Leserunde zu "Die Glasschwestern" von Franziska Hauser

Ein fulminanter Roman über Lebenspläne und Neuanfänge
Cover-Bild Die Glasschwestern
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Mit Autoren-Begleitung
Franziska Hauser (Autor)

Die Glasschwestern

Roman

Dunja lebt mit ihren zwei Kindern und deren Vater in der Großstadt, ihre Zwillingsschwester Saphie in einem kleinen Dorf an der ehemals deutsch-deutschen Grenze. Als der Zufall auf irrwitzige Weise zuschlägt und innerhalb kurzer Zeit die Männer der beiden sterben, nähern die Schwestern sich einander wieder an. Dunja zieht in Saphies Hotel und damit zurück in die Welt ihrer Kindheit. Die Geschichte zweier sehr verschiedener Frauen und über die menschliche Fähigkeit, sich immer wieder neu erfinden zu können.

Ein Generationenroman aus dem ehemaligen Grenzgebiet, der alte Geschichten, Geheimnisse und Lügen zutage fördert und gleichsam ein Vergeben der Vergangenheit und Annehmen der Gegenwart ermöglicht.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 20.01.2020 - 09.02.2020
  2. Lesen 24.02.2020 - 15.03.2020
  3. Rezensieren 16.03.2020 - 29.03.2020

Bereits beendet

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 24.03.2020

Interessantes Thema etwas zu oberflächlich umgesetzt

1

Ein dummer Zufall will es, dass die Männer der Zwillingsschwestern Dunja und Saphie am gleichen Tag ums Leben kommen. Während Dunja ihrem Winne, von dem sie schon vorher getrennt lebte, nicht wirklich ...

Ein dummer Zufall will es, dass die Männer der Zwillingsschwestern Dunja und Saphie am gleichen Tag ums Leben kommen. Während Dunja ihrem Winne, von dem sie schon vorher getrennt lebte, nicht wirklich hinterher trauert, bricht für Saphie, nachdem sie den Tod von Gilbhart realisiert hat, erst einmal die Welt zusammen. Dunja lässt ihre beiden erwachsenen Kinder Jules und Augusta in der Stadt zurück und zieht zu Saphie, die in einem Dorf an der ehemaligen innerdeutschen Grenze ein Hotel führt. Beide versuchen mit dem Tod ihrer Männer umzugehen, wobei ihre Schwester Lenka keine große Hilfe ist.

Die Sprache des Romans ist wunderschön, fast schon poetisch, wenn auch am Anfang ein wenig gewöhnungsbedürftig. Besonders gut gefallen haben mir die kleinen Zitate, die als Überschriften für die einzelnen Kapitel dienen.

Der Leser wird direkt in die Geschichte eingewoben, in dem der Tod der beiden Männer ohne Vorwarnung gleich zu Beginn erfolgt. Allerdings bleibt der daraus erwachsene Spannungsbogen eher unaufgeregt und flach. Hier bleibt die Entwicklung auf einer gewissen Ebene stehen. Selbst die Erwähnung eines damals gegrabenen Fluchttunnels vermag es nicht , die angedeutete Spannung in den Verlauf der Geschichte zu übernehmen, und verschwindet schon bald wieder im Dunkel.

Die Entwicklung der beiden Hauptfiguren Dunja und Saphie geht dafür umso sprunghafter weiter. Während Dunja sich allmählich mit dem Tod von Winne abfindet, die Verantwortung für ihre erwachsenen Kinder abgeben kann, und sich mit dem neuen Leben arrangiert, fällt Saphie quasi von einer Seite auf die nächste in ein tiefes depressives Loch, aus dem die anderen sie mühsam wieder heraus holen müssen. Während alle dem erfährt der Leser in kleinen Rückblicken und Erinnerungen immer wieder Details aus der Familiengeschichte. Dennoch bleiben die Personen allesamt für mich wenig greifbar und ein wenig oberflächlich, ich habe eine gewisse Tiefe und Nahbarkeit bei allen vermisst.

Die Geschichte besitzt insgesamt schon ein gewisses Potential, das die Autorin leider nicht voll ausgeschöpft hat. Trotz allem ist ein interessantes Buch entstanden, das einen gewissen Unterhaltungswert besitzt.

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Veröffentlicht am 20.03.2020

Die ungewöhnlichen Glasschwestern

1

Bei dem Buch „Die Glasschwestern“ handelt es sich um einen Familienroman von Franziska Hauser, der im Jahr 2020 im Eichborn Verlag erschienen ist und in der gebundenen Ausgabe 432 Seiten umfasst.

