Sehr gute, aktuelle und spannende Dilogie
Ein gescheiterter Coup brachte die Prinzessin der Diebe in die Gewalt des gnadenlosen Lords, der nichts mehr begehrt als Macht und Kontrolle. Nun sieht sich Samuel Everett in der Bredouille: rettet er ...
Ein gescheiterter Coup brachte die Prinzessin der Diebe in die Gewalt des gnadenlosen Lords, der nichts mehr begehrt als Macht und Kontrolle. Nun sieht sich Samuel Everett in der Bredouille: rettet er die Frau, die seine Welt auf den Kopf stellte, oder sein Volk?
„(…) 𝘯𝘶𝘯 𝘸𝘢𝘳 𝘦𝘳 𝘣𝘦𝘳𝘦𝘪𝘵, 𝘥𝘪𝘦 𝘚𝘵𝘢𝘥𝘵 𝘪𝘯 𝘥𝘪𝘦 𝘏𝘢𝘯𝘥 𝘴𝘦𝘪𝘯𝘦𝘳 𝘍𝘦𝘪𝘯𝘥𝘦 𝘻𝘶 𝘭𝘦𝘨𝘦𝘯, 𝘧𝘶𝘦𝘳 𝘥𝘢𝘴 𝘓𝘦𝘣𝘦𝘯 𝘥𝘦𝘳 𝘍𝘳𝘢𝘶, 𝘪𝘯 𝘥𝘪𝘦 𝘦𝘳 𝘴𝘪𝘤𝘩 𝘷𝘦𝘳𝘭𝘪𝘦𝘣𝘵 𝘩𝘢𝘵𝘵𝘦.“
Mit „𝐃𝐞𝐫 𝐊𝐨𝐞𝐧𝐢𝐠 𝐝𝐞𝐫 𝐕𝐞𝐫𝐝𝐚𝐦𝐦𝐭𝐞𝐧“ endet die politische Fantasy-Dilogie über „𝐅𝐚𝐢𝐫𝐢𝐞𝐠𝐨𝐥𝐝𝐞𝐧 𝐓𝐨𝐰𝐧“ – es wird spannend, emotional und aufregend.
Diese Story spielt in einer Zeit, nachdem ein Krieg Fairies und Menschen unwiderruflich entzweite und zahlreiche Länder zerstörte. Liverpool scheint sich als Einziges von der Tragödie erholt zu haben, für ein Miteinander zu stehen. Verantwortlich hierfür ist vornehmlich die Skyson-Gang – unter Führung von Cormorant Samuel Everett. Darüber ist der Lord Mayor Chapman, zumindest auf dem Papier die mächtigste Instanz, nicht erfreut und sieht sich jetzt endlich in der Position, diesen Umstand zu ändern …
Haben wir in „𝐃𝐢𝐞 𝐏𝐫𝐢𝐧𝐳𝐞𝐬𝐬𝐢𝐧 𝐝𝐞𝐫 𝐃𝐢𝐞𝐛𝐞“ die Hauptakteure, die aufrührerische, stetig mehr kippende Situation des eigentlich Einheit symbolisierenden Orts kennengelernt, verfolgt, wie sich die Wege der unterschiedlichen Parteien kreuzen und sich die Gefahr in Form eines blutrünstigen Dämons über das Wasser nähert; Einblicke in den existenziell bedrohlichen Plan des Mayors und in die von Ideologien geprägten „Purebreads“ bekommen, geht die Geschichte nun nahtlos weiter. Aufgrund der Zeit, die seit dem Vorgänger vergangen ist, der komplexen Gegebenheiten und der Vielzahl von Perspektiven brauchte ich etwas, um mich erneut in der explosiven Welt einzufinden, aber davon abgesehen hatte ich eine aufregende, eindrucksvolle Lesezeit.
#JenniferBenkau schuf mit ihren eindringlichen Worten, mit lebendigen Szenarien, gewaltvollen Machtdemonstrationen, flotten Dialogen und der brodelnden Stimmung, mit deftigen Konflikten, Rebellion und klugen Diskussionen eine dichte, oft beklemmende Atmosphäre, in der hier und da Hoffnungssprenkel und Witz, Magie und sogar ein Hauch Romantik zu finden sind. Dabei wird auf Schwarz und Weiß, auf klassische HeldInnen, auf Rosapuder verzichtet, sondern auf raue, von Erfahrungen, Erwartungen und (inneren) Narben gezeichnete Charaktere gesetzt, die in moralischen Grauzonen, in dunklen Ecken, agieren. Und das macht Sabria O'Toole, Sebestien, Eliah und Co. nahbar. Verletzlich. Echt.
