Cover-Bild Die einzige Geschichte
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 304
  • Ersterscheinung: 14.02.2019
  • ISBN: 9783462051544
Julian Barnes

Die einzige Geschichte

Roman
Gertraude Krueger (Übersetzer)

Julian Barnes´ kunstvoller Roman über eine unkonventionelle erste Liebe, die zur lebenslangen Herausforderung wird.»Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden, oder weniger lieben und weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzig wahre Frage.«

Die erste Liebe hat lebenslange Konsequenzen, aber davon hat Paul im Alter von neunzehn keine Ahnung. Mit neunzehn ist er stolz, dass seine Liebe zur verheirateten, fast 30 Jahre älteren Susan den gesellschaftlichen Konventionen ins Gesicht spuckt. Er ist ganz sicher, in Susan die Frau fürs Leben gefunden zu haben, alles andere ist nebensächlich. Erst mit zunehmendem Alter wird Paul klar, dass die Anforderungen, die diese Liebe an ihn stellt, größer sind, als er es jemals für möglich gehalten hätte.

»Die einzige Geschichte« ist ein tief bewegender Roman über die Liebe. Nach »Der Lärm der Zeit« und »Vom Ende einer Geschichte« beweist Bestseller-Autor und Man Booker Prize-Träger Julian Barnes aufs Neue, dass er ein Meister im Ausloten menschlicher Abgründe ist.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.03.2019

Wo hast du nur mein Leben lang gesteckt?

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„Wenn wir von einer neuen Beziehung hören, neigen wir alle dazu, sie in eine bereits bestehende Kategorie einzuordnen. Wir sehen das, was daran allgemein oder üblich ist; dagegen sehen – fühlen – die Beteiligten ...

„Wenn wir von einer neuen Beziehung hören, neigen wir alle dazu, sie in eine bereits bestehende Kategorie einzuordnen. Wir sehen das, was daran allgemein oder üblich ist; dagegen sehen – fühlen – die Beteiligten nur das, was anders und besonders ist.“


Inhalt


Paul Roberts erinnert sich an seine erste Liebe, die er im Tennisclub kennengelernt hat. Ihr Name war Susan und sie hatte 30 Jahre mehr Lebenserfahrung als er. Doch ungeachtet der Tatsache, dass sie verheiratet und Mutter zweier erwachsener Töchter ist, beginnen die beiden eine Affäre. Aber mehr noch, es ist nicht der Sex und das schnelle Abenteuer, was sie suchen, sondern die echte, aufrichtige Liebe. Als Susan nach zwei Jahren ihren Mann verlässt, um mit dem jungen Paul in eine eigene Wohnung zu ziehen, könnte man meinen sie haben es geschafft, allen Konventionen zu trotzen und sind nun frei und voller Leben, um sich auf die gemeinsame Partnerschaft zu freuen. Doch während Paul Jura studiert, sitzt Susan zu Hause und neben ihr die Flasche Alkohol, mit der sie sich betäubt …


Meinung


Paul muss schmerzlich erkennen, das der Feind seiner Liebe nicht die gesellschaftliche Ächtung ist und auch nicht der Bruch mit Freunden und Familie, sondern das die Gefahr im Inneren lauert und mit vernichtender Kraft ihre Wirkung zeigt – erst im Alter söhnt er sich mit all dem aus und erzählt sie hier, diese einmalige Geschichte seines Lebens, an die kein anderes Ereignis jemals herangereicht hat.

Auf dieses Buch aus der Feder des englischen Erfolgsautors Julian Barnes war ich sehr gespannt, zum einen weil ich bereits seinen Roman „Vom Ende einer Geschichte“ gelesen habe und zum anderen, weil mich die hier angedeutete Beziehung mit einem Paar, dessen Manko ein großer Altersunterschied ist, sofort und nachhaltig an meine eigene Geschichte erinnert hat. Zu gern wollte ich erfahren, was die Anforderungen dieser Beziehung über viele Jahre hinweg sind und wie die Protagonisten damit umgehen. Doch schon nach kurzer Zeit wird klar, dass sich der Autor auf ein ganz anderes Problem konzentriert und die Dramatik, die in der Tatsache zweier aufeinanderprallender Generationen liegt, bleibt dabei weitestgehend auf der Strecke. Meinen ursprünglichen Erwartungen entspricht dieses Buch deswegen nicht.

Trotzdem ist es eine aufrüttelnde, philosophische Geschichte über die Liebe, die Außenstehende nur schwer verstehen können und letztlich über das Leben selbst, denn Paul, nun mittlerweile ein reifer Mann erinnert sich an die Anfänge, an die Euphorie ebenso wie an den folgenden Schmerz, die Ohnmacht und die lebenslange Frage nach der Schuld und seinem Anteil daran.

Literarisch gliedert sich der Text in drei Teile, die sich wesentlich voneinander unterscheiden, indem zwar immer Paul der Erzähler ist, sich aber die Distanz zwischen ihm und seinem Leben mit Susan weiter manifestiert, indem er vom verbindenden „ich“ zum neutralen „du“ und letztlich zum resümierendem „er“ wechselt. Dadurch wird die Reifung des Protagonisten nachhaltig und beeindruckend sichtbar, vor allem für den Leser, der mit dem „jungen Paul“ nur wenig Gemeinsamkeiten hat aber auch für die, die den „alten Paul“ nicht recht verstehen. Es ist eine Aufarbeitung und ein Aussöhnen mit einem gelebten Leben und einer gescheiterten Liebe.

Inhaltlich scheut sich der Autor vor keiner Wahrheit, ganz im Gegenteil. Das Hinterfragende, die Suche nach der Wahrheit, die vielen Rückschläge und das ewige Auf und Ab der Geschichte bilden die Basis dieses Textes. Um daran Gefallen zu finden, muss man sich als Leser zurücknehmen, manches zweimal lesen und versuchen hinter der offenkundigen Entwicklung die tieferen Ursachen zu erkennen. Das macht diesen Roman aber ungemein einprägsam und sorgt dafür, dass man sich tief und nachhaltig mit dem Thema auseinandersetzt, die verschiedenen Möglichkeiten abwägt und seine eigenen Aspekte und Erfahrungen zu Rate zieht. Dieses Einbeziehen des Lesers in den fiktiven Text, macht eindeutig die Kunst eines guten Schriftstellers aus, ohne Wertung ohne Vorwurf und noch nicht einmal um Akzeptanz bittend erzählt Paul aus seinem Leben mit Susan und später ohne sie.

Susan selbst, die tragische Figur an Pauls Seite, wirkt nur durch seine Beschreibungen, mehr aus zweiter Hand als durch tatsächliches in Erscheinung treten. Trotzdem gelingt es ein ausgewogenes, differenziertes Bild auch von ihrer Person wahrzunehmen. Einer Frau, die unter einer jahrelangen, lieblosen, gewalttätigen Ehe gelitten hat und der es erst durch Paul möglich war, noch einmal, wenn auch nur kurz aus ihrer Lethargie zu erwachen. Und so stellt sie ihm die in Erinnerung gebliebene Frage, wo er nur ihr Lebtag lang gesteckt hat und das wiederrum nimmt man ihr ab. Wer sucht ihn nicht, den Partner, der alles zum Strahlen bringt mit seiner bloßen Anwesenheit?


Fazit


Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen zeitgenössischen, belletristischen Roman, der jedem Leser die ganz persönliche Frage stellt, ob es besser ist, mehr zu lieben und damit auch mehr zu leiden oder ob es erträglicher scheint weniger zu lieben und damit weniger zu leiden. Melancholisch, stellenweise sehr traurig und letztlich versöhnlich erleben wir hier die Geschichte einer einmaligen Liebe, die ihre Spuren hinterlassen hat. Ich vergebe eine uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die gern hinter die Fassade schauen und sich mit den wichtigen Fragen des Lebens auseinandersetzen möchten. Ein intensives, prägendes Lesevergnügen, mit viel Raum zum Interpretieren. Ein Buch, bei dem man auch nach mehrmaligem Lesen immer noch etwas neues entdecken kann, nur nicht unbedingt die Antwort auf die Frage, warum ein 19-Jähriger und eine 48-Jährige miteinander ihr Glück versucht haben.

Veröffentlicht am 14.03.2019

Liebe und ihre Schattenzeiten

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Wie viele Gesichter hat die Liebe? Wie viele Geschichten gibt es über die einzige Liebe? Ist die erste Liebe die wahre Liebe, die die einen für den Rest des Lebens prägt. Eine Art Stempel, den man für ...

