Potential bei Weitem nicht ausgeschöpft
Setting und Thematik
Von dem Setting war ich bereits von der Leseprobe an begeistert. Endlich mal etwas anderes als die USA oder Kanada. Mit Schweden selbst hatte ich noch nicht viele Berührungspunkte, ...
Setting und Thematik
Von dem Setting war ich bereits von der Leseprobe an begeistert. Endlich mal etwas anderes als die USA oder Kanada. Mit Schweden selbst hatte ich noch nicht viele Berührungspunkte, aber durch die detaillierte Beschreibung der Autorin konnte ich mir die Landschaft um Stockholm sehr gut vorstellen.
Auch die Thematik um die Anwaltskanzlei hat viel Konfliktpotenzial versprochen. Man kennt die spannungsgeladene und intrigante Atmosphäre ja aus den besten Fernsehserien. Jedoch konnte der Klappentext „Macht, Intrigen, Leidenschaft“ sein Versprechen leider nicht halten.
Dennoch muss man dem Buch zugutehalten, dass es ein sehr wichtiges Thema, nämlich Verantwortung und Menschenrechte anspricht. Diese Thematik wird immer wichtiger und immer lauter in unserer Gesellschaft diskutiert und dementsprechend ist es richtig, dass die Autorin darauf aufmerksam macht.
Schreibstil
Der Schreibstil ist für mich leider einer der größten Kritikpunkte, denn die Geschichte ist aus der dritten Person erzählt. So hatte ich am Anfang enorme Probleme festzustellen, wer mit dem Personalpronomen gemeint ist. Außerdem führte diese Erzählperspektive dazu, dass bei mir sehr wenig Gefühl aufgekommen ist. Und das ist wirklich schade, denn diese "verbotene Beziehung" hat so viel versprochen und so wenig gehalten.
Außerdem findet sich in dem Buch nicht nur die Geschichte von Ignacio und Charlotta, sondern auch von zwei weiteren Nebencharakteren. Deren Erzählung hat tatsächlich dankbarerweise ein wenig von den eigentlichen Protagonisten abgelenkt. Dennoch habe ich nicht so richtig verstanden, wofür man diese Nebengeschichte am Ende gebraucht hat.
Charaktere
Uff. Also mit Charlotta bin ich überhaupt nicht warm geworden. Die Frau ist irgendwie in sich sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite hat sie Probleme, Leuten zu vertrauen. Auf der anderen Seite erzählt sie Ignacio nach ein paar gemeinsamen Stunden ihre gesamte Lebensgeschichte inklusive schwerer Vergangenheit. Auf der einen Seite ist sie anscheinend eine sehr gute Anwältin. Auf der anderen Seite schafft sie es nicht, für sich einzustehen und sich gegen ihren ekelhaften Kollegen durchzusetzen.
Ignacio hat mich auch komplett kalt gelassen. Wenn ich ihn betrachte, bin ich der Meinung, er hat die größte Entwicklung in diesem Buch durchgemacht. Dass er am Ende für sich und seine Prinzipien kämpft, zeigt Größe. Dennoch kam ich emotional überhaupt nicht an ihn ran.
Streckenweise haben die beiden sich auch richtig billig verhalten. Da musste man in Anbetracht der Tatsache, dass sie zwei erwachsene Menschen sind, auch mal mit dem Kopf schütteln.
Handlung
Wie schon oben angekündigt, sollten in dem Buch eigentlich „Macht, Intrigen, Leidenschaft“ vorkommen. Von Leidenschaft war leider nicht so viel zu spüren. Leser, die sehr gerne Anwaltsgeschichten lesen, sind hier wahrscheinlich gut aufgehoben. Ich würde von mir schon behaupten, dass ein generelles Interesse an dem Thema „Recht“ da ist, aber dieser Rechtsstreit hat sich doch extrem in die Länge gezogen. Generell sind in dem Buch einige Stellen zu finden, die man gut und gerne kürzen oder komplett weglassen hätte können. 100 Seiten weniger hätten meines Erachtens nach auch gereicht.
Für mich war die Handlung streckenweise auch unglaublich vorhersehbar. Ich habe immer auf den ganz großen Knall gewartet, aber er kam einfach nicht. Die sich anbietenden Konfliktpotenziale wurden dementsprechend nicht effektiv genutzt.
Zudem finden sich in dem Buch sehr viele Klischees, auf die ich aber nicht näher eingehen kann, weil sie doch zu viel verraten würden. So viel sei gesagt: In Schweden löst man seine Probleme anscheinend entweder mit Alkohol oder Sex. 😉
Fazit
Wie ihr schon merkt, kommt das Buch bei mir überhaupt nicht gut weg. Ich bin selbst sehr enttäuscht, weil ich nach der überzeugenden Leseprobe etwas komplett anderes erwartet habe. Aber aus den oben genannten Gründen, war ich am Ende relativ froh, es endlich beenden zu können.
Danke natürlich trotzdem an die Lesejury, dass ich an der Leserunde teilnehmen durfte und auch ein großes Dankeschön an meine Mitleser/innen. Ich fand’s sehr schön, dass wir so offen miteinander diskutiert haben und dass wir doch mal anderer Meinung waren. Es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht.