Unterhaltsamer Kriminalroman in gemütlicher Atmosphäre
„Die Suche nach Menschen und Informationen, das Durchsieben der Asche, die der Krieg zurückgelassen hatte, zog mich schrittweise immer tiefer in die Detektivarbeit hinein.“
Kate Shackleton, deren Mann ...
„Die Suche nach Menschen und Informationen, das Durchsieben der Asche, die der Krieg zurückgelassen hatte, zog mich schrittweise immer tiefer in die Detektivarbeit hinein.“
Kate Shackleton, deren Mann im Krieg als vermisst gemeldet wurde, hat sich in den 20er Jahren in England einen Namen damit gemacht, verschollene Soldaten aufzuspüren. Ihr neuester Fall bedarf jedoch eines ganz besonderen detektivischen Spürsinns: Anlässlich der bevorstehenden Hochzeit von Tabitha Braithwaite soll Kate das Rätsel um deren vor sieben Jahren verschwundenen Vater Joshua Braithwaite lösen. Bei ihren Ermittlungen im Dunstkreis des Tuchmolochs erhält sie Unterstützung vom ehemaligen Polizisten Jim Sykes. Und obwohl die Spur nach all der Zeit zunächst kalt erscheint, wirbeln die beiden so viel Staub auf, dass Vergangenes Einfluss auf die Gegenwart nimmt und zwei weitere Opfer den Fall in neues Licht tauchen.
„Mord nach Strich und Faden“ ist Kate Shakletons erster Fall und ist aus der Sicht der Protagonistin geschildert. Dadurch begleitet man die Detektivin bei ihren Ermittlungen und findet schnell in die Geschichte hinein. Dank der Ich-Perspektive erhält man Zugang zu Kates Gedanken und Emotionen und ich konnte dadurch direkt einen Bezug zu ihr entwickeln. Dass ihre Gedankengänge nicht immer flüssig und logisch erscheinen – worauf sie auch selbst aufmerksam macht – gestaltet ihren Charakter noch authentischer und sympathischer.
Besonders hat mir auch Kates spezielle Ermittlungsarbeit gefallen. Sie stellt nicht nur Fragen, nach den damaligen Geschehnissen, sondern versucht die Menschen kennenzulernen, ihren Charakter zu ergründen und macht sich ein Gesamtbild, um den Fall zu lösen. Meiner Ansicht nach ist dies eine interessante und unkonventionelle Art zu ermitteln.
Die übrigen Charaktere bleiben allerdings recht oberflächlich. Ob nun Kates Freundin Tabitha, die dem Klischee einer naiven und verwöhnten Fabrikantentochter entspricht oder der derbe und unsympathische Fabrikarbeiter Arthur Wilson, der seine Frau schlägt und sich selbst benachteiligt fühlt, den Figuren fehlt es an Tiefe. Besonders der ihr helfende Ermittler Jim Sykes kommt viel zu kurz und bleibt im Verlauf der Handlung recht blass. Wer wie ich Ermittlungsarbeit à la Holmes & Watson und scherzhafte Wortgefechte erwartet, wird enttäuscht.
Dahingegen ist es der Autorin gut gelungen die Atmosphäre der englischen Landschaften, die lärmende Welt der Tuchfabrik sowie das damalige vom Krieg geprägte Leben der Arbeiter rund um den Tuchmoloch Bradford anschaulich zu vermitteln. Diese Liebe für das Detail, die sich in jenen Schilderungen zeigt, hätte ich mir auch für die Charaktere gewünscht.
Obwohl es im Laufe der Geschichte viele Fragen und Spuren sowie einige falsche Fährten gibt, die zum Miträtseln anregen, ist die Auflösung teilweise nicht allzu überraschend und bei aufmerksamen Lesen früh vorhersehbar. Gestört hat mich zudem, dass offensichtliche Hinweise zunächst übersehen werden, um die Handlung künstlich in die Länge zu ziehen und dass zum Schluss die Aufdeckung dann mehr zufällig und ohne konkrete Initiative erfolgt. Auch erscheint das Ende in Anbetracht der vorhergehenden Gemütlichkeit etwas abrupt und lässt ein paar offene Fragen unbeantwortet.
Zusammenfassend kann man sagen, dass auch wenn die Geschichte und manche Charaktere sicherlich mehr Potenzial gehabt hätten, Frances Brodys mit ihrem Werk eine durchaus gelungene Unterhaltung im Stil der Landhaus-Krimis bietet. Ich werde Kate Shackletons Werdegang sicherlich weiterverfolgen und hoffe, dass sich die Chemie zwischen ihr und ihrem Partner Sykes in den Fortsetzungen verbessert.