Cover-Bild Fräulein Gold: Scheunenkinder
Band 2 der Reihe "Die Hebamme von Berlin"
(40)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
16,00
inkl. MwSt
  • Verlag: ROWOHLT Taschenbuch
  • Themenbereich: Belletristik - Krimi: Weibliche Ermittler
  • Genre: Krimis & Thriller / Krimis & Thriller
  • Seitenzahl: 448
  • Ersterscheinung: 13.10.2020
  • ISBN: 9783499004292
Anne Stern

Fräulein Gold: Scheunenkinder

Band 2 der gefeierten Bestsellerreihe um die Hebamme Hulda Gold, die im Berlin der 1920er Jahre in rätselhafte Todesfälle verstrickt wird.

1923: Die Berliner Hebamme Hulda Gold wird zu einer Geburt ins Scheunenviertel nach Mitte gerufen. Obwohl die jüdische Familie dort nach ihren ganz eigenen, strengen Regeln lebt, gewinnt Hulda das Vertrauen der jungen Mutter. Als das Neugeborene nach wenigen Tagen verschwindet, macht sich Hulda auf die Suche nach ihm. Wie kann ein Kind in dieser engen Gemeinschaft einfach so verlorengehen? Je hartnäckiger Hulda den Spuren folgt, desto stärker stößt sie auf Widerstand, denn die Bewohner des Viertels haben ihre gut gehüteten Geheimnisse.
Bald zeigt sich, dass die Berliner Polizei zur gleichen Zeit nach Kinderhändlern fahndet, und Hulda ahnt einen Zusammenhang. Kann Kommissar Karl North ihr helfen, das Neugeborene zu finden? Doch dann entlädt sich im Scheunenviertel der Judenhass in einem Pogrom, und Hulda selbst gerät in höchste Gefahr.

Wo Glanz ist, ist auch Schatten: Hebamme Hulda Gold begegnet dem neuen Leben – und immer wieder auch dem Tod.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.01.2021

Spannende und gut recherchierte Geschichte um eine Hebamme im Berlin der 20er Jahre

0

Hulda Gold ist Hebamme im Berlin der 20er Jahre. Sie kümmert sich mit viel Engagement um die Betreuung Schwangerer, Geburten und die Nachbetreuung der frischgebackenen Mütter und ihrer Neugeborenen. Einer ...

Hulda Gold ist Hebamme im Berlin der 20er Jahre. Sie kümmert sich mit viel Engagement um die Betreuung Schwangerer, Geburten und die Nachbetreuung der frischgebackenen Mütter und ihrer Neugeborenen. Einer dieser Aufträge führt sie ins Scheunenviertel, ein buntgemischtes Viertel das aber hauptsächlich von Juden bevölkert wird und recht ärmlich ist. Sie betreut Tamar, eine Armenierin, die ihr erstes Kind erwartet und von der jüdischen Familie ihres Mannes nicht akzeptiert wird, da sie sich weigert, den jüdischen Glauben anzunehmen. Kurz nach der Geburt verschwindet der Säugling. Hulda geht der Sache nach, besonders da Tamar in Teilnahmslosigkeit versinkt. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Freund Karl, einem Kriminalkommissar, den sie in Band 1 kennenlernte. Doch ihre Nachforschungen bringen Hulda in ernste Gefahr.
Mir hat diese Geschichte wirklich gut gefallen. Hulda ist eine sympathische Hauptfigur, die auch Schwächen offenbart, aber nie aufgibt und für ihre Ziele kämpft , wenn sie es für notwendig hält. Besonders gefallen haben mir die sehr aus dem Leben gegriffenen Schilderungen des Alltags kurz vor der Währungsreform, der Hunger, das Schlangestehen, die hilflose Wut, die sich in Aggression verwandelte.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Karte im Buchumschlag, anhand derer man sich die örtlichen Gegebenheiten und Entfernungen wesentlich besser vorstellen kann.
Ich kann dieses Buch nur wärmstens weiterempfehlen. Es bietet Unterhaltung, Spannung und einen tiefen Einblick in die Verhältnisse dieser Zeit, ist zudem gut lesbar geschrieben und die Haupt- und Nebencharaktere sind meist sympathisch.
Ich freue mich schon auf Band 3.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.11.2020

Unsere Identität ist nichts stabiles, sie entwickelt sich ständig weiter

0

Die Berliner Hebamme Hulda Gold hat nach den Ereignissen aus Band 1, als sie nach und nach einem Serienmörder auf die Schliche gekommen ist, kaum Zeit, sich auszuruhen. Immer öfters erlebt sie durchwachte ...

Die Berliner Hebamme Hulda Gold hat nach den Ereignissen aus Band 1, als sie nach und nach einem Serienmörder auf die Schliche gekommen ist, kaum Zeit, sich auszuruhen. Immer öfters erlebt sie durchwachte Nächte und hat es mit komplizierten Fällen zu tun, die ihre vollkommene Aufmerksamkeit bei ihren Wöchnerinnen erfordert. Immerhin sitzt ihr Dr. Schneider im Nacken, der nur darauf wartet, dass sie einen Behandlungsfehler macht. Einer dieser Fälle führt sie ins Scheunenviertel. Dort soll sie einer jüdischen Frau bei der Geburt helfen. Zunächst wirkt alles normal und die Geburt verläuft ohne Komplikationen. Als das Neugeborene jedoch ein paar Tage später spurlos verschwindet, macht sich Hulda auf dessen Suche und stößt dabei auf großen Widerstand. Kann Hulda das Kind wieder mit seiner Mutter vereinen?

Auch dieses Mal konnte mich das Buch rund um die Hebamme Hulda Gold begeistern. Ich empfand diesen Band fast noch besser als den ersten Band. Zum einen deswegen, da man Hulda und ihre Welt schon kannte. Es musste nicht mehr viel erklärt werden. Wenn es Anne Stern auch versteht, die Geschehnisse von Band 1 zusammen mit der politischen Lage im Jahre 1923 meisterlich in die Geschichte einzuweben, ohne dass man sich großartig davon gestört fühlt. Dadurch eröffnete sich die Möglichkeit, mehr auf die inneren Einstellungen von Hulda Gold einzugehen, bis hin zu der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Identität.

Genau diese Identitätsfindung fand ich mit am spannendsten. Im Laufe der Geschichte lernt Hulda eine jüdische Familie kennen, die sich streng an die Regeln und Traditionen des jüdischen Glaubens halten. Hulda als Halb-Jüdin, die nie in diesem Glauben erzogen worden ist, tut sich zunächst schwer Anschluss in diese Gemeinschaft zu finden, ist aber zusehends faszinierter von dieser Welt. Dies liegt vor allem an Rabbiner Esra. Schon von Beginn an fühlt sie sich auf eine merkwürdige Weise zu ihm hingezogen. Allerdings wird nicht nur ihre Glaubenswelt auf den Kopf gestellt. Ebenso muss sie sich mit der Beziehung zu ihrem Vater auseinandersetzen und ihrem Problem mit Nähe.

Generell habe ich zu jeder Zeit Hulda nachempfinden können, warum sie so handelt, wie sie handelt. Für mich ist Hulda immer noch eine starke, unabhängige Frau, die leider zu einer Zeit geboren ist, die nicht viele Möglichkeiten für Frauen vorgesehen hatte. Zu gerne hätte sie ein Medizinstudium absolviert, aber Frauen war zu dieser Zeit ein Studium nicht gestattet. Sie brennt für ihren Job als Hebamme und geht darin auf, für ihre Wöchnerinnen da zu sein, auch wenn es heißt, dass sie sich wieder in Gefahr begeben muss. Für eine Ehe mit Kindern scheint einfach kein Platz zu sein, da sie dann wahrscheinlich auch ihren Job aufgeben muss. Genau diesen Zwiespalt finde ich klasse dargestellt, da es Hulda auch nicht vollkommen egal ist, dass sie schon 28 Jahre ist und unverheiratet. Sie möchte ja eine richtige Beziehung mit Karl führen, hat aber Angst vor den Konsequenzen. Wahrlich keine einfache Entscheidung!

Zudem fand ich es auch gelungen, wie die geschichtlichen Ereignisse mit den Erlebnissen von Hulda verflochten worden sind. Hulda findet sich eines Tages z.B. mitten im Pogrom von 1923 wieder und erlebt hautnah, wie der Judenhass sich auf die Bevölkerung des Scheunenviertels entlädt. Zudem erlebt sie tagtäglich die Auswirkungen der Inflation und wie die Bevölkerung darunter leidet.

