Ein Roman, der zeigt, wie viel Mut Erinnern braucht
In der Stille der Zeit hat mich auf eine Weise überrascht, wie es nur wenige Romane tun. Christine Eickenboom erzählt die Geschichte von Agnes, Sabine und Elisabeth mit einer tiefen Ruhe, die trotzdem ...
In der Stille der Zeit hat mich auf eine Weise überrascht, wie es nur wenige Romane tun. Christine Eickenboom erzählt die Geschichte von Agnes, Sabine und Elisabeth mit einer tiefen Ruhe, die trotzdem eine unglaubliche Sogwirkung entwickelt. Die drei Frauen, einst unzertrennlich, werden inmitten der beginnenden Corona-Pandemie erneut miteinander konfrontiert und damit mit dem, was sie jahrzehntelang verdrängt haben.
Besonders beeindruckend fand ich, wie sensibel die Autorin mit Erinnerungen umgeht. Jede der drei hat ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Verletzung, ihre eigene Sehnsucht und all diese Perspektiven verweben sich zu einem Bild, das erst ganz am Ende seinen wahren Kern zeigt. Der Stil ist ruhig, sehr feinfühlig und ausgesprochen atmosphärisch. Ohne große Dramatik entfaltet sich eine Geschichte, die tiefer geht, als man zunächst erwartet.
Eickenboom gelingt es, Gegenwart und Vergangenheit ineinanderfließen zu lassen: die Unsicherheit der Pandemiezeit, die Melancholie des Erwachsenseins und die unbändige Kraft jugendlicher Träume. Das macht den Roman gleichzeitig zeitgeistig und universell. Besonders mochte ich die subtilen Untertöne, Schuld, Vergebung, das Ringen um Identität.
Für mich ist In der Stille der Zeit ein leiser, aber eindringlicher Roman über Freundschaft, das Gewicht gemeinsamer Erinnerungen und den Mut, sich selbst neu zu begegnen. Ein Buch, das nach dem Lesen noch lange in einem weiterarbeitet.
Klare Empfehlung für alle, die psychologisch fein gezeichnete Gegenwartsliteratur lieben.