Rebecca F. Kuangs Roman Katabasis hinterlässt schon auf den ersten Seiten einen dichten, atmosphärisch geladenen Eindruck. Die Geschichte folgt den beiden Doktoranden Alice Law und Peter Murdoch, die an der Universität Cambridge Magie studieren. Nach dem plötzlichen Tod ihres gemeinsamen Mentors, Professor Jacob Grimes, treten sie eine ungewöhnliche und zutiefst metaphorische Reise in die Unterwelt an, mit dem Ziel, seine Seele zurückzuholen. Bereits der Titel verweist auf das klassische Motiv der Katabasis, den Abstieg in die Unterwelt, das hier mit einer modernen, akademisch-magischen Welt verknüpft wird.
Der Erzählstil ist komplex und eindringlich, geprägt von introspektiven Passagen, philosophischen Reflexionen und einer bemerkenswert präzisen Sprache. Kuang lässt die Leser:innen tief in die Psyche ihrer Protagonistin Alice blicken, deren innere Kämpfe mit psychischen Erkrankungen, Selbstzweifeln und dem Druck des akademischen Umfelds zentral sind. Auch Peter ist mehr als nur ihr Begleiter: Die Beziehung zwischen den beiden entwickelt sich auf subtiler Ebene, durch Konkurrenz, gemeinsame Trauer und vorsichtige Annäherung. Die Magie in Katabasis ist dabei keine konventionelle Zauberei, sondern basiert auf logischen und sprachwissenschaftlichen Konzepten, was der Geschichte einen sehr intellektuellen, fast hermetischen Charakter verleiht.
Bemerkenswert ist Kuangs Kritik am Hochschulbetrieb, die sich in der Struktur der Hölle selbst spiegelt: Kein Ort des Feuers, sondern ein bürokratischer, überintellektualisierter Raum, in dem Autorität, Ehrgeiz und Selbstzweifel zur Qual werden. Die Unterwelt wird zum Spiegelbild der Universität, ein geschickter literarischer Kniff, der das Thema psychischer Belastung und institutioneller Machtspiele wirkungsvoll verdichtet.
Insgesamt bietet Katabasis einen herausfordernden, aber lohnenswerten Einstieg in eine düstere, reflektierte Geschichte über Trauer, Selbstfindung und akademischen Überlebenskampf. Wer bereits Werke wie Babel von Kuang mochte oder dunkle Akademie-Romane mit philosophischem Tiefgang schätzt, wird hier auf seine Kosten kommen. Der erste Leseeindruck lässt vermuten: Dieses Buch fordert, aber es berührt auch nachhaltig.