Leserunde zu "Die vier Gezeiten" von Anne Prettin

Ein Roman, so kraftvoll und mitreißend wie Ebbe und Flut
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Anne Prettin (Autor)

Die vier Gezeiten

Roman

Die Kießlings gehören zu Juist wie die Gezeiten. Als Patriarch Eduard das Bundesverdienstkreuz erhält, kommen sie alle zusammen: Eduards Frau Adda, die drei Töchter, sowie Großmutter Johanne. Doch in die Generalprobe platzt Helen aus Neuseeland, die behauptet, mit der Sippe verwandt zu sein. Und tatsächlich: Sie ist Adda wie aus dem Gesicht geschnitten. Gemeinsam gehen sie dem Rätsel ihrer Herkunft nach. Denn Adda ahnt: Der Schlüssel zur Wahrheit liegt im familieneigenen Hotel de Tiden, dort, wo vor 75 Jahren alles begann.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 28.12.2020 - 17.01.2021
  2. Lesen 01.02.2021 - 21.02.2021
  3. Rezensieren 22.02.2021 - 07.03.2021

Bereits beendet

Schlagworte

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Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 22.02.2021

Familiengeheimnisse …

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Die vier Gezeiten

Diane Jordan

Ich lebe zwischen Ost- und Nordsee und fühle mich dadurch dem Meer sehr verbunden. Gerade in Zeiten von Corona, wo das Reisen stark eingeschränkt ist oder gar nicht geht. ...


Die vier Gezeiten

Diane Jordan

Ich lebe zwischen Ost- und Nordsee und fühle mich dadurch dem Meer sehr verbunden. Gerade in Zeiten von Corona, wo das Reisen stark eingeschränkt ist oder gar nicht geht. Jetzt wecken Bücher, wie das von Anne Prettin, starke Sehnsucht nach den Seebädern und dem Wasser. Der Roman „Die vier Gezeiten“ aus dem Lübbe Verlag hat ein ansprechendes und geheimnisvolles Cover. Man sieht eine dunkelhaarige Frau mit braunem Dutt in einem grünen Kleid. Sie kehrt dem Betrachter den Rücken zu und scheint im tiefen Wasser zu stehen. Angedeutete kreisförmige Wellen, mit dem angedeuteten Spiegelbild, verstärken den unheilvollen Eindruck. Die Farben des Covers finde ich in Blau-türkis perfekt gewählt. Als Fotografin signalisieren diese Töne für mich Emotionen und Stabilität. Eigentlich eine freundliche und glückliche Farbe, die auch Klarheit und Reinheit darstellt, jedenfalls für mich. Trotzdem ist sie aber auch so eine Art „Notfallfarbe“ die hervorragend zu den Romanfiguren passt, wie ich finde. Der Klappentext hat es in sich. Ein Buch ganz nach meinem Geschmack, denn wer mich kennt weiß, dass ich einen Faible für Familiengeschichten mit Geheimnissen habe. Es geht dramatisch mit einer Tagebucheintragung von 1978 auf der Insel Juist los. Ich mag das Buch kaum aus der Hand legen, so spannend ist es. In verschiedenen Zeitebenen werden die verschiedensten Charaktere einer Familie mit vielen Geheimnissen dargestellt und beleuchtet. Die mir vorher unbekannte Autorin hat einen flüssigen Schreibstil. Die Beschreibungen sind bildhaft. Und ruck zuck springt mein Kopfkino an. Vor allem die Schilderungen vom Krieg und dem damaligen Nazideutschland haben mich sehr als Leserin bewegt und in Anspannung und Traurigkeit versetzt. Die Protagonisten Johanne, Joost, Adda, Jan, Wanda, Eduard und Gustav (um nur einige zu nennen) sind prima erdacht und fein beschrieben. Es sind Menschen wie du und ich, mit vielen Ecken und Kanten, was mir gut gefällt. Für ungeübte Leser, die sich nicht so oft komplexen Familien-Stammbäumen beschäftigen, wäre vielleicht hinten ein Namensregister „Wer zu wem gehört“, hilfreich gewesen. Ich hatte allerdings keine Schwierigkeiten dem Plot zu folgen. Der Spannungsaufbau ist sehr gekonnt und gefiel mir fast bis zum Ende außerordentlich gut. Dann hat es aber Richtung „Auflösung“ an Glaubhaftigkeit für mich persönlich verloren. Vorsicht Spoiler: 4 ungewollte Schwangerschaften innerhalb eines Familienclans sind mir dann doch zu heftig. Auch das zufällige Treffen „X trifft Y“ in Neuseeland und übergibt das Baby, finde ich etwas an den Haaren herbeigezogen. Da wäre für meinen Geschmack etwas weniger mehr gewesen. Nichtsdestotrotz hat mir das Buch, bis auf die beiden eben erwähnten „Kleinigkeiten“, hervorragend gefallen. Und ich fand es faszinierend, wie durch Prägung und gelebte Praxis, das Drama „ungewollte Schwangerschaft“ so eine gewaltige Auswirkung für die Familie hatte.
Inhalt:
Die Kießlings gehören zu Juist wie die Gezeiten. Als Patriarch Eduard das Bundesverdienstkreuz erhält, kommen sie alle zusammen: Eduards Frau Adda, die drei Töchter, sowie Großmutter Johanne. Doch in die Generalprobe platzt Helen aus Neuseeland, die behauptet, mit der Sippe verwandt zu sein. Und tatsächlich: Sie ist Adda wie aus dem Gesicht geschnitten. Gemeinsam gehen sie dem Rätsel ihrer Herkunft nach. Denn Adda ahnt: Der Schlüssel zur Wahrheit liegt im familieneigenen Hotel de Tiden, dort, wo vor 75 Jahren alles begann.

