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Veröffentlicht am 25.04.2025

zurück in die Herzegowina

Und dann springen wir
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Und dann springen wir – Gianna Lange
Für mich war dieser Debütroman eine positive Überraschung.
Rosas Mutter Elise stirbt viel zu früh. An Tuberkulose, eine Krankheit, an der angeblich heutzutage keiner ...

Und dann springen wir – Gianna Lange
Für mich war dieser Debütroman eine positive Überraschung.
Rosas Mutter Elise stirbt viel zu früh. An Tuberkulose, eine Krankheit, an der angeblich heutzutage keiner mehr stirbt. Rosa macht sich auf eine Reise durch Osteuropa, nach Prag und nach Mostar in der Herzegowina – eine Reise, die sie mit ihrer Mutter noch einmal machen wollte. Denn damals haben sie sich versprochen, gemeinsam von der Alten Brücke in Mostar zu springen.
Der locker-leichte Erzählstil ermöglicht einen guten Zugang zur Geschichte. Elise ist gerade gestorben und Rosa trauert. Generell geht es in diesem Roman viel um Trauerverarbeitung. Außerdem gibt es viele Rückblicke in eine nicht einfache Kindheit mit einer psychisch instabilen, suchtkranken Mutter. Auch diese Erlebnisse wirken sich auf die Art und Weise von Rosas Trauer aus. Es gibt Abschlüsse, aber es gibt auch Neuanfänge: die Wiederannäherung zum Vater, eine neue Freundin und Reisegefährtin, Emma, die ihre ganz eigene Geschichte mitbringt, welche sie ebenfalls in die Herzegowina führt. Eine kriegsgebeutelte, aber wunderschöne Region. Auch diese Themen kommen nicht zu kurz.
Ein toller Schmöker in wunderbarer Sprache. Tiefgründig und Empathisch.
Klasse! 5 Sterne

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Veröffentlicht am 24.04.2025

Großer irischer Roman

Der Junge aus dem Meer
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Der Junge aus dem Meer – Garrett Carr
1973 wird in einem Örtchen an der irischen Westküste ein Baby am Strand gefunden. Das Fischerpaar Ambrose und Christine nimmt es auf und zieht den Jungen wie einen ...

Der Junge aus dem Meer – Garrett Carr
1973 wird in einem Örtchen an der irischen Westküste ein Baby am Strand gefunden. Das Fischerpaar Ambrose und Christine nimmt es auf und zieht den Jungen wie einen eigenen Sohn groß. Brendan wächst fortan mitten in der eingeschworenen Gemeinde auf – nur sein „Bruder“ Declan, wird den Eindringling nie wirklich akzeptieren.
Es ist eine besondere Erzählweise aus der Wir-Perspektive, womit die Bewohner der irischen Küstengemeinde gemeint sind, die hier so einiges mitbekommen, manches aber auch nur vermuten, auf jeden Fall aber zu allem eine Meinung haben. Diese schrulligen Fischer und ihre Gattinnen erzählen nun diese Geschichte….
„… wir erzogen unsere Kinder dazu, allein zurechtzukommen.“
„Für Eunan gab es keine Mahlzeit, die er nicht in weniger als drei Minuten vertilgen konnte, was er so schnell und lautstark tat, dass man hätte meinen können, auf seinem Stuhl säße eine Ziege.“
…mit dem trockenen Humor der einfachen Leute.
Es ist ein extrem stimmungsvoller und authentischer Roman, der dabei entsteht. Klug und tieftraurig. Die Handlung schreitet eher gemächlich voran, es sind vielmehr die zwischenmenschlichen Beziehungen auf die der Fokus gelegt wird. Ganz ohne Erziehungsratgeber und völlig unbedarft werden Fehler gemacht – insbesondere die Beziehung zwischen Brendan und Declan ist und bleibt schwierig.
Wenn man sich erstmal eingelesen hat, ist dies ein wunderbarer Schmöker um eine eigensinnige irische Dorfgemeinschaft und um einen Jungen auf der Suche nach seinem Platz in der Welt. Berührend und schön.
5 Sterne.

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Veröffentlicht am 17.04.2025

Familienbande

Beeren pflücken
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Beeren pflücken – Amanda Peters
Was für ein toller Roman – ein wahrer Pageturner!
Die 4-jährige Ruthie, jüngstes Kind einer indigenen Mi'kmaq-Familie aus Nova Scotia verschwindet am Rande eines Beerenfeldes ...

Beeren pflücken – Amanda Peters
Was für ein toller Roman – ein wahrer Pageturner!
Die 4-jährige Ruthie, jüngstes Kind einer indigenen Mi'kmaq-Familie aus Nova Scotia verschwindet am Rande eines Beerenfeldes in Maine, wo die Familie als Erntehelfer arbeitet, spurlos. Auch nach Jahrzehnten hat die Familie die Hoffnung, Ruthie wiederzusehen, nicht aufgegeben. Die Tragödie hat vielerlei tiefe Wunden gerissen und Schatten auf die Leben der Zurückgebliebenen geworfen.
Parallel dazu wächst in Maine das Mädchen Norma auf, in einer überbehütenden Familie, der sie sich dennoch nie so ganz zugehörig fühlt. Außerdem plagen sie immer wieder seltsame Träume.
Abwechselnd werden die Handlungsstränge der Mi'kmaq-Familie sowie des Mädchens Norma verfolgt. Auch schwierige Lebensbedingungen der indigenen Bevölkerung, welche nicht selten in Gewalt und Alkoholmissbrauch enden, werden thematisiert.
Eine sehr berührende Geschichte über die Kraft der Hoffnung und starke Familienbande mit dem Hintergrund einer indigenen Kultur in Kanada. Die Autorin entstammt selbst ebendieser Kultur und lebt selbst in Nova Scotia.
Besonders möchte ich noch den Erzählstil hervorheben. Geradezu soghaft treibt die Autorin die Handlung voran. Einfühlsam trifft sie immer den richtigen Ton, wenn sie von den großen Dramen der Familien erzählt. Detailreich und atmosphärisch führt sie ihre Leser direkt hinein in die Wälder Kanadas.
Eine besondere Leseerfahrung. Toll! 5 Sterne

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Veröffentlicht am 06.04.2025

Der Mann am Os

Ósmann
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Osmann – Joachim R. Schmidt
Der Mann am Os
Ein weiterer isländischer Roman um die Zeit um 1900, der die langsame Hinwendung dieses abgelegenen Landstrichs und seiner manchmal recht speziellen Bewohner, ...


Osmann – Joachim R. Schmidt
Der Mann am Os
Ein weiterer isländischer Roman um die Zeit um 1900, der die langsame Hinwendung dieses abgelegenen Landstrichs und seiner manchmal recht speziellen Bewohner, zur Moderne thematisiert. Literarisch lohnte sich eine Reise nach Island bisher für mich meistens. Im Besonderen begleitet dieses vorwiegend traurige Werk einfühlsam, aber mit dem typisch isländischen trockenen Humor, das Leben eines Mannes, der tatsächlich gelebt hat.
"Er war Jon Magnusson, der Mann am Os, er spielte die Rolle des Fährmanns, die Rolle seines Lebens, alles andere wäre gelogen."
Es ist eine ganz besondere Erzählweise aus einer Perspektive, die sich erst ganz gegen Ende wirklich zu erkennen gibt und die ganz wunderbar den Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne beleuchtet. Sehr geschickt und geheimnisvoll erzählt, erschafft der Autor eine wunderbare Atmosphäre.
Ein wirklich entbehrungsreiches, karges Leben mit vielen Schicksalsschläge, das Osmann und seine Zeitgenossen da führen. Osmanns Leben wird nur in Schlaglichtern auf seine wichtigen Meilensteine beleuchtet. Auch wenn viele Jahre vergangen sind, reichen wenige Worte aus um zu wissen, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen ist. Durchaus empathisch, doch auch ein wenig lakonisch, gibt der Erzählstil wunderbar das Lebensgefühl jener Zeit wieder.
"Ja, damals wurde viel und dumm gestorben."
Man muss sich ein wenig Zeit nehmen um sich auf diese nicht ganz leicht zugängliche Geschichte einzulassen. Dann jedoch entfaltet sich eine wunderbar authentische Atmosphäre und ein Panorama des Island jener Zeit.
Klasse! 5 Sterne


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Veröffentlicht am 31.03.2025

Trauerarbeit

Der Junge
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Der Junge – Fernando Aramburu
Ein neues Werk des spanischen Autors des Bestsellers „Patria“. Anders als jenes, ist dieses jedoch mit 256 Seiten ein eher schmales Bändchen.
Es ist ein schreckliches Unglück, ...

Der Junge – Fernando Aramburu
Ein neues Werk des spanischen Autors des Bestsellers „Patria“. Anders als jenes, ist dieses jedoch mit 256 Seiten ein eher schmales Bändchen.
Es ist ein schreckliches Unglück, bei dem der sechsjährige Nuco, sowie 49 weitere Kinder und drei Lehrer, 1980 bei der Explosion im Keller seiner Schule ums Leben kam. Dieser Roman beschäftigt sich mit dem riesigen Verlust und den extrem unterschiedlichen Möglichkeiten für die Angehörigen damit umzugehen.
Während Nucos Vater, Jose Miguel, die Ereignisse schnell hinter sich lassen will und Erinnerungen vermeidet, lässt die Mutter Mariaje der Verlust nicht los. Sehr verständlich, obwohl auch sie zur eher pragmatischen Sorte gehört.
Besonders spannend fand ich die Figur des Großvaters Nicasio. Um nicht daran zu zerbrechen, weigert er sich einfach, den Tod des Enkels anzuerkennen. Weiterhin geht er mit ihm an der Hand spazieren und führt Gespräche mit ihm. Schwierig wird da vor allem der Kontakt mit seiner Tochter Mariaje, die davon nichts hören will. Und dann verschwindet Jose Miguel.
Es ist eine verwobene Familiengeschichte, die immer wieder für eine Überraschung gut ist. Wie inhaltlich, ist dieser Roman auch erzähltechnisch extravagant. Nicht nur, dass die Geschichte immer wieder von unterschiedlichen Figuren aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden, nein, auch der Text selbst kommt zu Wort.
Ein Roman, der zeigt, wie unterschiedlich Trauerarbeit aussehen kann. Sehr berührend und ruhig – extrem menschlich. Wunderbar erzählt.
5 Sterne

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