Cover-Bild Kranichland
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19,95
inkl. MwSt
  • Verlag: ROWOHLT Wunderlich
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Familienleben
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 432
  • Ersterscheinung: 13.03.2018
  • ISBN: 9783805200219
Anja Baumheier

Kranichland

Eine packende Familiengeschichte über das geteilte Deutschland und die Mauern in unseren Herzen.
Die Groen-Schwestern wachsen im Ost-Berlin der sechziger Jahre heran. Unterschiedlicher könnten die beiden Mädchen nicht sein: Charlotte, die ältere, brennt ebenso für den Sozialismus wie ihr Vater Johannes, der am Ministerium für Staatssicherheit Karriere macht. Die künstlerisch begabte Marlene hingegen eckt überall an und verliebt sich Hals über Kopf in Wieland, einen Pfarrerssohn, der die DDR kritisch hinterfragt. Mit jedem Tag wächst die Sehnsucht nach einem Leben in Freiheit. Als das junge Paar beschließt, in den Westen zu fliehen, trifft Marlenes Vater eine Entscheidung - mit fatalen Folgen, die noch Jahrzehnte später spürbar sind …
"Kranichland" erzählt anhand des bewegenden Schicksals der Familie Groen fast achtzig Jahre deutsche Zeitgeschichte: von Bombennächten und Vertreibung, Wiederaufbau und Gründung der DDR, über das geteilte Deutschland und die Wende bis heute.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.04.2018

Man überlebt fast alles

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Kranichland von Anja Baumheier eine Produktion des Audio Buch Verlag, gelesen von Beate Rysopp auf 2 MP3-CDs mit 704 Minuten Spielzeit.
Mit ihrem Debüt taucht Anja Baumheier tief in eine Familiengeschichte ...

Kranichland von Anja Baumheier eine Produktion des Audio Buch Verlag, gelesen von Beate Rysopp auf 2 MP3-CDs mit 704 Minuten Spielzeit.
Mit ihrem Debüt taucht Anja Baumheier tief in eine Familiengeschichte über drei Generationen ein und begibt sich auf eine fesselnde Spurensuche. Zwischen Erinnerung und Familienepisoden, Gesprächsfetzen, Vergangenheit sowie Hier und Jetzt, detailliert, lebendig, schwelgend in Euphorie, Mut, Schmerz, Wut, Angst, Verdrängung und Erkenntnis, spürt man die eigenen Wurzeln. Ein erschütterndes Werk über Familienbande, die hartnäckige Suche nach Liebe, Verlust und Wiederfinden und die Frage, wie man unter widrigsten Bedingungen die Hoffnung nicht verliert. Die Autorin betrachtet ein sensibles und schonungsloses Thema deutscher Geschichte, Schicksale, die miteinander verwoben sind und eine Reihe von Geheimnissen bergen.
Johannes Groen flieht nach dem Krieg aus Schlesien und findet in Rostock mit Elisabeth, seiner gefundenen Liebe, eine neue Heimat. Der Sozialismus und das Regime streckt die Hände nach Johannes aus. So zieht das junge Paar nach Ost-Berlin und gründet eine Familie. Doch Elisabeth verliebt sich in Anton, der seine Zukunft in West-Berlin sucht.
Ein geteiltes Leben, eine große Sehnsucht, der sehnliche Wunsch nach Freiheit und Entscheidungen, die noch über Jahrzehnte hinweg fatale Folgen haben. Einfühlsam und unerbittlich berichtet die Autorin über die Machenschaften der DDR-Regierung und die legitimierten Verbrechen dieser Zeitepoche.
Fazit: Ein erstaunlicher Hörgenuss, der ein Stück deutsch-deutsche Geschichte aufleben lässt. Diese Lektüre betrachtet kritisch eine Zeit der Blendung und Lügen, verpackt in eine nebulöse Familiensaga. Sie öffnet die Augen und hinterlässt einen leicht schalen Beigeschmack, der sicher von der Autorin gewünscht ist?! Unbedingt hören, diese Zeilen werden im Kopf bleiben.

Veröffentlicht am 11.04.2018

«Einen Fehler durch eine Lüge zu verdecken heißt, einen Flecken durch ein Loch zu ersetzen.» (Aristoteles)

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Meist guter Unterhaltungsroman. Text meistens top, Lektorat meistens Flop
wie das? Nun, die Geschichte an sich, der „Plot“ ist stimmig, die Figuren sind gut gezeichnet, es gibt Entwicklungen, sie sind ...

Meist guter Unterhaltungsroman. Text meistens top, Lektorat meistens Flop
wie das? Nun, die Geschichte an sich, der „Plot“ ist stimmig, die Figuren sind gut gezeichnet, es gibt Entwicklungen, sie sind nicht eindimensional. Es ist immer wieder einmal gefühlvoll (nicht zu oft, nicht zu viel), aber einige Male dann doch sehr emotional (naja – nicht so meins; nie). Vergleichbar vielleicht mit „Die Nachtigall“, Kristin Hannah.

Text: Ich habe das Hörbuch gehört, vorgetragen von Beate Rysopp, die ich als sehr angenehm empfand und die dafür sorgt, dass ich gut mitbekomme, welcher Person ich gerade folge. Allerdings gibt es zwischen jedem der 206 Abschnitte auf den 2 mp3-CD sehr deutliche Pausen – findet ein Wechsel zwischen den Zeitebenen statt (damals und heute alternieren im Handlungsfortschritt), sind die hilfreich zur Unterscheidung, jedoch nicht auch bei einer Fortsetzung der Handlung. Dadurch war es für mich zu Beginn schwierig, die Zeiten zuzuordnen und die Charaktere. Überhaupt, die Charaktere: es wäre nett, wenn bei fast allen Hörbüchern, die ich kenne, eine grobe „Personalliste“ beiläge; und ja, ich weiß, das kann auch spoilern (im Krimi würde ja z.B. der Mörder nicht fehlen). Hier würde reichen:
die Eltern: Johannes und Elisabeth Groen
Elisabeths Mutter Käthe
die Nachbarin Hertha
Elisabeths Freundin Eva
die Kinder: Charlotte, Marlene und Theresa, sowie Theresas Tochter Anna
Tom – Miterbe von Theresa
Anton
Wieland – Mitschüler und Freund von Marlene

Die Erzählung beginnt 1936 und endet in der Jetztzeit gegen 2012, umfasst die Zeit des Nationalsozialismus, die DDR und die Zeit nach der Wende, mit Handlungsorten hauptsächlich Berlin (Ost) und Rostock. Anhand der Familie Groen und ihres Umfeldes erzählt Autorin Baumheier über die deutsche Geschichte; sie macht plausibel, woraus gerade zu Beginn viele Hoffnung schöpften bei der Staatsgründung, den Chancen auch für nicht Privilegierte, dem Anspruch auf ein Leben in Gleichheit und ohne Krieg. Parallel dazu wird durch den Strang im Heute klar, dass es mindestens ein Geheimnis gibt in der Familie.

Tochter Theresa, geschieden und Mutter einer studierenden Tochter, erhält ein Testament, das alles durcheinanderwirbelt. Sie und ein Tom, von dem sie nie vorher gehört hat, haben von Tochter Marlene geerbt. Dabei war doch Marlene schon länger tot – und wer ist Tom? Auch die inzwischen demente Elisabeth trägt eher zu weiterer Verwirrung bei: „Anton hat sie gerettet“. Anton? Charlotte, Anna und Theresa machen sich auf die Suche.

Die Familie Groen ist „linientreu“, Vater Johannes arbeitet im Ministerium für Staatssicherheit, bis auf die Anfänge lebt die Familie in Berlin. Marlene ist das Kind, das aus der Reihe tanzt. Damit zeigt sich eine kleine Schwäche des Buches, denn über das „normale“ Leben in der DDR, wie es der entsprechende Teil meiner Familie erlebt hat, erfährt man wenig. Von Johannes‘ Seite gab es weniger Versorgungsprobleme als für „Normalos“, die Übereinstimmung mit der Ausrichtung war gegeben, die meist verhassten „Russen“ (eigentlich ja Sowjets) waren in der Person von Kolja väterliche Freunde. Und die aufmüpfige Marlene ging weiter als die meisten – es wurde ja eher über die Versorgungslage gemeckert, die kleine Flucht statt der großen „echten“ in Erwägung gezogen. Mir fehlt, ehrlich gesagt, phasenweise etwas mehr DDR in dem Buch, und ich selbst bin „Wessi“. Mir fehlt der Fahnenappell, die Schulessen, Horte, Partnerbetriebe der Schulen, Demo zum 1. Mai, Feiern im Arbeitskollektiv, Wehrlager, Ferienstätten der Betriebe – irgendetwas davon; alles, was gleichzeitig „im Westen“ nicht von Bedeutung war (es gibt nur Panzer malen, Thälmann-Pioniere, Micky-Maus-Verbot). Versorgungsnot wird thematisiert nur über Elisabeths Freundin Eva, das ist angesichts der anderen Situation der Familie nachvollziehbar, aber genau wie die Situation auf dem Wohnungsmarkt wiederum eher typisch für die meisten. Einzig Charlotte durchläuft merkbar zumindest einige der Stationen des üblichen Lebens. Dafür wird aufgezählt, was man aß (ohne das Ost-Jägerschnitzel zu erklären, das Theresa mit ihrem Patienten isst). Das alles ist jedoch nur ein persönliches Befinden, es tut der weitgehenden Nachvollziehbarkeit des Buches keinen Abbruch.