Die Autorin:
Anne Prettin ist eine Hamburger Autorin und schreibt Reden für Auftraggeber aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Sie studierte Politikwissenschaften und Soziologie in Freiburg, Hamburg und Bordeaux und arbeitete als freie Journalistin für verschiedene Tageszeitungen. Sie ist verheiratet und lebte mit ihrer Familie in Neuseeland, als dieser Roman entstand.

Fazit: 4**** Der Roman „Die vier Gezeiten“ ist im Lübbe Verlag erschienen. Das gebundene Buch hat 480 Seiten, die die vier Generationen /Gezeiten packend darstellen. Und große Lust auf einen Besuch der Insel Juist machen.






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Veröffentlicht am 23.02.2021

Interessante Familiengeschichte

1

Die vier Gezeiten, das sind die vier Töchter von Eduard und Adda Kießling, die ein großes Hotel auf der Nordseeinsel Juist besitzen. Zwei der Töchter sind munter wie die Flut, zwei eher ruhig wie die Ebbe. ...

Die vier Gezeiten, das sind die vier Töchter von Eduard und Adda Kießling, die ein großes Hotel auf der Nordseeinsel Juist besitzen. Zwei der Töchter sind munter wie die Flut, zwei eher ruhig wie die Ebbe.
Doch Wanda, die älteste Tochter, ist vor vielen Jahren im Meer ertrunken, das Geschehen konnte nie ganz aufgeklärt werden.
Als Eduard Kießling das Bundesverdienstkreuz bekommen soll, werden aufwändige Vorbereitungen getroffen. Doch plötzlich taucht Helen auf, eine junge Frau aus Neuseeland, die ihre Mutter sucht. Angeblich soll ein Foto beweisen, dass diese auf der Insel gelebt hat. Durch Helen werden bei Adda und ihrer senilen Mutter Johanne Erinnerungen geweckt, die das ganze komplizierte Familiengefüge zum Einsturz bringen könnten.
Das Buch ist sehr spannend geschrieben und die Fäden werden erst am Schluss entwirrt. Deshalb habe ich es gern und schnell gelesen.
Allerdings hätte ich mir eine Übersichtskarte über die Familienverhältnisse gewünscht, denn manchmal ist das Gefüge der Beziehungen sehr verwirrend und man muss sich sehr konzentrieren, um die Übersicht zu behalten.
Auch fand ich die Fülle von Themen, die in dem Buch angesprochen wurden, einfach zu viel. Die Nazis, die "Schule am Meer", die DDR-Vergangenheit, Enteignungen und Flucht, Umweltschutz und Politik, Probleme mit Adoptionen, uneheliche Kinder und heimliche Geliebte - viele Geheimnisse, über die nie gesprochen wurde und trotzdem im Hintergrund Einfluss auf die Familie ausüben. Da wäre weniger sicher mehr gewesen.
Trotz dieser kleinen Schwächen fand ich das Buch gut zu lesen, zumal es an der Nordsee spielt, die ich sehr liebe.

