Gebrochene Herzknochen
Herzen haben keine Knochen, sie können nicht brechen – oder etwa doch?
Mir sind beim Lesen dieses Romans Herzknochen gewachsen – und sie wurden gebrochen. Anders kann man viele tolle Szenen in diesem Buch ...
Herzen haben keine Knochen, sie können nicht brechen – oder etwa doch?
Mir sind beim Lesen dieses Romans Herzknochen gewachsen – und sie wurden gebrochen. Anders kann man viele tolle Szenen in diesem Buch nicht beschreiben und ich habe das Buch an einem Abend verschlungen – wenn auch mit einigen Gedanken, die beim Lesen aufgekommen sind. Colleen Hoovers Romane begleiten mich schon viele Jahre und als ich das Cover zum englischen Pendant „Heartbones“ gesehen habe, musste es auf meine Liste. Und ich wurde nicht enttäuscht. Summer of Hearts and Souls trifft ins Herz, es geht um Armut, den tiefen Riss in einer Vater-Tochter-Beziehung, die vorher kaum existent war – und es geht um die erste Liebe, die ersten Gefühle. Gleichzeitig geht es in dem Buch auch neben den Familienkonflikten auch um Drogen und Abhängigkeit, das Versagen eines Systems, das zu einem Teufelskreis führt, dem man kaum entfliehen kann, um Tod und Verlust, aber auch um Vernachlässigung und den daraus resultierenden Konflikten für die Protagonistin. Colleen Hoover hat sich trotz Sommergefühle am Strand doch auch einige sehr ernste Themen ausgesucht.
Was für Beyah eigentlich nur als ein kurzer Zwischenstopp aus der Not heraus vor dem Studium anfängt, verändert ihr gesamtes Leben und Colleen Hoover schafft es schon in den ersten Seiten dafür zu sorgen, dass man mit Beyah mitleidet. Das Mutter Theresa Bild als Aufhänger, die Situation der Mutter zu Beginn mit ihrer Abhängigkeit und dieser Teufelskreis, in dem die Bewohner der Stadt stecken, in der Beyah aufwächst. Ein Sumpf aus Drogen und Perspektivlosigkeit und inmitten all dieser Widrigkeiten ist Beyah. Vernachlässigt durch die Mutter, verlassen vom Vater und dem Leben in ihrer Stadt ausgesetzt hat sich Beyah alles selbst erarbeitet und einerseits spürt man diese Wut, aber auch das mangelnde Vertrauen Beyahs sehr gut. Man beobachtet, wie sie sich langsam öffnet, zunächst ihrer Stiefschwester Sara und dann auch allen anderen gegenüber – vor allem Samson. Samson war eine sehr komplexe Figur und mit all seinen Geheimnissen und Mauern um sich herum hatte man während des Lesens immer mal wieder Vorahnungen, aber viel hat auch überrascht. Am besten passen vermutlich die Tattoos der Beiden, um die Beziehung zu beschreiben. Der Hurrikan Ike, der für Samson eine besondere Rolle spielt, das Windrad von Beyah – Wind und auch Wasser, das Meer, Darya – in dem Buch bekommen diese zwei Elemente noch einmal eine neue Bedeutung und ich fand gerade die Symbolik wirklich schön und zugleich auch tieftraurig. Und dann kommt die große Welle und man fühlt sich plötzlich erschlagen – klassisch bei Colleen Hoover und doch genauso schmerzhaft. Über die letzten Seiten ist man nur so geflogen und das Wachsen und Brechen der Herzknochen beinahe spüren.
Ich mochte das Setting, die Nebenfiguren und auch die Annäherung zwischen Beyah und Samson, die tiefen Emotionen, das Spiel aus Wind und Wasser – den wunderbaren Stil Hoovers. Aber – und an dem Punkt habe ich mich gestört – das Ende war leider zu überhastet. Zu kurz, um bei diesen vielen ernsten Themen wirklich in die Tiefe zu gehen. Das fand ich ein wenig schade. Bezüglich Samson, ohne spoilern zu wollen – ich kann Teile seines Handelns und seiner Motive nachvollziehen und auch die Ursachen, aber manche Grenzen, die er überschritten hat – da hätte im Buch einiges näher betrachtet/verurteilt/erklärt werden müssen. Da hätten ein paar Seiten mehr gut getan. Nichtsdestotrotz ein toller Roman, den ich definitiv weiterempfehlen kann.