Die ...

Bei dem Buch „Die Glasschwestern“ handelt es sich um einen Familienroman von Franziska Hauser, der im Jahr 2020 im Eichborn Verlag erschienen ist und in der gebundenen Ausgabe 432 Seiten umfasst.

Die Geschichte startet unmittelbar mit der Situation, dass die Männer der beiden Zwillingsschwestern Dunja und Saphie zeitgleich verstorben sind. Dunja und Saphie, die sehr verschiedenen von ihrem Charakter her sind und deren Leben auch bisher ganz ungleich verlaufen sind, gehen verständlicherweise auch mit ihrer Trauer und der ganzen Situation unterschiedlich um.
Dunja, die mit Winne verheiratet war und von ihm zwei Kinder hat, führte bisher ein eher konventionelles Leben. Saphie hingegen ist kinderlos geblieben und liebte schon immer das etwas Außergewöhnliche. Sie ist auch die Besitzerin eines Hotels.
Mit dem Tod ihrer Männer stehen die beiden „Glasschwestern“, wie sie in ihrem Heimatdorf aufgrund des Berufes ihres Vaters als Glasbläser genannt werden, vor einem Neubeginn.
Dunja beschließt im Hotel ihrer Schwester einzusteigen und Saphie steht zunehmend der Weg offen, sich von diesem abzunabeln.

Das Buch „Die Glasschwestern“ hat in meinen Augen Höhen und Tiefen. Als eine tolle Höhe sind sicherlich die beiden Schwestern und ihre Darstellung im Buch zu nennen. Ich konnte mir beide sehr gut vorstellen und die Entwicklung von beiden sehr gut nachvollziehen. Sie waren für mich stets greifbar und vor allem ab der Mitte des Buches wurden mir beide immer sympathischer.
Erwartet man von dem Roman viel Handlung und einen hohen Spannungsbogen, so wird man als Leser eher enttäuscht. Alles geht sehr langsam vonstatten und manchmal bringen die vielen Sprünge in den Gedanken der Personen und die Rückblicke zur Klärung der Gegenwart oftmals etwas Verwirrung in die Geschichte und stoppen den Lesefluss.

Fazit: Ein Roman der viel mehr Potential gehabt hätte, mich leider nicht sehr gepackt hat, aber dennoch nett zu lesen war.
Ich vergebe drei von fünf Sternen.

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Veröffentlicht am 18.03.2020

Familienroman mit besonderem Sprachstil - tiefsinnig, aber stellenweise ziemlich anstrengend

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Saphie lebt mit ihren beiden erwachsenen Kindern in der Stadt und arbeitet als Deutschlehrerin für Ausländer, Dunja führt ein Hotel in ihrem Heimatdorf an der früheren innerdeutschen Grenze. Dunja und ...

Saphie lebt mit ihren beiden erwachsenen Kindern in der Stadt und arbeitet als Deutschlehrerin für Ausländer, Dunja führt ein Hotel in ihrem Heimatdorf an der früheren innerdeutschen Grenze. Dunja und Saphie sind definitiv besondere Schwester, Zwillingsschwestern, von den Nachbarn auch „Glasschwestern“ genannt. Wie es der Zufall so will, sterben ihre beiden Ex-Ehemänner ausgerechnet am selben Tag. Die Trauer führt die Frauen zusammen, beide verarbeiten den Verlust aber auf völlig unterschiedliche Weise....

Franziska Hauser hat einen sehr außergewöhnlichen Schreibstil, für mich war er recht herausfordernd und manchmal anstrengend zu lesen. Sie schreibt aus der Perspektive der Schwestern, stets im Präsens, schildert all ihre Gedanken und Vorstellungen ungefiltert . Dabei kommt es immer wieder auch zu Zeitsprüngen, Gedanken laufen schließlich nicht chronologisch ab. Es fiel mir oft schwer, konzentriert zu lesen, ich empfand den Stil teilweise als überfrachtet, fast wie „Reizüberflutung“. Die unklare Sprache wirkt oft aber auch poetisch. Immer wieder finden sich im Text beeindruckende Formulierungen wie:
„Die Verbindung, die sie eben noch zueinander gesucht haben, wird zu einem schwarzen Loch und lässt die Schwestern wie zwei Sterne im All um Lichtjahre auseinanderrasen. Eine unheimliche Stille entsteht, und die Telefonleitung will nicht das leiseste Geräusch mehr übertragen.“
Die verwendeten Metaphern lassen viel Raum für Interpretationen. Auffällig auch die besonderen Kapitelüberschriften, Sprichwörter, wie „Was man sich wünscht, das glaubt man gern“, die immer mehr oder weniger versteckten Bezug zum Inhalt des Abschnitts haben und mir gut gefallen haben.

Durch den speziellen Schreibstil, der alle Gedanken der Schwestern exakt darstellt, werden die Schwestern für den Leser- zumindest im Moment des Lesens- zwar durchsichtig wie Glas, sind aber bei der Flut an Informationen über sie trotzdem sehr schwer zu fassen. Dunja und Saphie ändern im Laufe der Handlung ihrer Rollen, haben so beide etwas Uneindeutiges, Ambivalentes an sich. Daher waren sie mir trotz der sehr ausführlichen Charakterisierung emotional nicht besonders nah. Andere Figuren wie bspw. den Hotelangestellten Nino empfand ich als sympathischer.

Die Charaktere bestimmen die Handlung. Wichtiger Faktor der Handlung ist, was der Tod der Exmänner in den Schwestern bewirkt. Oft wird der Plot durch die Gedanken der Schwestern vorangetrieben. In den Köpfe der beiden „arbeitet“ es ständig und so gibt es immer etwas zu erzählen. Am Ende gelangt die Autorin zu einem stimmigen, runden Ende.

Franziska Hauser hat definitiv einen interessanten, nachdenklich stimmenden Roman geschrieben. Trotz aller negativen Gedanken der Figuren, einen mit positivem, versöhnlichem Abschluss. Anstrengend, herausfordernd, uneindeutig und ambivalent aber genauso besonders, künstlerisch und bemerkenswert. Ich werde „Die Glasschwestern“ noch öfter auf verschiedene Weise deuten, die beiden „undurchsichtigen“ Schwestern bleiben mir sicher noch länger in Erinnerung. Wer einen Faible für außergewöhnliche Sprache mit vielen Metaphern hat und Gelesenes gerne interpretiert, der wird an diesem Roman seine wahre Freude haben.

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Veröffentlicht am 18.03.2020

Roman über zwei ungleiche Schwestern, die nach einem ähnlichen Schicksalsschlag ihre Leben von Grund auf ändern und sich dabei annähern.

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Fast zeitgleich sterben die beiden Männer der Zwillingsschwestern Dunja und Saphie. Während Dunja von Winne, mit dem sie die beiden erwachsenen Kinder Jules und Augusta hat, getrennt war, waren Saphie ...

Fast zeitgleich sterben die beiden Männer der Zwillingsschwestern Dunja und Saphie. Während Dunja von Winne, mit dem sie die beiden erwachsenen Kinder Jules und Augusta hat, getrennt war, waren Saphie und Gilbhart, Inhaber eines kleinen Hotels in einem Dorf an der ehemals deutsch-deutschen Grenze, verheiratet und kinderlos.
Nach den Beerdigungen zieht Dunja zu Saphie in das Hotel, um sie zu unterstützen und kehrt damit von der Stadt in ihre Heimat zurück.
Die beiden Schwestern waren schon als Kinder sehr unterschiedlich. Dunja ist ein kreativer Kopf, die das Leben gelassen sieht, jedoch gerade als junge Mutter kämpfen musste, weil Winne weder als Vater noch als Versorger für die Familie da war. Saphie ist geradliniger, eine Perfektionistin, die sich in die Arbeit stürzt und dabei keinen Raum für ihre eigenen Bedürfnisse oder Gedanken darum lässt. In der Zeit der Trauer beginnen sich beide zu verändern und aufeinander zuzubewegen, bis Dunja Verantwortung übernimmt, Saphie einen Nervenzusammenbruch erleidet und die Rollen sich zu vertauschen beginnen. Dabei werden die Schwestern mit der Vergangenheit ihrer Familie konfrontiert, als ein Fernsehteam über einen Fluchttunnel berichten möchte, der seinen Ursprung in ihrem Dorf hat.

