Leserunde zu "Zwei unter einem Schirm" von Anton Badinger

Zwei Frauen, zwei Welten, eine Freundschaft
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Anton Badinger (Autor)

Zwei unter einem Schirm

Roman

Lotta ist in ihren Trafikanten verliebt und kauft ihm jede Woche ein Los ab. Doch als sie den Hauptgewinn macht, geht alles schief: Ihre neue Villa entpuppt sich als renovierungsbedürftig, ihre neuen Freunde als Betrüger. Gülcan aus Istanbul wiederum hat den falschen Mann geheiratet. Nun lebt sie in einer trostlosen Wohnung in Salzburg, und statt in die versprochene Ausbildung steckt Cemil sie in SÜPER CHICKEN, seinen Hühnerimbiss. Eines Tages gelingt ihr die Flucht nach Wien, dort trifft sie Lotta, die von ihrer eigenen Housewarming-Party geflohen ist. Die beiden Frauen schließen Freundschaft und merken schnell, dass gemeinsam alles leichter geht und dass das Glück nicht immer dort liegt, wo man es vermutet.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 09.07.2018 - 29.07.2018
  2. Lesen 13.08.2018 - 02.09.2018
  3. Rezensieren 03.09.2018 - 16.09.2018

Bereits beendet

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Fragen an den Autor Anton Badinger

Profilbild von Blondschopf10000

Blondschopf10000

Mitglied seit 19.06.2018

Veröffentlicht am 16.08.2018 um 17:38 Uhr

Na dann eröffne ich mal den Reigen hier:

Guten Tag, Herr Badinger, und herzlichen Dank - zunächst für Ihr Buch und dann auch für die Bereitschaft, hier Fragen zu beantworten.
Ich bin gerade im 2. Leseabschnitt und habe mit Ihrem Werk eine sommerlich-leichte Abendlektüre. Das ist wunderbar!
Mich würde interessieren, wie Sie zu Ihrem Hintergrundwissen über das Milieu muslimischer/türkischer Frauen gekommen sind.
Außerdem würde mich interessieren, ob es für Lotta eine (oder mehrere) Vorbilder gegeben hat.
Und zuletzt: Gab es einen bestimmten Auslöser für den Entschluss, dieses Buch so zu schreiben?

Herzlichen Dank
Blondschopf

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Texterhexe

Mitglied seit 20.10.2017

Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.

Veröffentlicht am 16.08.2018 um 21:41 Uhr

Bevor ich all die Kommentare lese un meinen eigenen zum ersten Abschnitt verfasse, muss ich auch meine ersten Fragen loswerden. Zu allererst möchte ich mich aber auch ganz herzlich bedanken. Es ist eine seltene und ganz tolle Gelegenheit ein Buch lesen zu können und zugleich im Kontakt mit dem Autor zu stehen. Vielen dank im voraus für ihre Antworten!

So jetzt zu der Fragerei...
Wie sind Sie, als Mann, auf die Idee gekommen ein Buch aus der Sicht von zwei Frauen zu schreiben, noch dazu aus der von zwei so unterschiedlichen Frauen? Mir gefällt wie gut es Ihnen gelungen ist sich in diese recht speziellen Frauen herein zu versetzen. Und was verbindet Sie mit den kulturellen Unterschieden der Frauen?

Viele Grüße

Profilbild von TiniBuecherwurm

TiniBuecherwurm

Mitglied seit 16.05.2018

Ohne Bücher ist das Leben langweilig.

Veröffentlicht am 17.08.2018 um 11:09 Uhr

Hallo,
nachdem ich nun den ersten Abschnitt geselen habe, frage ich mich, wie man auf Idee zu dieser Geschichte kommt? Zwei Frauen aus völlig unterschiedlichen Kulturen.

Profilbild von Louella

Louella

Mitglied seit 27.07.2018

Solange das Regal noch nicht zusammengebrochen ist, hat man nicht genug Bücher

Veröffentlicht am 17.08.2018 um 11:38 Uhr

Ich wollte mich auch noch einmal für die Möglichkeit bedanken, an dieser Leserunde teilnehmen zu können, bei der der Autor mit von der Partie ist. Dann nutze ich gleich die Gelegenheit und Frage ein paar Fragen.
Wie sah die Vorbereitung zu dem Roman aus? Also sind sie extra in die Türkei gereist, haben sie sich mit bestimmten Personen unterhalten, etc?
Welche der beiden Frauen ist für sie als Mann persönlich leichter zu schreiben gewesen und womit hatten sie Schwierigkeiten?
Wie kamen sie dazu, diesen Roman zu schreiben und wie lange haben sie dafür gebraucht bis sie das fertige Buch in der Hand halten konnten? Und würden sie das wieder tun?
So, ich hoffe das war nicht zu viel :)

Profilbild von Anton Badinger

Anton Badinger

Mitglied seit 27.07.2018

Veröffentlicht am 17.08.2018 um 14:19 Uhr

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Hallo Blondschopf10000, Texterhexe, Tinibuecherwurm, Louella!

