Der (politische Alb)traum vom Meer
Die Geschichte beginnt mit der kleinen Salome, ihrem Vater Arthur und der Großmutter, die dank Salome schon ganze dreimal gestorben ist. Denn Salome war immer ein recht chaotisches Kind. Klavier spielen ...
Die Geschichte beginnt mit der kleinen Salome, ihrem Vater Arthur und der Großmutter, die dank Salome schon ganze dreimal gestorben ist. Denn Salome war immer ein recht chaotisches Kind. Klavier spielen lag ihr leider nicht so, ebenso nicht das Erlernen von Sprachen, was die Großmutter immer wieder sehr enttäuschte. Salomes Vater dagegen führt das Reisebureau Sommer, wie es schon sein Vater vor ihm tat. Zunächst bietet das Reisebureau Urlaube und Ausflüge ins Frankfurter Umland an, doch nach dem Tod der Großmutter keimt in Arthur der Traum von einem Reisebüro in Italien, San Remo, auf. Dafür verbringt die kleine Familie zunächst ihre Sommer in Italien, Salome wird älter, findet eine Schwester, die sie nie hatte, eine Liebe, die mehr schmerzt als wohl tut, und lernt schließlich die dunklen Seiten der Politik der 20er- und 30er-Jahre kennen.
Auf den ersten 100 bis 200 Seiten hatte mich der Roman absolut gecatcht, er hat eine unglaubliche Reiselust gemacht, sei es mit der häufig thematisierten Sehnsucht nach Reisen und Italien zu Beginn des Romans und schließlich dem italienischen Flair, was ich förmlich an den Buchseiten riechen konnte. In meinem Kopf habe ich mich zumindest anfangs unglaublich wohlgefühlt gemeinsam mit Salome in San Remo. Dazu trug auch der Schreibstil der Autorin bei, der zunächst mit viel Leichtigkeit daher kam und von der ersten Seite an sehr ansprechend erzählt hat.
Leider verliert das Buch spätestens nach der Hälfte sehr viel von dieser Leichtigkeit, sämtliche Fröhlichkeit ist zum Ende hin sogar komplett entwichen, was mich ein wenig enttäuscht hat. Da trügen Titel und Cover des Buches durchaus, denn das hier ist keine fröhliche oder gar romantische (Liebes-)Geschichte. Es ist auch keine Geschichte, in der es nur um Italien und den Faschismus ginge - übrigens ein Stück Geschichte, von dem ich tatsächlich sehr wenig weiß. Und ich hätte es durchaus interessant gefunden, hier mehr von zu erfahren und zu lernen. Aber das, was in dieser Geschichte am meisten bedrückt, ist der deutsche Nationalsozialismus. Tatsächlich hatte ich nach Studieren des Klappentextes weniger damit gerechnet, dass er eine größere Rolle einnehmen würde. Demnach also: Meine Vorstellungen vom Buch wichen stark ab von dem, was das Buch letztendlich erzählt. Es ist eine bewegende Geschichte, ja, und ganz sicher keine schlechte, aber die einkehrende Bedrückheit beißt sich mit den sommerlichen Gefühlen, die der Roman zu Beginn in mir geweckt hat.
Auf eine schöne Liebesgeschichte sollte man in diesem Roman ebenfalls nicht hoffen. Zum Ende des Buches fühlt sich der Roman lediglich wie kalte Realität der 30er-Jahre an.
Salome war für mich als Hauptfigur die greifbarste - und auch die einzige, zu der man als Leser zumindest irgendwie eine Verbindung aufbauen konnte. Alle anderen Charaktere wirkten auf mich in irgendeiner Weise mit ihrer Psyche im Unreinen, was den Roman zum Teil zu wirklich schwerer Kost machte.
Leider kann ich abschließend für den Traum vom Meer nur 3 Sterne vergeben, da er für mich am Ende einfach kein Traum vom Meer mehr war. Der Roman verlor spätestens ab der Hälfte mit jeder Seite mehr an Farbe, Fröhlichkeit wich der politischen Düsterkeit. Ein stark politischer Roman, aber keiner für Italien-Fans.