Leserunde zu "Die vier Gezeiten" von Anne Prettin

Ein Roman, so kraftvoll und mitreißend wie Ebbe und Flut
Cover-Bild Die vier Gezeiten
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Anne Prettin (Autor)

Die vier Gezeiten

Roman

Die Kießlings gehören zu Juist wie die Gezeiten. Als Patriarch Eduard das Bundesverdienstkreuz erhält, kommen sie alle zusammen: Eduards Frau Adda, die drei Töchter, sowie Großmutter Johanne. Doch in die Generalprobe platzt Helen aus Neuseeland, die behauptet, mit der Sippe verwandt zu sein. Und tatsächlich: Sie ist Adda wie aus dem Gesicht geschnitten. Gemeinsam gehen sie dem Rätsel ihrer Herkunft nach. Denn Adda ahnt: Der Schlüssel zur Wahrheit liegt im familieneigenen Hotel de Tiden, dort, wo vor 75 Jahren alles begann.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 28.12.2020 - 17.01.2021
  2. Lesen 01.02.2021 - 21.02.2021
  3. Rezensieren 22.02.2021 - 07.03.2021

Bereits beendet

Schlagworte

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Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 27.02.2021

Im Rhythmus der Gezeiten

2

Adda Kießlings Familie gehört zur kleinen Nordseeinsel Juist wie die Gezeiten – bereits ihre Mutter Johanne ist auf der Insel aufgewachsen und das Familienhotel „De Tiden“ ist das größte und schönste der ...

Adda Kießlings Familie gehört zur kleinen Nordseeinsel Juist wie die Gezeiten – bereits ihre Mutter Johanne ist auf der Insel aufgewachsen und das Familienhotel „De Tiden“ ist das größte und schönste der Insel. Addas Mann Eduard soll nun das Bundesverdienstkreuz aufgrund seiner Bemühungen für den Schutz des Nationalparks Wattenmeer verliehen bekommen und das setzt den Patriarch mächtig unter Druck. Mitten in die Generalprobe dieses wichtigen Ereignisses platzt eine junge Frau, die Adda wie aus dem Gesicht geschnitten ist: Helen kommt aus Neuseeland und behauptet, mit den Kießlings verwandt zu sein. Als Beweis legt sie ein Foto vor, dass Adda zeigt und behauptet, dies wäre das einzige, was ihre Adoptiveltern von ihrer leiblichen Familie wüssten. Die Familie ist schockiert, weder Adda noch eine ihrer Töchter kann sich Helens Existenz erklären. Doch Adda möchte Helen helfen und beginnt mit ihr gemeinsam in der Vergangenheit zu forschen. Dass dabei längst vergessene Familiengeheimnisse ans Licht kommen, die alles bisher geglaubte verändern, kann Adda zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

Das Cover zu „Die vier Gezeiten“ finde ich wunderschön! In seiner scheinbaren Schlichtheit wirkt es aufgrund der Farben und des rätselhaften Motives der jungen Frau vollbekleidet im Wasser sofort rätselhaft und interessant - ein Buchcover, das direkt neugierig macht! Auch der Titel lädt zum Spekulieren ein, er verweist bereits auf Ebbe und Flut im Wattenmeer und führt den Leser somit direkt ins Setting ein. Warum von vier Gezeiten gesprochen wird erscheint zunächst mysteriös, klärt sich aber im Laufe des Romans auf stimmige Art und Weise auf.

Das Buch startet bereits rätselhaft mit einem Tagebucheintrag, der direkt auf das Motiv des Covers verweist und bereits Trauriges erahnen lässt. Anschließend macht die Handlung macht einen Sprung in die Gegenwart und wir lernen Protagonistin Adda und ihre Familie kennen. Aufgrund des erzählenden Schreibstils der Autorin können die Personen gut voneinander unterschieden werden, auch wenn der Großteil gleichzeitig eingeführt wird. Insgesamt ist das Buch sehr vielfältig geschrieben, sei es durch häufige Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Rückblenden und den Tagebucheinträgen. Nach dem originellen Eintrag zu Beginn des Buches war ich überrascht, diese Erzählform ca. zur Hälfte plötzlich wieder zu finden, wobei es sich dann aber nur noch um Erzählungen aus Wandas Vergangenheit handelt, welche teilweise lediglich aus trivialen Alltagsbeschreibungen einer Jugendlichen bestanden. Auch wechselt die Zeitform von Präteritum in Präsenz, wenn es um Addas Vergangenheit geht, was ich leider nicht richtig verstanden und eher als irritierend empfunden habe. Sowieso springt die Handlung ständig zwischen verschiedenen Zeiten und Personen hin und her, was vom Leser eine erhöhte Aufmerksamkeit fordert. Der häufige Wechsel macht es ihm teilweise schwer, das Geschehen einzuordnen und zu verstehen. Anstrengend waren die vielen Wiederholungen und Introspektionen der Figuren sowie viele Allgemeinplätze. Das hat dazu geführt, dass mir das Erzähltempo zu langsam wurde, sich das Buch an manchen Stellen gezogen hat und somit etwas langatmig wurde. Lediglich im letzten Viertel überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und gefühlt werden alle Geheimnisse auf einmal aufgeklärt, was dann auf den wenigen Seiten wieder überfrachtet gewirkt hat. Eine ausgewogenere Verteilung der Geschehnisse wäre hier angenehmer gewesen.

Schön hingegen war der plattdeutsche Dialekt, der in manche Dialoge eingebunden wurde und sehr passend zum norddeutschen Flair passte. Sowieso haben mir das Lokalkolorit und die anschaulichen Beschreibungen der Insel Juist sowie der Wattenmeerregion wahnsinnig gut gefallen. Anne Prettin hat sowohl geschichtliche Informationen der Insel und des Naturparks geschickt eingebaut, als auch das nordische Flair rund um Land und Leute so gut eingefangen, dass der Leser regelrecht den Schlick zwischen den Füßen und den Wind im Haar spüren konnte. Insgesamt ist die Insel Juist ein tolles Setting und versetzt mich direkt in Urlaubsstimmung.

Inhaltlich war die Geschichte rund um die Frauen der Familie Kießling zunächst interessant und die vielen Familiengeheimnisse haben mich zum Rätseln eingeladen. Die Beziehungen der Personen zueinander sind verworren, egal ob in der Vergangenheit oder Gegenwart. Nach und nach kommen immer mehr dunkle Geheimnisse ans Licht, die häufig auch einfach hausgemacht sind und durch weniger Lügen und mehr Kommunikation vermeidbar gewesen wären. Menschlich ist vieles nicht nachvollziehbar. Schnell wird die Geschichte aufgrund der Vielzahl an Schicksalen überladen – schade, weniger Handlungsstränge wären hier angenehmer gewesen. Ich fühlte mich vor Familiengeheimnissen regelrecht überschüttet und fand es schade, dass Helen als Auslöser irgendwann fast in Vergessenheit geriet. Auch sind einige Entwicklungen etwas zu vorhersehbar und entsprechen sehr den gängigen Klischees. Es gibt viel Drama um die immer gleichen Themen, jede Generation wird mit derselben (unwahrscheinlichen) Situation konfrontiert. Gerade das Thema der ungewollten Schwangerschaft kommt mir sehr konstruiert vor. Insgesamt kommt es mir so vor, als ob das Buch einfach viel zu viel will: Familiengeheimnisse und tragische Figuren in jeder Generation, Lügen und Verheimlichungen, unglückliche Liebe und dann noch zahlreiche übergeordnete Themen wie Umweltschutz, Lokalpolitik, Judenverfolgung und Alltag zur NS-Zeit… das war mir alles etwas zu viel.

Auch konnten mich die Protagonisten des Buches nicht wirklich überzeugen. Ich konnte ihre Denk-und Handlungsweisen nicht nachvollziehen und wirklich sympathisch war mir auch niemand. Adda ist an sich der Ruhepol, der die Familie zusammenhalten möchte. Dabei bleibt sie aber sehr passiv was ihre persönlichen Wünsche angeht und handelt häufig sehr widersprüchlich. Sie teilt ihr Schicksal mit ihrer Mutter Johanne, die in ihren Rückerinnerungen eine nette junge Frau ist, aber unbegründet in ihrer weiteren Entwicklung zu einer harten, kalten, egoistischen Person wird. Vermutlich meint sie es nur gut, aber ihre Motive sind nicht nachvollziehbar. Ihrem Sohn und der Enkelin gegenüber ist sie sehr liebevoll, Adda behandelt sie streng und unnahbar. Das lässt die Figur für mich sehr unstimmig und wenig authentisch wirken. Auch die drei Töchter sind sehr klischeehaft gezeichnet und bleiben insgesamt sehr blass am Rande der Geschichte. Patriarch Eduard ist ebenfalls wie Familie Heinsen ein lebendes Klischee. Lediglich für die eher kurz erwähnten Nebenfiguren wie Okke, Onno und Helen konnte ich Sympathie entwickeln.

Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen und es trotz oben genannter Kritikpunkte als unterhaltsam empfunden. Allerdings gab es schon sehr viele Zufälle und widersprüchliche Charaktere, die es unglaubwürdig gemacht haben.

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Eine überladene Geschichte mit einer überzeugenden Grundidee

2

Inhalt:
Es wird hektisch auf der sonst eher ruhigen Insel Juist. Euard Kießling, der Patriarch der Familie, soll das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Zu diesem Anlass kommt die ganze Familie zusammen ...

Inhalt:
Es wird hektisch auf der sonst eher ruhigen Insel Juist. Euard Kießling, der Patriarch der Familie, soll das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Zu diesem Anlass kommt die ganze Familie zusammen und alle bringen ihr emotionales Päckchen mit. Was wie eine harmonische Zusammenkunft beginnt, wird mit dem plötzlichen Auftauchen von Helen auf einen Schlag zunichtegemacht. Helen behauptet, mit der Familie Kießling verwandt zu sein und ist auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern. Sie gleicht nicht nur Adda, Eduards Frau, aufs Haar, sondern lässt mit ihren Nachforschungen auch die brodelnden Emotionen der einzelnen Familienmitglieder ans Tageslicht kommen...

Meine Meinung:
Mir hat es grosse Freude bereitet, dieses Buch in einer Leserunde zu lesen und mich mit meinen Mitleserinnen über den Inhalt auszutauschen. Die Geschichte hat es nämlich wirklich in sich, aber was die grösste Stärke der Autorin ist, ist gleichzeitig auch die grösste Schwäche des Buches. Anne Prettin hat eine blühende Fantasie, ein grosses Interesse an historischen Ereignissen und kann - vor allem Landschaften, die Figuren bleiben nämlich (mit Ausnahme von Adda, Helen und Onno) eher blass - traumhaft schön beschreiben. In ihrem Erstling hat sie es aber vor allem mit ihrer Fantasie ein wenig übertrieben und eine eigentlich spannende Familiengeschichte erstens überladen und zweitens ein wenig gar an den Haaren herbeigezogen konstruiert. Das ist total schade, da sich in ihrem Schreibstil eigentlich grosses Potenzial finden lässt. Mit dieser Geschichte hätte man nämlich genug Stoff für eine ganze Reihe gehabt.

Aufbau und Handlung:
Die Grundidee von "Die vier Gezeiten" ist aber sehr überzeugend und besonders gut gefallen hat mir, wie das Buch beginnt und daraufhin ein spannendes Handlungsgeflecht aufgebaut ist. Ein kraftvoller Tagebuchtext beschreibt die geplante Selbsttötung einer anfangs noch unbekannten Frau im Detail. Nach diesem Prolog springt die Erzählung mitten in die Hauptprobe der Rede von Eduard Kießling. Dabei werden alle Figuren kurz vorgestellt und auch das Inselflair kommt nicht zu kurz. Nach Helens plötzlichem Auftauchen beginnt die Stimmung zu kippen. Abgründe tun sich auf und aus verschiedenen Perspektiven erzählte Erinnerungen und Erlebnisse setzen nach und nach eine Geschichte zusammen, die von Freundschaft, Liebe, von Intrigen, Verrat, Verletzungen und Verantwortungslosigkeit erzählt.
Diese Stimmungswechsel haben mir persönlich sehr gut gefallen und ich hatte auch keinerlei Probleme mit den unterschiedlichen Erzählstimmen. Schliesslich steht immer, wer gerade erzählt und in welchem Jahr wir uns beim Lesen befinden. Mir reicht das, um den Überblick zu behalten. Einzelne Teilnehmerinnen der Leserunde haben sich damit aber schwergetan. Solltet ihr ebenfalls Mühe mit solchen Sprüngen haben, ist dieses Buch vielleicht nichts für euch.

Schreibstil:
Wie bereits erwähnt, hat mir die Erzählsprache der Autorin sehr gefallen. Leider gelingt es ihr zwar nicht, dass alle Figuren zum Leben erwachen, aber dafür sind die Schilderungen der Landschaft der Insel und der Stimmungen und Emotionen um so realistischer und überzeugender beschrieben. Auch werden zahlreiche nicht ganz einfache Themen wie Suizid, ungewollte Schwangerschaft, Verlust und die eigene nationalsozialistische Vergangenheit einzelner Figuren und generell der Region mit dem nötigen Feingefühl und historischen Bewusstsein in die Geschichte eingearbeitet, wenn auch einzelne Themen unschön oft vorkommen und dabei - wie anfangs geschildert - ein wenig zu konstruiert wirken.