Danke für euer Interesse. Ein paar der Fragen überschneiden sich, deswegen würde ich sie gerne in einer Zusammenschau beantworten, ich hoffe, dass ist okay für euch. So sollte jede an irgendeiner Stelle fündig werden. Wenn jemand glaubt, ich hätte seine/ihre Frage vernachlässigt, bitte aufschreien!

Mich würde interessieren, wie Sie zu Ihrem Hintergrundwissen über das Milieu muslimischer/türkischer Frauen gekommen sind.
Eine gute Freundin unterrichtet DAF (Deutsch für Ausländer). An manchen Abenden hat sie (vermutlich aus psychohygienischen Gründen) das Bedürfnis, bei einem Bier über ihre anstrengende Arbeit zu reden. Das kann naja … eher nervzerrend sein, es gibt aber auch Fälle, wo ich wirklich neugierig bin und nachfrage. So habe ich einiges über die Welt kennengelernt, in der junge TürkInnen oder MigrantInnen in Österreich leben. Auch Gülcan (bzw. ihre Vorlage) habe ich auf diese Art kennengelernt – wenn auch leider nicht persönlich. Bevor wir ein Treffen mit Anstandsdame arrangieren konnten, hat sich ihre Situation dann doch geklärt, und sie ist wieder in die Türkei zurück. Das hat mich lange gewurmt, obwohl ich natürlich froh war, dass die Eltern der Scheidung zugestimmt haben. Heute denke ich mir, es war besser so. Was wäre gewesen, wenn sie mir nicht sympathisch gewesen wäre, etc.? Hätte ich das Buch dann geschrieben?
Ein paar Dinge sind auch angelesen. Vielleicht kennt jemand Elif Shafak? Sie zeichnet Istanbul sehr toll als eine Stadt zwischen zwei Welten. Ich mag auch, wie sie Speisen und Mahlzeiten dramaturgisch einsetzt, und das habe ich mir ein bisschen abgeschaut. Für mich gehören Türkei und Kulinarik sowieso zusammen, deswegen nimmt das Essen im dritten Teil von „Zwei unter einem Schirm“ einen großen Stellenwert ein. Aber ich möchte nicht vorgreifen ...

Außerdem würde mich interessieren, ob es für Lotta eine (oder mehrere) Vorbilder gegeben hat.
Für Lotta gibt es kein konkretes Vorbild, aber ich glaube, jeder, der einmal in einer größeren Firma gearbeitet hat, hat eine ihrer Schwestern oder Kusinen kennengelernt. Mir war es wichtig, Gülcan nicht mit einer Figur zu kontrastieren, die aus der Multikulti oder Refugee-Welcome-Ecke kommt, die ihr also von Anfang an zu viel Verständnis entgegenbringt. Ein Romanstoff ist immer ein Konfliktstoff. Wobei – wie im richtigen Leben – die Konflikte oft nicht restlos gelöst werden können, sondern die Menschen sich einfach soweit arrangieren, dass sie damit leben können.

Und zuletzt: Gab es einen bestimmten Auslöser für den Entschluss, dieses Buch so zu schreiben?
Der Auslöser war womöglich die Flüchtlingskrise 2015, obwohl ich eigentlich sagen muss, dass ich schon etwas früher damit begonnen habe. Die Tatsache, dass das Thema Migration plötzlich dauernd in den Medien war, hat mich dann aber vielleicht bestärkt, weiterzumachen.

Wie sind Sie, als Mann, auf die Idee gekommen ein Buch aus der Sicht von zwei Frauen zu schreiben, noch dazu aus der von zwei so unterschiedlichen Frauen? Mir gefällt wie gut es Ihnen gelungen ist sich in diese recht speziellen Frauen herein zu versetzen. Und was verbindet Sie mit den kulturellen Unterschieden der Frauen?
Am Anfang stand die Gülcan-Geschichte. Lotta habe ich dann aus dramaturgischen Gründen dazuerfunden. Sie ist dann aber immer wichtiger geworden und hat Gülcan quasi „überholt“, jedenfalls was die Textmenge betrifft. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, worin ihr schwaches Selbstwertgefühl wurzeln könnte und was eine junge Frau wie Gülcan, die zwar wenig Lebenserfahrung, aber sehr strikte Lebensprinzipien hat, ihr dazu sagen kann.

