Leserunde zu "Was wir zu hoffen wagten" von Michaela Saalfeld

Drei Geschwister, drei Hoffnungen, drei Lebensentwürfe
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Mit Autoren-Begleitung
Michaela Saalfeld (Autor)

Was wir zu hoffen wagten

Roman

Berlin, 1912: Felice träumt davon, Jura zu studieren, das aber ist Frauen im Kaiserreich verwehrt. Ihren Bruder Willi fasziniert die Welt des Films, doch er muss das väterliche Bankgeschäft übernehmen. Die Jüngste schließlich, Ille, ist in einer Ehe mit einem brutalen Mann gefangen. Drei Geschwister, drei Hoffnungen, drei Lebensentwürfe, die bei Ausbruch des großen Kriegs völlig auf den Kopf gestellt werden. Werden sich die Geschwister in den Trümmern ihrer Heimat neu finden? Ist die junge Republik auch für sie der Weg in eine neue Zeit?

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 14.05.2018 - 24.06.2018
  2. Lesen 09.07.2018 - 05.08.2018
  3. Rezensieren 06.08.2018 - 19.08.2018

Bereits beendet

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 06.08.2018

Top recherchiert und leidenschaftlich erzählt, informativ, megaspannend und berührend

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Rezension ohne schlimme Spoiler
Meine Meinung zur Gesamtwirkung:
Ich habe viel dazugelernt und fühle mich gleichzeitig bestens unterhalten. Die Lebensumstände in den 1910er-Jahren habe ich mit Interesse ...

Rezension ohne schlimme Spoiler
Meine Meinung zur Gesamtwirkung:
Ich habe viel dazugelernt und fühle mich gleichzeitig bestens unterhalten. Die Lebensumstände in den 1910er-Jahren habe ich mit Interesse und Faszination aufgenommen. Die Schilderungen zum 1. Weltkrieg in der zweiten Buchhälfte sind eindringlich und erschütternd, ohne Schwarz-Weiß-Zeichnung und ohne effektheischend zu sein.
Ein sehr berührendes Werk. Die Botschaften machen Mut und hallen nach.
Dadurch, dass die fiktiven Elemente gut gemacht sind, auch für „Geschichtsmuffel“ empfehlenswert.

Meine Meinung zur Wissensvermittlung:
Der Lerneffekt ist in der Breite überschaubar, weil die Charakterzeichnung einen hohen Stellenwert einnimmt und die Handlung auf den Wahrnehmungshorizont der Hauptfiguren beschränkt ist.
Zeitlich: Frühjahr 1912 bis Frühjahr 1919.
Räumlich: Schwerpunkt Berlin, Abstecher zur Ostsee, belgische Stadt Ypern (Flandern) sowie die Schützengräben nahe dieser Stadt.
Gesellschaftlich: Im Mittelpunkt stehen die Geschwister Felice (21), Willi (18), Ille (16), die jüdische Schauspielerin Recha (21) sowie ein Filmemacher (38); alle der gehobenen Mittelklasse zuzuordnen. Angaben zu anderen Gesellschaftsschichten nehmen wenig textlichen Raum ein, wirken aber dennoch intensiv, z. B. das sogenannte Trockenwohnen.
Was mich vollends überzeugt ist die Tiefe der Ausarbeitung. Es ist spürbar, dass sich die Autorin jahrelang intensiv mit Lebensumständen (z. B. Rollen und Rechte der Frauen im beruflichen und familiären Kontext, Übernehmen des väterlichen Berufs, Ansehen von Krieg und Soldatentum, Zensur der Medien), Sprache und Historie in den 1910er-Jahren, besonders in ihrer Wahlheimat Berlin, beschäftigt hat und dies mit Leidenschaft verarbeitet.
Auch der technische Fortschritt, z. B. der Zeppelin, wird beleuchtet.
Sehr gut: Alle Begriffe, die heutzutage nicht mehr geläufig sind, werden in einem Glossar am Ende erläutert.
Obendrein geht Michaela Saalfeld in einem Nachwort u. a. darauf ein, dass einige ihrer fiktiven Figuren realen Persönlichkeiten nachempfunden sind.
Ich nehme an, dass sich viel Historie und Eindrücke zur Gesellschaft dauerhaft im Gedächtnis verankern. Ich habe außerdem Lust bekommen, mich weitergehend hiermit zu befassen.
Viele Textstellen, die entweder zum Nachdenken und Sinnieren anregen oder sich für eine weitere Recherche eignen, habe ich markiert.

