Cover-Bild Fast ein neues Leben
Band der Reihe "Friedenauer Presse Winterbuch"
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18,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Friedenauer Presse
  • Themenbereich: Belletristik - Kurzgeschichten
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 111
  • Ersterscheinung: 02.09.2020
  • ISBN: 9783751806008
Anna Prizkau

Fast ein neues Leben

Erzählungen
Eine Familie kommt aus ihrem alten Land nach Deutschland. Dort passiert Unvorstellbares und Unverständliches – zumindest für die Tochter der Einwanderer. Sie, die Ich-Erzählerin, wächst auf im neuen Land, doch die Geschichten über das alte lassen sie nicht los. Sie wird erwachsen in dem Gefühl, immer eine Fremde zu bleiben, niemals dazuzugehören. Später wird aus ihr eine Theaterautorin; erfolglos, arbeitslos, aber voller Hoffnung.
In diesen atmosphärisch feinen Erzählungen, die zusammen einen kleinen, dichten Roman der Fremdheit und der Sehnsucht ergeben, begegnet die Erzählerin dem neuen Leben, der neuen Sprache, den neuen Menschen: Martha, die vielleicht töten muss, um zu besitzen. Marcel, den alle Mädchen küssen wollen. Samiha und Olcay aus dem türkischen Viertel, die eine unerklärliche Todesangst vor dem Fahrstuhl in ihrem Hochhaus haben. Sie trifft den Chef ihrer Mutter, der mehr will als nur eine gute Angestellte, den sadistischen Mann vom Arbeitsamt und Frank, das Männermodel, das seine Haare hochtoupiert trägt.
Als Kind schämt sie sich noch für ihre Eltern und dafür, dass man bereits am »Hallo« ihres Vaters erkennt, dass er kein Deutscher ist. Später, als junge Frau, bringt ihr die Sprache ihres alten Landes, im falschen Moment und vor den falschen Leuten gesprochen, geprellte Rippen und eine aufgeplatzte Lippe ein. Denn neben der neuen, rätselhaften Freundlichkeit, bleiernen Höflichkeit und warmen Distanziertheit, mit der das fremde Mädchen, das später eine fremde Frau ist, sich konfrontiert sieht, muss sie auch immer wieder Schläge einstecken – aus bekannten Mündern und von unbekannten Fäusten. Doch sie schlägt zurück: nicht nur mit ihren Lügen, sondern auch mit ihren Träumen.
Anna Prizkau erzählt in Fast ein neues Leben vom neuen Land, das Deutschland ist, von den Fremden und den Verlorenen, auch denen, die hier geboren wurden.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.12.2020

Eine intensive Lektüre

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„Fast ein neues Leben“ von Anna Prizkau ist eine Zusammenstellung von 12 Erzählungen. Die Geschichten besitzen eine Länge von 5-13 Seiten. Trotz ihrer Kürze ist die Lektüre der Erzählungen ungemein intensiv: ...

„Fast ein neues Leben“ von Anna Prizkau ist eine Zusammenstellung von 12 Erzählungen. Die Geschichten besitzen eine Länge von 5-13 Seiten. Trotz ihrer Kürze ist die Lektüre der Erzählungen ungemein intensiv: Erzählt werden sie aus der Perspektive einer namenlosen Ich-Erzählerin, die aus ihrem alten Land nach Deutschland migriert ist. Dort erhofft sich die Familie der Ich-Erzählerin ein neues Leben, doch das Leben ist nur „fast“ ein neues. Auf unterschiedlichste Arten wird die Ich-Erzählerin mit ihrer Herkunft konfrontiert: Sei es durch Ablehnung ihrer Theaterstücke, deren Themen, so die Rückmeldung des Theater, die hiesige Bevölkerung nicht interessieren würde, durch physische Gewalt oder die verbale Behandlung als Mensch zweiter Klasse. Die einzelnen Erzählungen sind sehr gut konstruiert: Ihr wahrer Gehalt bzw. ihre eigentliche Bedeutung entfaltet sich jeweils erst in den letzten Sätzen, wodurch die Intensität der Lektüre gesteigert und die Leser*innen nachhaltig zum Nachdenken angeregt werden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Erzählung „Kleine verlorene Alla“ handelt von dem Großonkel der Ich-Erzählerin, dessen Schwester seit Jahrzehnten verschollen ist. Als sich plötzlich eine Frau meldet, die behauptet, Alla zu sein, ist der Großonkel überglücklich. Die Mutter der Ich-Erzählerin wittert allerdings eine Betrügerin. Der Kniff der Erzählung ist nun, dass bis zum letzten Abschnitt offengehalten wird, ob es die echte Schwester ist oder doch eine Betrügerin. Ihr Verhalten ist dabei ambig, sodass beides möglich sein kann. Thematisch drehen sich die einzelnen Erzählungen um Migration, Zurückweisung, Scham, das Gefühl von Fremdheit und die Fragilität des Glücks. Sie erzählen dabei keine zusammenhängende Geschichte und sind auch nicht chronologisch geordnet. Jede einzelne Erzählung ist eine Facette, ein Mosaikstück des „fast“ neuen Lebens. Die Ordnung suggeriert dabei eine gewisse Assoziativität, die dem Erinnerungsprozess nachempfunden ist. So wechseln sich Episoden der jüngeren Vergangenheit mit Episoden aus der Kindheit der Protagonistin ab. Der Erzählstil ist dabei karg und eher nüchtern, was für mich die Bedeutungen der Erzählungen erhöht hat. Insgesamt ist „Fast ein neues Leben“ eine intensive Lektüre, die literarisch schön durchformt ist und zum Nachdenken anregt.

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Veröffentlicht am 04.12.2020

Kurze Geschichten, die es in sich haben

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Eine namenloses Mädchen, das als Einwandererkind aufwächst und sich auch noch als junge Frau durchs Leben kämpfen muss, erzählt uns von seinen Erfahrungen. Nicht nur das neue Land und die Menschen darin ...

Eine namenloses Mädchen, das als Einwandererkind aufwächst und sich auch noch als junge Frau durchs Leben kämpfen muss, erzählt uns von seinen Erfahrungen. Nicht nur das neue Land und die Menschen darin erscheinen fremd, sondern auch die eigenen Eltern, die sich selbst erst noch zurechtfinden müssen. So lesen wir von Brennpunktvierteln, Ausgrenzung und Kulturunterschieden und erfahren ganz nebenbei etwas über unsere eigene Haltung. Mir ging es jedenfalls so.

Locker leicht lassen sich die zwölf Kurzgeschichten lesen, obwohl jede von ihnen etwas Unangenehmes, Unbequemes oder ganz und gar Bitteres beinhaltet. Geschickt wird durch die geschüttelte Reihenfolge der einschneidenden Erlebnisse ein Spannungsbogen erzeugt. Eine ansteigende Intensität war für mich deutlich zu spüren.

Dabei lassen die Geschichten genug Raum, um Geschehnisse weiterzuspinnen und auszumalen. Ich habe mich regelrecht darin verloren und mich immer weiter hineingesteigert, um letztendlich festzustellen, wie voll von Vorurteilen und Klischees ich selbst bin. Ich hatte immer angenommen, ein offener, toleranter und aufgeschlossener Mensch zu sein. Nun habe ich weiteres Optimierungspotential diesbezüglich erkannt.

Anna Prizkau hat mich echt beeindruckt. Mit recht wenigen Worten schafft sie es, sich einem Thema umfassend zu widmen. Ihr Erzählstil braucht keine Anhäufung malerischer Sprache. Wenige präzise Metaphern schließen ein Bild ab, lassen es rund erscheinen. Am Ende fehlt mir nichts bei diesem zunächst dünn wirkenden Buches. Alles ist gesagt. Es wirkt sogar nach. Die angeschobenen Gedanken sind für mich bereichernd.

Gern empfehle ich „Fast ein neues Leben“ weiter.

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Veröffentlicht am 04.12.2020

Vom Fremdsein in einem neuen Land

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Als junges Mädchen ist sie mir ihren Eltern aus ihrem alten Land in das neue Land Deutschland gekommen. Dort steht sich vor der Aufgabe und unter dem Druck, sich an das neue Land, die Sprache, die Kultur, ...

Als junges Mädchen ist sie mir ihren Eltern aus ihrem alten Land in das neue Land Deutschland gekommen. Dort steht sich vor der Aufgabe und unter dem Druck, sich an das neue Land, die Sprache, die Kultur, den Alltag und die Menschen zu gewöhnen. Sie kommt in das neue Land, versucht sich anzupassen, ihre Herkunft zu verdrängen. Sie will nicht anders sein. Sie will dazugehören. Ihre alte Heimat will sie vergessen, doch immer wieder wird sie an diese erinnert und auf diese reduziert - als fremd und anders markiert -, so dass es ihr nicht gelingt, dieser Fremdheitserfahrung zu entkommen.

Das Buch umfasst 12 Erzählungen. Alle sind aus der Ich-Perspektive, aus der Sicht der Hauptprotagonistin geschrieben. In den relativ kurzen Erzählungen werden Erlebnisse aus verschiedenen Lebensabschnitten in nichtchronologischer Reihenfolge geschildert, sodass man zumeist das Alter der Protagonistin nur ungefähr erahnen kann. Allerdings spielen eigentlich alle in ihrer Kindheit und Jugend bzw. im Alter einer jungen Erwachsenen. Obwohl ihre Geschichte nicht fortlaufend erzählt wird, kann man dennoch eine Entwicklung der Hauptprotagonistin nachvollziehen.

Der Schreibstil ist nüchtern, gleichzeitig aber auch klar und eindrücklich und transportiert alle nötigen Gefühle. Manche Handlungen lassen sich nur erahnen, stets bleibt Interpretationsspielraum und der/die Leser:in muss selber nachdenken, die vorgelegten Puzzelteile selbst in die Hand nehmen und zusammensetzen, bis sich ein Bild ergibt. Das regt zur Auseinandersetzung und zum Nachdenken über die Inhalte der Erzählungen an.

Die behandelten Themen und Erfahrungen sind wahrscheinlich auf gleiche oder ähnliche Weise im Leben vieler Migrant:innen wiederzufinden. Vor allem der Wunsch, sich im neuen Land anzupassen, das alte Land und alles, was damit verbunden ist, vergessen zu wollen. Aus welchem Land die Protagonistin mit ihren Eltern nach Deutschland kommt, spielt dabei keine Rolle, denn das Erlebte ist austauschbar: Ausgrenzung, Fremdheit, als anders markiert zu werden, nicht dazugehörig zu sein, fehlendes Selbstvertrauen und mangelnde Identität, um sich zur eigenen Herkunft zu bekennen, stattdessen Scham, aber auch Themen wie Schmerz, Verrat, Verlust, Lüge, Betrug, Vertrauen, Sehnsucht und Schuld werden in den Erzählungen aufgegriffen, darüber hinaus Kriegstraumata in die Erzählungen eingebaut. Dabei ist die Protagonistin jedoch nicht immer selber frei von Vorurteilen gegenüber anderen und wird auch selber zur Täterin.

„Fast ein neues Leben“ ist ein eindrückliches Buch mit nachdenklichen und teils irritierenden Erzählungen, dem es gelingt, exemplarisch die Fremdheitserfahrungen vieler Migrant:innen aufzuzeigen, und das deutlich macht, welche Auswirkungen Krieg, Trauma, Ausgrenzung und einfach nur der Wunsch, dazu zu gehören, sich vollkommen einzufügen und alles, was einen Menschen einmal geprägt hat, zu vergessen, weil das der Anspruch zu sein scheint, haben können.

Die Erzählungen „Fast ein neues Leben“ sind ein Buch, das eine viel größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und in der gesellschaftlichen Debatte über Migration verdient hat.

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Veröffentlicht am 02.12.2020

Fremde und Verlorene

1

„Einfacher war es, alles zu verstecken, was anders war. Deshalb versteckte ich meine Eltern, meine alte Sprache. Ich ahnte, dass ich mich selbst betrog.“ [62]
„Fast ein neues Leben“ von Anna Prizkau kommt ...

„Einfacher war es, alles zu verstecken, was anders war. Deshalb versteckte ich meine Eltern, meine alte Sprache. Ich ahnte, dass ich mich selbst betrog.“ [62]
„Fast ein neues Leben“ von Anna Prizkau kommt leise, unaufgeregt und sachlich daher. Weil das ganze sprachlich so präzise ist, sind die zwölf Kurzgeschichten umso intensiver, steckt in ihnen doch viel Gesellschaftskritik. Das Hauptthema ist dabei „Fremdsein“ und wird durch die Ich-Erzählerin und die distanzierten Betrachtungen auf eine besondere Weise zu den Lesern *innen vermittelt.
Das Gefühl immer eine Fremde zu bleiben umtreibt die Protagonistin. Wir erfahren nicht nur wie Diskriminierung, sexuelle Belästigung und Rassismus der Protagonistin widerfahren, sondern auch, dass diese selbst nicht frei von Vorurteilen und den daraus resultierenden Fehlern ist.
„In dieser Nacht ahnte ich es, ahnte, was eine Lüge machen kann, versuchte, es so schnell wie möglich zu vergessen.“ [80]
Es sind Geschichten aus dem Alltag, die Spielraum für eigene Interpretationen zulassen und auch fordern, die auch zeigen, dass Schweigen fatale Folgen haben kann.
Obwohl das Buch nur etwas mehr als hundert Seiten hat, zeigt es eine beachtliche Tiefe, weckt Emotionen.

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Veröffentlicht am 01.12.2020

Ein leises Buch, großartig erzählt

2

In „Fast ein neues Leben“ erzählt Anna Prizkau die Geschichte einer Familie aus Sicht der Tochter. Zwölf Kurzgeschichten, sehr intensiv und schnörkellos erzählt. Sie kommen aus dem alten Land, es liegt ...

In „Fast ein neues Leben“ erzählt Anna Prizkau die Geschichte einer Familie aus Sicht der Tochter. Zwölf Kurzgeschichten, sehr intensiv und schnörkellos erzählt. Sie kommen aus dem alten Land, es liegt irgendwo im Osten, mehr wird nicht gesagt, mehr braucht es nicht.

Es sind Begegnungen, die nachdenklich machen. Die Ich-Erzählerin will dazugehören, tut vieles dafür und so manches Mal ist sie dabei auch nicht ganz gerecht. Aber wer ist das schon? Es sind die kleinen Alltagsgeschichten, die mit Distanz auf das Geschehen blicken, ohne zu werten. In unterschiedlichen Situationen wird das Ankommen, das Dazugehören skizziert. Schon erstaunlich, wie wenig Worte es braucht, um alles zu sagen. Ohne erhobenen Zeigefinger. Jede einzelne Geschichte hat sehr viel Potenzial, macht nachdenklich und lässt Raum für eigene Gedanken und Gefühle.

Sachlich, sehr zurückgenommen erfahren wir von Manipulation, von untergeschobenen Dingen, die um des eigenen Vorteils willen nicht geklärt werden sollen. Es geht um fehlende Toleranz, um
Fremdenfeindlichkeit und Sprachlosigkeit. Um Lügen und Verrat, den nur allzu menschlichen Eigenschaften.

Ein Buch auch über die Beziehung einer Tochter zu ihren Eltern. Vieles weiß man vom anderen, spricht es aber nicht aus. Ein kleines, feines Buch über das Leben, für das man sich Zeit nehmen sollte. Geschichten, die zu Herzen gehen.

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