Demnach kann ich jedem dieses Buch empfehlen, der gerne historische Romane liest und sich von einer Zeit gefangen nehmen lassen will, die für viele Menschen der Anfang einer beunruhigenden Zeit bedeutet hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.11.2020

Historische Milieustudie

0

Nachdem mir Teil 1 um die Berliner Hebamme Hulda Gold aus den Zwanziger Jahren des
20. Jahrhunderts sehr gut gefallen hat, wollte ich natürlich wissen, wie es mit ihr weitergeht. Seitdem sie im ersten ...

Nachdem mir Teil 1 um die Berliner Hebamme Hulda Gold aus den Zwanziger Jahren des
20. Jahrhunderts sehr gut gefallen hat, wollte ich natürlich wissen, wie es mit ihr weitergeht. Seitdem sie im ersten Band "Schatten und Licht" als Figur eingeführt wurde und einen Mordfall in ihrem Schöneberger Viertel gelöst hat, ist über ein Jahr Zeit vergangen. Wir sind nun im Herbst des Jahres 1923. Die Inflation befindet sich auf dem Höhepunkt und ein Hühnerei kostet Millionen. Die Armen sind noch ärmer, viele Bürger bekommen keinen Lohn, die politische Rechte erstarkt. Hulda ist immer noch die engagierte Hebamme vom Winterfeldtplatz. Aufgrund ihres jüdischen Vaters wird sie zu einer Geburt ins Scheunenviertel zu einer jüdosch-orthodoxen Familie gerufen. Das Baby verschwindet wenige Tage nach der Geburt und Hulda muss erneut ermitteln.
Diesmal liegt der Fokus nicht so sehr auf dem Kriminalfall. Das verschwundene Baby und der Fall rund um die Kinderhändler vom Scheunenviertel, mit dem sich Kriminalpolizist und Huldas Boyfriend Karl auseinandersetzen muss, sind zwar das Movens der Handlung, als historischen Krimi würde ich diesen mittleren Band der Reihe aber dennoch nicht bezeichnen. Es ist eher eine sehr ausgeklügelte Milieustudie des Berlins von 1923. Es geht sehr viel um die angespannte gesellschaftspolitische Situation und die prekären Bedingungen, in der die Berliner damals lebten.
Obwohl wir tiefer in Huldas Geschichte eintauchen und ihre Persönlichkeit noch besser kennenlernen, hält dieser Band das Geschehen rund um die Protagonistin in einer Schwebe, schließlich soll ihr Schicksal erst im finalen dritten Band besiegelt werden. Am Ende wird schon angedeutet, in welche Richtung sich Hulda beruflich weiterentwickeln will. Ob sie aber mit Karl zusammenbleibt oder zu ihrer ersten Liebe, dem unglücklich verheirateten Felix Winter zurückkehrt, bleibt offen.
Der Roman ist auch diesmal besonders eindringlich und es geht oftmals um Fragen der Identität, in die wir gewissermaßen hineingeboren werden. Was bedeutet es, im Berlin der 1920er Jahre arm zu sein oder jüdisch, wenn auch nicht religiös? Hulda stellt sich diese letzte Frage zum einen, weil sie es mit einer orthodox lebenden jüdischen Familie zu tun hat und andererseits, weil rechte Parolen, Ressentiments und Anschläge in der Weimarer Republik zunehmen und sie diese auch am eigenen Leib zu spüren bekommt.
Besonders schön fand ich auch diesmal wieder das Zusammenspiel Huldas mit Bert, dem freundlichen Zeitungsverkäufer des Kiezes. Ich finde der Schlagabtausch der beiden hellt das doch recht düstere Geschehen zwischendrin immer etwas auf. Die Lebensweisheiten, die Bert von sich gibt, haben sowohl eine humorvolle, als auch eine philosophische Komponente. Auch ist der Kioskbesitzer eine wunderbare Quelle für Klatsch und Tratsch aus dem Viertel und Wissen aller Art. Diese Szenen sind auch nochmal eine weitere Möglichkeit, Hulda besser kennenzulernen, denn dem väterlichen Freund Bert offenbart sie sich wie kaum einem anderen. Außerdem lässt die Autorin durch die Gespräche der beiden die aktuelle politische Situation immer mal wieder mit einfließen. Diesmal wird auch etwas mehr über Berts Vergangenheit angedeutet.
Fazit: Ein schöner mittlerer Band dieser Reihe, der uns den Berliner Herbst von 1923 in all seinen Facetten nahe bringt. Als historischer Roman sehr akkurat, gut recherchiert und lesenswert, wenn auch nicht so spannend und krimihaft wie der erste Teil.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.11.2020

Warmherzige Protagonistin

0

Inhalt und meine Meinung:
Berlin im Jahr 1923 die Hyperinflation macht den Menschen das Leben schwer. Der Engel vom Winterfeldtplatz, wie Hebamme Hulda liebevoll von Bert, dem Zeitungskiosksbesitzer genannt ...

Inhalt und meine Meinung:
Berlin im Jahr 1923 die Hyperinflation macht den Menschen das Leben schwer. Der Engel vom Winterfeldtplatz, wie Hebamme Hulda liebevoll von Bert, dem Zeitungskiosksbesitzer genannt wird, wird zu einer Schwangeren ins Armenviertel der Juden, ins Scheunenviertel gerufen. Tamar, die werdende Mutter lebt mit ihrem jüdischen Mann und ihren Schwiegereltern mit strengen und eigenen Regeln zusammen. Das Verhalten der Schwiegermutter gegenüber ihrer Schwiegertochter ist kalt und lieblos. Tamar ist Armenierin und wird von der Herrin des Hauses nicht anerkannt, fast schon gehasst. Und dann verschwindet der Säugling, nur wenige Tage nach der Geburt, spurlos von der Bildfläche. Wie kann ein Baby einfach so verschwinden, ohne dass jemand etwas mitbekommen hat? Hulda ist misstrauisch und wird in einen rätselhaften Fall verstrickt. Sie kommt einem furchtbaren Verbrechen auf die Spur.

Der Schreibstil von Anne Stern ist wie auch schon im ersten Teil flüssig, spannend und bildhaft. Sehr detailliert beschreibt sie die ärmlichen Viertel Berlins und man fühlt sich mitten im Geschehen. Fräulein Gold fasziniert mich nach wie vor. Eine starke, taffe Frau, welche sich für Unrecht und Wehrlose einsetzt. Schön war es, dass man auf viele alte Bekannte Figuren trifft. Mittlerweile sind Kommissar Karl North und Hulda befreundet. Die Weiterentwicklung der Charaktere und weiteres Wissen hat mir unheimlich gut gefallen. Auch Hulda muss sich als Halbjüdin mit ihrer Herkunft auseinandersetzen. Anna Stern beschreibt den Beginn der Nazizeit und den Hass auf Juden sehr emotional und gut fühlbar.
Seite 176 "Es wird Zeit, dass wir akzeptieren, dass es viele verschiedene Menschen gibt, Kranke, Gesunde, Weiße, Schwarze, Juden, Christen, und dass sie doch alle gleich viel wert sind."
Ein Lesegenuss ist, dass die Geschichte an vielen Stellen mit Dialekt unterlegt ist. Seite 360 "Frollein, ick hab jesacht, stilljestanden!"

Eine tolle Kombination aus Krimi, Liebe und bewegender Zeitgeschichte, die gekonnt und spannend miteinander verwoben ist. Fazit: 5/5 🌟 Absolute Leseempfehlung ❤️


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.11.2020

Der zweite Band steht dem ersten in nichts nach

0

Der Roman „Fräulein Gold - Scheunenkinder“ von Anne Stern ist der zweite Teil einer Serie rund um die Schöneberger Hebamme Hulda Gold. Er spielt im historischen Berlin von Mitte Oktober bis Anfang Dezember ...

Der Roman „Fräulein Gold - Scheunenkinder“ von Anne Stern ist der zweite Teil einer Serie rund um die Schöneberger Hebamme Hulda Gold. Er spielt im historischen Berlin von Mitte Oktober bis Anfang Dezember des Jahrs 1923. Der Stadtteil „Scheunenviertel“ rückt in den Mittelpunkt dadurch, dass es dort im November des Jahres ein antisemitisches Pogrom gibt und die Protagonistin in dieser Zeit vor Ort ist. Die vordere Klappe des Buchs bietet in ihrer Gestaltung den Ausschnitt einer Karte von Berlin zur besseren Verortung der Lokalitäten. Der Untertitel des Romans ist unabhängig von den Ausschreitungen und bezieht sich auf strafbare Ereignisse im Viertel bei denen Kinder eine wichtige Rolle spielen. Im Prolog wirft die Autorin das Rätsel auf, wie die dort geschilderte Handlung in den Gesamtkontext einzuordnen ist. Erst zum Ende der Geschichte ergab sich für mich ein Gesamtbild, das allerdings nicht zum Verständnis des Romans notwendig war, wohl aber die Vergangenheit einer der Figuren klärt.