Meine Meinung zu Unterhaltungsaspekten:
Diese spielen eine große Rolle. Die Wissensvermittlung wird stimmig eingebettet, hierdurch stellt sich der Lerneffekt nebenher ein, nimmt mit dem Lesefortschritt zu.
Haupt- und Nebenfiguren sind toll ausgearbeitet.
Kapitelweise wechselnd schlüpft man in die Perspektive von fünf Figuren. Diese sind charakterlich, in ihrem Intellekt und in ihren Weltanschauungen und Zielen sehr unterschiedlich. Sie bieten Potenzial zum Polarisieren, sodass sich jeder Leser seine eigene Meinung bilden und Lieblingsfiguren identifizieren kann. Keine Figur stellt ein Idealbild dar, jede hat eine sie/ihn prägende Vergangenheit, Stärken und Schwächen, Sorgen, Motive und Hoffnungen. Es ist faszinierend, sie bei ihrer teils weitreichenden privaten und beruflichen Entwicklung zu begleiten. Stimmungen konnte ich gut einfangen. Gedanken- und Gefühlswelt wirken stimmig und echt. Jede der fünf Perspektiven war sehr spannend, sodass ich kräftig mitgefiebert, mich mitgefreut und mitgelitten habe, so mancher Figur auch gern mal die Meinung gegeigt hätte.
Die Nebenfiguren, allen voran Oma Hertha und Quintus Quirin, bereichern die Handlung ungemein, machen Laune, überzeugen in den Details und sind absolute Originale.
Es gibt auch Antagonisten, an denen „man sich reiben kann“.
Umgebungsbeschreibungen vermitteln brauchbare Eindrücke, sind weder zu lang noch zu kurz.
Einige Szenen strahlen subtile Erotik aus.
Längen in der Handlung habe ich für mich nicht wahrgenommen.
Allerlei Auffälligkeiten animieren zum Rätseln und Spekulieren, was mir großen Spaß gemacht hat.

Das Ende greift alle offenen Handlungsfäden und Fragen auf, kommt ohne Logiklöcher aus und bildet einen gelungenen Abschluss.
Die Autorin schreibt derzeit an einer Fortsetzung, die optional ist. Ich freue mich darüber. Auf diese Weise lasse ich mir deutsche Geschichte liebend gern vermitteln!

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Veröffentlicht am 06.08.2018

Wieder einmal eine starke Geschichte im 1. Weltkrieg

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Berlin, 1912 kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges. Felice und ihrer Geschwister Willi und Ille wachsen bei ihrer Mutter und Onkel auf. Die Familie ist gut betucht und besitzt ein Bankhaus welches später ...

Berlin, 1912 kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges. Felice und ihrer Geschwister Willi und Ille wachsen bei ihrer Mutter und Onkel auf. Die Familie ist gut betucht und besitzt ein Bankhaus welches später der Sohn der Familie mal führen soll. Felice ist ein Mädchen was große Träume hat und gerne Jura studieren möchte, aber für Frauen gibt es zu dieser Zeit noch Grenzen und das heißt Sie kann nur bis zu einem bestimmten Punkt ihr Studium absolvieren und ist dann zum Examen gesperrt. Ihre Schwester Ille heiratet den Mann, denn Felice nicht wollte. Er soll die Bank bis zu Übernahme führen, aber Bernd Illes Mann ist alles andere als nett zu ihr und auch die Geschäfte führt er nur bedingt. Während alle mit ihrem Werdegang kämpfen bricht in Deutschland der Krieg aus…

Ich liebe das total, wenn ein Autor die Geschichte der Frauen so bissel aufgreift und zeigt, dass es sehr wohl Frauen gab die gut und auch gerne mal gegen den Storm schwimmen. Michaela Saalfeld zeigt hier drei Schicksale auf die vor und während des 1. Weltkrieges leben. Jede Figur ist anders und agiert auch anders, aber immer zu den damaligen Verhältnissen. Was die Autorin auch schön geschaffen hat, war dass man immer mit den Figuren erleben und leben konnte. Jeder Charakter ist gewachsen und hat sich mit der Situation mehr oder weniger arrangiert. Die Geschichte wird in sieben Jahren erzählt und jede Figur bekommt seine Story im Buch, so dass man auch immer weiß wie der Stand der Dinge beim anderen ist.

Mir gefiel die Geschichte total gut, weil die Autorin viele verschiedene Aspekte angesprochen hat. Vor allem aber das die Hauptfigur Felice hier die Steuerung im Geschehen übernommen hat und man eigentlich mit ihr durch die Jahre und die Geschichte geleitet wird. Ich bin sehr froh wieder einmal so eine tolle Geschichte erleben zu dürfen.

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Veröffentlicht am 06.08.2018

Ein tolles Buch mit wenigen, kleinen Schwächen

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Zuerst einmal muss ich leider sagen, dass ich es nicht geschafft habe, den letzten Abschnitt rechtzeitig zu kommentieren. Aus diesem Grund hoffe ich, dass es in Ordnung ist, dass dann jetzt direkt meine ...

Zuerst einmal muss ich leider sagen, dass ich es nicht geschafft habe, den letzten Abschnitt rechtzeitig zu kommentieren. Aus diesem Grund hoffe ich, dass es in Ordnung ist, dass dann jetzt direkt meine Rezension folgt.

Toll finde ich die Idee, wie die Wünsche und Träume der Geschwister in den historischen Kontext eingewebt wurden.
Allgemein lebt das Buch sehr durch seine starken Charaktere! Besonders Oma Hertha und Felice (obwohl man sie manchmal am liebsten durchschütteln möchte) gefallen mir.
Es ist erstaunlich, wie viele Abgründe diese Familie, die nach außen hin so chic wirkt, hat, und welche Geheimnisse alle noch ans Licht kommen.

Zeitweise haben mich die Zeitsprünge etwas verwirrt, und einige Szenen habe ich erst nach zweimaligem Lesen (oder auch gar nicht) verstanden. Manches habe ich jedoch auch übersprungen, beispielsweise die seitenlangen Beschreibungen der Kriegszustände, die mir dann einfach zu monoton waren.

Es ist bewundernswert, wie tief die Autorin bei ihrer Recherche in die damalige Zeit eingetaucht ist. Sicherlich braucht man auch einige der Vorkommnisse, um es historisch einordnen zu können, für mich hätten jedoch auch weniger detaillierte Beschreibungen genügt.
Was mir an dem Buch besonders gut gefallen hat, sind die verschiedenen Personen, die - mehr oder weniger ihrer Zeit entsprechend, aber beim letzteren immer irgendwie begründet - handeln.

Das Ende wirkt für mich leider etwas zu abgehakt und vorzeitig; nachdem einige Darstellungen (s.o.) sich über Seiten hinzogen, wurde die Situation im Gerichtssaal über 3 Seiten ca. abgehandelt und ZACK! war das Ende da.
Mich hätte noch interessiert, ob Felice und Quintus heiraten, ob sie wirklich schwanger ist, was nach der Haft aus Ille wird, etc. Mich haben die persönlichen Schicksale sehr berührt, und in der Hinsicht hätte man es noch weiter ausbauen können.

Dies war meine zweite Leserunde. Das Buch hat mir besser gefallen als meine erste Leserunde zu "Ein halbes Jahr zum Glück", aber es hat mir dennoch etwas gefehlt, um es zu meinen Favoriten zu zählen.

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Veröffentlicht am 06.08.2018

Ein Debütroman der Extraklasse – emotional und bewegend

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Felice, die Protagonistin des Romans lebt mit ihren Geschwistern Willi und Ille in Berlin und sie hat es schwer, denn sie durfte zwar Jura studieren, aber ausüben darf sie ihre Berufung nicht, während ...

Felice, die Protagonistin des Romans lebt mit ihren Geschwistern Willi und Ille in Berlin und sie hat es schwer, denn sie durfte zwar Jura studieren, aber ausüben darf sie ihre Berufung nicht, während Willi, ihr jüngerer Bruder in der familieneigenen Bank arbeiten soll, doch sein Herz schlägt für den Film und Ille, das Nesthäkchen, ist im Gegensatz zu ihren Geschwistern sehr angepasst und opfert sich für Felice, als sie ein Mann heiratet, der zwar für Felice bestimmt ist, den diese aber nicht heiratet. Die Geschwister haben große Hoffnungen, Wünsche und Träume, die durch Ausbruch des ersten Weltkrieges auf eine harte Probe gestellt werden. Wie gehen sie mit den Ereignissen um und was erwartet sie nach dem Ende des Krieges…
Schon von den ersten Seiten nahm mich der Roman mit dem flüssigen, leicht lesbaren Schreibstil gefangen. Spannend und fesselnd geschrieben erzählt Michaela Saalfeld eine bewegende Geschichte, man spürt als Leser, dass sie sich mit dem Roman, der Geschichte und den Charakteren vollständig identifiziert. Manche Charaktere bestechen durch ihre Warmherzigkeit und manche durch ihren Humor und sie haucht dadurch nicht nur der Protagonistin, sondern auch allen Charakteren ein sehr authentisches und reales Leben ein und lässt den Personen Raum, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen. Sie beschreibt ausführlich geschichtlicher Ereignisse, wie die Schlacht um Ypern und vermittelt damit dem Leser sehr viel Wissen, ohne in irgendeiner Art und Weise belehrend zu wirken, im Gegenteil, sie bindet dieses Wissen eng verdorben in die Geschichte ein und gibt ihr damit einen, wie ich finde sehr realen Bezug. Michaela Saalfeld ist Historikerin und man spürt besonders bei den Schilderungen der Schlacht um Ypern, dass sie sehr ausführlich recherchiert hat und mit dem Herzen schreibt.
„Was wir zu hoffen wagten“ ist ein historischer Roman über Träume, Schicksale einer Generation, packend und fesselnd eingebunden in ein Stück Geschichte, was mich als Leser angesprochen hat, besonders tief bewegt hat mich der Satz in all seiner Tragik:“ Menschenkörper mit all ihren zarten, weichen, zerbrechlichen Teilen waren für diese Art von Krieg von Anfang an kein geeignetes Material gewesen.“
Eine Leseempfehlung für einen Debütroman der Extraklasse.

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