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Veröffentlicht am 06.03.2021

„Geht eine Welt unter, geht eine andere wieder auf, mit vielen neuen Geheimnissen“ - Onno

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Die Kießlings leben seit jeher auf der Nordseeinsel Juist und zeigen - nach Außen hin - die perfekte Vorzeigefamilie. Der Familienpatriarch Eduard Kießling schätzt dabei nichts größer als seine geregelte ...

Die Kießlings leben seit jeher auf der Nordseeinsel Juist und zeigen - nach Außen hin - die perfekte Vorzeigefamilie. Der Familienpatriarch Eduard Kießling schätzt dabei nichts größer als seine geregelte Ordnung und seinen tadellosen Ruf. Ärgerlich nur, dass gerade in dem Moment, in dem die ganze Familie Kießling in den Vorbereitungen für Eduards Auszeichnungsfeier mit dem Bundesverdienstkreuz die junge Helen aus Neuseeland auftaucht. Helen, die Eduards Frau Adda wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelt, behauptet ein Mitglied der Familie zu sein und ihre leiblichen Eltern zu suchen. Im Mittelpunkt des Romans stehen insbesondere die Geschichten der Frauen Johanne die während der NS-Zeit auf Juist groß wird, deren Tochter Adda die während des Krieges zunächst in Dresden lebt und später nach Juist flieht und der jungen Helen aus Neuseeland, deren Verbindung zu den Kießlings noch geklärt werden muss.

Das ansprechende Cover und der Einstieg in die Geschichte - ein mysteriöser Tagebucheintrag aus dem Jahr 1978, der eine junge Frau zeigt, die sich das Leben nehmen möchte - lassen hohes Erwarten. Man möchte nach den ersten Kapiteln am liebsten direkt den Ausgang der Geschichte erfahren: Wie hängen die Geschichten der Kießlings und der jungen Helen zusammen? Was ist mit der jungen Frau aus dem Tagebucheintrag passiert? Doch trotz des guten Einstiegs konnte mich die Spannung leider nicht bis zum Ende fesseln. Die Geschichte der jungen Helena rutscht etwas zu stark in den Hintergrund. Hier war es auch nicht hilfreich, dass die Geschichte so viele verschiedene Handlungsstränge beinhaltete. Es wurde nicht nur aus der Perspektive mehrerer Protagonisten erzählt, sondern ihre Geschichten hüpften von einem Jahr zum nächsten, wodurch es gerade zu Beginn des Romans sehr schwierig war, einen Überblick über die verschiedenen Figuren und Handlungsstränge zu behalten.
Der Schreibstil und das Thema des Buches sind sehr gut gelungen. Anne Prettin schafft es, dem Leser ein lebendiges Bild der Insel Juist zu vermitteln und sie lässt die Handlung authentisch wirken. Als Leser hat man die ganze Zeit ein lebhaftes Bild vor Augen, wie Juist in der Vergangenheit und in der Gegenwart aussah und welche Ereignisse sich zugetragen haben.
Die Figuren wirkten leider nur zum Teil authentisch. Es war leicht sich in Johanne und Adda in ihrer Vergangenheit hineinzuversetzen, jedoch erschienen die Figuren in der Gegenwart eher distanziert. Ebenso die Tagebucheinträge von Wanda zeigten sich etwas fragwürdig: Welches Tagebuch eines pubertären Mädchens ähnelt einem wissenschaftlichen Aufsatz? Vermutlich nicht sehr viele.

Zusammenfassend hat mir die Geschichte gut gefallen. Besonders die Schilderungen der Vergangenheit konnten lebhaft erzählt werden und wirkten authentisch. Die Frage, was all diese verschiedenen Handlungsstränge mit der jungen Helen und der Suche nach ihren leiblichen Eltern zu tun hat, war jederzeit präsent. Dennoch führten die zu vielen Handlungsstränge und die Beschreibungen der Protagonisten dazu, dass das Buch einige Längen hatte und mich nicht all zu stark gefesselt hat.

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Veröffentlicht am 02.03.2021

Familiendrama

2

Im Hotel de Tiden auf Juist herrscht Hektik. Dr. Eduard Kießling und seine Familie absolvieren die Generalprobe für seine Ehrung. Der Ministerpräsident persönlich will ihm für seine Verdienste um die Insel ...

Im Hotel de Tiden auf Juist herrscht Hektik. Dr. Eduard Kießling und seine Familie absolvieren die Generalprobe für seine Ehrung. Der Ministerpräsident persönlich will ihm für seine Verdienste um die Insel das Große Verdienstkreuz überreichen. Da platzt die junge Helen aus Neuseeland herein, sie ist auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter und hat als Anhaltspunkt ein Strandfoto ihrer Großmutter. Sofort erkennen alle Adda, Kießlings Ehefrau und Mutter von vier Töchtern. Die Aufregung ist groß, die Ähnlichkeit unverkennbar und die Frage bleibt, welche Tochter hat ein Kind zur Adoption freigegeben.

Wanda, die Älteste, ist im Wattenmeer ertrunken, der Prolog – ein Tagebucheintrag von Wanda – legt nahe, dass sie Suizid begangen hat.

Frauke lebt nach einer gescheiterten Ehe wieder allein auf der Insel und auch Theda ist nach einer unglücklichen Liebe wieder zurückkehrt. Die jüngste, Marijke ist die umtriebigste der Töchter. Als Fotografin hat sie große Bekanntheit erlangt und reist durch die Weltgeschichte. Aber allen ist gemeinsam, dass sie Helen mit großer Skepsis, gar Ablehnung begegnen. Vielleicht könnte Addas Mutter Johanne Licht ins Dunkel bringen. Doch seit 3 Jahren leidet sie an Demenz und ihre klaren Momente werden weniger. Adda ist entschlossen, diese Augenblicke zu nutzen. Bis zur ihrer Erkrankung war Johanne das unbestrittene Oberhaupt der Familie und alle hatten sie sich unterzuordnen.

Eine Familiensgechichte über drei Generationen, die fest mit der Insel Juist verknüpft ist, erzählt Anne Prettin aus wechselnden Perspektiven und wechselnden Zeitebenen Wobei die Gegenwart die Rahmenhandlung für Rückblenden bildet, bei denen vor allem Johannes und Addas Schicksal im Vordergrund stehen. Ich muss gestehen, mir sind die Frauen nicht recht nahe gekommen. Die Töchter blieben farblos und ihre Geschichte mochten mich nicht recht fesseln und bei Johanne schlug mein anfängliches Interesse bald in Abneigung um.

Der Roman spart nicht an Dramatik, alles was passieren kann, widerfährt dieser Familie. Unglückliche Lieben, Verrat und Betrug, gebrochene Versprechungen und unerfüllte Liebe, keine Tochter bleibt verschont.

Prettin schreibt unterhaltsam und ich fand das Buch durchaus spannend, aber mir fehlte der Zugang zu den Protagonisten. Das hat mein Lesevergnügen auch geschmälert. Ich meine, weniger Verwicklungen und weniger dramatische Zufälle hätten dem Buch gut getan.

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Veröffentlicht am 02.03.2021

Fesselnde, aber etwas überladene Familiengeschichte

1

MEINE MEINUNG
„Die vier Gezeiten“ von der deutschen Autorin Anne Prettin ist ein spannender und Familienroman, der mit vielen Familiengeheimnissen, traurigen wie dramatischen Entwicklungen sowie zahlreichen ...

