Cover-Bild Robinsons Tochter
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 17.08.2020
  • ISBN: 9783446267831
Jane Gardam

Robinsons Tochter

Isabel Bogdan (Übersetzer)

„In Robinsons Tochter steht alles drin, was ich zu sagen habe.“ (Jane Gardam) Über das Leben einer zutiefst ungewöhnlichen Frau. Einfühlsam, witzig und raffiniert erzählt, wie man es von der Bestseller-Autorin der britischen Trilogie um „Old Filth“ kennt.

England 1904 – Polly, mit sechs Jahren schon eine Pflegefamilien-Veteranin, kommt zu ihren frommen Tanten in das gelbe Haus am Meer. Hier gibt es kaum Unterhaltung, aber es gibt Bücher, und lesend entwickelt sich Polly unbemerkt zu einer stillen, unbeugsamen Rebellin. Ein Buch liest sie immer wieder: "Robinson Crusoe" wird zu ihrem Kompass in jeder Lebenslage. Ihre eigene einsame Insel verlässt Polly Flint nie ganz. Doch am Ende ihres fast ein Jahrhundert umspannenden Lebens wird sie Liebe und Enttäuschung, Depression und rettende Freundschaft kennengelernt und ihre Bestimmung gefunden haben. Ein großer Roman voller hinter gepolsterten Türen verborgener Geheimnisse, so raffiniert und klug, wie nur Jane Gardam sie inszenieren kann.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.10.2020

Die bedeutsame Beziehung zwischen Polly Flint und Robinson Crusoe…

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Polly Flint ist die kluge und gewitzte Protagonistin und Ich-Erzählerin, um die es in diesem wunderbaren Roman geht und die hier ihre 87-jährige Geschichte erzählt.

Das Buch der inzwischen 92-jährigen ...

Polly Flint ist die kluge und gewitzte Protagonistin und Ich-Erzählerin, um die es in diesem wunderbaren Roman geht und die hier ihre 87-jährige Geschichte erzählt.

Das Buch der inzwischen 92-jährigen Jane Gardam, Grand Dame der englischen Literatur, ist bereits 1985, also weit vor ihrer berühmten und wunderbaren „Old-Filth-Trilogie“ im englischen Original erschienenen.

1904, kurz nach dem Ende des viktorianischen Zeitalters, wird Polly als 6-jähriges Waisenkind bei ihren beiden ältlichen und frommen Tanten Mary und Frances in einem abgelegenen Ort in North-Yorkshire/England abgegeben.
Obwohl noch so jung, hat sie bereits Aufenthalte in einigen Pflegefamilien hinter sich, weil ihre Mutter Emma verstarb, als sie ein Jahr alt war und sich ihr Vater, ein Seemann, nicht um sie kümmern konnte.

Zuneigung und Liebesbekundungen gibt es von der strengen Aunt Mary und der sanftmütigeren Aunt Frances kaum und Schulbildung bleibt ihr, abgesehen von den Schulstunden in Deutsch und Französisch beim verwitweten und strenggläubigen Hausdrachen Mrs. Woods nahezu verwehrt.

Unterhaltung und Abwechslung sind Mangelware, aber glücklicherweise gibt es hier, im Gelben Haus am Meer, viele Bücher. Sie sind alt und wertvoll und stehen in der umfangreichen Bibliothek von Grandfather Younghusband.

Polly vertieft sich in viele Werke des 19. Jahrhunderts und beschäftigt sich mit Autorinnen wie Jane Austen, George Eliot und den Brontë-Schwestern.

Sie liebt und verehrt den unerschütterlichen Seemann und Schiffbrüchigen Robinson Crusoe und liest diesen Roman von Daniel Defoe, in dem für sie das Geheimnis des Lebens und die Antworten auf ihre Fragen stecken, mindestens einmal pro Jahr.
Robinson wird zu ihrem Freund, Begleiter, Vorbild und Leitstern... deshalb auch der sehr treffende Titel „Robinsons Tochter“.

Polly schöpft Kraft und zieht Weisheiten aus diesem Werk, identifiziert sich mit Robinson und fühlt sich in ihrer Umgebung ebenfalls wie auf einer einsamen Insel, auf der sie im Grunde genommen ein isoliertes und eingesperrtes Leben führt.

