Cover-Bild Schloss aus Glas
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9,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Diana
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 400
  • Ersterscheinung: 06.06.2006
  • ISBN: 9783453351356
Jeannette Walls

Schloss aus Glas

Ulrike Wasel (Übersetzer), Klaus Timmermann (Übersetzer)

Jeannette Walls ist ein glückliches Kind: Ihr Vater geht mit ihr auf Dämonenjagd, holt ihr die Sterne vom Himmel und verspricht ihr ein Schloss aus Glas. Was macht es da schon, mit leerem Bauch ins Bett zu gehen oder in Nacht-und-Nebel-Aktionen den Wohnort zu wechseln. Doch irgendwann ist das Bett ein Pappkarton auf der Straße, und eine Adresse gibt es schon lange nicht mehr.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.12.2017

Die Grenze zwischen Turbulenz und Ordnung

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„ Unsere Fahrten mit Elvis erinnerten mich daran, wie leicht es war, einfach seine Sachen zu packen und weiterzuziehen, wenn man den Drang dazu verspürte. Sobald man fest dazu entschlossen war, zu gehen, ...

„ Unsere Fahrten mit Elvis erinnerten mich daran, wie leicht es war, einfach seine Sachen zu packen und weiterzuziehen, wenn man den Drang dazu verspürte. Sobald man fest dazu entschlossen war, zu gehen, war wirklich nichts dabei.“


Inhalt


Die Familie Walls lebt ziemlich bewusst ein Vagabundenleben und zieht mit ihren vier Kindern und einer motorisierten Schrottkiste quer durch Amerika. Der Vater Rex ist nicht nur ein eingefleischter Alkoholiker, sondern auch ein ambitionierter Träumer, denn er verspricht seinen Kindern, sobald er mit dem selbst gebauten Goldsucher erfolgreich war, hätten sie soviel Geld, dass er für die Familie mitten in der sonnigen Wüste ein Schloss aus Glas bauen könnte, in dem sie dann friedlich leben werden. Die Mutter lebt für ihre Kunst und malt, dichtet und schreibt den lieben langen Tag. Sie tapeziert die Wände mit Bildern und taucht mehrere Stunden am Tag in ihre eigene Welt ab. Nur die 4 Kinder überlegen tagaus, tagein, wovon sie leben können, was sie essen sollen, wie sie die Miete bezahlen können. Mit Gelegenheitsjobs hält sich Familie Walls gerade so über Wasser, doch immer nur ein paar Wochen, dann ist das Geld wieder verspielt oder versoffen … Und was die Eltern kaum oder nur unwesentlich stört wird für Jeannette und ihre Geschwister zur Bürde: Wann wird es ihnen gelingen aus ihrem Zuhause, was es genau genommen gar nicht gibt, auszubrechen?


Meinung



Prinzipiell habe ich mit autobiografischen Romanen keine große Erfahrung, weil mich das Leben und Wirken echter, aber mir unbekannter Menschen nicht direkt am Herzen liegt, zwar beanspruchen Biografien oftmals einen hohen Informationswert und eröffnen neue Perspektiven, dennoch habe ich eher durch Zufall und Lesertipps zu diesem Buch gegriffen. Doch diese Erzählung konnte mich definitiv packen, denn mal abgesehen von dem autobiografischen Hintergrund trifft man hier auf Menschen, die sich irgendwie und täglich aufs Neue durchs Leben kämpfen müssen und dennoch immer einen Weg finden obenauf zu bleiben.


Jeannette, selbst die Zweitgeborene schildert dem Leser sehr realistisch und erschreckend zugleich die Erlebnisse ihrer frühen Kindheit, bis hinein in ihr Erwachsenenleben. Als Lieblingstochter ihres Vaters beschreibt sie die Höhen und Tiefen des Alltags in einer Familie mit leeren Schränken, fehlenden finanziellen Mitteln und weitreichenden Sehnsüchten. Sie kann natürlich, weil aus erster Hand erlebt, sehr differenziert und nachhaltig die Charaktere ihres Romans zum Leben erwecken. Und so heben sich die Eltern ganz deutlich von den Kindern ab, die älteren Geschwister distanzieren sich viel schneller vom elterlichen Lebensstil, während die jüngeren einfach erfinderisch die Lücke im System suchen. Sie zeigt aber auch die zwiespältigen Gefühle ihrer Eltern, die eine freie, selbstbestimmte Erziehung favoritisieren und sich lieber um die Bildung als ums Essen kümmern, die irgendwie gefangen in sich selbst und andererseits doch so ungebunden wie nur denkbar leben. Auch das Geflecht der handelnden Personen untereinander wirkt sehr dicht und zeugt von Zusammenhalt und Stärke. Denn selbst als ungeliebte, ungern gesehene Außenseiter stehen die Mitglieder der Familie geschlossen beieinander und nehmen sich gegenseitig in Schutz.



Über die Jahre hinweg begleitet der Leser die Ereignisse, sieht die Entwicklung der Familie und muss feststellen, dass die Eltern eine ungewisse Turbulenz immer der gleichbleibenden Routine vorziehen. Dort, wo sie sesshaft werden, geht es ihnen schlechter als auf den langen Reisen durchs Land. Im Gegensatz dazu versuchen die Kinder jede Bruchbude, in der sie hausen zu verschönern, die Dächer zu reparieren und die Wände zu streichen und irgendwie an Essen zu gelangen. Der Traum, von dem der Vater seinen Kindern erzählt, rückt in immer weitere Ferne und Jeannette hakt das „Schloss aus Glas“ bald als Hirngespinst ab und versucht sich auf die tatsächlichen Möglichkeiten des Lebens zu besinnen. Und so erziehen Eltern Kinder, denen größter Wunsch es wird, ihrer Familie den Rücken zu kehren, um ein anderes, sorgenfreieres Leben zu führen.



Die große Stärke des Romans liegt an der Intensität der aufgegriffenen Beziehungen, an Begriffen wie Zuneigung, Liebe, Gemeinsamkeit aber auch generell an Dramatik, Enttäuschung und Rissen in der Gefühlswelt zwischen Eltern und Kindern. Stets hat der Leser das Gefühl, all die Einschränkungen und fehlenden Gesetzmäßigkeiten sind für die Kinder durchaus zumutbar. Denn anders als man es vielleicht von einer assozialen Bettlerfamilie erwartet, bekommt hier jeder Zuspruch, gibt es die kleinen alles wieder gutmachenden Gesten, gibt es Hoffnung und Perspektiven, die sich Kinder in jungen Jahren noch nicht vorstellen können und doch so nötig haben. Und so kann man das Elternpaar zwar nicht wirklich verstehen, doch man nimmt ihnen ihr Handeln auch nicht so übel.


Fazit



Ich vergebe 5 Lesesterne und eine unbedingte Leseempfehlung für diesen ungewöhnlichen, bewegenden Roman über die Kindheit, das Erwachsenwerden und die Möglichkeiten Einzelner sich aus misslichen Situationen durch puren Überlebenswillen zu befreien. Dieses Buch hallt lange nach und stimmt nachdenklich, zeigt differenzierte Lebensmodelle und ganz unterschiedliche Empfindungen von Glück. Allen voran stellt es aber die unausgesprochene, einfach vorhandene und unbesiegbare Liebe zwischen den Mitgliedern einer Familie ins Zentrum der Erzählung, die ihr Alltag derart zusammengeschweißt hat, dass sie Jahrzehnte später immer noch von gemeinsamen Erlebnissen, bitteren Erfahrungen und lustigen Anekdoten schwärmen. Berührend, anders, chaotisch und mit viel Lebensweisheit gespickt präsentiert uns hier Jeannette Walls die Wahrheiten ihrer Familie.

Veröffentlicht am 13.03.2023

Gute Geschichte - schlecht umgesetzt

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"Und wenn Dad uns nicht von den unglaublichen Sachen erzählte, die er schon vollbracht hatte, dann erzählte er was von den Sachen, die er noch vorhatte. Wie zum Beispiel das Glasschloss bauen. Sein ganzes ...

"Und wenn Dad uns nicht von den unglaublichen Sachen erzählte, die er schon vollbracht hatte, dann erzählte er was von den Sachen, die er noch vorhatte. Wie zum Beispiel das Glasschloss bauen. Sein ganzes handwerkliches Geschick und mathematisches Genie vereinigten sich zu einem einzigen besonderen Projekt - einem wunderbaren, großen Haus."

In "Schloss aus Glas" erzählt Jeannette Walls die Geschichte ihrer Kindheit; wie sie bei ihren Eltern zusammen mit ihren drei Geschwistern stets am Existenzminimum gelebt hat, kaum zu Essen hatte, immer von einem Ort zum nächsten gezogen ist. Ihr Vater war alkoholkrank, ihre Mutter eine gescheiterte Künstlerin, beide pflegten einen sehr nachlässigen Erziehungsstil und obwohl sie ihre Kinder geliebt haben, waren sie sich selbst doch wichtiger.
Der Titel bezieht sich auf die leeren Versprechungen, die der Vater seinen Kindern regelmäßig gab, wie zum Beispiel das Schloss aus Glas, das er für seine Familie errichten wollte.

Zuerst einmal ist es eine wirklich schreckliche Vergangenheit. Der Gedanke, dass die Kinder unter solchen Umständen leben mussten, ist sehr bedrückend, gerade wenn man selbst Elternteil ist, macht einen das verantwortungslose Verhalten der beiden Erziehungsberechtigten einfach nur wütend. Außerdem ist es absolut inspirierend zu sehen, wie die vier Kinder immer zusammengehalten und sich aus ihrer Misslage in ein besseres Leben gekämpft haben.

Walls' Geschichte ist also auf jeden Fall eine, die erzählt und gehört werden sollte.
Jedoch fand ich sie schriftstellerisch sehr schwach umgesetzt. Das gesamte Buch ist schlicht eine Aneinanderreihung von Situationen, die Figuren gingen mir überhaupt nicht nahe, es fehlt eine Struktur. Obwohl es überaus dramatische Situationen gab, haben sie mich doch kaltgelassen.
Außerdem hätte ich mir einen reflektierteren Blick auf die Vergangenheit oder zumindest eine Schlussfolgerung aus heutiger Sicht gewünscht.

Somit ist für mich das große Potential, das ihre Lebensgeschichte hat, leider durch einen sehr anspruchslosen Erzählstil verlorengegangen und deshalb gibt's von mir lediglich drei Sterne.

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