Eines Tages schließt sich ihm Schascha, ein neunjähriges Mädchen, an. Sie nennt Carl nur den „Buchspazierer“. So sind sie Abend für Abend unterwegs in den alten Gassen der Stadt und bald freuen sich Kollhoffs Kunden nicht nur auf ihre bestellten Bücher, sondern haben auch das aufgeweckte Mädchen ins Herz geschlossen. Doch dann geschieht etwas, das ihre gewohnte Routine durcheinander bringt …

Carsten Henn, geb. 1973 in Köln, ist ein deutscher Autor, Dramatiker und Journalist. In Köln und Adelaide/Australien studierte er Völkerkunde, Soziologie und Geographie mit dem Magisterabschluss. Danach war er bis 2008 in der Verwaltung seiner Heimatstadt Hürth angestellt, konzentriert sich jedoch seitdem nur noch auf seine schriftstellerische und journalistische Arbeit. Er schreibt hauptsächlich Kriminalromane und Sachbücher über Weinbau. Sein Roman „Der Buchspazierer“ erreichte Platz 6 auf der Jahresbestsellerliste 2021. Henn wohnt in Hürth und bewirtschaftet an der Mosel einen Weinberg, wo er seinen eigenen Wein anbaut.

Dieser märchenhafte, warmherzig geschriebene Roman spricht besonders all jene Leser an, die verrückt nach Büchern sind und gerne in Buchhandlungen stöbern. Auch wenn die Handlung nicht ganz überzeugen kann, so sprechen doch die dazwischen erwähnten Buchtitel und Zitate jeden Buchliebhaber an. Ein paar unerwartete Wendungen und das phantasievolle Ende sind weitere angenehme Pluspunkte. Doch wie es auch im Leben ist, ein paar Schattenseiten werden ganz nebenbei auch angesprochen. Analphabetismus, häusliche Gewalt, Einsamkeit und Armut im Alter sind ebenso erwähnenswerte Themen, wie auch die prekäre Lage vieler kleiner örtlicher Buchhandlungen.

Fazit: Keine große Literatur, aber eine nett zu lesende Geschichte über die Macht der Bücher, die Menschen verbindet und zu Freunden machen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.07.2023

Alles ganz normal

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
0

Inhalt Verlagstext: Sie ist die Tochter, die stets unsichtbar war neben ihren braven, blonden Schwestern. Sie ist die alleinerziehende Mutter, die sich stets nach mehr Freiheit und Unterstützung sehnte. ...

Inhalt Verlagstext: Sie ist die Tochter, die stets unsichtbar war neben ihren braven, blonden Schwestern. Sie ist die alleinerziehende Mutter, die sich stets nach mehr Freiheit und Unterstützung sehnte. Sie ist die Überempfindliche, die stets mehr spürte als andere. Sie ist jemand, der Veränderungen hasst. Doch irgendetwas muss geschehen. Denn ihre Kinder sind im Begriff auszuziehen, und sie muss sich verkleinern, ihr altes Leben ausmisten, herausfinden, was davon sie behalten, wer sie in Zukunft sein will.
Wie ist es, wenn das Leben noch einmal neu anfängt? Doris Knechts neuer Roman ist die zutiefst menschliche und intime Selbstbefragung einer Frau, die an einem Wendepunkt steht. Sie versucht, die Wahrheit über sich selbst herauszufinden. Und zugleich weiß sie, dass ihr das niemals gelingen wird.

Die Autorin: Doris Knecht wurde 1966 in Rankweil, Vorarlberg, geboren und lebt seit 1985 meist in Wien. Sie ist eine österreichische Schriftstellerin und Journalistin, die für diverse Zeitungen und Magazine Kolumnen schreibt. Gelegentlich tritt sie auch als DJ auf. Für ihre Werke erhielt sie einige Auszeichnungen und war mit ihrem ersten Roman „Gruber geht“ 2011 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Doris Knecht hat zwei Kinder, deren Heranwachsen sie in ihren Texten immer wieder thematisiert.

Meine Meinung: Ich muss gestehen, eine Rezension zu diesem Buch fällt mir schwer. Zunächst ist es für mich kein Roman, wie auf dem Titel vermerkt, sondern entspricht eher einer Biographie. Ob Doris Knecht hier über ihr eigenes Leben berichtet, ist nicht klar festzustellen. Jedenfalls lässt sie eine namenlose Frau mittleren Alters, Mutter von 18jährigen Zwillingen, in Ich-Form über ihr bisheriges Leben berichten. In kurzen Kapiteln, nicht unbedingt chronologisch, erzählt sie über ihre Kindheit und Jugend, über ihre Geschwister, über ihre eigenen Kinder und deren Aufwachsen und über ihren Hund. Dazwischen eingefügt sind einige Episoden über ihre Eltern, über Freunde und Freundinnen, über Wohnungswechsel und Umzug, über das Wetter und noch einiges mehr. Der Schreibstil ist zwar angenehm flüssig, dennoch kam bei mir ab und zu Langeweile auf, da eigentlich nichts Aufregendes und kaum Interessantes passiert.