Das brave Mädchen Polly wächst zu einer eigenwilligen Frau mit unabhängigem Geist und rebellischem Wesen heran.
Man nennt sie irgendwann „die komische Miss Flint“.

Von Religion, Glauben und frommem Getue hält sie nichts, die Konfirmation lehnt sie rundweg ab. Dass die gottesfürchtigen Tanten entsetzt sind, ist selbstredend.
Aber Polly lässt sich nicht unterkriegen und geht ihren eigenen Weg.

Verluste bleiben nicht aus. Ihre Tante Frances heiratet und geht nach Indien und auch andere bedeutsame Menschen wie Paul, in den sie sich mit 16 verliebt hat sowie Theo und seine jüdische Familie verlassen sie, so dass sie nach dem Krieg nur mit Ihrer Haushälterin zusammen in dem für sie beide viel zu großen Haus lebt.

Und hier kommt wieder Robinson ins Spiel. Er rettet sie vor der Einsamkeit und den Gefahren von Armut und Whisky.
Wie?
Indem sie das Buch mit ihrer vielleicht wichtigsten Bezugsperson ins Französische und Deutsche übersetzt.

Polly erlebt über die Jahre hinweg all das, was ein Menschenleben ausmacht: Freundschaften, Liebe, Enttäuschungen, Verluste, depressive Phasen.

Gardam ist eine exakte Beobachterin, die scharfsinnig, feinfühlig, raffiniert und mit Humor und Ironie erzählen kann.
Bis zum Ende erfreut und verblüfft sie den Leser mit Geheimnissen, Überraschungen und manch‘ surrealen Momenten.

Mir gefiel es, wie das Augenmerk zeitweise auch auf die schrecklichen Auswirkungen der aus dem ersten Weltkrieg heimgekehrten jungen Männer oder auf das Schicksal der jüdischen Kinder, die 1938/39 im Rahmen des „Refugee Children‘s Movement“ nach Großbritannien gebracht wurden, gerichtet wurde.

Ihre Figuren, allen voran Polly, zeichnet Jane Gardam tiefgründig und in all ihrer Vielschichtigkeit und Unterschiedlichkeit.
Durch die Ich-Perspektive wird dem Leser das Innenleben der Protagonistin sehr vertraut und man kommt ihr nahe wie einer guten Bekannten.
Gleichzeitig zu dieser Nähe wird aber durchgehend eine gewisse Distanz gewahrt, man wird, um in diesem Bild zu bleiben, nie zur besten Freundin, wodurch das gleichermaßen menschliche und zugewandte, wie reservierte und unangepasste Wesen Pollys noch deutlicher wird.

Ich möchte diesen leichtfüßig daherkommenden und besonderen Roman, in dem es u. a. um Selbstfindung und Emanzipation geht, unbedingt empfehlen.

Vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse und der englischen Geschichte des 20. Jahrhunderts erzählt er die kurzweilige Lebensgeschichte einer Frau, die entschlossen und unbeirrt ihren Weg geht, kein dauerhaftes Glück bei den Männern findet und immer wieder aufsteht, wenn sie stolpert.
Er hat mir äußerst vergnügliche Lesestunden beschert und auch meinen Wunsch, anspruchsvolle, aber nicht unzugängliche und abgehobene Literatur zu lesen, befriedigt.

Ich bin froh, Polly Flint, eine außergewöhnliche, starke, mutige und liebenswerte Frau mit bewundernswerter Contenance und Standfestigkeit kennengelernt und über viele Jahrzehnte hinweg begleitet zu haben.

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Veröffentlicht am 02.10.2020

Robinsons Tochter - unverwechselbar: Aus der Feder von Jane Gardam

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"Robinsons Tochter" von Jane Gardam ist im Verlag HanserBerlin (HC, 2020) erschienen und wurde (wie die Vorgänger der englischen Autorin) von Isabel Bogdan ins Deutsche übersetzt. Im Original (Crusoes ...

"Robinsons Tochter" von Jane Gardam ist im Verlag HanserBerlin (HC, 2020) erschienen und wurde (wie die Vorgänger der englischen Autorin) von Isabel Bogdan ins Deutsche übersetzt. Im Original (Crusoes Daughter) erschien der Roman bereits 1985 und ich freute mich sehr auf diesen Roman, da Jane Gardam zu meinen britischen LieblingsautorInnen zählt.