Wie viele Gesichter hat die Liebe? Wie viele Geschichten gibt es über die einzige Liebe? Ist die erste Liebe die wahre Liebe, die die einen für den Rest des Lebens prägt. Eine Art Stempel, den man für den Rest seines Lebens mit sich herumschleppt? Was ist Liebe und was ist bloße Abhängigkeit? Wo fängt die Liebe an und wo endet diese? Stirbt die einzige wahre Liebe schnell oder langsam? Wie intensiv will man die einzig wahre Liebe erleben? Ist die erste wahre einzige Liebe nur ein Trugbild und dazu bestimmt zu scheitern?
Zu viele Fragen auf einmal?
In dieser einzigen Geschichte geht es um eine unkonventionelle erste Liebe. Ein junger Bursche, der noch „grün“ hinter den Ohren ist verliebt sich Hals über Kopf in eine reifere und noch dazu verheiratete Frau. Es folgt eine heftige stürmische Affäre, die beiden so einiges abverlangt. Doch so eitel Sonnenschein, wie diese Beziehung diese Liebe auf den ersten Blick wirkt ist diese nicht. Dunkle Wolken ziehen auf, die beide gekonnt ignorieren, bis sie es nicht mehr können. Susan hat schwerwiegende Probleme. Und Paul läuft lange Zeit mit der rosaroten Brille herum, ja bis er sie sich abreizt und den Tatsachen ins Augen blickt. Er droht an der Situation zu zerbrechen und zieht grad noch rechtzeitig die Reizleine. Doch kommt der wirklich glimpflich davon? Welche prägende Wirkung hat diese einzige Liebe auf ihn? Findet es heraus…
Der Autor hat einen flüssigen Schreibstil, der den Leser fesselt und ihn mit auf eine Reise nimmt. Die Protagonisten haben ein ganz spezielles Charisma, das dem Leser zwiespältig zurücklässt. Soll man die Protagonisten lieben oder hassen? Ich für meinen Teil habe sie erst gehasst und am End doch ins Herz geschlossen. Nicht zu letzt auch deshalb, weil man die Entwicklung der Personen sehr genau mitbekommt und auch mit ihnen mit leidet. Auch wenn sie mir an so manchen Stellen einfach zu oberflächlich war, weil der Autor mit Details sehr sparsam umgegangen ist und sich wirklich nur auf das Wesentliche konzentriert hat.
Fazit: Wollt Ihr gerne eine unkonventionelle Liebesgeschichte lesen? Wo nicht alles glatt läuft? Wo man hinter die Fassade blicken kann, wenn der Lack ab ist? Dann seit ihr bei diesem Roman genau richtig. Lasst euch in eine andere Zeit entführen und begleitet Susan und Paul ein Stück ihres Lebens.

Veröffentlicht am 13.03.2019

Wundervoll

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Julian Barnes ist ein unglaublich guter Autor, was er auch in seinem Werk "Die einzige Geschichte" wieder unter Beweis stellt.

In "Die einzige Geschichte" dessen Cover schon durch seine Einzigartigkeit ...

Julian Barnes ist ein unglaublich guter Autor, was er auch in seinem Werk "Die einzige Geschichte" wieder unter Beweis stellt.

In "Die einzige Geschichte" dessen Cover schon durch seine Einzigartigkeit besticht, geht es um eine unkonventionelle Liebe zwischen dem 19 Jahre alten Paul und der fast 30 Jahre älteren und verheirateten Susan. Ein Thema, über das ich bisher so noch nicht gelesen habe. Während Paul davon überzeugt ist, dass Susan die Liebe seines Lebens ist und er sie niemals aufgeben wird. Die konventionelle Liebe scheint ihm ganz egal zu sein, er schämt sich nicht und steht zu seiner Susan. Doch je älter Paul wird, umso weiter öffnen sich seine Augen über diese Liebe, die so einzigartig und seine erste und wahre Liebe sein sollte.

Mein Fazit:
Ich bin hin und weg von diesem wunderbaren Roman, denn Barnes schafft es mit seiner unkonventionellen Romanze ein heikles Thema in ein kleines Kunstwerk zu verwandeln. Die Anforderungen an die Liebe und die Liebenden selber, die Hürden, die ja gerade in diesem Altersunterschied bestehen, werden vom Autor unglaublich gut analysiert dargestellt.