Wie sah die Vorbereitung zu dem Roman aus? Also sind sie extra in die Türkei gereist, haben sie sich mit bestimmten Personen unterhalten, etc?
Ich arbeite am liebsten nach dem Karl-May-Prinzip. Das heißt ich erzeuge im Prinzip eine Märchenwelt. Dabei bin ich nicht reisefaul, im Gegenteil, aber man kann ein Thema auch zu Tode recherchieren, und dann lähmt mich das Wissen, dann kommt keine Erzählung in Gang. Man muss den Ballon im richtigen Moment loslassen oder die Fakten erdrücken die Protagonisten. Ich habe die Istanbul-Kapitel also niedergeschrieben und bin erst dann dorthin geflogen. Ich bin alle Wege abgegangen, die Gülcan und Cemil zurücklegen, und natürlich habe ich bei der Gelegenheit noch ein paar Details aufgeschnappt und eingebaut. Bei dieser Gelegenheit machte ich auch Bekanntschaft mit dem türkischen Militär – Gülcans Elternhaus habe ich nämlich versehentlich in der Nähe einer bekannten Kaserne angesiedelt, und als ich ein paar Fotos schoss, tippte mir plötzlich ein Soldat mit Maschinenpistole auf die Schulter und forderte mich auf, alle Bilder wieder zu löschen.
Eine gute Begegnung hatte ich in der Süleymaniye-Moschee, wo Islamschüler den Besuchern an bestimmten Tagen Rede und Antwort stehen. Ich habe dort einen sehr sympathischen jungen Deutschtürken aus Karlsruhe kennengelernt, der mir jede Frage, die ich zur türkischen Spielart des Islams hatte, souverän beantwortet hat.

Welche der beiden Frauen ist für sie als Mann persönlich leichter zu schreiben gewesen und womit hatten sie Schwierigkeiten?
Wahrscheinlich sind mir die Gülcan-Kapitel leichter gefallen. Lotta war manchmal einfach schmerzhafter. Auch ich als Autor habe mich gelegentlich über sie geärgert und hätte sie gerne geschüttelt und zum Nachdenken gebracht. Aber das ging nicht, denn das sollte ja Gülcans Aufgabe sein. Klingt irgendwie schizophren, aber so ist es.

Wie lange haben sie dafür gebraucht bis sie das fertige Buch in der Hand halten konnten? Und würden sie das wieder tun?
Ich habe das Buch erst ein paar Wochen vor euch bekommen, es hat also über drei Jahre gedauert. Geschrieben habe ich davon über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren. Ich schreibe derzeit an meinem zweiten Roman, würde es also wieder tun. Es ist teilweise eine furchtbare Qual, aber es gibt offenbar ein paar Aspekte daran, die süchtig machen.

Danke für eure interessanten Fragen!
Ich wünsche allen LeserInnen ein schönes Wochenende

Anton Badinger



Profilbild von Louella

Louella

Mitglied seit 27.07.2018

Solange das Regal noch nicht zusammengebrochen ist, hat man nicht genug Bücher

Veröffentlicht am 17.08.2018 um 20:18 Uhr

Anton Badinger schrieb am 17.08.2018 um 14:19 Uhr

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Hallo Blondschopf10000, Texterhexe, Tinibuecherwurm, Louella!

Danke für euer Interesse. Ein paar der Fragen überschneiden sich, deswegen würde ich sie gerne in einer Zusammenschau beantworten, ich hoffe, dass ist okay für euch. So sollte jede an irgendeiner Stelle fündig werden. Wenn jemand glaubt, ich hätte seine/ihre Frage vernachlässigt, bitte aufschreien!

Mich würde interessieren, wie Sie zu Ihrem Hintergrundwissen über das Milieu muslimischer/türkischer Frauen gekommen sind.
Eine gute Freundin unterrichtet DAF (Deutsch für Ausländer). An manchen Abenden hat sie (vermutlich aus psychohygienischen Gründen) das Bedürfnis, bei einem Bier über ihre anstrengende Arbeit zu reden. Das kann naja … eher nervzerrend sein, es gibt aber auch Fälle, wo ich wirklich neugierig bin und nachfrage. So habe ich einiges über die Welt kennengelernt, in der junge TürkInnen oder MigrantInnen in Österreich leben. Auch Gülcan (bzw. ihre Vorlage) habe ich auf diese Art kennengelernt – wenn auch leider nicht persönlich. Bevor wir ein Treffen mit Anstandsdame arrangieren konnten, hat sich ihre Situation dann doch geklärt, und sie ist wieder in die Türkei zurück. Das hat mich lange gewurmt, obwohl ich natürlich froh war, dass die Eltern der Scheidung zugestimmt haben. Heute denke ich mir, es war besser so. Was wäre gewesen, wenn sie mir nicht sympathisch gewesen wäre, etc.? Hätte ich das Buch dann geschrieben?
Ein paar Dinge sind auch angelesen. Vielleicht kennt jemand Elif Shafak? Sie zeichnet Istanbul sehr toll als eine Stadt zwischen zwei Welten. Ich mag auch, wie sie Speisen und Mahlzeiten dramaturgisch einsetzt, und das habe ich mir ein bisschen abgeschaut. Für mich gehören Türkei und Kulinarik sowieso zusammen, deswegen nimmt das Essen im dritten Teil von „Zwei unter einem Schirm“ einen großen Stellenwert ein. Aber ich möchte nicht vorgreifen ...