MEINE MEINUNG
„Die vier Gezeiten“ von der deutschen Autorin Anne Prettin ist ein spannender und Familienroman, der mit vielen Familiengeheimnissen, traurigen wie dramatischen Entwicklungen sowie zahlreichen Wendungen zu unterhalten weiß.
Hinter dem ungewöhnlichen und etwas rätselhaften Titel „Vier Gezeiten“, dessen Bedeutung sich einem im Laufe der Handlung erschließt, verbirgt sich eine opulente, mitreißend erzählte Familiengeschichte über die angesehene Juister Hoteliersfamilie Kießling, die sich über vier Generationen hinweg erstreckt und geschickt einen Bogen über viele Jahrzehnte mit verschiedenen Zeitepochen spannt.
Im Mittelpunkt der ereignisreichen Geschichte stehen die verschiedenen, außergewöhnlichen Frauen der Familie mit ihren faszinierenden Lebensgeschichten, die teilweise erschreckende parallele Entwicklungen aufweisen, ihren sorgsam gehüteten Geheimnissen und folgenschweren Entscheidungen, die bis in die Gegenwart nachwirken und das Leben der nachfolgenden Generationen mit beeinflusst haben.
Angelegt ist der Roman in zahlreichen, sich abwechselnden Handlungssträngen, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden und auf verschiedenen Zeitebenen und Zeitepochen angesiedelt sind, so dass sich die komplexe Familiengeschichte erst allmählich durch die unterschiedlichen Rückblenden zusammenfügt. Gerade zu Beginn des Romans hat man als LeserIn allerding mit der verwirrenden Vielzahl der Charaktere, ihrem Bezug zueinander inklusive der verzwickten Verwandtschaftsverhältnisse zu kämpfen. Später fällt einem die Zuordnung dann naturgemäß sehr viel leichter. Dennoch hätte ich mich sehr über ein kurzes Personenregister gefreut, um einen schneller Überblick über die vielen Figuren zu erhalten.
Nach dem packenden Einstieg in die Geschichte mit dem rätselhaften und verhängnisvollen Tagebucheintrag einer jungen Frau von 1978, setzt die eigentliche Handlung in der Gegenwart von 2008 auf der Nordseeinsel Juist ein. Mit dem überraschenden Auftauchen der jungen Neuseeländerin Helen, die aufgrund ihrer frappierenden Ähnlichkeiten mit den Kießlings auf irgendeine Weise verwandt zu sein scheint, entspinnt sich für uns eine spannende Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Gemeinsam mit ihr lernen wir allmählich die verschiedenen Familienmitglieder und ihre Besonder- und Eigenheiten kennen. Plötzlich scheint das jahrzehntelange beharrliche Schweigen der Familie ins Wanken zu geraten, bislang streng gehütete Geheimnisse warden enthüllt und in vielen Rückblenden erfahren wir schrittweise immer neue Details aus dem bewegten Leben von Johanne aber auch ihrer Tochter Adda, ihre Hoffnungen, Sehnsüchte, Träume, Verluste und Enttäuschungen.
Einfühlsam und mit angenehmer Leichtigkeit zeichnet die Autorin in den Rückblicken bedeutsame Lebensstationen ihrer Figuren aus der Vergangenheit nach und nimmt uns mit auf eine faszinierende Zeitreise. So tauchen wir gemeinsam mit der jungen Johanne ins Juist der 1934ger Jahre ein, lernen die bekannte Roformschule „Die Schule am Meer“ kennen und bekommen die erstarkenden nationalsozialistischen Einflüsse auf der Insel mit oder erleben gemeinsam mit der jungen Adda nach der schwierigen Nachkriegszeit die Aufbruchstimmung der 1950er Jahren.
Die Autorin versteht es hervorragend, das tolle Inselflair von Juist und die unterschiedlichen Schauplätze der Insel von der Wattlandschaft, den Stränden bis hin zur Inselbahn atmosphärisch dicht und anschaulich zu beschreiben, so dass man alles wunderbar vor Augen hat. Auch das sorgsam recherchierte Zeitkolorit zu den jeweiligen Epochen aber auch die Zwänge der damaligen gesellschaftlichen Realität im Wandel der Zeiten hat sie sehr authentisch und plastisch in die Handlung mit einfließen lassen.
Anne Prettin hat mit ihrer Familiengeschichte beeindruckende, facettenreiche Frauen-Figuren geschaffen, die mit ihren Eigenheiten, Stärken und Verletzlichkeiten einerseits lebensnah und lebendig wirken, mich aber in vielerlei Hinsicht leider nicht erreichen konnten. Viele ihrer Handlungsweisen und zugrunde liegenden persönlichen Entwicklungen waren für mich nicht nachvollziehbar bzw. glaubhaft, so dass ich mit keiner der Hauptfiguren wirklich warm werden konnte.
Während die Spurensuche Helens, ihre geheimnisvolle Herkunft und die Mutmaßungen um ihre leibliche Mutter sich anfangs noch sehr fesselnd gestalteten, so tritt dieser Handlungsstrang leider zunehmend in den Hintergrund. Für meinen Geschmack wirkte die Geschichte irgendwann leider durch die Fülle an Familiengeheimnissen, klischeehaften Verwicklungen und Schicksalsschlägen zu überfrachtet, konstruiert und unglaubwürdig, um mich noch begeistern zu können.
Zum Ende hin verdichtet die Autorin ihre Geschichte nach einigen sehr konstruiert wirkenden Wendungen und überraschenden Enthüllungen immer weiter, führt die vielen losen Handlungsfäden zusammen und lässt ihre schließlich etwas überladene Familiengeschichte zwar überstürzt aber recht versöhnlich ausklingen.
Schade, diese Familiengeschichte hatte wirklich viel Potential, konnte mich aber ab dem Mittelteil immer weniger überzeugen.

FAZIT
Eine komplexe Familiengeschichte mit fesselnden Familiengeheimissen, tollem atmosphärischen Inselflair und lebendigem, stimmigem Zeitkolorit, die leider nicht ganz überzeugend und etwas klischeebehaftet umgesetzt wurde.

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