Der Roman zunächst aus der Perspektive von Dunja erzählt, die nach dem Tod des Vaters ihrer Kinder in die Heimat ihrer Kindheit zieht, bis ein Wechsel erfolgt und der Leser tiefer in die Gedankenwelt von Saphie eintauchen kann.
Die Trauer um den Verstorbenen ist bei Dunja eher zweitrangig, sie blickt vielmehr wehmütig auf die Vergangenheit zurück und bedauert, dass ihre Kinder inzwischen erwachsen sind. Auf der anderen Seite ist sie jedoch bereit für einen Neuanfang, löst Saphie allmählich als Hotelchefin ab und bindet sich auch in Sachen Liebe stärker an das Dorf.
Saphie lenkt sich unmittelbar nach Gilbharts Tod mit der Arbeit im Hotel ab, bis sie seinen Tod nicht mehr verdrängen kann und ihr vor Trauer und Einsamkeit alles egal zu werden scheint und sie sich aus jeglicher Verantwortung flüchtet.

Die Geschichte entwickelt sich eher gemächlich und erhält durch den Bezug auf die deutsch-deutsche Vergangenheit Dynamik. Die Hintergründe zum Fluchttunnel in den Westen und die Folgen für die Familie von Dunja, Saphie und ihre jüngere Schwester Lenka bleiben jedoch nebensächlich und hätten mit der Aufdeckung eines (offenen) Familiengeheimnisses mehr Raum für Aufregung und Emotionen geboten.
So steht die Entwicklung der beiden "Glasschwestern", wie sie im Dorf als Töchter eines Glasbläsers und einer Glasmalerin genannt werden, im Vordergrund. Dabei wird die Gegensätzlichkeit, die sich phasenweise umkehrt, bildhaft und empathisch beschrieben. Durch den Perspektivwechsel sind die Gefühle beider Schwestern nachvollziehbar und sowohl Saphies Verzweiflung und Flucht in die Vergangenheit als auch Dunjas Engagement und Blick in die Zukunft verständlich.
"Die Glasschwestern" ist ein Buch über zwei Frauen, die nach einem ähnlichen Schicksalsschlag ihr Leben von Grund auf ändern und dabei unbewusst Charaktereigenschaften der jeweils anderen übernehmen.

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Veröffentlicht am 17.03.2020

Schöner Generationenroman

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Sehr verschieden sind die 39jährigen Zwillingsschwestern Dunja und Saphie, die als Kinder in ihrem Heimatdorf im ehemals innerdeutschen Grenzgebiet „Glasschwestern“ (daher der Buchtitel) genannt wurden, ...

Sehr verschieden sind die 39jährigen Zwillingsschwestern Dunja und Saphie, die als Kinder in ihrem Heimatdorf im ehemals innerdeutschen Grenzgebiet „Glasschwestern“ (daher der Buchtitel) genannt wurden, weil sie den handgemachten, geblasenen Glasschmuck ihres Vaters trugen. Eine merkwürdige Parallele gibt es aber in ihrem Leben: Ihre beiden Männer/Lebensgefährten sterben am selben Tag. Daraufhin zieht Dunja aus der Großstadt zurück in das kleine Dorf ihrer Kindheit, wo Saphie ein Hotel führt. Sehr seltsam ist es dann, dass Dunja mehr und mehr wie Saphie wird (von der in engen sozialen Verhältnissen lebenden, zum Grübeln neigenden Frau zur erfolgreichen Hotelmanagerin) und umgekehrt (die früher eher vorausschauende Saphie arbeitet ihre Ehe mit einem Säufer auf, der ihre eigene Liebe zu ihm nicht so recht erwidern wollte). Daneben spielen familiäre Probleme mit ihrer jüngeren Schwester und Dunjas zwei Kindern eine wichtige Rolle. Auch die deutsch-deutsche Geschichte wird – wenn auch nur am Rande – anhand eines Fluchttunnels thematisiert, in dessen Bau der Vater auf seltsame Weise involviert war.
Das Buch liest sich gut und flüssig. Der Schreibstil ist sehr besonders. Sehr gefallen haben mir die Kapitelüberschriften, die jeweils kleine Lebensweisheiten wiedergeben (z.B. „Alte Liebe rostet, wenn sie neue kostet“), sowie die ungewöhnlichen, wenngleich gewöhnungsbedürftigen Vornamen der Romanfiguren, die einem altdeutschen Kalender entlehnt sind. Es ist besonders Fans von Familiengeschichten zu empfehlen. Die Darstellung des unbedingten Familienzusammenhaltes ist sehr schön. Als Leser fühlt man sich bildlich in die kleine Welt der Schwestern im Hotel hineinversetzt.

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