Fazit: Ein ganz normales Leben mit Erinnerungen, wie sie wohl jede/r von uns hat. Ob man darüber schreiben muss?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.07.2023

Familiengeheimnisse

Porträt auf grüner Wandfarbe
0

Wir befinden uns im Jahr 1992, als Gwen Farleigh, eine in London lebende Mittdreißigerin, von ihrer betagten Tante Lily von Stein eingeladen wird, mit ihr und ihrer Jugendfreundin Lotte an die Ostsee nach ...

Wir befinden uns im Jahr 1992, als Gwen Farleigh, eine in London lebende Mittdreißigerin, von ihrer betagten Tante Lily von Stein eingeladen wird, mit ihr und ihrer Jugendfreundin Lotte an die Ostsee nach Polen zu fahren, dahin, wo die Familie bis zum II. Weltkrieg einen Gutshof besaß. Bei den Reisevorbereitungen entdeckt Gwen einen Koffer mit Unterlagen und Dokumenten ihrer verstorbenen Mutter. Es befinden sich darin auch Aufzeichnungen und Tagebücher von Ella Blau, einer ehemaligen Freundin von Gwens nunmehr 94jährigen Großmutter Ilsabé von Isolani, aus den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen. Gwen beginnt zu lesen und erfährt dabei Geheimnisse ihrer Familie, die ihr auf ihrer Reise in die Vergangenheit sehr nützlich sind …

Elisabeth Sandmann (*1960) ist eine deutsche Buchautorin, Verlagsbuchhändlerin, Verlegerin und promovierte Literaturwissenschaftlerin, die sich gerne mit Biografien außergewöhnlicher Frauen beschäftigt. Sie lebt mit ihrem Mann in der Nähe von München und ist Mutter eines erwachsenen Sohnes.

Zu Anfang ist die Geschichte sehr verwirrend, da man gleich mit sehr vielen Personen und deren komplizierten Familienverhältnissen konfrontiert wird. Wer gehört zu wem, wer ist wessen Bruder bzw. Schwester, wie heißt nun mal wieder der Onkel oder die Tante, welche Großmutter gehört zu welchem Großvater, war das die erste oder zweite Ehe, wer ist wessen Freundin und wie waren nochmal die Namen von Gwens Eltern? Zwar liegt dem Buch eine kleine Faltkarte mit den wichtigsten Namen bei, aber auch die ist nicht immer hilfreich.

Hat man die verworrenen Verhältnisse erst mal gedanklich sortiert, wird es sogar spannend. Die entdeckten Tagebücher und Gwens Gespräche mit noch lebenden Verwandten lassen ein Familiengeheimnis vermuten, das sich im Nachhinein jedoch eher als banal entpuppt. Der Schreibstil ist angenehm flüssig und schön komponiert - doch leider ist der Roman durch den Umfang und die verworrenen Verhältnisse schwer zu lesen und erfordert eine gewisse Konzentration. Die Figuren sind lebensecht und authentisch beschrieben, dennoch konnte ich zu ihnen keine Verbindung aufbauen, da mir ihre Emotionen fehlten. Das Geschehen zieht sich recht zäh dahin, obwohl immer wieder (zu viele) neue Geheimnisse auftauchen und Heimlichkeiten angedeutet werden.

Zu loben ist die Recherchearbeit der Autorin, die bei den komplexen Themen dieses Romans (Weltkriege, Judenverfolgung, verschwundene Gemälde, Schloss Elmau in Bayern, verlorene Güter im Osten, geheime Schließfächer in der Schweiz etc.) nötig war. Leider wirkt die Geschichte jedoch dadurch sehr überladen.

Fazit: Ein Buch für Liebhaber ausschweifender Familiengeschichten – für mich war es eher ungeeignet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.05.2023

Heinrich II. von England vs. Thomas Becket

Conrad Ferdinand Meyer - Gesammelte Werke
0

Die Rezension bezieht sich nur auf "Der Heilige" einer anderen Ausgabe:

Zum Jahreswechsel 1191 kommt Hans der Armbruster nach Zürich, wo er vom Chorherrn Burkhard eingeladen wird. Während des Essens ...

