Cover-Bild Im Herzen der Gewalt
20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: S. FISCHER
  • Themenbereich: Belletristik - Biografischer Roman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 224
  • Ersterscheinung: 24.08.2017
  • ISBN: 9783103972429
Édouard Louis

Im Herzen der Gewalt

Roman
Hinrich Schmidt-Henkel (Übersetzer)

In seinem autobiographischen Roman ›Im Herzen der Gewalt‹ rekonstruiert der französische Bestsellerautor Édouard Louis die Geschehnisse einer dramatischen Nacht, die sein Leben für immer verändert.

Auf der Pariser Place de la République begegnet Édouard in einer Dezembernacht einem jungen Mann. Eigentlich will er nach Hause, aber sie kommen ins Gespräch. Es ist schnell klar, es ist eine spontane Begegnung, Édouard nimmt ihn, Reda, einen Immigrantensohn mit Wurzeln in Algerien, mit in seine kleine Wohnung. Sie reden, sie lachen, aber was als zarter Flirt beginnt, schlägt um in eine Nacht, an deren Ende Reda Édouard mit einer Waffe bedrohen wird.
Indem er von Kindheit, Begehren, Migration und Rassismus erzählt, macht Louis unsichtbare Formen der Gewalt sichtbar. Ein Roman, der wie schon ›Das Ende von Eddy‹ mitten ins Herz unserer Gegenwart zielt – politisch, mitreißend, hellwach.

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Lesejury-Facts

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.10.2017

Berührt und bleibt im Gedächtnis

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„Im Herzen der Gewalt“ ist das zweite Buch des 24-jährigen Franzosen Édouard Louis. Der Roman ist autobiographisch. Im Rückblick schildert der Autor die zufällige Begegnung mit einem jungen Mann, den er ...

„Im Herzen der Gewalt“ ist das zweite Buch des 24-jährigen Franzosen Édouard Louis. Der Roman ist autobiographisch. Im Rückblick schildert der Autor die zufällige Begegnung mit einem jungen Mann, den er am Heiligabend auf der Straße trifft und der sich ihm als Reda vorstellt. Die folgenden Stunden der Nacht enden für Édouard mit einer Morddrohung durch seine Zufallsbekanntschaft. Bereits das Cover des Buchs vermittelte mir die Ausgangslage einer grauen, düsteren Umgebung die dazu führt, dass der Autor den jungen Mann mit zu sich nach Hause nimmt.

Der Geschichte beginnt im Waschsalon. Édouard befindet sich dort, unweit seiner Wohnung, um seine Bettwäsche zu waschen. Es ist überraschenderweise der 1. Weihnachtstag, wenige Stunden nachdem Reda ihm angedroht hat, ihn zu töten. Sein Bedürfnis nach Reinheit nimmt extreme Züge an. Zuhause säubert und desinfiziert er alle Flächen und duscht mehrmals. Doch seine Erinnerungen an das Erlebte kann er nicht so ohne weiteres wegwischen. Gleich auf den ersten Seiten lässt er den Leser ahnen, wie aufgewühlt er von den Ereignissen ist. Seine Schilderung ist ein Aufschrei, ein „ich möchte das nicht erlebt haben“ und doch kann er die Vergangenheit nicht ändern.

Schließlich sucht er fast ein Jahr später Zuflucht bei seiner Schwester in Nordfrankreich, dort, wo auch seine Heimat ist. Während seines Aufenthalts lauscht er aus einem Versteck dem Gespräch seiner Schwester mit ihrem Mann. Sie schildert ihm das, was sie inzwischen von Édouards über die Nacht mit Reda erfahren hat. Aus dieser Distanz heraus reflektiert Édouard die Geschichte für sich und ergänzt das Gespräch für den Leser durch seine Gedanken. Hat der Beginn des Romans sich lediglich auf vage Andeutungen beschränkt, so erfuhr ich nun bruchstückhaft, aber in allen Einzelheiten, was sich in den wenigen Stunden des Zusammenseins mit Reda ereignet hat.

Édouard ist verstört und hat ein großes Bedürfnis zu reden. Er will nicht allein sein mit seiner Geschichte, doch die Geschehnisse verlassen ihn nicht gemeinsam mit seinen Worten sondern bleiben bei ihm. Auch Tränen fließen, jedoch ohne die Erinnerungen mitzunehmen. Seine Freunde raten ihm zu einer Anzeige bei der Polizei. Jeder mit dem er spricht bedauert ihn, jedoch mit dem Unverständnis über die Tatsache, dass Édouard einem Unbekannten so schnell vertraut hat. Für ihn muss es einen Grund geben, warum Reda so gehandelt hat, vielleicht handeln musste. Er sucht dessen Tat zu rechtfertigen. Im Vordergrund steht dabei Redas Status als Immigrant und Kind eines kabylischen Flüchtlings von der er in dieser einen Nacht erzählt hat. Der Autor hat selber in seiner Kindheit und Jugend mit schwierigen Familienverhältnissen gekämpft, bevor er sich aus den engen Ansichten der Dorfbewohner seines damaligen Wohnorts befreien konnte. Letztlich kann er durch seine Argumentation nicht wirklich überzeugen, auch sich selber nicht, denn er selbst hat gezeigt, dass man seine Ziele aus einer ungünstigen Ausgangslage heraus dennoch erreichen kann. Seine ungewollte Opferrolle versucht er abzustreifen, doch eine von ihm gewünschte Mitschuld findet er nicht für sich. Was bleibt ist die ständig wiederkehrende Angst, das alles könnte wieder passieren.

