Mit dem Cover assoziiere ich wegen der Seekarte im Hintergrund direkt Fernweh und Abenteuerlust. Die bildliche Gestaltung spiegelt farbenfroh und 1:1 den Wortlaut des Titels und wegen der Pflanzen und Früchte denkt man auch direkt an das biblische Paradies. Als Betrachterin nehme ich also an, dass es um eine Reisegeschichte geht und die Autorin mich an viele schöne Schauplätze entführen wird.
Der erste Gedanke nach wenigen Seiten: Im Stil eines Kindermärchens wird der Text Satz für Satz mundgerecht portioniert. Es wird in der humorvollen Einleitung sofort klar, dass es hier um einen zunächst unterschätzten Helden geht, der auszieht, um sein Glück zu finden. Also entgegen der hartnäckigen Behauptung des Erzählers wird hier doch ein romantisches Wandermärchen erzählt. Ich denke nach wenigen Seiten an an Joseph von Eichendorff "Aus dem Leben eines Taugenichts" oder andere Wander- oder Reiseromane (Jonas Jonassons Helden reisen ja gerne in historischem Kontext und nehmen Einfluss auf das Weltgeschehen). Auf den ersten Blick ist die Geschichte sehr gefällig zu lesen. Aber wie für Märchen/Fabeln/Parabeln typisch gibt es zahlreiche Ebenen, die mich vielleicht auf Dauer wegen ihrer Dichte und Vielzahl fordern oder eben einfach nur lustig sind. Abzuwarten. Ich frage mich wie gezielt die Autorin diese einsetzt und ob es so weiter geht. Es gibt stereotype Märchencharaktere: Natürlich den romantischen Helden, Philister wie die selbstgerechte Stiefmutter, den verwitweten Vater, es gibt das treue Pferd, es gibt unerwartete Hilfe von Vertrauenspersonen und zahlreichen Tieren und es gibt die dümmliche leichtgläubige Gehilfin der bösen Stiefmutter. Es häufen sich Symbole, Metaphern und Parabeln (der Gorilla im Käfig), natürlich dürfen der Magierin nur drei Fragen gestellt werden, es gibt drei gescheiterte Versuche, den Helden von der Reise abzuhalten und und und... Dabei wirkt Antonio schon vor seiner Reise auf seine sehr gutgläubige Art sehr viel weiser als die anderen und lässt damit alle Versuche, ihm Steine in den Weg zu legen, scheitern. Er kommt mir vor wie ein Hans im Glück .
Die schier unzählbaren Fabeltiere und Märchenelemente werten den Text humorvoll auf, weil die Folgen ihrer Handlungen und Reaktionen meist unerwartet sind und vom Stereotyp abweichen. So macht die Magierin oberflächlich viel dummen "HokusPokus". Aber sie lenkt die Erwartung der Leser mit ihrem Orakel als Cliffhanger genau in die richtige Richtung. Jetzt will man es auch wissen, ob der Held es schafft, über sich hinaus zu wachsen.
Ich würde davon abgesehen gerne erfahren, ob es mit diesen vielen Märchenelementen so weitergeht und es mich nicht irgendwann auch anstrengt. Mich kostet es schon ein paar Nerven, wenn z.B. die Kutsche auf Seite 30 "lustig durch die Straßen klappert" um auf Seite 33 "lustig durch die Landschaft zu ruckeln". Es wäre mir dennoch eine Freude, zu erfahren, ob Antonio Grillo sein eigenes Paradies findet und was am Ende Freiheit für ihn bedeutet.