Die Rezension bezieht sich nur auf "Der Heilige" einer anderen Ausgabe:

Zum Jahreswechsel 1191 kommt Hans der Armbruster nach Zürich, wo er vom Chorherrn Burkhard eingeladen wird. Während des Essens erzählt ihm Hans, der vor Jahren ein Vertrauter König Heinrich II. von England war, von der eigentümlichen Beziehung zwischen Thomas Becket und seinem König: Heinrich II. kann sich auf seinen Kanzler verlassen, der ihm mit seinem umfangreichen Wissen wertvolle Dienste leistet und auch seine Söhne unterrichtet. Doch das gute Verhältnis der beiden zerbricht, als Heinrich Beckets Tochter Grace verführt und diese zu Tode kommt. Heinrich zwingt Thomas daraufhin, die Stelle des Bischofs von Canterbury anzunehmen, obwohl dieser strikt ablehnt. Thomas wird zum Asketen – und das Schicksal nimmt seinen Lauf …

Conrad Ferdinand Meyer, 1825 bis 1898, gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schweizer Dichtern des Realismus, der besonders durch seine historischen Romane und Novellen bekannt ist. In Kilchberg bei Zürich ist seine letzte Ruhestätte.

Wie meist in seinen Romanen und Novellen, hat sich der Autor auch hier weitgehend an den historischen Geschehnissen orientiert. Außer Beckets Tochter Grace (und das frei erfundene Verhältnis mit dem König, das hier für die weitere Handlung von Bedeutung ist), haben alle anderen Protagonisten tatsächlich existiert.

Da die Novelle „Der Heilige“ 1880 erstmals veröffentlicht wurde, ist der Schreibstil entsprechend antiquiert und lässt sich nur mühsam und holperig lesen. Ich finde es eigentlich schade, dass man bei einer Neuauflage nicht eine etwas zeitgemäßere Ausdrucksweise gewählt hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.04.2023

Geister und Familiengeheimnisse

Der letzte Sessellift
0

Rachel konnte bei den amerikanischen Skimeisterschaften 1941 in Aspen keinen Sieg erringen, kommt aber dafür schwanger nach Hause zurück. Ihr Sohn Adam wächst in den Wintermonaten bei der Großmutter auf, ...

Rachel konnte bei den amerikanischen Skimeisterschaften 1941 in Aspen keinen Sieg erringen, kommt aber dafür schwanger nach Hause zurück. Ihr Sohn Adam wächst in den Wintermonaten bei der Großmutter auf, während Rachel als Skilehrerin arbeitet. Den Fragen nach dem Vater des Jungen weicht sie stets aus. In der Familie wird allerhand gemunkelt und Adam macht sich so seine eigenen Gedanken. Auf der Suche nach Antworten fährt er nach Aspen, wo er im Hotel Jerome eine erste Begegnung mit Geistern hat. Skurrile Figuren und weitere Geister werden ihn fortan auf seinem Lebensweg begleiten …

„Der letzte Sessellift“ ist der 15. Roman des 1942 in Exeter, New Hampshire, geborenen US-amerikanisch/kanadischen Schriftstellers John Irving. Skurrile Personen, makabre Geschehnisse, gesellschaftliche Tabus und tragikomische zwischenmenschliche Beziehungen sind die Merkmale seiner Werke, für die er zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen erhielt. Der heute 81jährige Irving ist in zweiter Ehe mit seiner Agentin verheiratet und lebt abwechselnd in Vermont und Toronto.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe die Lektüre bei etwa der Hälfte frustriert abgebrochen, nachdem ich ständig den Faden verloren hatte und nicht richtig in die Geschichte rein kam. Der Roman hätte m.E. so viel Potential, wenn nur nicht die vielen Wiederholungen, die mehrfachen Namen und Benennungen der einzelnen Protagonisten und die wirklich ärgerlichen, nervtötenden Längen wären. Man liest z.B. seitenlang über Skirennfahrer der 50er und 60er Jahre, die heute kein Mensch mehr kennt, sämtliche Musicals der 60er und 70er Jahre werden erwähnt, zahlreiche Filme mit ihren Darstellern und Regisseuren sowie die Lebensläufe der damaligen Filmstars samt Ehen und Affären füllen die Seiten und, ach ja, die Gräueltaten im Vietnamkrieg fehlen natürlich auch nicht. Adam als Ich-Erzähler kommt unmotiviert von einem Thema zum anderen, schweift ab und erzählt zwischendurch sogar, was erst Jahre später geschehen wird.

Dazwischen gibt es selbstverständlich auch großartige interessante Passagen, die wirklich zum weiter lesen animieren und die schriftstellerischen Qualitäten Irvings unterstreichen. Skurrile und abartige Romanfiguren, eine unkonventionelle Familie, Homosexualität, lesbische Frauen, Kleinwüchsigkeit, Transgenderprobleme, Kritik an der amerikanischen Regierung und ihrer Vietnampolitik - alles äußerst interessante Themen – aber leider nicht ausreichend, um die durch die unnötigen Längen aufkommende Langeweile zu überdecken. Da ich, wie bereits erwähnt, das Buch nur zur Hälfte gelesen habe, möchte ich zum Inhalt keine Empfehlung aussprechen – die drei Sterne sind für den Einfallsreichtum des Autors.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere