Cover-Bild Das wirkliche Leben
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inkl. MwSt
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 24.04.2020
  • ISBN: 9783423436908
Adeline Dieudonné

Das wirkliche Leben

Roman
Sina de Malafosse (Übersetzer)

»Dieser Roman ist unglaublich krass, von ungeheurer Sprachgewalt, es ist ein Thriller, eine Geschichte, die man gar nicht aus der Hand legen kann.« Stefanie Stahl, WDR 5, Bücher
Eine Reihenhaussiedlung am Waldrand, wie es viele gibt. Im hellsten der Häuser wohnt ein zehnjähriges Mädchen mit seiner Familie. Alles normal. Wären da nicht die Leidenschaften des Vaters, der neben TV und Whisky vor allem den Rausch der Jagd liebt.
In diesem Sommer erhellt nur das Lachen ihres kleinen Bruders Gilles das Leben des Mädchens. Bis eines Abends vor ihren Augen eine Tragödie passiert. Nichts ist mehr wie zuvor. Mit der Energie und der Intelligenz einer mutigen Kämpferin setzt das Mädchen alles daran, sich und ihren Bruder vor dem väterlichen Einfluss zu retten. Von Sommer zu Sommer spürt sie immer deutlicher, dass sie selbst die Zukunft in sich trägt, wird immer selbstbewusster – ihr Körper aber auch immer weiblicher, sodass sie zusehends ins Visier ihres Vaters gerät.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.04.2021

Die moderne Umsetzung eines Schauermärchens...

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Schon bevor "Das wirkliche Leben" letztes Jahr auf deutsch bei dtv erschienen ist, hat Adeline Dieudonné in Frankreich damit eine große Fangemeinde versammelt. Mittlerweile hat ihr Romandebüt zahllose ...

Schon bevor "Das wirkliche Leben" letztes Jahr auf deutsch bei dtv erschienen ist, hat Adeline Dieudonné in Frankreich damit eine große Fangemeinde versammelt. Mittlerweile hat ihr Romandebüt zahllose Preise gewonnen und in verschiedenen Ländern die Bestsellerlisten gestürmt. Auf dem Cover ist neben einem springenden pinken Hasen und gekritzeltem Titel vor allem eines abgebildet: Lobpreisungen. Neben dem vielversprechenden Titel "Die Sensation aus Frankreich" wecken vor allem die begeisterten Blurbs in den Leselaschen hohe Erwartungen. Normalerweise mache ich um Empfehlungen des Feuilletons eher einen großen Bogen, da mich selten Geschichten überzeugen, die Literaturprofessoren für hochwertig halten. Hier hat mich die Geschichte mit jeder Begegnung im Netz und in Buchhandlungen einfach nicht mehr losgelassen, sodass ich zum Erscheinungstermin des Taschenbuchs letzte Woche beschlossen habe, doch mal einen Blick hineinzuwerfen. Eine gute Entscheidung, wie es sich herausstellte...


"Geschichten sind dazu da, alles hineinzupacken, was uns Angst macht. Denn so könne wir uns sicher sein, dass es nicht im wirklichen Leben passiert."


"Das wirkliche Leben" ist mit seinen 240 Seiten schnell gelesen, sich eine Meinung dazu zu bilden und mit der Geschichte abzuschließen, dauert jedoch viel länger. Noch im Sog der spannenden Atmosphäre gefangen wollte ich einfach nur wissen, wie es für die Erzählerin am Ende ausgeht und habe mir unabsichtlich im Leserausch eine Nacht um die Ohren geschlagen. Die Gedanken zu Handlung, Figuren, Motiven und Moral der Geschichte kamen dann erst später - als ich eigentlich einschlafen wollte, mich das Gelesene aber nachhaltig beschäftigt hat. Allein dafür würde ich dem Roman schon gerne 5 Sterne geben, denn auch wenn wenig Schönes in der Geschichte zu finden ist, ist mir das Schicksal der Erzählerin so nahgegangen, dass ich es bestimmt lange nicht vergessen werde.


"Es gibt Leute, die verdüstern euch den Himmel, stehlen euer Lachen oder setzen sich mit ihrem ganzen Gewicht auf eure Schultern, um euch am Fliegen zu hindern. Von solchen Menschen haltet euch bloß fern."


Das lag nicht nur an den eindrücklichen Beschreibungen des Schreckens, den unsere Erzählerin hier erdulden muss. Missbrauch, Tierquälerei, häusliche Gewalt, eine familiäre Atmosphäre geprägt von Angst und Kälte - so wächst unsere junge Heldin (und diese Bezeichnung benutze ich hier ganz bewusst) heran. Nein, die Magie der Geschichte liegt vor allem in den leisen Tönen. Adeline Dieudonné nutzt hier die außergewöhnlich lebendige Ich-Perspektive eines Mädchens, das wir im Alter von 10 Jahren kennenlernen und begleiten, bis sie 15 Jahren alt ist. In vielen sehr kurzen Kapiteln und mit großen Zeitsprüngen sehen wir ihr zu, wie sie reift, lernt und erwachsen wird. Egal ob ihre erwachende Sexualität, die körperlichen Veränderungen in der Pubertät, die sich wandelnde Beziehung zu ihrem Bruder und ihren Eltern oder ihr sich veränderndes Verständnis von Zusammenhängen - tritt man einen kleinen Schritt zurück und betrachtet die Entwicklung der Protagonistin mit etwas Abstand, kann man beobachten, wie sich ihre Weltsicht, von der eines Kindes zu der einer Frau wandelt. Zuzusehen, wie sie schleichend ihre eigene Identität und auch die Kraft, die in ihr wohnt, entdeckt, gibt der Geschichte trotz der grausamen Handlung etwas Einfühlsames, Zartes, das wie eine Blume mitten im Schlachtfeld erblüht.


"Wenn Gilles lachte, und das tat er ständig, sag man seine Milchzähne blitzen. Sein Lachen wärmte mich jedes Mal wie ein kleines Stromkraftwerk. Ich bastelte Handpuppen aus alten Socken, erfand dazu lustige Geschichten und führte sie für ihn auf. oder ich kitzelte ihn. Einfach nur, um ihn lachen zu hören. denn Gilles´ Lachen konnte alle Wunden heilen."


Die kurzen Szenen, der fragmentierten Erzählweisen wirken dabei jedoch weniger wie ein beschleunigter Zeitraffer und mehr wie eine reflektorische Rückschau - diffus, mit fließenden Übergänge und überlappenden Szenen hat der Roman etwas Albtraumhaftes. Dabei tut es der Spannung überhaupt keinen Abbruch, dass "Das wirkliche Leben" nicht wirklich ausgearbeitete Wendungen oder ähnliches zu bieten hat. Die Geschichte hat es gar nicht nötig, durch Handlung einen Spannungsbogen aufzubauen. Das geschieht von ganz allein durch die schmerzlich-echte und doch bedrückende Atmosphäre der Geschichte. Zu Beginn maskiert das Kindsein, die Unbeschwertheit der Erzählerin noch, was wirklich vor geht, je älter sie jedoch wird, desto genauer werden ihre Beobachtungen und desto mehr wird sie selbst mit der Opferrolle konfrontiert. Das hat zur Folge, dass sich die Lage im Laufe der Handlung immer weiter zuspitzt und die Spannung auf eine klar ersichtliche Eskalation zutreibt.


"Ich liebte die Natur und ihren unerschütterlichen Gleichmut. Ich liebte es, wie präzise und unbeeindruckt sie ihren Plan von Überleben und Fortpflanzung durchzog, ganz egal, was bei uns zu Hause gerade los war. Mein Vater schlug meine Mutter zusammen – und den Vögeln war das egal. Ich fand das tröstlich. Ich fand es tröstlich, dass sie einfach weiter zwitscherten, dass die Bäume knarrten und der Wind in den Blättern der Kastanie rauschte. Ich war nur eine unbedeutende Zuschauerin bei dem Stück, das ununterbrochen aufgeführt wurde."


Die bedrückende Stimmung der Geschichte spiegelt sich auch im Setting wider. So gibt es im Haus einen "Raum der Kadaver", hinter dem Haus beginnt das "Galgenwäldchen" und das Siedlungsviertel, die "Demo" ist ein grauer, einheitlicher Klotz mit ausgehangenen Gardinen und vertrockneten Vorgärten. Dazu gesellen sich einige magisch-anmutende Elemente wie der Prototyp einer Fee, oder der Einfluss einer dämonenartigen Kreatur, die der Erzählerin helfen, Geschehende zu verarbeiten und deren Darstellungsform sich zusammen mit dem Entwicklungsstand der Hauptfigur ausdifferenziert. Die teilweise absurden, horrorartigen Vorkommnisse und einige Splatter-Elemente kann man also eher als Motive für das Aufwachsen und den Freiheitskampf der Hauptfigur auffassen und weniger als exemplarische Handlung im wörtlichen Sinn.


"Die Lehrer hatten aufgrund ihres Alters keinen Tatendrang mehr und bei meinen Mitschülern war schon vorauszusehen, dass mit den Jahren dasselbe passieren würde. Ein bisschen Akne, ein paar Bettgeschichten, Studium, Ehe, Kindern, Arbeit und schwupps! werden sie alt und zu nichts nutze gewesen sein. Ich dagegen wollte eine Marie Curie sein. Und darum hatte ich keine Zeit zu verlieren."


Unterstützt wird die daraus entstehende ambivalente Stimmung zwischen Unschuld und Schrecken durch die sehr körperliche, auf die Erzählerin zugeschnittene Sprache, die sich vieler Vergleiche aus der direkten Lebenswelt des Mädchens bedient. Interessant ist, dass Gefühle, Gerüche, Erlebnisse mit vielen körperlichen Umschreibungen erzählt werden und auch Vergleiche aus der Tierwelt omnipräsent sind (die Amöbe, die Hyäne, das Pferd, ...). Auch dass nur der Bruder der Hauptfigur Gilles und unwichtige Randfiguren wie ihr Physikprofessor, oder einer ihrer Nachbarn Derek einen Namen erhalten und sogar die Hauptfigur namenlos bleibt, ist einer der interessanten Erzählkniffe, der Autorin, mit dem sie gleichzeitig intime Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt der Hauptfigur ermöglicht, sie jedoch auch etwas auf Distanz hält. Neben dem Mädchen erhalten auch Vater, Mutter und andere Figuren wie "die Feder", "der Champion" oder "der Eismann" keine Namen und sind dementsprechend als eindimensionale Figur-Prototypen angelegt, die man mit einfachen Labels versehen kann. Der Vater ist das "böse Monster", die Mutter die "gehirnlose Amöbe", die Feder steht für die "perfekte Mutterfigur", die das Mädchen sich wünscht und der Champion ist eine Verschmelzung aus Vater- und sexuelle Projektionsfigur. Das mag auf den ersten Blick vielleicht oberflächlich und plakativ wirken, passt aber erstaunlich gut zur allgemeinen Machart des Romans.


"Ich mochte meinen Körper. Und das hatte nichts mit Selbstverliebtheit zu tun. Wenn er hässlich gewesen wäre, hätte ich ihn genauso gemocht. Ich mochte meinen Körper einfach, weil er ein Weggefährte war, der mich nie verraten würde. Und den ich beschützen musste."


Denn wirft man all die genannten Elemente - die rollenhaften Figuren, die klare Abgrenzung von Gut und Böse, das Auftauchen magischer Teilelemente, die vielen Tiervergleiche, die Ansätze einer Heldenreise, die blutrünstige Umsetzung und die klare Moral, die sich hinter den Worten versteckt - zusammen, wird klar, dass "Das wirkliche Leben" im Aufbau und inhaltlich stark an ein Schauermärchen erinnert. Diese Erkenntnis rückt diese verwirrende Geschichte voller Amöben und Hyänen, Opfer und Täter, Jäger und Beute, Angst und Ohnmacht, Erwachsenwerden und Stärke in ein ganz neues Licht und macht klar, dass hinter dem Entwurf der Autorin mehr steckt, als der Wunsch zu schockieren.


„Ich hatte keine Ahnung, ob es so etwas wie ein gelungenes Leben gab und was das genau beinhaltete. Aber ich wusste, dass ein Leben ohne Lachen, ohne Wahlmöglichkeiten und ohne Liebe ein vergeudetes war. Und deshalb erhoffte ich mir eine Geschichte, die mir erklärte, warum meine Mutter ihr Leben weggeworfen hatte.“


Viele Rezensenten kritisieren an dieser Stelle, dass etliche Aspekte des Romans nur angedeutet bleiben. So ist auf den 240 Seiten beispielsweise kein Platz für die zusätzliche Ausführung und Vertiefung von Figuren wie Mutter oder Vaters und auch die Beziehung der Erzählerin zum "Champion" wird hier nicht problematisiert. Das kommt meines Erachtens jedoch nicht dadurch zustande, dass die Autorin ausdrücken wollte, dass es keine Gründe hinter dem Verhalten der Eltern gibt, oder das, was der Champion und die Erzählerin machen, moralisch einwandfrei ist, sondern ist einfach der Limitationen der Perspektive geschuldet. "Das wirkliche Leben" ist durch die Erzählart stark von der Hauptfigur und deren Sicht auf die Welt abhängig, was den Umgang mit etlichen Themen auf ihre subjektive Perspektive beschränkt. Klar, dass zum Beispiel gerade Mutter und Vater sehr einseitig dargestellt sind, da die Erzählerin den Gesamtkontext und die Einflüsse auf die Entwicklung ihrer Eltern nicht sieht oder sehen kann. Auch dass wir hier keine richtige Traumaverarbeitung erleben und vieles im Umfeld sich sprunghaft verändert muss man zugunsten des eingängigen Figurenporträts zurückstellen. Ich kann verstehen, dass manchen Lesern etwas fehlt und man es als unangenehm empfinden kann, dass viele Dinge gegen Ende einfach so stehen gelassen werden. Ich denke jedoch, dass genau dies beabsichtigt war, um zu zeigen, dass unsere Hauptfigur noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung ist und eine Lösung vieler Fragen und Konflikte in diesem Kontext utopisch wäre. Fand ich die Geschichte schön zu lesen? Nein. Dennoch: "Das wirkliche Leben" ist hochspannend, tiefgründig und vor allem hinterlässt es einen bleibenden Eindruck, den ich nicht missen wollte.



Fazit
:

Adeline Dieudionnés Geschichte über Amöben und Hyänen, Opfer und Täter, Jäger und Beute, Angst und Ohnmacht, Erwachsenwerden und Stärke ist nicht nur hochspannend erzählt, sondern auch überraschend zart und einfühlsam. "Das wirkliche Leben" ist die moderne Umsetzung eines Schauermärchens, die die weibliche Opferrolle anprangert und nicht mehr loslässt!

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Veröffentlicht am 31.05.2020

Nie wieder Beute sein

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Ein unglaubliches Romandebüt ist der Autorin Adeline Dieudonné hier mit “Das wirkliche Leben” gelungen.
Erzählt wird vom Familienleben aus der Sicht der älteren Tochter im Rückblick. Als die Geschichte ...

Ein unglaubliches Romandebüt ist der Autorin Adeline Dieudonné hier mit “Das wirkliche Leben” gelungen.
Erzählt wird vom Familienleben aus der Sicht der älteren Tochter im Rückblick. Als die Geschichte beginnt ist sie 10 Jahre alt, hat einen jüngeren Bruder, den sie sehr liebt, einen Vater, der trinkt und jagen geht und eine Mutter, die so anteilslos ist, dass sie als Amöbe bezeichnet wird.
Alles spielt in einer unscheinbaren Reihenhaussiedlung, die den perfekten Rahmen für das Geschehen bildet.
Die beiden Kinder erleben einen Vorfall, der ihr Leben von einer Minute zur anderen prägt und ändert. Komplett und unwiderruflich. Das Mädchen muss stark um ihr Glück, ja um ihr Leben kämpfen und vor allen Dingen auch um ihren Bruder. Das geschieht auf sehr vielfältige Weise.
In dem Buch geht es um Gewalt, um Brutalität, um das Erwachsenwerden und auch um Träume, grosse und kleine. Es ist mit klaren, erschütternden Worten geschrieben und brennt sich ins Gedächtnis ein. Trotz all der Gewalt und Tristesse gibt es am Ende doch Hoffnung.
Für mich ist es ein großartiges Buch über das Leben in all seinen Facetten.

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Veröffentlicht am 20.05.2020

Angst und Faustschläge statt Liebe

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Ein namenloses Mädchen erzählt über das Leben ihrer Familie, die eigentlich alles andere als normal ist. Der Vater verbringt seine Freizeit vor dem Fernseher, trinkt regelmäßig Whisky und ist ein leidenschaftlicher ...

Ein namenloses Mädchen erzählt über das Leben ihrer Familie, die eigentlich alles andere als normal ist. Der Vater verbringt seine Freizeit vor dem Fernseher, trinkt regelmäßig Whisky und ist ein leidenschaftlicher Jäger. Ein Zimmer im Haus ist nur mit seinen Jagdtrophäen vollgestopft. Die Mutter ist eine unscheinbare Frau, die sich um das Haus kümmert und schreckliche Angst vor ihrem jähzornigen Mann hat. Das Mädchen liebt über alles ihren vier Jahre jüngeren Bruder Gilles mit seinem Milchzahnlächeln. Eines Abends passiert ein schrecklicher Unfall, der das Leben der ganzen Familie verändert.

Diese Geschichte, die zuerst ein bisschen langweilig klingt, wird von Seite zur Seite spannender, die geschilderten Ereignisse wirken immer bedrohlicher. Das Mädchen, trotz ihres zarten Alters, ist eine aufmerksame Beobachterin und eine scharfsinnige Erzählerin. Sie findet deutliche, scharfe Worte um das Verhalten ihrer Eltern zu kritisieren.
So nennt sie ihren Vater einen Koloss, dessen Hände „den Kopf eines Kükens leicht abschlagen konnten“ (Zitat Seite 9). Ihre Mutter ist für sie „eine Amöbe“, die in ständiger Furcht vor ihrem Mann lebt und nur für das Zubereiten von Mahlzeiten zuständig ist.
Mit dem Fortschreiten der Geschichte merkt man, dass diese Kritik gerechtfertigt ist. Es wurde aber auch offensichtlich, dass vor allem das heranwachsende Mädchen ein normales Zuhause vermisst, die Elternliebe, Zuwendung, Wärme und Herzlichkeit.
Als der Vater eines Tages „mein Schatz“ zu ihr sagt, erzählt sie: „Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde gleich explodieren.“… „Die beiden kleinen Wörter schwirrten wie Glühwürmchen in meinen Ohren und flogen von dort hinunter in meine Brust, wo sie mehrere Tage lang leuchteten.“ (Zitat Seite 42)
Nach dem schrecklichen Unfall verfällt Gilles zuerst in eine Art Schockstarre. Dann beginnt er alle Tiere in der Gegend zu quälen und gerät dabei immer mehr unter den Einfluss des Vaters. Diese Ereignisse und die Worte der Geschichtenerzählerin Monica: »Es gibt Leute, die verdüstern euch den Himmel, stehlen euer Lachen oder setzen sich mit ihrem ganzen Gewicht auf eure Schultern, um euch am Fliegen zu hindern. Von solchen Menschen haltet euch bloß fern.“ (Zitat Seite 16) rütteln das Mädchen wach.
Als sie selbst dann von dem Vater zur Beute erklärt wurde, erkennt sie, dass sie zwar die Zeit nicht mehr zurückdrehen, dafür aber die Zukunft verändern kann.
„Das wirkliche Leben“ ist eine bewegende Geschichte über das scheinbar glückliche Leben, das in Wirklichkeit aber nur von Gewalt, Machtausübung, Dominanz, Furcht und Schrecken bestimmt ist. Die Bilder dieses grausamen Lebens sind erschütternd, manche Szenen sind kaum zu ertragen.
Diese dramatische Geschichte - packend geschrieben, hoch emotional, voller ausdruckstarken Bildern, die oft sprachlos machen - hat mich total in ihren Bann gezogen. Denn die Autorin weiß, wie man die Herzen der Menschen erreichen kann: „Geschichten sind dazu da, alles hineinzupacken, was uns Angst macht. Denn so können wir uns sicher sein, dass es nicht im wirklichen Leben passiert.«
Dem kann man nichts mehr hinzufügen!
Meine Empfehlung: das Buch unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 11.05.2020

Highlight

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Ich weiß gar nicht, wie ich meine Meinung für dieses Buch am besten in Worte fassen soll, da ich mich immer noch ein wenig sprachlos fühle. Die Autorin erzählt hier ohne Rückhalt von einer Familie, die ...