Als Leser habe ich die Verzweiflung von Édouard gespürt, der vergeblich versucht, das Geschehene zu vergessen. Er erzählt intensiv und eindringlich, in hellster Erregung, später auch erschöpft durch seine widerstreitenden Gefühle und sein Gedankenkarussell. Gerade das, was der Autor erlebt hat, kann auch denen von uns passieren, die ihren Empfindungen unbesonnen und spontan nachgeben. Dadurch sind die Schilderungen so beunruhigend in unserer heutigen Zeit zunehmender Gewaltbereitschaft. Der Roman berührt und bleibt im Gedächtnis. Darum eine Leseempfehlung von mir.

Veröffentlicht am 05.04.2018

Gewalt und Gefühl

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"Im Herzen der Gewalt" ist ein autobiographischer Roman des Autors Édouard Louis. Dieses Buch hat aufgrund des Thema's direkt meine Neugier geweckt. Die Inhalte sind aktuell und für mich klang allein ...

"Im Herzen der Gewalt" ist ein autobiographischer Roman des Autors Édouard Louis. Dieses Buch hat aufgrund des Thema's direkt meine Neugier geweckt. Die Inhalte sind aktuell und für mich klang allein schon der Klappentext nach einer bewegenden und tiefergehenden Geschichte, auf die ich sehr gespannt war.

In dieser Geschichte geht es um den Protagonisten Édouard. Der junge Mann ist auf dem Weg nach Hause, als er dem jungen Reda begegnet. Reda stammt aus Algerien und schon nach einem kurzen Gespräch fühlt sich Édouard zu ihm hingezogen und nimmt ihn mit in seine Wohnung.

Die beiden Männer flirten und lachen, aber sie sprechen auch über ernstere Dinge. Doch im Verlauf der Nacht endet die Leichtigkeit und schlägt um in Gewalt, an deren Ende der Protagonist mit einer Waffe bedroht wird und um sein Leben fürchten muss ... Der Einstieg in diese Geschichte ist mir gut gelungen. Der Schreibstil von Édouard Louis ist detailliert und der Autor hat ein tolles Feingefühl mit dem er auch schwierige Themen, die hier vorherrschen, gekonnt vermittelt. Die Geschichte ist autobiographisch und wird aus mehreren verschiedenen Sichten geschildert, zum Beispiel von Édouards Schwester oder auch Polizeibeamten. Durch das Wissen, dass der Autor dieses Geschehen selber erlebt hat gingen mir die Inhalte noch einmal mehr unter die Haut und bescherten mir ab und an echte Gänsehaut.

Die Themen dieses Buches sind vielfältig und in der Kombination durchweg dazu da, um zum Nachdenken anzuregen. Ich war als Leserin geschockt, verunsichert, wurde geängstigt, habe den Kopf über manches Verhalten geschüttelt und bin mir sehr sicher, dass diese Inhalte nicht nur einen kurzzeitigen, sondern einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen werden.

Die Ausarbeitung der Charaktere ist recht gut gewesen, aber das Hauptaugenmerk liegt doch deutlich auf dem Protagonisten. Die anderen Charaktere waren mir ab und an ein bisschen zu klischeehaft skizziert, aber es ist nicht mal unrealistisch, da es solche Reaktionen und Denkweisen, ja leider wirklich zu hauf gibt. Wer selbst unter Missbrauchserfahrungen leidet sollte aufgrund des ungeschönten Blick's auf solch eine Tat vielleicht eher Abstand zu dem Buch nehmen, da es durchaus triggern könnte. Allen anderen kann ich diese Geschichte aufgrund ihrer emotionalen Bandbreite und der wichtigen Themen nur ans Herz legen.
Positiv:
detaillierter und empathischer Schreibstil
spannende Handlung
wichtige und vielseitige Themenauswahl
tolle Mischung verschiedenster Emotionen

Negativ:
* wenige Charaktere waren mir etwas zu klischeehaft skizziert

"Im Herzen der Gewalt" ist ein vielschichtiges und bewegendes Buch, welches einen starken Eindruck hinterlässt und durch die wichtigen Inhalte auch zum Nachdenken anregt!