Fazit:
"Die vier Gezeiten" von Anne Prettin lässt mich ein wenig ratlos zurück, da ich einerseits den Schreibstil und die Idee, sowie das ganze Grundsetting dieser Geschichte sehr gemocht habe, aber andererseits einzelne Elemente der Handlung als stark übertrieben empfinde. Wer aber Inselflair und verstrickte Familiengeschichten mit vielen Rückblenden und ein wenig Spannung mag, sich aber am Hang zur Übertreibung nicht stört, wird mit diesem Buch schöne und unterhaltsame Lesestunden verbringen, da bin ich überzeugt.

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Veröffentlicht am 25.02.2021

Viele Familiengeheimnisse und ähnliche Schicksale

1

Die vier Gezeiten – so nennt Adda ihre 4 doch so unterschiedlichen Töchter. Und darum geht es in diesem Familienroman vorrangig – um die Beziehungen zwischen Mutter und Tochter, vor allem zwischen der ...

Die vier Gezeiten – so nennt Adda ihre 4 doch so unterschiedlichen Töchter. Und darum geht es in diesem Familienroman vorrangig – um die Beziehungen zwischen Mutter und Tochter, vor allem zwischen der von Johanne und Adda. Und dann taucht aus dem Nichts Helen aus Neuseeland auf, die sich als Familienangehörige ausgibt und auf der Suche nach ihrer Mutter ist.
Und irgendwie sind die Frauen dieser Familie alle auf der Suche – nach Glück, der Wahrheit, der Liebe, der Lösung ihrer Probleme oder ihrem Seelenfrieden. Und ihre Schicksale ähneln sich sehr.

Beginnend im Jahr 1930 wechseln verschiedene Zeitebenen bis in die Gegenwart hinein. Es wird abwechselnd aus dem Leben von Johanne, Adda und Helen berichtet und durch Tagebucheintragungen von Wanda, Addas ältester Tochter, ergänzt. Zum Glück ist jedes Kapitel einer Person und einem Datum zugeordnet, was das Sortieren der einzelnen Ereignisse etwas erleichtert.
Anne Prettin schreibt sehr lebendig und abwechslungsreich und durch den ständigen Wechsel der Zeiten, Personen und Handlungsorte bleibt es spannend, zumindest was die Familiengeschichte angeht.
Für meinen Geschmack gab es aber auch jede Menge Themen außerhalb der Familie, vor allem politische, die für mich die Handlung überfrachtet haben. Insbesondere hat Eduard im Vergleich zu Helen von der Autorin zu viel Beachtung bekommen. Helens Suche selbst gerät dabei völlig in den Hintergrund. Vor allem zum Ende des Buches war mir alles zu schnell und lieblos abgehandelt.


Sehr gut gefallen hat mir dagegen die beschriebene Inselatmosphäre und die Beschreibung von Juist über die Jahrzehnte hinweg. Sonne, Sand, Meer und eine leichte salzige Brise waren da gleich greifbar.

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Veröffentlicht am 25.02.2021

Wie Ebbe und Flut

1

"Die vier Gezeiten" von Anne Prettin bringt mich in einen Zwiespalt. Auf der einen Seite hat es Spaß gemacht das Buch zu lesen. Der Schreibstil ist flüssig und gut lesbar, die Geschichte eher kurzweilig. ...

"Die vier Gezeiten" von Anne Prettin bringt mich in einen Zwiespalt. Auf der einen Seite hat es Spaß gemacht das Buch zu lesen. Der Schreibstil ist flüssig und gut lesbar, die Geschichte eher kurzweilig. Die verschiedenen Perspektiven und Zeitschienen lockern das ganze auf. Wenn ein Geheimnis aufgedeckt wurde, entstehen dabei weitere und der Spannungsbogen wird so immer mehr und mehr aufgebaut.
Auf der anderen Seite wiederholen sich die Motive in jeder Generation, wenn auch die Ausgangssituation jedes Mal ein bisschen anders ist. Hierdurch wird dieser Teil der Geschichte eher ein bisschen langweilig und auch sehr vorhersehbar. Wirklich große Überraschungen und Wendungen traten für mich persönlich nicht auf. Auch mit den einzelnen Charakteren konnte ich nicht so warm werden. Eine wirkliche Protagonistin/ ein Protagonist fehlen eher und die mir sympathischen Figuren treten nicht oder nur selten aus der eigenen Perspektive auf.

