Profilbild von Dreamworx

Dreamworx

Lesejury Star
offline

Dreamworx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dreamworx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.06.2023

Schicksal ist, wenn sich zwei Menschen finden, die sich nie gesucht haben.

Here With Me
0

Nach einem schicksalhaften Einsatz, bei dem sie schwer verletzt wurde, hat Robyn ihre Karriere als Polizistin in Boston an den Nagel gehängt. In der Fotografie hat sie eine Aufgabe gefunden, aber noch ...

Nach einem schicksalhaften Einsatz, bei dem sie schwer verletzt wurde, hat Robyn ihre Karriere als Polizistin in Boston an den Nagel gehängt. In der Fotografie hat sie eine Aufgabe gefunden, aber noch wichtiger ist ihr, endlich den Kontakt zu ihrem Vater Mac aufzunehmen, den sie seit Jahren nicht gesehen hat. Mac arbeitet in Schottland als Sicherheitschef des ehemaligen Hollywoodstars Lachlan Adair, der dort ein exklusives Resort für die Reichen und Schönen leitet. Bei der ersten Begegnung zwischen Robyn und Lachlan ist die Antipathie zwischen ihnen sofort spürbar. Als Mac von einem Unbekannten niedergestochen wird, erfährt Robyn von den mysteriösen Vorfällen in dem Resort, die langsam bedrohliche Ausmaße annehmen. Kurzerhand beschließt Robyn, den Täter zu finden, der sich vor allem Lachlan als Zielscheibe ausgesucht hat. Während Robyn sich auf dem Resort umsieht und nach und nach Kontakt zu allen Besuchern und Familienmitgliedern erhält, kommen sie und Lachlan sich näher. Ob sie gemeinsam den Täter finden werden?
Samantha Young hat mit „Here with me” den ersten Teil ihrer Adair-Dilogie vorgelegt, der nicht nur mit einer spannenden Tätersuche aufwartet, sondern auch mit einer knisternden Liebesgeschichte den Leser zu unterhalten weiß. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser über Perspektivwechsel mal an die Seite von Robyn, mal an die von Lachlan gleiten, um deren Gedanken- und Gefühlswelt sehr genau kennenzulernen. Robyn leidet schon ihr ganzes Leben lang darunter, keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt zu haben. Nun möchte sie die Gründe dafür erfahren, um endlich ihrem Leben eine Zukunft zu geben. Wie Robyn und Mac sich annähern, ist einfach schön zu beobachten, zumal beide sich viel Raum lassen, um ihre Beziehung zu erneuern und zu festigen. Der zu lösende Kriminalfall wurde von der Autorin sehr gut in die Handlung integriert, und da es immer wieder jemand anderen trifft, liegt die Lösung nicht sofort auf der Hand. Durch die Spurensuche lernen Robyn und Lachlan sich besser kennen und müssen schon bald feststellen, dass eine große Anziehungskraft zwischen ihnen besteht. Doch während Robyn viele Zugeständnisse macht, will Lachlan sich einfach nicht festlegen und lässt Robyn immer wieder hängen. Die Autorin lässt den Spannungslevel sowohl in der Beziehung zwischen Robyn und Lachlan als auch bei den Taten in dem Resort immer weiter ansteigen und in einem fulminanten Knall enden. Der Leser folgt Robyn bei der Suche des Täters und kann dabei das Buch kaum aus der Hand legen.
Die Charaktere sind mit glaubwürdigen Ecken und Kanten ausgestattet, so dass sie den Leser mit ihrer Authentizität und Lebendigkeit sofort für sich einnehmen und dieser ihnen nicht mehr von der Seite weicht. Robyn ist nach außen eine sehr toughe Frau, die sich nichts vormachen lässt. Sie ist liebenswürdig, mutig, stur und mit Einfühlungsvermögen gesegnet. Ihre Unsicherheit verbirgt sie vor den Augen anderer, versucht aber, diese endlich zu überwinden. Lachlan wirkt zu Beginn wie ein arroganter Mistkerl, der viel von sich selbst hält. Doch nach und nach kann der Leser hinter die Fassade schauen und findet dort großen Familiensinn und Verantwortungsgefühl, aber auch Angst aufgrund Geschehnisse in der Vergangenheit. Mac ist ein toller Typ, der sich seinen Fehlern stellt, er ist warmherzig und offen. Aber es gibt auch so manch merkwürdige Gestalt, die schnell in den Fokus rückt, ob gerechtfertigt oder nicht.
„Here with me“ ist ein unterhaltsamer Auftakt, der mit Familiengeschichte, Freundschaft, Liebe und einem spannenden Kriminalfall den Leser schöne Lesestunden beschert. Auf den zweiten Band darf man gespannt sein. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 11.06.2023

Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut. (Perikles)

Der Freiheit entgegen (Die Gutsherrin-Saga 3)
0

1962. Die 18-jährige Fotografin Clara Thorau hat nach einem Konflikt mit der Polizei während der Unruhen in Schwabing genug von München. Gemeinsam mit Freundin Sanni, die keine Lust auf die Arbeit in der ...

1962. Die 18-jährige Fotografin Clara Thorau hat nach einem Konflikt mit der Polizei während der Unruhen in Schwabing genug von München. Gemeinsam mit Freundin Sanni, die keine Lust auf die Arbeit in der Bäckerei ihrer Eltern hat und lieber Schauspielerin werden will, zieht Clara nach Hamburg, um dort einen Neuanfang zu wagen und ihrer Liebe Freddy nahe zu sein. Ein Job als Schreibkraft in einem Verlag bringt sie ihren Träumen, Journalistin zu werden, ein Stückchen näher, was Freddy gar nicht schmeckt. Clara muss schon bald feststellen, dass ihr nicht jeder den Erfolg gönnt und sie gegen Widerstände ankämpfen muss. Währenddessen erhält Sanni die Chance, als Fotomodell zum Star zu werden, während die italienische Zufallsbekanntschaft Maria auf ein eigenes Café hinarbeitet…
Theresia Graw hat mit „Der Freiheit entgegen“ den dritten Band ihrer Gutsherrin-Saga vorgelegt, der sich diesmal ausschließlich um Doras Tochter Clara und deren Freundinnen in den 60er Jahren dreht. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Schreibstil lässt den Leser sofort ins 20. Jahrhundert abdriften, um Clara bei ihrem Start ins Berufsleben mit allen Tücken und Vorurteilen zu beobachten. Kurzweilig lässt die Autorin den Zeitgeist der 60er wieder lebendig werden. Über einen Zeitrahmen von 2 Jahren von 1962 bis 1964 erlebt der Leser nicht nur mit Clara die Schwabinger Unruhen, den Kennedy Besuch, die erste große Liebe, den Umzug nach Hamburg und die ersten Schritte ins Berufsleben. Die gesellschaftlichen Konventionen der damaligen Zeit sind spießig und lassen die jungen Leute ausbrechen, um auf eigenen Beinen zu stehen. Dabei wird es gerade Frauen immer noch sehr schwer gemacht, sich durchzusetzen, auch wenn sie die Leistung bringen. Ihnen werden immer wieder Steine in den Weg gelegt, um sie an ihrer Karriere zu hindern. Die Autorin verbindet historische Fakten und Ereignisse sehr gekonnt mit ihrer Handlung, so dass der Leser das Gefühl bekommt, hautnah dabei zu sein. Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen unter den drei Frauen Clara, Sanni und Marie sind authentisch und gelungen. Allerdings ist der Spannungslevel in diesem Roman auf niedrigem Niveau und zeitweilig plätschert die Handlung vor sich hin. Ebenso fehlt es den Charakteren die Tiefgründigkeit, die die Elterngeneration in den Vorgängerbänden an den Tag legte. Trotzdem fliegen die Seiten nur so dahin und gönnen dem Leser entspannte Leestunden.
Die Charaktere sind gut in Szene gesetzt und nehmen den Leser unter ihre Fittiche, der sie auf ihren Abenteuern begleitet. Clara ist eine Träumerin, naiv und eigensinnig, die sofort die Segel streicht, wenn etwas nicht so passt, wie sie es gern hätte. Erst das harte Arbeitsleben, das sich Durchbeißen und seine Frau stehen machen Clara mutiger und verleihen ihr Stärke. Freundin Sanni ist eine offene Frau, die genau weiß, was sie will und jede Chance ergreift, um ihre Ziele zu erreichen. Sie ist Clara eine gute Freundin, ebenso wie Marie, die eigentlich nur nach Deutschland gekommen ist, um ihren Bruder zu unterstützen, um dann festzustellen, dass sie ganz eigene Lebensvorstellungen hat.
„Der Freiheit entgegen“ ist eine kurzweilige und unterhaltsame Zeitreise in die 60er Jahre, die historische Ereignisse wieder zum Leben erweckt und das damalige Gesellschaftsbild gut wiederspiegelt sowie das Schicksal von drei Freundinnen erzählt. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.05.2023

Menschen mit einer neuen Idee gelten so lange als Spinner, bis sich die Sache durchgesetzt hat. (Mark Twain)

Das Kaufhaus – Zeit der Wünsche
0

1885 Stralsund. Nachdem Flora und Leonhard Tietz mit Hilfe von Floras Bruder Sally und dessen Verlobter Anna erfolgreich das Kaufhaus Tietz etabliert haben, steht die Expansion des Kaufhauses in anderen ...

1885 Stralsund. Nachdem Flora und Leonhard Tietz mit Hilfe von Floras Bruder Sally und dessen Verlobter Anna erfolgreich das Kaufhaus Tietz etabliert haben, steht die Expansion des Kaufhauses in anderen Städten auf dem Wunschzettel. Sally und Anna sollen sich nach einem geeigneten Platz für eine Dependance in Annas Heimatstadt Schweinfurt umsehen. Währenddessen hat Leonhards Bruder Oskar mit seinem Geschäft in Gera anfangs nur mäßig Erfolg und steht bei der Familie aufgrund seiner Beziehung zu Betty in Misskredit. Doch auch Oscar macht den Laden mit Hilfe seines Onkels Hermann Tietz schließlich doch zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten der Gera-Kaufleute, was ihm erneut Ärger einbringt. Leonhard plant derweil, ein großes Kaufhaus in Elberfeld zu eröffnen…
Susanne von Berg hat mit „Zeit der Wünsche“ den zweiten Teil ihrer historischen Hertie-Kaufhaus-Trilogie vorgelegt, in der sich Wahrheit und Fiktion vermischen zu einer unterhaltsamen und kurzweiligen Lektüre. Der bildhafte, flüssige und gefühlvolle Schreibstil beamt den Leser zurück ins 19. Jahrhundert, wo er sich schnell als Teil der Tietz-Familie wiederfindet und vor allem Flora und deren Ehemann Leonhard auf Schritt und Tritt folgt. Das Ehepaar ist ein eingeschworenes Team, denen Familiensinn und Vertrauen sehr viel wert ist, was sie auch ihren Mitarbeitern vorleben. Während Flora sich mehr um die Kinder sowie die Ausstattung der einzelnen Läden kümmert, liegt es an Leonhard, sich um die Erweiterung des Sortiments zu kümmern. Sally hat sich inzwischen ebenso wie seine Verlobte Anna unentbehrlich für das Geschäft gemacht, so dass den beiden der neue Laden in Schweinfurt zur Leitung übertragen wird. Die Autorin lässt mit ihren farbenfrohen Beschreibungen nicht nur die einzelnen Kaufhaus-Dependancen vor dem inneren Auge des Lesers entstehen, empathisch vermittelt sie auch die zwischenmenschlichen Beziehungen der einzelnen Familienmitglieder untereinander gut an den Leser. Innovative Ideen nach dem Vorbild amerikanischer Warenhäuser nehmen nach und nach Gestalt an, rufen aber auch alteingesessene Händler auf den Plan, die sich um ihre Existenzen bedroht fühlen und sich zur Wehr setzen. Die Perspektivwechsel zwischen den einzelnen Familienangehörigen und deren Läden halten den Leser trotz mäßiger Spannung bei der Stange, der gleichzeitig den Konkurrenzkampf mit Wertheim beobachten darf.
Die Charaktere wurden lebendig ausgestaltet und mit authentischen Ecken und Kanten versehen, die sie dem Leser schnell ans Herz wachsen lassen. Flora ist eine patente und einfühlsame Frau, die anscheinend alles unter einen Hut bekommt. Sie liebt ihre Familie, aber ebenso ist sie kreativ tätig und wartet immer mit neuen Ideen auf. Leonhard vergöttert seine Ehefrau und liest ihr jeden Wunsch von den Lippen ab. Sally hat sich zu einem verantwortungsbewussten Kerl gemausert, der seine Aufgaben ernst nimmt. Oscar ist das schwarze Schaf der Familie, dabei hat er interessante Ideen und liebt seine Betty sehr. Onkel Hermann ist durch und durch Geschäftsmann, während sein Bruder Chaskiel nur ein Großmaul und Möchtegern ist, der das Sagen haben will über die gesamte Familie.
„Zeit der Wünsche“ erzählt nicht nur von der Expansion der Hertie-Warenhäuser, sondern unterhält den Leser mit einer Mischung aus Familiengeschichte, Liebe und Eifersucht. Kurzweilige Lesestunden mit verdienter Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 14.05.2023