Außerdem würde mich interessieren, ob es für Lotta eine (oder mehrere) Vorbilder gegeben hat.
Für Lotta gibt es kein konkretes Vorbild, aber ich glaube, jeder, der einmal in einer größeren Firma gearbeitet hat, hat eine ihrer Schwestern oder Kusinen kennengelernt. Mir war es wichtig, Gülcan nicht mit einer Figur zu kontrastieren, die aus der Multikulti oder Refugee-Welcome-Ecke kommt, die ihr also von Anfang an zu viel Verständnis entgegenbringt. Ein Romanstoff ist immer ein Konfliktstoff. Wobei – wie im richtigen Leben – die Konflikte oft nicht restlos gelöst werden können, sondern die Menschen sich einfach soweit arrangieren, dass sie damit leben können.

Und zuletzt: Gab es einen bestimmten Auslöser für den Entschluss, dieses Buch so zu schreiben?
Der Auslöser war womöglich die Flüchtlingskrise 2015, obwohl ich eigentlich sagen muss, dass ich schon etwas früher damit begonnen habe. Die Tatsache, dass das Thema Migration plötzlich dauernd in den Medien war, hat mich dann aber vielleicht bestärkt, weiterzumachen.

Wie sind Sie, als Mann, auf die Idee gekommen ein Buch aus der Sicht von zwei Frauen zu schreiben, noch dazu aus der von zwei so unterschiedlichen Frauen? Mir gefällt wie gut es Ihnen gelungen ist sich in diese recht speziellen Frauen herein zu versetzen. Und was verbindet Sie mit den kulturellen Unterschieden der Frauen?
Am Anfang stand die Gülcan-Geschichte. Lotta habe ich dann aus dramaturgischen Gründen dazuerfunden. Sie ist dann aber immer wichtiger geworden und hat Gülcan quasi „überholt“, jedenfalls was die Textmenge betrifft. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, worin ihr schwaches Selbstwertgefühl wurzeln könnte und was eine junge Frau wie Gülcan, die zwar wenig Lebenserfahrung, aber sehr strikte Lebensprinzipien hat, ihr dazu sagen kann.

Wie sah die Vorbereitung zu dem Roman aus? Also sind sie extra in die Türkei gereist, haben sie sich mit bestimmten Personen unterhalten, etc?
Ich arbeite am liebsten nach dem Karl-May-Prinzip. Das heißt ich erzeuge im Prinzip eine Märchenwelt. Dabei bin ich nicht reisefaul, im Gegenteil, aber man kann ein Thema auch zu Tode recherchieren, und dann lähmt mich das Wissen, dann kommt keine Erzählung in Gang. Man muss den Ballon im richtigen Moment loslassen oder die Fakten erdrücken die Protagonisten. Ich habe die Istanbul-Kapitel also niedergeschrieben und bin erst dann dorthin geflogen. Ich bin alle Wege abgegangen, die Gülcan und Cemil zurücklegen, und natürlich habe ich bei der Gelegenheit noch ein paar Details aufgeschnappt und eingebaut. Bei dieser Gelegenheit machte ich auch Bekanntschaft mit dem türkischen Militär – Gülcans Elternhaus habe ich nämlich versehentlich in der Nähe einer bekannten Kaserne angesiedelt, und als ich ein paar Fotos schoss, tippte mir plötzlich ein Soldat mit Maschinenpistole auf die Schulter und forderte mich auf, alle Bilder wieder zu löschen.
Eine gute Begegnung hatte ich in der Süleymaniye-Moschee, wo Islamschüler den Besuchern an bestimmten Tagen Rede und Antwort stehen. Ich habe dort einen sehr sympathischen jungen Deutschtürken aus Karlsruhe kennengelernt, der mir jede Frage, die ich zur türkischen Spielart des Islams hatte, souverän beantwortet hat.