Im Großen und Ganzen ist das Buch gut geeignet für ein kurzweiliges Lesevergnügen, wenn man keine anspruchsvolle Kost mehr möchte nach einem anstrengenden Tag,;mehr darf man aber nicht erwarten. Ich sehe aber definitiv großen Potenzial für weitere Werke der Autorin. Der Ansatz war sehr gut, in der Ausarbeitung waren es hier und da für mich dann doch zu viele Nebenstränge bzw. Familiengeheimnisse/Vorgehen, die teilweise auch einfach weggelassen werden könnten. Gegen Ende wurde zu viel gewollt - hier wäre ein "weniger ist mehr" besser angekommen, denke ich.

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Veröffentlicht am 24.02.2021

(Zu)viele Familiengeheimnisse und ein sehr guter Schreibstil

3

Vier Schwestern - vier Gezeiten, so stürmisch wie die Flut und so ruhig wie die Ebbe.

Die junge Helen sucht auf Juist nach ihren leiblichen Eltern. Ihr einziger Anhaltspunkt, ein altes Foto, führt sie ...

Vier Schwestern - vier Gezeiten, so stürmisch wie die Flut und so ruhig wie die Ebbe.

Die junge Helen sucht auf Juist nach ihren leiblichen Eltern. Ihr einziger Anhaltspunkt, ein altes Foto, führt sie zur Familie Kießling. Die Kießlings sind seit Jahren tief mit der Insel verbunden. Auf der Suche nach ihren Wurzeln tritt Helen eine Lawine los, die die Familie in vielerlei Hinsicht erschüttern wird.

Das Buch hat mich auf den ersten Seiten direkt mitgerissen. Anne Prettin schafft es, mit ihren wunderbaren Beschreibungen der Insel Juist einen direkt dorthin zu teleportieren. Die Geschichte beginnt interessant mit Helens Auftauchen und der Reaktionen der einzelnen Mitglieder der Familie Kießlings. Der Leser lernt Adda, ihren Mann, ihre Mutter Johanne und drei ihrer Töchter kennen und bereits hier wird klar, diese Familie ist speziell.

Die Handlung wechselt im weiteren Verlauf zwischen Rückblenden in Johannes und Addas Vergangenheit. Das hält die Spannung, aber ich musste mich als Leser teilweise ordentlich konzentrieren, um den roten Faden nicht zu verlieren. Im zweiten Teil des Buches kommen Tagebucheinträge der vierten Schwester als eine weitere Erzählform dazu.

Die von der Autorin gezeichneten Personen zu bewerten, fällt mir schwer. Ich habe keine Figur gefunden, die mich so sehr angesprochen hätte, dass ich ständig mit ihr mitfiebern oder mitleiden hätte können. Alle Figuren waren für mich als Leser distanziert, ihr Verhalten schwer bis oft gar nicht nachvollziehbar. Am wenigstens konnte ich Johanne einordnen. In Rückblenden wurde sie als junges Mädchen gezeigt und später dann als erwachsene Geschäftsfrau. Aber beide Personen waren so derart unterschiedlich in ihrem Verhalten, dass es für mich nicht deutlich geworden ist, wie jemand sich dermaßen verändern konnte. Es ging für mich auch nicht aus den Umständen der Geschichte hervor.

Adda, die wohl eigentliche Hauptfigur blieb mir bis zum Ende eher fremd. Nicht unbedingt, da ich ihre Handlungen nicht verstehen konnte. Hier hat die Autorin für meine Begriffe ein gutes Bild von einem Menschen geschaffen, der durch andere und deren Handlungen geformt wurde, sich nie gewehrt hat und ein eher passives Dasein führt. Ich persönlich kann mit solchen Personen wenig anfangen und daher blieb zwischen mir als Leser und Adda immer ein Graben.

Die Familie Kießling ist eine Familie voller vertuschter Geheimnisse, alte, wie neue. Es ist eine ganze Ansammlung, die mich am Ende des Buches fast überfordert hat. Es war einfach zu viel und stellenweise für mich zu weit hergeholt. Schade, denn die Geschichte hat dadurch für mich ein wenig verloren, obwohl ich sie sonst sehr spannend fand.

Trotzdem war es interessant zu sehen, wie eine Lüge, zur nächsten führt, dann noch ein Geheimnis und ein weiteres dazukommen, bis es eine komplette Familie total vergiften kann. Von diesem Gesichtspunkt aus, ist für mich die Aussage des Buches gelungen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir das Buch gut gefallen hat. Die Spannung war allgegenwärtig, da ich zu jeder Zeit auf die Auflösung der Geheimnisse und der großen Frage, wer ist Helens Mutter, hingefiebert habe. Leider konnten mich die Personen nicht wirklich abholen.

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