Ich lese keine Liebesromane, mag keine Rührseligkeit, und weitestgehend kommt der Text bei mir „durch“. Das Ende ist mir etwas zu dick aufgetragen, kleinere Stellen zwischendurch (vor allem bezüglich Wieland – dem begegnet man ZWEI MAL zufällig??). Sehr eindringlich und gut dargestellt fand ich hingegen die Szenen im Gefängnis, die Demenz-Anfänge, die psychischen Probleme, die Änderungen bei Johannes. Bis auf die Hochzeit hatte ich alle „Personenstandsentwicklungen“ dank des (grummel) Klappentextes geahnt bei Anna, Theresa, Tom, fand das Buch aber dennoch spannend, da ich das „Warum“ erfahren wollte. Ein „Leitmotiv“ im Roman störte mich sehr: ALLE Probleme hätten geringer sein können, wenn man miteinander geredet hätte – und vor allem, wenn man nachgefragt hätte. Was immer schief lief, es wurde angenommen, alle anderen hätten die jeweilige Person verraten, zuletzt so Theresa. Das lief auch wirklich permanent wiederholt immer gleich ab: Handlung, teils mit besten Absichten. Es wird etwas vertuscht. Schlechtes Gewissen bei denen, die es vertuschen. Weitermachen. Wenn es herauskommt, Ablehnung aller durch den, dem man etwas nicht erzählt hatte. Keiner fragt irgendwie nach, geht offensiv damit um. Das ist nicht logisch, Menschen sind verschiedenen: es müsste schlicht verschiedene Reaktionen geben.

Schlecht hingegen einiges, was ein Lektorat hätte glattziehen müssen (selbst Geschriebenes ist IMMER schwieriger zu korrigieren, das schmälert die Leistung der Autorin nicht):
Wiederholungen.
 Da bekommt z.B. erst der Vater taube Hände beim Anblick von Marlene, später die Mutter. Das ist kein gängiges Bild für überwältigte Emotionen, aber selbst gängigeres Herzrasen oder ähnliches sollten nicht beide GLEICH bekommen.
 der Text, den Johannes verfasst hat, wird zweimal hintereinander vorgelesen – in kurzem Abstand, wozu?
Logiklücken
 Johannes und Anton schreiben einander. Die DDR hat großen Aufwand ins „Mitlesen“ gesteckt, gerade bei Briefen von/nach der Bundesrepublik UND Kolja hatte ein Augenmerk auf Johannes. Und die Briefe gingen durch? Warum kein Bote stattdessen, man muss hier nicht den gesamten Inhalt ändern.
 Anton unterschreibt an Johannes mit Doktortitel – wie logisch ist das in privaten Briefen, wenn man nicht dem anderen irgendetwas damit sagen will? Ins Hotel in Dresden checkt er ein ohne Titel
 Anton gibt seiner Enkelin Schlafmittel, die sie einen Tag außer Gefecht setzen, also fast Narkose. Er ist Arzt, aber nicht ihr Arzt – es könnte zu Unverträglichkeiten kommen bis hin zum Tod. Das tut niemand, von der rechtlichen Komponente ganz abgesehen
 (etwas verschleiert formuliert, da sonst Spoiler) Das wirkliche Alter des Babys soll vertuscht werden gegenüber Charlotte, damit sie keinen Verdacht schöpft – aber später hat das erwachsene Kind Geburtstag und Alter genau so, wie es korrekt ist. Wie logisch ist das?
 die späte Hochzeit – eigentlich entdeckt man so etwas bei der Beerdigung, Totenschein, Stammbuch, Behörden? Von vorangehender Pflege einmal ganz abgesehen, da melden sich Behörden ebenfalls
 der Lungenkrebs am Ende. Chemos/Bestrahlungen hatten in meinem Umfeld immer so eine Dauer von ½ Jahr oder einem Jahr – Ausnahme: man hat das von Anfang an gestreckt, weil ohnehin keine Hoffnung auf Heilung bestand, nur auf Verzögerung, oder es kam zu Unverträglichkeiten. Von einem Rückfall spricht man, wenn es nach der Behandlung erst einmal Stillstand oder Heilung gab. Hier gibt es die Diagnose und 4 Monate später einen Rückfall? Verschlimmerung wäre hier passender. Und: Lungenkrebspatienten ersticken meistens (wenn nicht etwas anderes vorher versagt). Und hier sitzt der Patient aufrecht am Kaffeetisch kurz vor Ende?

Das ist das Debüt von Anja Baumheier, ich möchte fast keinen der Kritikpunkte ihr anlasten, bis auf die Wiederholungen im Verhaltensschema und die Zufälle bei Wieland: bei so etwas hat ein Lektor etwas zu merken. Der Stil ist mitreißend und der Vortrag von Frau Rysopp hat dafür gesorgt, dass ich die Mängel fast nicht bemerkt hätte, wäre es nicht so gehäuft gewesen.

Geschichte an sich 4 ½ Sterne.
Gestaltung des Audiobuchs, Audiobuch generell, Lesung: 4 Sterne (Lesung dabei besser)

Die vielen Fehler, die Wiederholungen, ein paar Klischees… 2 ½ Sterne.
Also gesamt 3 ½ Sterne.
Ich mache jetzt „Welpenschutz“ für ein sonst tolles Debüt, weil ich nur 3 Sterne echt schade fände, das hat die Autorin nicht verdient.

Veröffentlicht am 30.03.2018

Familiendrama vor und nach dem Mauerfall

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Mit ihrem Debütroman ist Anja Baumheier ein Volltreffer gelungen. Die Familiengeschichte der Groens, die sich über fast 80 Jahre erstreckt, beginnt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Der erst 16-jährige ...

Mit ihrem Debütroman ist Anja Baumheier ein Volltreffer gelungen. Die Familiengeschichte der Groens, die sich über fast 80 Jahre erstreckt, beginnt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Der erst 16-jährige Johannes Groen hat seine gesamte Familie verloren und landet nach seiner Flucht aus Schlesien in Rostock. In einem Flüchtlingslager trifft er auf den Russen Kolja, der der FDJ (Freie deutsche Jugend) angehört und ihm einen Arbeitsplatz verschafft. Obwohl Kolja nicht viel älter als Johannes ist, wird er zu Johannes "Vaterersatz" und sein bester Freund. Die beiden jungen Männer sind beim Aufbau der neuen deutschen demokratischen Republik von Anfang an dabei. Johannes glaubt an das System, das alle Menschen gleichstellen soll. Als er Elisabeth kennenlernt, heiraten die Beiden und leben im Haus von Elisabeths Mutter in Rostock, wo auch Töchterchen Charlotte geboren wird. Doch Kolja verhilft Johannes zu einer höheren Stelle in Berlin und die Familie muss umziehen. Elisabeth bekommt als Krankenschwester einen Platz in der Charité. Sie ist alles andere als glücklich, da Johannes in Berlin noch weniger Zeit für sie hat und eine tolle Karriere beim Ministerium für Staatssicherheit hinlegt. Nach Charlotte kommt Marlene zur Welt, doch während Charlotte der Augenstern ihres Vaters ist und im Sozialismus aufgeht, ist Marlene aufrührerisch und bezweifelt immer stärker die Politik des Landes....

Gegenwart. Theresa erhält von einer Anwaltskanzlei die Benachrichtigung, dass sie in Rostock gemeinsam mit einem gewissen Tom Halász ein Haus geerbt hat. Das Mysterische daran ist, dass sie es von ihrer Schwester Marlene vererbt bekommt, die vor ihrer Geburt mit 17 Jahren bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen ist. Wie kann das möglich sein ? Die Nachfrage bei ihrer Mutter bringt Theresa nicht wirklich weiter, denn Elisabeth leidet an Demenz. Auch ihre Schwester Charlotte kann sich nicht erklären, was hinter diesem Testament stecken könnte. Theresa und ihre Tochter Anna machen sich auf die Suche nach dem ominösen zweiten Begünstigten, Tom Halász....

Die beiden Erzählstränge wechseln sich ab und das Familiengeheimnis der Groens wird nach und nach aufgedeckt. Die Atmosphäre hat die Autorin dabei großartig eingefangen. Einige Dinge waren dabei ein bisschen vorhersehbar, was jedoch nicht weiter schlimm war. Einen Roman, der sich über fast 80 Jahre deutscher Zeitgeschichte spannt, ist dies "verziehen", denn hier war auch sehr viele Recherchearbeit der Autorin nötig. Zwar selbst in der DDR aufgewachsen, war sie Teil dieses Regimes, jedoch noch ein Kind. In diesem Alter nimmt man Dinge noch ganz anders wahr...

Als Österreicherin war ich zwar von kommunistischen Nachbarländern umgeben, aber sehr viel wusste ich damals als Kind und Jugendliche auch nicht darüber. In diesem Alter hat man auch meistens andere Dinge im Kopf, um sich mehr mit diesem Thema auseinderzusetzen. Ich hatte damals eine sehr nette Brieffreundin aus der DDR, Sylka, die sich aber kurz vor dem Mauerfall nicht mehr bei mir gemeldet hat. Gerne würde ich erfahren, was aus ihr geworden ist....
Dieses wichtige und sehr emotionale Ereignis habe ich damals im TV gesehen und freute mich über die Wiedervereinigung. In diesem Roman von Anja Baumheier habe ich nun hinter die Fassade der damaligen DDR geblickt und so einiges mehr erfahren. Die Bespitzelungen, die mit der Zeit immer schlimmer wurden und den Menschen kaum mehr ein "normales" Leben ermöglichte, lassen jeden, der es nicht selbst miterlebt hat, ungläubig den Kopf schütteln. Besonders grausam fand ich den Abschnitt über einen Gefängnisaufenthalt. Isolation, Schlafentzug und psychische Spielchen waren dort Alltag. Der Freikauf von Häflingen durch die BRD zeigt auch ein unseriöses Bild des Westens.
Auf den über 400 Seiten erlebt man nicht nur den Zerfall des ehemaligen Ostdeutschland, sondern auch den einer ganzen Familie...

Schreibstil:
Anja Baumheier erzählt in einem berührenden und flüssigen Schreibstil. Man kann sich schwer ihrer Erzählweise entziehen. Die Charaktere sind detailliert gezeichnet und im Kopf entstehen Bilder der einzelnen Figuren. Sie haben alle Ecken und Kanten und entwickeln sich weiter.
Die politischen Zusammenhänge wurden sehr gut erklärt. Die einzelnen Kapitel werden mit einer Ortsangabe und der Jahreszahl gekenntzeichnet. Toll fand ich den Zusatz bei den Seitenzahlen unten von "Damals" und "Heute".

Fazit:
Ein wirklich starkes Debüt! Ein Roman, der deutsche Zeitgeschichte über fast achzig Jahre lebendig macht und aufzeigt, wie eine Familie daran zerbrechen kann...und wieder aufstehen. Eine spannende Zeitreise, toll recherchiert und absolut lesenswert!

Veröffentlicht am 26.03.2018

Kranichland

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Die Schwestern Groen wachsen in der DDR auf. Vater Johannes, ein Kriegskind, bringt sich voller Hoffnungen in den real existierenden Sozialismus ein, für einen Staat, der nur für seine Menschen da ist. ...

Die Schwestern Groen wachsen in der DDR auf. Vater Johannes, ein Kriegskind, bringt sich voller Hoffnungen in den real existierenden Sozialismus ein, für einen Staat, der nur für seine Menschen da ist. Seine älteste Tochter übernimmt seine Anschauungen, nur Marlene hinterfragt mehr und ist auch in der Familie ein Fremdkörper. Dann verliebt sie sich in einen Pfarrerssohn, der sich ebenfalls sehr kritisch gegen Staatsräson und Unterdrückung äußert. Es scheint, als ob ihnen nur die Flucht in den Westen bliebe…
Die Autorin ist selbst in der DDR aufgewachsen und schildert in ihrem Roman das Alltagsleben. Die Auswirkungen der Regression auf den einzelnen, wo schon ein Wort oder ein unbedachter Witz die Menschen ins Gefängnis bringen kann. Die Erzählung wechselt in zwei Zeitperspektiven, wobei sich die beiden Ebenen immer näher kommen.
Wie stark der Staat das Alltagsleben reglementierte, in die persönliche Freiheit eingriff und unterdrückte, aber auch Sicherheit, Wohnung und Arbeit garantierte, wenn man sich den Regeln unterwarf, fand ich gut dargestellt. Da bei den Hauptfiguren der Riss durch die Familie ging, bekamen die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Regime und die Folgen eine besondere Dramatik.
Wer wie ich, das Alltagsleben der DDR nicht aus persönlichen Erleben und Erzählen kennt, bekommt durch diesen Roman einen ganz besonderen Blick.
Das ist eine ganz besondere Familiengeschichte, dramatisch und menschlich erzählt, die mir gut gefallen hat. Es ist spannend und fesselnd geschrieben und ich war ganz nahe an Marlene und ihrem Schicksal.

Veröffentlicht am 24.03.2018

Damals und Heute

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Theresa bekommt einen Brief von einer Anwaltskanzlei in dem steht, dass ihre Schwester Marlene ihr ein Haus in Rostock vererbt hat.
Dabei ist Marlene doch schon als junges Mädchen bei einem Unfall ums ...

Theresa bekommt einen Brief von einer Anwaltskanzlei in dem steht, dass ihre Schwester Marlene ihr ein Haus in Rostock vererbt hat.
Dabei ist Marlene doch schon als junges Mädchen bei einem Unfall ums Leben gekommen.
Theresa hat ihre Schwester gar nicht gekannt. Sie war ein Nachzügler und ist erst nach dem Unfall geboren.
So beginnt die Geschichte doch am Ende ist alles anders als gedacht.
„Kranichland“ erzählt die Geschichte der Familie Groen.
Johannes Groen kannte seinen Vater nicht und seine Mutter hat er früh verloren.
Am Ende des Kriegs musste er von Schlesien fliehen. Er war ganz auf sich alleine gestellt und dankbar als in Rostock Kolja, der der russischen Besatzung angehörte, sich seiner annahm. Er bekam einen Platz in einer besseren Flüchtlingsunterkunft und sogar einen Arbeitsplatz. Johannes war dankbar, Kolja war der erste Mensch der ihm die Hand reichte, der ihm half. Dass das alles nur Mittel zum Zweck war durchschaute er nicht.
So war er daran beteiligt das Regime der DDR aufzubauen. Er glaubte fest an das Gute und das alles seine Richtigkeit hatte.
Als ihm nach vielen Jahren Zweifel kamen war es zu spät.
Elisabeth lebte mit ihrer Mutter in ihrem Haus in Rostock. Nach dem der Vater abgeholt wurde versteckte sie sich mit ihrer Mutter im Keller. Nach dem Krieg lernte sie Johannes kennen. Sie verliebten sich und heirateten. Gelebt haben sie im Haus bei ihrer Mutter unter dem Dach.
Dann wurde Johannes nach Ost Berlin versetzt und Elisabeth bekam eine Anstellung in der Charité.
Die beiden hatten zwei Töchter Charlotte die älteste, die ganz nach dem Vorbild ihres Vaters an das Gute der DDR glaubte.
Dann die jüngere, Marlene. Sie war genau das Gegenteil, eine richtige Ausständlerin. Auch in der Schule gab es immer Ärger wegen ihr.
Marlene ist jung bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen (hier möchte ich nicht mehr verraten)
Danach wurde Theresa geboren. Sie war die Freude von Johannes und Elisabeth (auch hier möchte ich nicht näher darauf eingehen.)
Die Charaktere waren alle sehr authentisch und mir, bis auf Kolja auch alle sympathisch. Ja, auch Johannes, obwohl er ein Mitglied des Systems der DDR war, andere Menschen ausspioniert hatte und bestimmt so manchem zum Verhängnis wurde.
Aber auch er war ein Opfer des Systems und ich kann ihn nicht einfach verurteilen.
Das Buch hat zwei Erzählstränge, es gibt einen ständigen Wechsel zwischen Heute und Damals.
Theresa merkt sehr schnell, dass es in ihrer Familie ein Geheimnis gibt und versucht dem auf die Spur zu kommen. Die Abschnitte aus der Vergangenheit verraten Stück für Stück was damals wirklich geschah.
Am Ende Fallen alle Puzzleteile an die richtige Stelle und alle Geheimnisse sind gelüftet.
Es hätte viel Leid erstarrt werden können wenn man in der Familie Groen etwas ehrlicher zueinander gewesen wäre. Dann hätten wir allerdings nicht so eine interessante und gefühlvolle Geschichte bekommen.
Die Autorin Anja Baumheier hat mit „Kranichland“ ein sensationelles Debüt hingelegt. Alle Achtung.