Welche der beiden Frauen ist für sie als Mann persönlich leichter zu schreiben gewesen und womit hatten sie Schwierigkeiten?
Wahrscheinlich sind mir die Gülcan-Kapitel leichter gefallen. Lotta war manchmal einfach schmerzhafter. Auch ich als Autor habe mich gelegentlich über sie geärgert und hätte sie gerne geschüttelt und zum Nachdenken gebracht. Aber das ging nicht, denn das sollte ja Gülcans Aufgabe sein. Klingt irgendwie schizophren, aber so ist es.

Wie lange haben sie dafür gebraucht bis sie das fertige Buch in der Hand halten konnten? Und würden sie das wieder tun?
Ich habe das Buch erst ein paar Wochen vor euch bekommen, es hat also über drei Jahre gedauert. Geschrieben habe ich davon über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren. Ich schreibe derzeit an meinem zweiten Roman, würde es also wieder tun. Es ist teilweise eine furchtbare Qual, aber es gibt offenbar ein paar Aspekte daran, die süchtig machen.

Danke für eure interessanten Fragen!
Ich wünsche allen LeserInnen ein schönes Wochenende

Anton Badinger



Vielen Dank für die langen und ausführlichen Antworten :)

Profilbild von Blondschopf10000

Blondschopf10000

Mitglied seit 19.06.2018

Veröffentlicht am 18.08.2018 um 17:54 Uhr

Anton Badinger schrieb am 17.08.2018 um 14:19 Uhr

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Hallo Blondschopf10000, Texterhexe, Tinibuecherwurm, Louella!

Danke für euer Interesse. Ein paar der Fragen überschneiden sich, deswegen würde ich sie gerne in einer Zusammenschau beantworten, ich hoffe, dass ist okay für euch. So sollte jede an irgendeiner Stelle fündig werden. Wenn jemand glaubt, ich hätte seine/ihre Frage vernachlässigt, bitte aufschreien!

Mich würde interessieren, wie Sie zu Ihrem Hintergrundwissen über das Milieu muslimischer/türkischer Frauen gekommen sind.
Eine gute Freundin unterrichtet DAF (Deutsch für Ausländer). An manchen Abenden hat sie (vermutlich aus psychohygienischen Gründen) das Bedürfnis, bei einem Bier über ihre anstrengende Arbeit zu reden. Das kann naja … eher nervzerrend sein, es gibt aber auch Fälle, wo ich wirklich neugierig bin und nachfrage. So habe ich einiges über die Welt kennengelernt, in der junge TürkInnen oder MigrantInnen in Österreich leben. Auch Gülcan (bzw. ihre Vorlage) habe ich auf diese Art kennengelernt – wenn auch leider nicht persönlich. Bevor wir ein Treffen mit Anstandsdame arrangieren konnten, hat sich ihre Situation dann doch geklärt, und sie ist wieder in die Türkei zurück. Das hat mich lange gewurmt, obwohl ich natürlich froh war, dass die Eltern der Scheidung zugestimmt haben. Heute denke ich mir, es war besser so. Was wäre gewesen, wenn sie mir nicht sympathisch gewesen wäre, etc.? Hätte ich das Buch dann geschrieben?
Ein paar Dinge sind auch angelesen. Vielleicht kennt jemand Elif Shafak? Sie zeichnet Istanbul sehr toll als eine Stadt zwischen zwei Welten. Ich mag auch, wie sie Speisen und Mahlzeiten dramaturgisch einsetzt, und das habe ich mir ein bisschen abgeschaut. Für mich gehören Türkei und Kulinarik sowieso zusammen, deswegen nimmt das Essen im dritten Teil von „Zwei unter einem Schirm“ einen großen Stellenwert ein. Aber ich möchte nicht vorgreifen ...

Außerdem würde mich interessieren, ob es für Lotta eine (oder mehrere) Vorbilder gegeben hat.
Für Lotta gibt es kein konkretes Vorbild, aber ich glaube, jeder, der einmal in einer größeren Firma gearbeitet hat, hat eine ihrer Schwestern oder Kusinen kennengelernt. Mir war es wichtig, Gülcan nicht mit einer Figur zu kontrastieren, die aus der Multikulti oder Refugee-Welcome-Ecke kommt, die ihr also von Anfang an zu viel Verständnis entgegenbringt. Ein Romanstoff ist immer ein Konfliktstoff. Wobei – wie im richtigen Leben – die Konflikte oft nicht restlos gelöst werden können, sondern die Menschen sich einfach soweit arrangieren, dass sie damit leben können.