England, 1904:

Polly Flint, Hauptprotagonistin dieses wundervollen Romans, erzählt uns ihr Leben in der Ich-Form, wodurch nach und nach eine besondere Nähe zu den Gefühlen und Gedanken Pollys geschaffen wird und sie dem Leser mehr und mehr ans Herz wächst....
Als 6jähriges Mädchen wird Polly von ihrem Vater, einem Seemann, zu Aunt Mary und Aunt Frances ins "Gelbe Haus", auch Oversands genannt, von Wales aus ins nördliche England gebracht, wo sie fortan (nach vielen Pflegefamilien, ihre Mutter Emma starb, als Polly ein Jahr alt war) leben sollte. Die Tanten sind die älteren Schwestern ihrer Mutter; die weiteren Bewohner sind Charlotte und Mrs. Woods; erstere das Hausmädchen und Mrs. Woods eine alleinstehende ältere Witwe, die Polly in Französisch und etwas Deutsch unterrichten wird. Aunt Mary ist von strengem Wesen; Frances dagegen sanftmütiger und das Leben der frommen Tanten ist nicht gerade auf Kinder zugeschnitten: So gibt es für Polly in dem großen und geheimnisvollen Haus kaum Abwechslung, auch wenn die Tage (und sogar die Wochenenden, samstags wird z.B. grundsätzlich gebeichtet und Sonntag folgen die Kirchgänge) durchgetaktet sind: Sehr interessiert ist Polly jedoch an den in reicher Zahl vorkommenden Bücher im Gelben Haus und liest alles, was ihr in die Hände fällt; einige englische Klassiker wie Jane Austens Romane z.B. Doch ein Buch hat es ihr ganz besonders angetan: Daniel Defoes "Robinson Crusoe".

Im Laufe der Zeit, die sich stellenweise biografisch lesen, wird dieses Buch die "Rettungsinsel" und das Zentrum geistigen Denkens, mentaler Stärke und Kraft für Polly, denn das Leben hält allerlei für sie bereit: Selbst eher Güte als Liebe und Zuneigungsbekundungen von den Tanten erfahren, verliebt sich Polly als 16jährige erstmals in Paul Treece, einem angehenden Dichter Anfang 20, der in "Thwaite", dem Haus eines alten Freundes der Familie, zu Gast ist: Der ältere, wortkarge, aber sehr sympathische Mr. Thwaite hat sie in sein Haus eingeladen, das so anders ist als das "Gelbe Haus"; laut Lady Celia, der Schwester von Mr. Twaithe, weiß man hier nicht, wem man im Flur so über den Weg laufen könnte... Das Haus ist ein Zufluchtsort und Ort der Regeneration, wie es scheint, für (etwas versponnen anmutende) Dichter, Maler und Schriftsteller (und -innen), um die sich Celia sehr liebevoll kümmert. Mr. Thwaite dagegen bleibt eher im Hintergrund, jedoch strahlt er eine "Sanftheit, Zufriedenheit und einen Frieden aus, verbreitet in jedem Raum eine angenehme Atmosphäre" - und spricht stets eher im "Telegrammstil". Diese interessante und überaus sympathische Figur, die am Ende des Romans eine Schlüsselrolle im Leben Pollys zukommen soll, hat mich sehr fasziniert.

So trifft man Menschen, die Polly kennenlernt: Stanley, den armen Jungen, der jeden Mittwoch ins Gelbe Haus kommt und von Charlotte verköstigt wird; die Zeits - eine jüdische Familie mit deutschen Wurzeln, mit denen Polly - sie ist 16 - eine wichtige Freundschaft pflegt und in dessen Sohn Theo sie sich verliebt; der bereits genannte Paul Treece, der ebenso wie Theo Zeit im 1. Weltkrieg zu Felde ziehen müssen. Wir verfolgen die Entwicklung Pollys zu einer jungen, klugen und verletzlichen Frau, die Liebe, Enttäuschung, Verlust, Depression, aber auch wahre Freundschaft erlebt: Alice, die nach Charlotte ins Gelbe Haus als Hausmädchen arbeitet, zieht die selbst etwas "schiffbrüchig" gewordene nun über 30 Jahre alte Polly wieder an Land: Auch in dieser Situation (Polly griff etwas häufig zur Whiskyflasche) und der Wende ist "Robinsons Tochter" ihr wie immer ein literarischer Leuchtturm:

