Ich lese in allen möglichen Genres, hauptsächlich Krimis und Fantasy-Bücher, in letzter Zeit begeistere ich mich aber auch immer mehr für Romane mit alltäglicheren Themen. Teilgenommen habe ich an Leserunden bisher noch nicht, und erwarte davon einen Austausch mit anderen Lesern, die mit dem Buch auf dem selben Stand sind, wie ich, sodass wir unsere Gedanken teilen und ich auch andere Ansichten über Gelesenes gewinnen kann.
Das Cover des Buches finde ich ästhetisch sehr ansprechend. Bild und Text passen gut zueinander und erschaffen ein anziehendes Gesamtbild, das auch die Leseprobe nun verstärkt hat. Dass das erste Kapitel mit einer zeitlichen Einordnung beginnt, nur um dann einen Rückblick zu zeigen, der Jahre vor dieser zeitlichen Einordnung spielt, fand ich beim Lesen im ersten Moment etwas verwirrend, auch weil es gut hätte sein können, dass man die Frauen, um die es wirklich geht, aus den Augen des Kindes kennenlernt, es also für mich nicht von Anfang an klar war, dass es sich um einen Rückblick handelte, abgesehen davon fand ich aber alles bisher sehr gut zu verfolgen und sehr ansprechend geschrieben. An Natalies Rückblick gefällt mir dabei besonders, dass man ihren Namen erst erfährt, als der Rückblick bereits abgeschlossen ist. Dadurch wirkt es auf mich noch einmal mehr, als hätte sie es geschafft, sich von ihrem Leben von damals zu lösen, und könnte jetzt wirklich als sie selbst ihre Tage verbringen und das tun, was sie wirklich will. Da hat der Gegensatz zwischen dem Namenlosen Kind und der erwachsenen Natalie dann sehr gut gepasst.
Genau wie Natalie wirkt auch Alice wie eine starke Frau. Nicht ganz so sehr aufgrund einer Vergangenheit, die sie überwinden musste, aber dass sie so fürsorglich ist, ohne sich um das zu kümmern, was andere über ihr Verhalten sagen oder denken könnten, zeigt, dass sie weiß, was sie will, und dass sie auch alles daran setzt, sich von ihrem Weg nicht abbringen zu lassen. Die Aufzählung dessen, was sie gelernt hat, kam mir etwas kantig vor, weil ich es komisch finde, dass man Alice scheinbar sagen muss, welche Bildung sie genossen hat, aber die Situation zeigt sehr gut, aus welchen Verhältnissen sie kommt, und gerade die Erwähnung ihres Onkels gibt ein sehr behütetes Bild ab, das in starkem Kontrast zu Natalies Aufwachsen steht.
Die Nebenfiguren bisher sind mir auch sympathisch, jedenfalls die, die nicht Natalies Vater oder der Schaffner sind, und sind auch sehr lebendig. Constanze ist vielleicht etwas oberflächlich, aber auf ihre eigene Art und Weise wirkt sie sehr gutherzig und liebevoll, und auch Heinrich von Kessel klingt bisher wirklich sehr zuvorkommend und freundlich. Ich hoffe sehr, dass er auch weiterhin eine Rolle spielen wird (und bin gespannt, welche), auch wenn ich noch mehr hoffe, dass die Geschichte sich nicht zu einer (reinen) Liebesgeschichte entwickelt, sondern es auch weiterhin mehr um Natalie und Alice geht, und darum, was die beiden Frauen (gemeinsam) erreichen.
Ich gehe davon aus, dass Alice in den folgenden Kapiteln durch ihre Faszination für die Bahnhofsmission (und Natalie) mehr darüber herausfinden will, was genau die Bahnhofsmission tut, und sie sich dieser dann in ihrem Drang, Menschen zu unterstützen/helfen, anschließen wird. Da Natalie und Alice so unterschiedlich aufgewachsen sind, kann ich mir gut vorstellen, dass sie viel voneinander lernen und sich gut ergänzen könnten. Auch wenn es vielleicht zu Konflikten führen könnte, wenn sie so unterschiedlich sind, aber von den bisherigen Kapiteln wirken sie auf mich eher, als würden sie ähnlich genug denken, um wirklich gute Freunde sein zu können (wovon ich persönlich am ehesten hoffe, dass es passieren wird).