Und zuletzt: Gab es einen bestimmten Auslöser für den Entschluss, dieses Buch so zu schreiben?
Der Auslöser war womöglich die Flüchtlingskrise 2015, obwohl ich eigentlich sagen muss, dass ich schon etwas früher damit begonnen habe. Die Tatsache, dass das Thema Migration plötzlich dauernd in den Medien war, hat mich dann aber vielleicht bestärkt, weiterzumachen.

Wie sind Sie, als Mann, auf die Idee gekommen ein Buch aus der Sicht von zwei Frauen zu schreiben, noch dazu aus der von zwei so unterschiedlichen Frauen? Mir gefällt wie gut es Ihnen gelungen ist sich in diese recht speziellen Frauen herein zu versetzen. Und was verbindet Sie mit den kulturellen Unterschieden der Frauen?
Am Anfang stand die Gülcan-Geschichte. Lotta habe ich dann aus dramaturgischen Gründen dazuerfunden. Sie ist dann aber immer wichtiger geworden und hat Gülcan quasi „überholt“, jedenfalls was die Textmenge betrifft. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, worin ihr schwaches Selbstwertgefühl wurzeln könnte und was eine junge Frau wie Gülcan, die zwar wenig Lebenserfahrung, aber sehr strikte Lebensprinzipien hat, ihr dazu sagen kann.

Wie sah die Vorbereitung zu dem Roman aus? Also sind sie extra in die Türkei gereist, haben sie sich mit bestimmten Personen unterhalten, etc?
Ich arbeite am liebsten nach dem Karl-May-Prinzip. Das heißt ich erzeuge im Prinzip eine Märchenwelt. Dabei bin ich nicht reisefaul, im Gegenteil, aber man kann ein Thema auch zu Tode recherchieren, und dann lähmt mich das Wissen, dann kommt keine Erzählung in Gang. Man muss den Ballon im richtigen Moment loslassen oder die Fakten erdrücken die Protagonisten. Ich habe die Istanbul-Kapitel also niedergeschrieben und bin erst dann dorthin geflogen. Ich bin alle Wege abgegangen, die Gülcan und Cemil zurücklegen, und natürlich habe ich bei der Gelegenheit noch ein paar Details aufgeschnappt und eingebaut. Bei dieser Gelegenheit machte ich auch Bekanntschaft mit dem türkischen Militär – Gülcans Elternhaus habe ich nämlich versehentlich in der Nähe einer bekannten Kaserne angesiedelt, und als ich ein paar Fotos schoss, tippte mir plötzlich ein Soldat mit Maschinenpistole auf die Schulter und forderte mich auf, alle Bilder wieder zu löschen.
Eine gute Begegnung hatte ich in der Süleymaniye-Moschee, wo Islamschüler den Besuchern an bestimmten Tagen Rede und Antwort stehen. Ich habe dort einen sehr sympathischen jungen Deutschtürken aus Karlsruhe kennengelernt, der mir jede Frage, die ich zur türkischen Spielart des Islams hatte, souverän beantwortet hat.

Welche der beiden Frauen ist für sie als Mann persönlich leichter zu schreiben gewesen und womit hatten sie Schwierigkeiten?
Wahrscheinlich sind mir die Gülcan-Kapitel leichter gefallen. Lotta war manchmal einfach schmerzhafter. Auch ich als Autor habe mich gelegentlich über sie geärgert und hätte sie gerne geschüttelt und zum Nachdenken gebracht. Aber das ging nicht, denn das sollte ja Gülcans Aufgabe sein. Klingt irgendwie schizophren, aber so ist es.

Wie lange haben sie dafür gebraucht bis sie das fertige Buch in der Hand halten konnten? Und würden sie das wieder tun?
Ich habe das Buch erst ein paar Wochen vor euch bekommen, es hat also über drei Jahre gedauert. Geschrieben habe ich davon über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren. Ich schreibe derzeit an meinem zweiten Roman, würde es also wieder tun. Es ist teilweise eine furchtbare Qual, aber es gibt offenbar ein paar Aspekte daran, die süchtig machen.

Danke für eure interessanten Fragen!
Ich wünsche allen LeserInnen ein schönes Wochenende

Anton Badinger



Auch von mir: Vielen Dank für die ausführlichen Antworten!
Ein spannender Einblick, den Sie uns da geboten haben.
Va. dass ihr erster Kontak mit dem Thema über eine DFA-Lehrerin zustande kam, fasziniert mich. Ich habe auch eine solche Freundin, die ihre SchülerInnen sehr ins Herz geschlossen hat.
Dass Lotta eine Kontradtfgur zu Gülcan darstellen muss, ist mir deutlich geworden. Mein Urteil über den 2. Leseabschnitt (das ich ja noch nicht hier schreiben darf) kann das aber leider nicht mehr beeinflussen.

Profilbild von kayla

kayla

Mitglied seit 26.06.2016

Some books should be tasted, some devoured, but only a few should be chewed & digested thoroughly.

Veröffentlicht am 19.08.2018 um 13:25 Uhr

Hallo Herr Badinger,

hier meine Frage - gibt es ein Heilmittel gegen Schreibblockaden?


Liebe Grüße.

Profilbild von Anton Badinger

Anton Badinger

Mitglied seit 27.07.2018

Veröffentlicht am 19.08.2018 um 14:03 Uhr

kayla schrieb am 19.08.2018 um 13:25 Uhr

Hallo Herr Badinger,

hier meine Frage - gibt es ein Heilmittel gegen Schreibblockaden?


Liebe Grüße.

Das Internet ist voll von guten Ratschlägen. Ich kann nur sagen, was mir am ehesten hilft. Würde man von einem Fremden aufgefordert, einen möglichst schlechten Satz zu Papier zu bringen, hätte man vermutlich keine Schreibblockade. Was uns hemmt, ist also der zu hohe Anspruch. Versteh mich nicht falsch: Natürlich soll man einen sehr hohen Anspruch an sein Schreiben haben. Aber wenn eine Blockade auftritt, ist es besser, die Erwartungen herabzuschrauben und drauflos zu schreiben. Verbessern kann man den Text später immer noch. Wenn man nichts geschrieben hat, gibt es allerdings auch nichts zu verbessern.

Profilbild von katrin297

katrin297

Mitglied seit 27.01.2017

"Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste“ – Heinrich Heine

Veröffentlicht am 19.08.2018 um 19:55 Uhr

Anton Badinger schrieb am 17.08.2018 um 14:19 Uhr

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Hallo Blondschopf10000, Texterhexe, Tinibuecherwurm, Louella!

Danke für euer Interesse. Ein paar der Fragen überschneiden sich, deswegen würde ich sie gerne in einer Zusammenschau beantworten, ich hoffe, dass ist okay für euch. So sollte jede an irgendeiner Stelle fündig werden. Wenn jemand glaubt, ich hätte seine/ihre Frage vernachlässigt, bitte aufschreien!

Mich würde interessieren, wie Sie zu Ihrem Hintergrundwissen über das Milieu muslimischer/türkischer Frauen gekommen sind.
Eine gute Freundin unterrichtet DAF (Deutsch für Ausländer). An manchen Abenden hat sie (vermutlich aus psychohygienischen Gründen) das Bedürfnis, bei einem Bier über ihre anstrengende Arbeit zu reden. Das kann naja … eher nervzerrend sein, es gibt aber auch Fälle, wo ich wirklich neugierig bin und nachfrage. So habe ich einiges über die Welt kennengelernt, in der junge TürkInnen oder MigrantInnen in Österreich leben. Auch Gülcan (bzw. ihre Vorlage) habe ich auf diese Art kennengelernt – wenn auch leider nicht persönlich. Bevor wir ein Treffen mit Anstandsdame arrangieren konnten, hat sich ihre Situation dann doch geklärt, und sie ist wieder in die Türkei zurück. Das hat mich lange gewurmt, obwohl ich natürlich froh war, dass die Eltern der Scheidung zugestimmt haben. Heute denke ich mir, es war besser so. Was wäre gewesen, wenn sie mir nicht sympathisch gewesen wäre, etc.? Hätte ich das Buch dann geschrieben?
Ein paar Dinge sind auch angelesen. Vielleicht kennt jemand Elif Shafak? Sie zeichnet Istanbul sehr toll als eine Stadt zwischen zwei Welten. Ich mag auch, wie sie Speisen und Mahlzeiten dramaturgisch einsetzt, und das habe ich mir ein bisschen abgeschaut. Für mich gehören Türkei und Kulinarik sowieso zusammen, deswegen nimmt das Essen im dritten Teil von „Zwei unter einem Schirm“ einen großen Stellenwert ein. Aber ich möchte nicht vorgreifen ...

Außerdem würde mich interessieren, ob es für Lotta eine (oder mehrere) Vorbilder gegeben hat.
Für Lotta gibt es kein konkretes Vorbild, aber ich glaube, jeder, der einmal in einer größeren Firma gearbeitet hat, hat eine ihrer Schwestern oder Kusinen kennengelernt. Mir war es wichtig, Gülcan nicht mit einer Figur zu kontrastieren, die aus der Multikulti oder Refugee-Welcome-Ecke kommt, die ihr also von Anfang an zu viel Verständnis entgegenbringt. Ein Romanstoff ist immer ein Konfliktstoff. Wobei – wie im richtigen Leben – die Konflikte oft nicht restlos gelöst werden können, sondern die Menschen sich einfach soweit arrangieren, dass sie damit leben können.

