Cover-Bild Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: C.H.Beck
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 304
  • Ersterscheinung: 14.02.2019
  • ISBN: 9783406733741
José Eduardo Agualusa

Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer

Roman
Michael Kegler (Übersetzer)

Der angolanische Journalist Daniel Benchimol, frisch und unschön geschieden, träumt immer wieder von einer aparten, eleganten Frau, dann findet er eine Kamera und entdeckt Fotos, auf denen eben diese Frau zu sehen ist, die Künstlerin Moira, die sich mit der Darstellung von Träumen beschäftigt. Sie lernen sich kennen und lieben.
Benchimols Freund, der ehemalige Guerillero und Hotelier Hossi, kann selbst nicht mehr träumen, taucht aber regelmäßig in den Träumen anderer auf, was sogar den kubanischen Geheimdienst auf den Plan ruft, der ihn zeitweilig entführt. Benchimols Tochter Lúcia schließlich träumt von einer freien Gesellschaft, demonstriert mit ihren Freunden gegen die autoritäre Regierung, wandert ins Gefängnis und geht in den Hungerstreik. Ihr Vater setzt alles in Bewegung, um sie zu befreien. In diesem wunderbar poetisch geschriebenen, rebellischen, aber auch komischen Roman geht es um die Sprengkraft, das Geheimnis und den Zauber von Träumen, die kollektiv geträumt, sogar ein Regime zum Abtreten zwingen können. Es geht um private, politische und utopische Träume und um die traumhaft verschlungene, rätselhafte Realität des Lebens selbst. Ein Fest des Erzählens.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.06.2019

Es geht um private, politische und utopische Träume und um die traumhaft verschlungene, rätselhafte Realität des Lebens selbst. Ein erzählerisches Gesamtkunstwerk

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Jose Eduardo Agualusa, Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer, C.H. Beck 2019, ISBN 978-3-406-73374-1
Nachdem sein Roman „Eine allgemeine Theorie des Vergessens“, nominiert für den International Man ...

Jose Eduardo Agualusa, Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer, C.H. Beck 2019, ISBN 978-3-406-73374-1
Nachdem sein Roman „Eine allgemeine Theorie des Vergessens“, nominiert für den International Man Booker Price, im Jahr 2017 bei C.H. Beck erschienen ist, präsentiert der Münchner Traditionsverlag nun das neue Buch des angolanischen Autors Jose Eduardo Agualusa. Seit vielen Jahren schon gilt er nicht nur als ein wichtiger portugiesischsprachiger Schriftsteller, sondern wird auch als einer der wichtigsten zeitgenössischen literarischen Stimmen Afrikas geschätzt und geachtet.

Schon im allerersten Satz des aus vielen unterschiedlichen, vom Autor schließlich hervorragend zusammengeführter Erzählsträngen bestehenden Romans wird das Hauptthema formuliert, das Träumen: "Ich wachte früh auf. Durch das schmale Fenster sah ich längliche, schwarze Vögel ziehen. Ich hatte von ihnen geträumt. Als wären sie nun aus dem Traum in den Himmel geflohen, ein feuchtes Blatt Seidenpapier, dunkelblau und mit bitteren, stockigen Rändern."

Der da träumt und immer wieder als Ich-Erzähler die Geschichte weitertreibt, ist der geschiedene Journalist Daniel Benchimol, der schon im Vorgängerroman auftauchte. Er träumt immer wieder von Menschen, die er erst in der Zukunft kennenlernen wird.

Als er wieder einmal sich im Strandhotel seines alten Bekannten Hossi aufhält, findet Daniel eine Kamera im Meer. Ihre unzerstörten Bilder zeigen eine Frau, die ihm schon in seinen Träumen erschienen ist und die er als Moira, eine in Kapstadt lebende Künstlerin identifiziert.
Auch Moira träumt intensiv und lässt ihre Werke von ihren Träumen inspirieren. So wie Daniel ihre Bilder beschreibt, ist bald klar, dass die beiden sich begegnen werden:

"Ich war von den Fotografien besessen. Ich ließ sie ausdrucken, schaute sie mir vor dem Einschlafen an. Und gleich nach dem Aufwachen wieder. Verbrachte viele verlorene Augenblicke damit, diese nackte Frau anzuschauen, so entrückt, so schön. Ich strich mit den Fingern über ihre kleinen Brüste, ihre langen Beine. Und wenn ich einschlief, traf ich sie in meinen Träumen wieder, nur zog sie nun in der Ferne vorbei, nicht wie ein Mensch, sondern wie eine Landschaft. Nur die schlafwandelnden Vögel redeten mit mir."

Hossi hingegen, ehemaliger UNITA-Kämpfer, leidet darunter, dass er gegen seinen Willen anderen Menschen im Traum erscheint, was teilweise drastische Folgen hat.


Daniels Tochter indes träumt davon, den korrupten Staat zu stürzen. Sie schließt sich einer Aktivistengruppe an, die sich die friedliche Stürmung des Parlaments in Luanda als Ziel gesetzt hat. Bei diesem Versuch wird sie verhaftet. Ihren Traum von einer fairen, unkorrupten Regierung gibt sie dennoch nicht auf.
Dieser Strang des Romans basiert auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 2015, als eine Gruppe jugendlicher Aktivisten um den Rapper Luaty Beirão genau das versucht hatte.

Eine wichtige Rolle spielt auch noch ein brasilianischer Neurowissenschaftler, der in seinem Labor Träume in Bilder verwandelt. Daniel wird dorthin fliegen, um ihn kennenlernen und die Träume der Menschen besser verstehen.

Durch die nichtchronologische Erzählweise Agualusas und die vielen unterschiedlichen Personen und die mit ihnen verbundenen Erzählstränge in Vergangenheit und Gegenwart ist die Lektüre des Buches nicht ganz unanstrengend, jedenfalls solange bis er gekonnt die Stränge zusammenfügt.

„Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer“, im Original, das Michael Kegler gekonnt ins Deutsche übersetzt hat, schon 2017 in Lissabon erschienen, ist ein rebellischer und gleichwohl komischer Roman voller Poesie. Er handelt von der enormen Sprengkraft von Träumen und ihrem Zauber, die, wenn viele Menschen träumen, sogar, wie in Angola tatsächlich geschehen, ein Regime zum Abtreten zwingen können.
Es geht um private, politische und utopische Träume und um die traumhaft verschlungene, rätselhafte Realität des Lebens selbst. Ein erzählerisches Gesamtkunstwerk.


Veröffentlicht am 12.03.2019

Ganz verschiedene Träume in Angola

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Der angolanische Journalist Daniel Benchimol lebt schon lange getrennt von seiner Frau Lucrécia. Der Bruch erfolgte, weil er kritische Artikel zur politischen Lage im Ausland veröffentlichte und Lucrécia ...

Der angolanische Journalist Daniel Benchimol lebt schon lange getrennt von seiner Frau Lucrécia. Der Bruch erfolgte, weil er kritische Artikel zur politischen Lage im Ausland veröffentlichte und Lucrécia sich auf die Seite ihres Vaters, eines reichen Unternehmers, stellte. Daniel strebt nach journalistischen Erfolgen und führt seine Interviews nicht nur in der Realität, sondern auch im Traum. Doch Lucrécias Vater stellt sich seiner Karriere aktiv in den Weg, und nun ist auch die Scheidung vollzogen. Als Daniel kurz darauf schwimmen geht, findet er einen Fotoapparat mit Aufnahmen einer ihm unbekannten einer Frau, die schon mehrfach in seinen Träumen vorkam. Seine Recherche bringt Erstaunliches zutage…

Als ich mit der Lektüre begann, war ich vor allem neugierig auf das Setting des Romans. Ich habe bislang kein Buch über Angola gelesen und kannte mich auch mit der politischen und gesellschaftlichen Situation vor Ort nicht detailliert aus. Dieses Wissen hilft jedoch, um gewisse Dynamiken im Buch zu verstehen, weshalb ich mich parallel zur Lektüre damit beschäftigte. Die wichtigsten Ereignisse findet man als Leser auch hinten im Buch.

Daniel ist ein Charakter, der durch sein Schreiben etwas bewegen will, sich mit Taten aber gleichzeitig zurückhält. Dass er ständig von Interviews träumt beschäftigt ihn, vor allem, als er Fotos einer Frau findet, die ihm bislang nur im Traum begegnet ist. Es handelt sich um Moira, die sich selbst intensiv mit ihren Träumen beschäftigt und diese in Kunstwerken verarbeitet. Auf Daniels Kontaktaufnahme reagiert sie mit Interesse.

Wie der Titel schon sagt spielen Träume in diesem Buch eine zentrale Rolle. Daniel flieht oft aus der Stadt zu seinem Freund, dem Hotelbetreiber Hossi. Dieser erinnert sich nie an seine Träume, doch er selbst erscheint immer wieder in den Träumen von Menschen in seiner Umgebung. Seine Zeit als Guerillo holt ihn gedanklich immer wieder ein, und er hat das Gefühl, dass gewisse Personen noch immer nach ihm suchen. Daniels Tochter, die behütet und von Reichtum umgeben bei ihrer Mutter aufgewachsen ist, träumt von einer anderen Zukunft, seit sie sich mit der Situation im Land auseinandergesetzt hat. Sie wird bei einer Protestaktion gegen den Präsidenten festgenommen und trifft eine folgenschwere Entscheidung.

Der Roman beleuchtet die Situation in Angola sowohl der letzten Jahrzehnte als auch heute. Er spielt sich im wohlhabenderen Umfeld ab und thematisiert vor allem die politische Situation, während die extreme Armut eher eine Nebenrolle spielt. Die vergangenen Bürgerkriege und der Traum von echter Freiheit bewegt die Handelnden. Sie alle haben ein Thema, das sie in besonderem Maße antreibt: Selbstverwirklichung und Wahrheitssuche, das Aufarbeiten der Vergangenheit, Klarheit erlangen über den weiteren Weg und selbst ein Zeichen setzen für eine bessere Zukunft.

Während die Geschichte mehrfach die Perspektive wechselt und durch die Zeit springt bleibt Daniel der Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Dennoch fiel es mir immer wieder schwer, den roten Faden zu finden, denn die Kapitel hängen nur lose zusammen und die Handlung bewegt sich mal hierhin, mal dorthin. Dabei sammelt man als Leser Informationen, die man selbst zusammensetzen muss, um einen Blick aufs große Ganze zu erhaschen. Die Geschichte steckt voller Symbolik, die sich mir nur langsam erschloss. Insgesamt fand ich den Ansatz spannend, sich über das Thema Träume mit der politischen und gesellschaftlichen Lage in Angola zu beschäftigen!