Die Familie ist die Heimat des Herzens. - Giuseppe Mazzini

Der Salon am Rosenplatz
0

1966 Bremen. Nach dem Tod des Vaters erbt Gisela als älteste Tochter den familieneigenen Friseursalon Fellbach, in dem auch ihre Geschwister, Bruder Kurt und die 15 Jahre jüngere Schwester Ruth, mitarbeiten. ...

1966 Bremen. Nach dem Tod des Vaters erbt Gisela als älteste Tochter den familieneigenen Friseursalon Fellbach, in dem auch ihre Geschwister, Bruder Kurt und die 15 Jahre jüngere Schwester Ruth, mitarbeiten. Der Salon lebt allerdings nur noch von der alten Stammkundschaft, denn immer mehr modernere Friseurläden öffnen in Bremen ihre Tore, die mehr zu bieten haben. Gisela ist nach dem Tod ihres Mannes in ihrer Trauer gefangen und hat kaum noch Interesse an dem Geschäft, während Schwester Ruth gern viele neue Ideen ausprobieren würde. Als Giselas Tochter Marianne als Fotomodell entdeckt wird und nach London zieht, gibt Gisela Ruth die Schuld an deren Weggang und entlässt sie aus dem Salon. Ruth findet schnell eine neue Stelle bei einem der modernen Konkurrenten, wo sie sich bald gut einlebt. Als der alte Friseursalon eines Tages buchstäblich in Rauch aufgeht, kommen vor allem bei den Schwestern Gisela und Ruth endlich viele Dinge an die Oberfläche, über die Jahre geschwiegen wurde…
Caroline Jansen hat mit „Frauen wie wir“ einen unterhaltsamen Auftaktband für ihre „Salon am Rosenplatz“-Serie vorgelegt, der den Leser nicht nur auf eine Zeitreise in die späten 60er des vergangenen Jahrhunderts einlädt, sondern auch eine typische Familiengeschichte der damaligen Generation erzählt. Der flüssige und farbenfrohe Erzählstil lässt den Leser nicht nur in die Vergangenheit reisen, sondern zaubert während der Lektüre auch lebhafte Bilder vor das innere Auge. Schnell schlüpft er an die Seite von Ruth, um sich im alten Friseursalon Fellbach umzusehen, die alten Waschbecken und Trockenhauben in Augenschein zu nehmen sowie gleichzeitig einen ersten Eindruck über das Verhältnis der Geschwister untereinander zu erhalten. Ruth ist als Nachzüglerin 15 bzw. 14 Jahre jünger als ihre ältere Schwester und ihr Bruder. Nach dem Tod der Mutter wuchs Ruth bei Gisela und ihrer Familie auf, was das Verhältnis zwischen Gisela und ihr veränderte. Während Ruth und Giselas Tochter Marianne eher wie Freundinnen miteinander umgehen, ist die Beziehung zwischen Ruth und Gisela eher schwierig. Der Tod ihres Ehemannes stürzt Gisela in Depressionen und Apathie, sie sitzt in ihrem Trauerkokon fest, verschließt sich dem Fortschritt völlig und ertränkt ihre Einsamkeit mit Alkohol. Tochter Marianne macht ihre eigenen Erfahrungen als Fotomodell in London, während Ruth in einem neuen Salon endlich aufblüht und vielleicht auch ihre große Liebe findet. Sogar Kurt ist mutig genug, etwas Neues zu wagen. Die Autorin hat die 60er Jahre sehr schön wieder aufleben lassen, aber auch ihren Protagonisten Gesichter gegeben, die für viele Menschen der damaligen Zeit stehen. Manchen konnte der Fortschritt nicht schnell genug gehen, andere kamen mit den Veränderungen nicht so gut zurecht. Auch die innerfamiliären Konflikte werden gut und nachvollziehbar beschrieben und dringen erst an die Oberfläche, als der alte Salon einem Brand zum Opfer fällt.
Die Charaktere sind lebendig und glaubwürdig in Szene gesetzt, mit ihren menschlichen Ecken und Kanten nehmen sie den Leser schnell für sich ein, der ihnen gern über die Schulter schaut. Ruth ist eine modern denkende junge Frau, die ihre Arbeit als Friseurin liebt und gern Neues ausprobieren würde. Sie ist liebenswert, hilfsbereit und offen. Schwester Gisela ist das genaue Gegenteil, wirkt eher verschlossen, uninspiriert, unterkühlt und ertrinkt schon fast in Selbstmitleid. Sie will, dass alle nach ihrer Pfeife tanzen und ist gegenüber allen Argumenten verschlossen. Kurt ist ein stiller, in sich gekehrter Mann, der erst am Ende zu überraschen weiß. Marianne ist abenteuerlustig und mutig, auch wenn sie dabei Lehrgeld wird zahlen müssen.
„Frauen wie wir“ spiegelt das Gesellschaftsbild der 60er Jahre sehr schön wieder. Unterhaltsam und gefühlvoll lässt die Autorin die alte Zeit wieder aufleben und zeichnet gleichzeitig eine interessante Familiengeschichte auf. Kurzweilige Lektüre für entspannte Lesestunden. Verdiente Empfehlung!

Veröffentlicht am 01.05.2023

Qualität ist, wenn der Kunde zurückkommt, aber nicht das Produkt. (Hermann Tietze)

Das Kaufhaus – Zeit der Sehnsucht
0

1879 Stralsund. Mit ihrem Verlobten Leonhard Tietz hat sich Flora in Stralsund niedergelassen, um sich dort eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Als Flora für ihr Brautkleid das geeignete Material sucht, ...

1879 Stralsund. Mit ihrem Verlobten Leonhard Tietz hat sich Flora in Stralsund niedergelassen, um sich dort eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Als Flora für ihr Brautkleid das geeignete Material sucht, wird sie in dem Textilgeschäft von Alfred Holst fündig, das schon bessere Tage gesehen hat und kurz vor dem Ruin steht. Alfred hat seit dem Tod seiner Frau nicht mehr Fuß fassen können und Schulden angehäuft, die ihm nun das Wasser bis zum Hals stehen lassen. Flora, die nicht nur mit Alfred Mitleid hat, sondern auch von dem Laden angetan ist, springt Alfred zur Seite und hilft ihm, den Laden etwas auf Vordermann zu bringen. Währenddessen kündigt Leonhard seine Beteiligung an einer Textilwarenfirma und geht auf Geschäftsreise, um sich von seinen alten Kunden zu verabschieden. Als Flora ihm nach seiner Rückkehr von ihrem Einsatz bei Holst erzählt, keimt in Leonhard eine Idee auf, die er mit Hilfe von Flora schon bald in die Tat umsetzt…
Susanne von Berg hat mit „Zeit der Sehnsucht“ den Auftaktband ihrer Kaufhaus-Trilogie vorgelegt, deren Handlung die Entstehungs- und Erfolgsgeschichte des Hertie-Konzerns wiederspiegelt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil erlaubt dem Leser eine Zeitreise zurück ins 19. Jahrhundert, wo er neben Flora und Leonhard auch Floras Bruder Sally sowie Alfred Holst kennenlernt. Flora und Leonhard leben verlobt, jedoch unverheiratet, gemeinsam in einer Wohnung, was zur damaligen Zeit unüblich war. Jedoch liegt die Hochzeit nicht mehr fern, und Flora möchte sich ihr Kleid selber schneidern. Während Leonhard auf Geschäftsreise ist, wird Floras Besuch in Alfred Holsts Textilgeschäft der schicksalhafte Moment, dem die Begründung des eigenen Kaufhausunternehmens zugrunde liegt. Flora ist eine moderne Frau, die selbst mitanpackt und in Leonhard einen Partner hat, der sie in allem unterstützt. So nimmt sie ihren Bruder Sally auf, der aufgrund seiner Flausen im Kopf von zuhause getürmt ist und nun sein Glück im Hafen sucht, was ihm aber nicht so gut bekommt. Alfred Holst seit dem Tod seiner Frau kein glückliches Händchen fürs eigene Geschäft, dazu lässt ihn sein eigener Sohn Julius im Stich. Die Autorin beschreibt nicht nur die zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonisten untereinander warmherzig und nachvollziehbar, sondern lässt den Leser auch intensiv an der Modernisierung des neuen Ladens teilhaben. Bodentiefe Schaufenster sowie Schaufensterpuppen sollen den Kauflustigen die Ware schmackhaft machen, ebenso sind feste Preise, Umtauschrecht und Barzahlung neu. Die Kunden dürfen den Laden betreten und sich umsehen, ohne zum Kauf genötigt zu werden. Die neuen Ideen von Leonhard und Flora sind revolutionär und lassen den größten Konkurrenten Wertheim aufhorchen. Auch wenn es kaum Spannungsmomente in der Geschichte gibt, ist die Story doch recht kurzweilig.
Die Charaktere wurden liebevoll in Szene gesetzt und überzeugen mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften. Der Leser heftet sich schnell an ihre Fersen und schaut ihnen bei ihren Unternehmungen über die Schulter. Flora ist eine liebevolle Frau, die das Herz am rechten Fleck trägt. Sie ist mitfühlend und hilfsbereit, packt mit an und ist sich für nichts zu schade. Leonhard ist ein feiner Kerl, der bedacht handelt und viele Ideen im Kopf hat. Sally ist anfangs ein Windhund, doch mausert er sich zu einem vertrauenswürdigen jungen Mann. Alfred Holst ist ein alter Herr, der sich fast seinem Schicksal ergeben hätte und nun wieder Licht am Ende des Tunnels sieht. Alfred Wagner ist ein Mistkerl, der nur seinen Vorteil im Sinn hat und über Leichen geht.
„Zeit der Sehnsucht“ ist ein Mix aus Familiengeschichte, Unternehmensgründung, Frauenpower sowie Liebesgeschichte vor historischem Hintergrund. Die ersten Grundschritte zur Entstehung des Hertie-Kaufhauskonzerns werden dem Leser hier sehr lebhaft vor Augen geführt. Verdiente Leseempfehlung für eine kurzweilige Lektüre!