Und zuletzt: Gab es einen bestimmten Auslöser für den Entschluss, dieses Buch so zu schreiben?
Der Auslöser war womöglich die Flüchtlingskrise 2015, obwohl ich eigentlich sagen muss, dass ich schon etwas früher damit begonnen habe. Die Tatsache, dass das Thema Migration plötzlich dauernd in den Medien war, hat mich dann aber vielleicht bestärkt, weiterzumachen.

Wie sind Sie, als Mann, auf die Idee gekommen ein Buch aus der Sicht von zwei Frauen zu schreiben, noch dazu aus der von zwei so unterschiedlichen Frauen? Mir gefällt wie gut es Ihnen gelungen ist sich in diese recht speziellen Frauen herein zu versetzen. Und was verbindet Sie mit den kulturellen Unterschieden der Frauen?
Am Anfang stand die Gülcan-Geschichte. Lotta habe ich dann aus dramaturgischen Gründen dazuerfunden. Sie ist dann aber immer wichtiger geworden und hat Gülcan quasi „überholt“, jedenfalls was die Textmenge betrifft. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, worin ihr schwaches Selbstwertgefühl wurzeln könnte und was eine junge Frau wie Gülcan, die zwar wenig Lebenserfahrung, aber sehr strikte Lebensprinzipien hat, ihr dazu sagen kann.

Wie sah die Vorbereitung zu dem Roman aus? Also sind sie extra in die Türkei gereist, haben sie sich mit bestimmten Personen unterhalten, etc?
Ich arbeite am liebsten nach dem Karl-May-Prinzip. Das heißt ich erzeuge im Prinzip eine Märchenwelt. Dabei bin ich nicht reisefaul, im Gegenteil, aber man kann ein Thema auch zu Tode recherchieren, und dann lähmt mich das Wissen, dann kommt keine Erzählung in Gang. Man muss den Ballon im richtigen Moment loslassen oder die Fakten erdrücken die Protagonisten. Ich habe die Istanbul-Kapitel also niedergeschrieben und bin erst dann dorthin geflogen. Ich bin alle Wege abgegangen, die Gülcan und Cemil zurücklegen, und natürlich habe ich bei der Gelegenheit noch ein paar Details aufgeschnappt und eingebaut. Bei dieser Gelegenheit machte ich auch Bekanntschaft mit dem türkischen Militär – Gülcans Elternhaus habe ich nämlich versehentlich in der Nähe einer bekannten Kaserne angesiedelt, und als ich ein paar Fotos schoss, tippte mir plötzlich ein Soldat mit Maschinenpistole auf die Schulter und forderte mich auf, alle Bilder wieder zu löschen.
Eine gute Begegnung hatte ich in der Süleymaniye-Moschee, wo Islamschüler den Besuchern an bestimmten Tagen Rede und Antwort stehen. Ich habe dort einen sehr sympathischen jungen Deutschtürken aus Karlsruhe kennengelernt, der mir jede Frage, die ich zur türkischen Spielart des Islams hatte, souverän beantwortet hat.

Welche der beiden Frauen ist für sie als Mann persönlich leichter zu schreiben gewesen und womit hatten sie Schwierigkeiten?
Wahrscheinlich sind mir die Gülcan-Kapitel leichter gefallen. Lotta war manchmal einfach schmerzhafter. Auch ich als Autor habe mich gelegentlich über sie geärgert und hätte sie gerne geschüttelt und zum Nachdenken gebracht. Aber das ging nicht, denn das sollte ja Gülcans Aufgabe sein. Klingt irgendwie schizophren, aber so ist es.

Wie lange haben sie dafür gebraucht bis sie das fertige Buch in der Hand halten konnten? Und würden sie das wieder tun?
Ich habe das Buch erst ein paar Wochen vor euch bekommen, es hat also über drei Jahre gedauert. Geschrieben habe ich davon über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren. Ich schreibe derzeit an meinem zweiten Roman, würde es also wieder tun. Es ist teilweise eine furchtbare Qual, aber es gibt offenbar ein paar Aspekte daran, die süchtig machen.

Danke für eure interessanten Fragen!
Ich wünsche allen LeserInnen ein schönes Wochenende

Anton Badinger



Danke für die ausführlichen Antworten, das klingt wirklich spannend. Darf man fragen über was ihr neuer Roman handeln wird?