Rory, die sich zu Beginn ihrer Reise noch nicht über das Ausmaß ihrer Rolle und ihrer »Fracht« bewusst war, rückt nun präsenter ins Geschehen; wird gezwungen, sich mit relevanten und nachhaltigen Themen auseinanderzusetzen, ihr eigenes Vorhaben zu hinterfragen und schwerwiegende Entscheidungen zu treffen.
Eine ebenso große Entwicklung zeigt die Prinzessin der Diebe. Bria wächst über sich hinaus, stellt sich ihrem eigenen Gefühlschaos, ihrer Herkunft und ihren, von einer Gesellschaft, die von Ungerechtigkeiten und Vorurteilen, von Angst und Hass auseinandergerissen wurde, beeinflussten Intentionen. Als Bria auf der Suche nach Antworten auf eine ungeahnte Macht in ihrem Inneren und den damit verbundenen Einfluss stößt, findet sie auch Mut – solchen, der den Verlauf prägt, Samenkorn ist für jene Veränderungen, die Fairies und Menschen brauchen.
Auch Samuel, weiterhin in einer gewichtigen Position und bisher unerschütterlich in seinen Zielen, nicht bereit, Liverpools pluralistische Stellung aufzugeben, wenn gleich der Cormorant schon so viel für seine Stadt gegeben, so viel gesehen und verloren hat, lernen wir noch intensiver kennen. Sein augenscheinlich kaltes und hartes – gleichzeitig reflektiertes und bedachtes – Verhalten, seine Reaktionen, waren nachvollziehbar ausgearbeitet, sodass es einfach war, Verständnis und Mitgefühl zu empfinden. Seine Ideale zu übernehmen und mit ihm zu kämpfen.
Nicht zu vergessen sind Aiven, Kayleigh und all die anderen, die nicht nur den Trupp um Everett vervollständigen, sondern entscheidend sind, Hilfe bringen, Vernunft. Freundschaft und Zusammenhalt symbolisieren, Gleichheit.
Aufgrund der missständigen Situation, in die wir geworfen werden, der vielschichtigen Figuren und zwielichtigen Parteien fließt ganzheitlich eine subtile (An)Spannung mit, eine nervöse, Vorsicht heischende Note, die selbst in ruhigen Abschnitten dazu verführt, achtsam und aufmerksam zu bleiben. Gleichzeitig fasziniert die Autorin mit mystischen Wesen, berührt mit Tragik und erinnert uns daran, wie leicht sich Fairiegolden Town in unsere Realität projizieren lassen kann. Wie schnell sich Hetze ausbreiten, wie einfach Angst geschürt werden, ein Ganzes zerspringen kann. Mit der hier geschilderten, bewussten und systematischen Spaltung eines Reiches, den Anfeindungen und der Ausgrenzung, der endlosen Diskriminierung wird Gänsehaut erzeugt, Melancholie, etwas Düsteres.
Da zwischenmenschliche Dramen, Gefühlswirrwarr und unnötige Ausschweifungen nicht dominieren, sondern sich auf charakterliche sowie für die Stadt essentielle Entwicklungen konzentriert wird, bleiben weder Lücken offen noch Raum für Langeweile.
Jennifers Low-Fantasy-Dilogie enthält interessante Hintergründe, unerwartete Geschehnisse, alles aus dem Gleichgewicht bringende Enthüllungen und rührende Augenblicke. Zusätzlich gibt's Action, Tempo, Spaß und personifizierte Stärke. Für das Ende war ich eigentlich noch nicht bereit, aber hier fügen sich alle Fäden zusammen, Geheimnisse werden gelüftet und Fragen beantwortet, bevor uns ein runder Abschluss umfängt.
Es war gewissermaßen erfrischend, in diese komplexe, tiefgründige und aktuelle Geschichte, die sich doch – gemessen an Anspruch und Themen – deutlich von den Trends abhebt, einzutauchen. Unbedingt mehr davon!
„Fairiegolden Town“ erzählt von dem Mut, für- und miteinander aufzustehen, von dem nie endenden Kampf gegen Vorurteile und ideologisiertes, sich rasend schnell ausbreitendes Gedankengut; für eine Welt, in der Gleichberechtigung und Gleichheit herrschen. Von Freundschaft und Liebe.