Die Charaktere im Wandel sind in den drei Abschnitten genauso lobend zu erwähnen. D enn die Atmosphäre wird durch die Erzählveränderungen des Protagonisten besonders manipuliert. Ich fand diese Art und Weise der Erzählung unglaublich gut.

Ich kann dieses Werk sehr empfehlen, denn es handelt sich hier wirklich um eine einzigartige Liebesgeschichte mit einem besonderen Flair.

Veröffentlicht am 13.03.2019

Omnia vincit amor – oder doch nicht?

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Warum habe ich mich für das Buch entschieden?
Ich fand vor allem die Leseprobe des Buches sehr vielversprechend, sie machte ich neugierig, was Paul so erleben wird.

Cover:
Mich hat irgendwie der durchgestrichene ...

Warum habe ich mich für das Buch entschieden?
Ich fand vor allem die Leseprobe des Buches sehr vielversprechend, sie machte ich neugierig, was Paul so erleben wird.

Cover:
Mich hat irgendwie der durchgestrichene Text des Covers irritiert. Ich musste erst zweimal hinsehen, um zu kapieren, dass es identisch der gleiche Text ist nur nicht handgeschrieben. Ich finde es zwar schön, dass es nicht mit Bildern oder ähnlichem überladen ist, aber mir fehlte hinten der Klappentext (auch wenn das Zitat vom Buchbeginn sehr schön ist).

Inhalt:
»Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden, oder weniger lieben und weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzig wahre Frage.«
Das ist der erste Satz im Buch und beschreibt wunderbar den Kern der Handlung. Paul ist mit seinen jungen 19 Jahren stolz, der Liebhaber der 30 Jahre älteren und verheirateten Susan zu sein. Leider bleibt nicht alles immer nur Sonnenschein.

Handlung und Thematik:
Die Handlung beginnt gemächlich aber dennoch nicht uninteressant. Im Mittelteil nimmt sie so richtig Fahrt auf. Im letzten Drittel ist leider nur noch wenig Neues dabei, sondern ein Großteil nur noch Wiederholungen und kritische Gedanken. Besonders im zweiten Drittel stellte Julian Barnes gut dar, dass man in der Liebe nicht immer nur profitiert und vor allem, dass es schwierige Zeiten geben kann. Es regte auf alle Fälle zum Denken an, dass nicht immer das kurzfristige Liebesvergnügen die gesamte Zukunft bestimmen sollte.

Charaktere:
Paul ist fast das ganze Buch über sehr naiv und jugendlich. Ohne an Konsequenzen zu denken setzt er immer nur seinen Willen durch. Als er im Mittelteil Opfer für Susan gebracht hat, hatte er kurz meine Anerkennung. Leider verlor sich das ganze wieder.
Susan passte gut zu Paul. Auch sie wirkte jugendlich und naiv, ja fast schon unreif für ihr Alter. Dadurch, dass Gordon ihr erster und einziger Mann war, war klar, dass sie nochmal etwas erleben musste. Leider wurde ich nicht wirklich warm mit ihr. Sie wirkte oft zornig und gefühlskalt.

Schreibstil:
Ich fand es großartig, wie das Buch begann! Das Buch begann in der ersten Person Singular, also direkt Pauls Ich-Perspektive, in der er sogar den Leser direkt ansprach. Man konnte sich super hineinversetzen und wurde mitgerissen. Ca. ab Seite 150 änderte sich der Erzählstil in die zweite Person Singular, was mich schon ein bisschen störte, da es besonders auffällig war und ich mich im Lesefluss gestört gefühlt habe. Ich konnte keine Verbindung mehr zu Paul empfinden, was es schwieriger machte, da mir der Charakter auch nicht so sympathisch war. Als dann im hinteren Drittel die Perspektive noch in die dritte Person Singular wechselte und auch die Handlung nur noch aus Wiederholungen und kritischen Gedanken dazu bestand, verging mein Lesevergnügen völlig. Ich hätte mir eine größere Ausarbeitung des Mittelteils gewünscht, das Ende hätte man kürzer fassen können. Was mir auf alle Fälle noch gut gefallen hat, waren die Metaphern und Umschreibungen, die der Autor stellenweise gewählt hat.

Persönliche Gesamtbewertung:
Ein nettes Buch mit einigen wundervollen Metaphern, aber das Ende fand ich anstrengend. Es ging nicht um die typische Liebesgeschichte „Und sie lebten glücklich bis in alle Zeit“, sondern eher um eine wahre Geschichte, die sich bei unseren Großeltern abspielen hätte können. Julian Barnes regte durch die kritischen Elemente sehr zum Denken an. Leseempfehlung, die genug von seichten Liebesschnulzen haben und mit der dritten Person Singular leben können

Veröffentlicht am 07.03.2019

Die erste Liebe bestimmt das ganze Leben

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Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden oder weniger lieben und weniger leiden?“, fragt Julian Barnes zu Beginn seines neuen Romans „Die einzige Geschichte“. Es geht darin um eine große, unkonventionelle ...

Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden oder weniger lieben und weniger leiden?“, fragt Julian Barnes zu Beginn seines neuen Romans „Die einzige Geschichte“. Es geht darin um eine große, unkonventionelle Liebe und um vertraute Themen aus früheren Barnes-Romanen: Schuld, Konventionen, Pflichtgefühl, Scham, Wahrheit und Erinnerung.

„Ich versuche hier nicht, Ihnen eine Geschichte auszumalen; ich versuche, Ihnen die Wahrheit zu erzählen.“, verspricht der etwa 70-jährige Paul, der sein Leben und seine große Liebe resümiert. Sein Erinnern gliedert er in drei Teile, für die er drei verschiedene Erzählperspektiven wählt, im ersten Teil die Ich-Perspektive. Paul ist ein 19-jähriger, langhaariger Student aus einem wohlhabenden Londoner Vorort, der sich im Tennisclub unsterblich in die 48-jährige Ehefrau und Mutter Susan Macleod verliebt, deren beide Töchter älter sind als er, und seine Liebe wird erwidert. Was auf mich von Pauls Seite zunächst wie eine vorübergehende Rebellion gegen die spießbürgerlichen Konventionen der 1960er-Jahre wirkte, von Susans Seite als Ausbruch aus einer trostlosen, gewaltbasierten Ehe, entpuppt sich als langanhaltende Verbindung. Doch bereits am Ende des ersten Teils, als beide nach etwa zwei Jahren zusammenziehen, deutet Paul den weiteren Verlauf der Beziehung an: „Ich werde sie immer in guter Erinnerung behalten, versprach ich mir. Und ich würde auch alles andere in guter Erinnerung behalten, wenn ich könnte. Aber das kann ich nicht.“

„10 oder mehr Jahre“ leben Susan und Paul in London unter einem Dach, doch der zweite Teil des Romans, der jetzt schon überwiegend in der Du-Perspektive erzählt ist, ist eine Zeit des Zweifels und der Verzweiflung. Susan verfällt mehr und mehr dem Alkohol und Paul kann sie nicht retten, so sehr es auch versucht. Dieser Teil war für mich der intensivste und großartigste des Romans, denn mit Ausnahme von Arno Surminskis „Malojawind“ habe ich die Suchtproblematik noch nie so ergreifend geschildert gefunden - mit allen Hoffnungen, Abstürzen, erfolglosen Rettungsversuchen und Schuldgefühlen.

Nach diesem grandiosen Mittelteil war ich sehr gespannt, ob der dritte Teil dieses Niveau würde halten können, und ich wurde nicht enttäuscht. Ein abgeklärter Erzähler berichtet nunmehr in der dritten Person über die letzten 20 Jahre, philosophiert über die Liebe und das Leben, über sein „verödetes Herz“, seine Heimatlosigkeit nach der aus Selbstschutz vollzogenen Trennung. Diese Bilanz ist der zugleich melancholischste und doch versöhnlichste Teil des Buches. Auch das zunächst rätselhafte Cover erklärt sich hier wie von selbst. Nur einmal kehrt Paul am Schluss noch zur Ich-Perspektive zurück, als er die letzte Begegnung kurz vor Susans Tod schildert: „... ja, ich glaube, ich habe die Schuldgefühle jetzt wohl hinter mir. Doch mein übriges Leben, oder was davon geblieben ist und weiterhin bleiben wird, rief wieder nach mir.“

Mich begeistert dieser Roman von Julian Barnes sogar noch mehr als „Vom Ende einer Geschichte“, für den er 2011 den Man Booker Prize erhielt.