Ich weiß gar nicht, wie ich meine Meinung für dieses Buch am besten in Worte fassen soll, da ich mich immer noch ein wenig sprachlos fühle. Die Autorin erzählt hier ohne Rückhalt von einer Familie, die voller Angst und Grausamkeit steckt, und zeigt dabei, dass man sich von seinem Schicksal aber nicht unterkriegen lassen muss, sondern dagegen ankämpfen kann. Diese Message vermittelt das Buch klar und deutlich. Genauso klar und deutlich ist auch der Schreibstil der Autorin, wodurch mir der Einstieg in die Geschichte sehr leicht fiel und ich mich sofort als Teil der Geschichte verstand. Man verfolgt die Handlung aus der Perspektive eines jungen Mädchens und hier hat die Autorin die Stimmung genau auf den Punkt gebracht, sodass es sehr authentisch wirkt und man sich der Heldin der Geschichte schnell nahe fühlt und mit ihr mitfiebert. Heldin beschreibt es dabei sehr gut, da das Mädchen so einige Hindernisse und Herausforderungen in ihrem überwinden und viel zu oft die Grausamkeiten in ihrem Elternhaus ertragen muss. Die Geschichte ist wirklich nichts für schwache Nerven, da die Autorin keinen Schleier über Schrecklichkeiten legt und ich beim Lesen deshalb oftmals schockiert schlucken musste. Dabei rief sie in mir starke Gefühle hervor, regte mich zum Nachdenken und Grübeln an, aber vor allem fesselte sie mich an die Seiten, sodass ich nun, nachdem ich das Buch beendet habe, ohne Zögern sagen kann, dass es eines der besten Bücher war, die ich in letzter Zeit gelesen habe! Eine sehr aufwühlende und verstörende Geschichte, genial erzählt und sehr nahegehend!

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Veröffentlicht am 08.05.2020

Nichts für schwache Nerven

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Der Klappentext und auch einige Pressestimmen haben mich neugierig auf diese Story gemacht.

In der Ich-Form erzählt ein 10 jähriges Mädchen über ihren Leidensweg. Ihre Wortwahl ist direkt, aber dennoch ...

Der Klappentext und auch einige Pressestimmen haben mich neugierig auf diese Story gemacht.

In der Ich-Form erzählt ein 10 jähriges Mädchen über ihren Leidensweg. Ihre Wortwahl ist direkt, aber dennoch humorvoll.

Ein kleines Mädchen lebt zusammen mit ihrem Bruder und ihren Eltern. Es gibt große Probleme zuhause, denn der Vater wird oft handgreiflich. Er geht sehr brutal vor und hat große Freude an Jagd und Prügelei. Das Mädchen hält es kaum noch zu Hause aus und erfindet immer neue Idee um zu entfliehen. Sie tut einfach alles dafür.

Die Autorin legt sehr viel Wert auf die Charaktere. Sie beschreibt diese unglaublich real, wie zum Beispiel den Mut und die Charakterstärke des Mädchens. Die Mutter wird oft niedergemacht und als Amöbe, graue Maus oder ein "Nichts" dargestellt. Sie wirkt unscheinbar und wird schnell übersehen. Der Vater hingegen ist brutal, cholerisch, laut und vor allem eins: angsteinflösend.

Der Schreibstil ist zwar sehr direkt und brutal, dafür aber unheimlich feinspurig. Er konnte mich ans Buch fesseln, sodass ich es kaum aus der Hand legen konnte. An dieser Stelle sollte vielleicht auch eine Triggerwarnung erfolgen, denn das Buch ist nichts für schwache Nerven.

Fazit:
Extrem brutale, aber wirklich gute Geschichte. Sie überzeugt durch Warmherzigkeit und Traurigkeit zugleich und entführt uns in eine Welt, in der wir niemals leben wollen würden. Sie wird mit so viel Feingefühl erzählt, dass jedes Wort richtig gesetzt und gewählt ist. Nichts für schwache Nerven, aber dennoch lesenswert!

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