"Denn meine Befreiung lag greifbar vor mir, alles war bereitet, und ein großes Schiff wartete nur darauf, mich hinzubringen, wohin ich wollte". (S. 279)

Die Zeitgeschichte des letzten Jahrhunderts (beide Weltkriege) sind in die Handlung verwoben und ein wichtiger Einschnitt in Pollys Leben, die - selbst nur privat unterrichtet und nie selbst in einer Schule gewesen - Kinder unterrichtete (ihre Mutter Emma war eine wundervolle Lehrerin), geschieht kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges: In einem Brief aus Deutschland wird Polly gebeten, zwei jüdische Mädchen, die mit einem Flüchtlingszug in London ankommen, abzuholen und sich um sie zu kümmern. So begeben sich der nun 80jährige Mr. Thwaite, Ms. Maitland (seine Haushälterin) und Polly auf die Reise nach London und wieder einmal bin ich fasziniert von dem Empathievermögen des alten Herrn: Während der Zug von Yorkshire Richtung London rollt, überlegt er, wo in Holland der Zug der Kinder jetzt sein könnte....

Eine ganz besondere, wundervoll erzählte, atmosphärisch dichte Lebensgeschichte einer Frau mit allen dramatischen Wendungen, die das Leben für sie bereithalten sollte - von ihrer Kindheit bis ins hohe Alter, die auch gesellschaftliche Veränderungen im England des 20. Jahrhunderts aufzeigt; von feiner Ironie gezeichnet und hier und da mit dem Jane Gardam so eigenen britischen trockenen Humor gewürzt, kann ich diese besondere Reise durch Polly Flints selbstbestimmte Lebenswelt sehr empfehlen. Von mir gibt es daher 4,5 Sterne und einen besonderen Platz (neben den Vorgängern) im Bücherregal!

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Veröffentlicht am 21.11.2020

Robinson als Lebensgefährte

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Wir treffen auf Polly Flint in ihrer frühesten Jugend, als sie sechsjährig bei ihren alten und frommen Tanten im gelben Haus landet. Wo sie bald - ohne es so festzumachen - spürt, dass man auch auf konventionelle ...

Wir treffen auf Polly Flint in ihrer frühesten Jugend, als sie sechsjährig bei ihren alten und frommen Tanten im gelben Haus landet. Wo sie bald - ohne es so festzumachen - spürt, dass man auch auf konventionelle Art unkonventionell und bei sich selbst bleiben kann. Die älteren Schwestern ihrer verstorbenen Mutter fahren nämlich durchaus ihren eigenen Stiefel und so gestaltet sich auch Pollys Leben nicht unbedingt der Norm entsprechend.

Auch wenn ihr vieles fehlt, eines hat sie im Überfluss, nämlich Bücher und schon früh kristallisiert sich Robinson Crusoe, den sie quasi als Mitbewohner annimmt, mit dem sie spricht und den sie wieder und wieder rauf und runter liest, als ihre hauptsächliche und maßgebliche Bezugsperson heraus. Gerade auch, wenn jemand aus ihrem Umfeld sie einmal mehr wissentlich oder ohne Absicht enttäuscht hat.

Polly Flint ist eine Geberin und das spüren die Menschen um sie herum. Doch am Ende ihres Lebens blickt sie auf ein reiches, buntes Gesamtbild zurück.

Dies ist ein Werk von Jane Gardam aus dem Jahre 1985, das erst jetzt übersetzt wurde und wie froh bin ich, darauf gestoßen zu sein! Ein wahres Kleinod ist es, eine Art Hymne auf die Großzügigkeit, ein Aufruf, seinen eigenen Weg zu gehen und sich davon nicht abbringen zu lassen. Jane Gardam, die Grande Dame des klassischen britischen Romans mit Pfiff, hat wieder einmal ein wundervolles Werk voller Humor, Wärme und Esprit geschaffen. Nur dominierte Robinson aus meiner Sicht die Handlung stellenweise doch zu stark.