Roman über eine ungewöhnliche Freundschaft, die für die Charaktere einen Neuanfang bedeutet, und ein Buch über die Liebe zur Natur
Sally ist ein Teenager, die aus einer psychiatrischen Klinik entflohen ist und nur mit einem Rucksack bepackt auf einem Weg ohne Ziel ist. Da begegnet ihr Liss, die ihr keine Fragen stellt und völlig unvoreingenommen ...
Sally ist ein Teenager, die aus einer psychiatrischen Klinik entflohen ist und nur mit einem Rucksack bepackt auf einem Weg ohne Ziel ist. Da begegnet ihr Liss, die ihr keine Fragen stellt und völlig unvoreingenommen eine Übernachtungsmöglichkeit bietet. Liss wohnt auf einem Hof, den sie allein bewirtschaftet und Sally beginnt ihr bei den verschiedensten Arbeiten, die anfallen, zur Hand zu gehen. Sally fühlt sich zum ersten Mal in ihrem Leben frei, ohne Zwänge, ohne Erwartungen an sie und denkt nicht an morgen. Dass sich Klinik, Schule und Eltern sorgen und nach ihr suchen, wird ausgeblendet.
Liss genießt die Gesellschaft der wütenden Teenagerin, sie sie an sie selbst erinnert, denn sie fühlt sich allein. Im Dorf scheint kaum jemand mit ihr zu sprechen und die Arbeiten auf dem Hof und den angrenzenden Gärten und Äckern erscheinen zu viel für nur eine Frau.
Beide Frauen arbeiten Hand in Hand nebeneinander, ohne viele Worte zu verlieren. Sally provoziert zumal, zeigt damit ganz offen ihre Hilflosigkeit und Wut auf die ganze Welt, die kein Verständnis für sie aufbringt. Bei ihren Eltern hat sie sich nie Zuhause gefühlt, den Hof bezeichnet sie nach nur wenigen Wochen Aufenthalt als "daheim".
Liss wird immer wieder von Erinnerungen eingeholt, die zunächst bruchstückhaft sind, um sie als Leser sofort einordnen zu können. Sie kümmer sich uneigennützig um Sally und es scheint, als würde sie damit Fehler der Vergangenheit ausgleichen wollen.
"Alte Sorten" ist ein Porträt über zwei Frauen unterschiedlicher Generation, die allein sind oder sich einsam und verlassen fühlen und von einer Vergangenheit gequält werden, über die sie nicht sprechen können oder wollen. Je länger sie nebeneinander auf dem Hof leben, desto mehr Vertrauen fassen sie zueinander und beginnen ganz zaghaft zu erzählen, was sie bedrückt.
Während die junge Sally einfacher zu durchschauen ist, aber nicht leichtfertig als ein um Aufmerksamkeit heischender pubertierender Teenager abgestempelt werden sollte, ist Liss spannender, da bei der knapp 50-jährigen Frau unklar ist, was sie in der Vergangenheit erlebt haben mag oder was sie getan hat, dass sie von der Dorfgemeinschaft geschnitten wird und ganz allein auf dem Hof lebt, der noch ihrem Vater gehört.
Es ist ein Buch der leisen Töne, das fast übergangslos zwischen den Perspektiven von Liss und Sally wechselt. Neben den Frauen und ihren Problemen, sich in die Gesellschaft zu integrieren, anzupassen und sich mit Vergangenem zu versöhnen, geht es in dem Buch aber auch um die Liebe zur Natur.
Als Ausgleich zu den spannungsgeladenen Emotionen von Liss und Sally ist es beruhigend zu lesen, wie sie Kartoffeln und Birnen ernten, sich um Hühner und Bienen kümmern, Schnaps brennen oder Brot backen.