Hulda hat zu ihrem Vater kaum Kontakt, doch über dessen Bekanntenkreis erhält sie den Auftrag, nach der hochschwangeren Tamar im Scheunenviertel zu schauen. Die junge Frau ist eine Nichtjüdin aus Smyrna, dem heutigen Izmir und mit einem galizischen Juden verheiratet. Hulda erlebt die Spannungen in der Familie, die sich aus den verschiedenen Glaubensansichten ergeben. Zwei Tage nach der Geburt verschwindet das Neugeborene spurlos. Es ist nicht leicht, in dem verbauten, als anrüchig betrachteten Scheunenviertel nach einem Säugling zu suchen und als Auswärtige stößt sie bei den Bewohnern auf Misstrauen. Viele sind arbeitslos, das Geld hat immer weniger Kaufkraft. Dafür verantwortlich gemacht werden die Juden des Viertels weswegen es zu Unruhen kommt. Währenddessen ermittelt Kommissar Karl North, Huldas Freund, in einem Fall von Kinderhandel. Obwohl er Hulda gegenüber nicht ins Detail gehen darf, wittert diese einen Zusammenhang mit der Entführung und beginnt mit eigenen Recherchen.

Die sympathische Hulda, inzwischen 28 Jahre alt, ist stolz auf ihre Unabhängigkeit. Ihre Beziehung mit Karl erlebt im Roman einige Höhen, aber auch Tiefen, die von beiden bedauert werden. Sowohl Hulda wie auch Karl sehen die Schuld für ihre Streitigkeiten bei sich. Hulda entspricht nicht der damals geltenden Norm der Frau als Hausfrau und Mutter, weil sie sich ihrem Beruf eng verbunden fühlt. Obwohl es damals für die freien Hebammen klare Grenzen bei der Ausübung ihres Berufs in ihren Tätigkeiten gibt, setzt sie sich mit all ihren Fähigkeiten bei jeder Geburt für die Gesundheit von Mutter und Kind ein. Doch das Leben auf Rufbereitschaft geht nicht ohne Spuren an ihr vorbei. Karl hingegen hat Zweifel an seinen beruflichen Fähigkeiten, weil er den enormen Einsatz seines Kollegen bewundert und seine eigenen Ergebnisse ständig mit dessen vergleicht. Aufgrund seiner Vergangenheit scheut er davor, in der Liebe enttäuscht zu werden und nimmt jedes kritisch beurteilende Wort einer Situation von Hulda persönlich.

Es gelingt Anne Stern ihre Geschichte an eine wenig thematisierte, aber geschichtlich bedeutende Episode zu koppeln. Die Bevölkerung ist mehr und mehr unzufriedener. Zunehmend ist es schwierig, selbst Lebensnotwendiges zu besorgen, Hunger und Kälte nehmen zu. Die Unzufriedenheit äußert sich in der Kritik gegen die politischen Führungskräfte, durch die Republik geht ein Rechtsruck. Obwohl Hulda nicht religiös ist, wird ihre jüdische Herkunft immer häufiger thematisiert. Die Autorin vermittelt die düstere Atmosphäre der damaligen Zeit. Dennoch finden auch die Vergnügungssuchenden einen Platz im kalten Berlin. Bis in die Nebenfiguren hinein begegnete ich Personen mit interessantem Hintergrund. In der hinteren Klappe wird nicht nur auf den ersten Band der Reihe hingewiesen, sondern auch auf den dritten Teil, der im Mai 2021 erscheinen wird.

Der zweite Band der Romanreihe um die Hebamme Fräulein Gold von Anne Stern stand dem ersten in nichts nach. Auch diesmal schafft die Autorin es, mir ein authentisches Bild der gesellschaftlichen Verhältnisse zur damaligen Zeit zu vermitteln und ihre Figuren dabei nachvollziehbar handeln zu lassen. Gerne empfehle ich das Buch an Leser historischer Romane weiter und freue mich auf den nächsten Band.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere