„Geht eine Welt unter, geht eine andere wieder auf, mit vielen neuen Geheimnissen“ - Onno
Die Kießlings leben seit jeher auf der Nordseeinsel Juist und zeigen - nach Außen hin - die perfekte Vorzeigefamilie. Der Familienpatriarch Eduard Kießling schätzt dabei nichts größer als seine geregelte ...
Die Kießlings leben seit jeher auf der Nordseeinsel Juist und zeigen - nach Außen hin - die perfekte Vorzeigefamilie. Der Familienpatriarch Eduard Kießling schätzt dabei nichts größer als seine geregelte Ordnung und seinen tadellosen Ruf. Ärgerlich nur, dass gerade in dem Moment, in dem die ganze Familie Kießling in den Vorbereitungen für Eduards Auszeichnungsfeier mit dem Bundesverdienstkreuz die junge Helen aus Neuseeland auftaucht. Helen, die Eduards Frau Adda wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelt, behauptet ein Mitglied der Familie zu sein und ihre leiblichen Eltern zu suchen. Im Mittelpunkt des Romans stehen insbesondere die Geschichten der Frauen Johanne die während der NS-Zeit auf Juist groß wird, deren Tochter Adda die während des Krieges zunächst in Dresden lebt und später nach Juist flieht und der jungen Helen aus Neuseeland, deren Verbindung zu den Kießlings noch geklärt werden muss.
Das ansprechende Cover und der Einstieg in die Geschichte - ein mysteriöser Tagebucheintrag aus dem Jahr 1978, der eine junge Frau zeigt, die sich das Leben nehmen möchte - lassen hohes Erwarten. Man möchte nach den ersten Kapiteln am liebsten direkt den Ausgang der Geschichte erfahren: Wie hängen die Geschichten der Kießlings und der jungen Helen zusammen? Was ist mit der jungen Frau aus dem Tagebucheintrag passiert? Doch trotz des guten Einstiegs konnte mich die Spannung leider nicht bis zum Ende fesseln. Die Geschichte der jungen Helena rutscht etwas zu stark in den Hintergrund. Hier war es auch nicht hilfreich, dass die Geschichte so viele verschiedene Handlungsstränge beinhaltete. Es wurde nicht nur aus der Perspektive mehrerer Protagonisten erzählt, sondern ihre Geschichten hüpften von einem Jahr zum nächsten, wodurch es gerade zu Beginn des Romans sehr schwierig war, einen Überblick über die verschiedenen Figuren und Handlungsstränge zu behalten.
Der Schreibstil und das Thema des Buches sind sehr gut gelungen. Anne Prettin schafft es, dem Leser ein lebendiges Bild der Insel Juist zu vermitteln und sie lässt die Handlung authentisch wirken. Als Leser hat man die ganze Zeit ein lebhaftes Bild vor Augen, wie Juist in der Vergangenheit und in der Gegenwart aussah und welche Ereignisse sich zugetragen haben.
Die Figuren wirkten leider nur zum Teil authentisch. Es war leicht sich in Johanne und Adda in ihrer Vergangenheit hineinzuversetzen, jedoch erschienen die Figuren in der Gegenwart eher distanziert. Ebenso die Tagebucheinträge von Wanda zeigten sich etwas fragwürdig: Welches Tagebuch eines pubertären Mädchens ähnelt einem wissenschaftlichen Aufsatz? Vermutlich nicht sehr viele.
Zusammenfassend hat mir die Geschichte gut gefallen. Besonders die Schilderungen der Vergangenheit konnten lebhaft erzählt werden und wirkten authentisch. Die Frage, was all diese verschiedenen Handlungsstränge mit der jungen Helen und der Suche nach ihren leiblichen Eltern zu tun hat, war jederzeit präsent. Dennoch führten die zu vielen Handlungsstränge und die Beschreibungen der Protagonisten dazu, dass das Buch einige Längen hatte und mich nicht all zu stark gefesselt hat.