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inkl. MwSt
- Verlag: Schenk Verlag
- Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft
- Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
- Seitenzahl: 98
- Ersterscheinung: 10.2024
- ISBN: 9783949045288
Gibt es jemanden, der Sie liebt?
Elvira Bormann (Übersetzer)
Vorwort des Autors
Der alte Gadamer behauptet, jede Epoche verleihe einem Roman einen anderen Sinn. Wenn die Menschen des Jahrhunderts der Aufklärung, also des 18. Jahrhunderts, den Don Quijote auf eine Weise gelesen und verstanden haben, so lesen und verstehen ihn die Menschen von heute auf eine andere, und zwar sehr unterschiedliche Weise. Sollte jemand der Meinung sein, ich stellte einen Vergleich an, bei dem die Gegenwart den Kürzeren zieht, dann ist das sein ganz persönlicher Rückschluss. Ich glaube nicht, dass eine Zeit klüger ist als eine andere. Und nur, weil man das 18. Jahrhundert als das der Aufklärung bezeichnet, heißt das noch lange nicht, dass in ihm nicht auch jede Menge ungebildeter Dummköpfe gelebt haben – und genauso wenig, dass in unserer Zeit nicht Millionen außergewöhnlich kluger und sensibler Menschen leben würden. Dem Gedanken von Gadamer würde ich noch eine eigene Beobachtung hinzufügen: Die Lektüre eines Romans in jungen Jahren unterscheidet sich völlig von der Art, wie wir diesen Roman in reiferen Jahren oder im Alter lesen! Mehr noch: Haben wir einen Roman zu einer Zeit gelesen, in der der Autor uns vollkommen unbekannt war, so war das völlig anders, als wenn uns bei der Lektüre der Name des Autors schon viel sagt. Man liest einen Roman sogar anders, wenn man es immer nur morgens tut, als wenn die Lektüre abends stattfindet. Lies ein Buch, wenn es dir finanziell richtig gut geht, und lies es, wenn du extrem arm bist – das ist, als ob du unterschiedliche Bücher gelesen hättest. Und sogar das noch: Lies ein Buch auf einem Minibildschirm und dann noch einmal wunderschön gedruckt auf herrlichem, zartem, duftendem Luxuspapier, schön gebunden – du wirst das Gefühl haben, zwei verschiedene Bücher gelesen zu haben. Überhaupt scheint mir, dass jede Lektüre eines Buches in unserer Seele ein neues Buch entstehen lässt.
Wenn ich bisweilen traurig bin, schlage ich ein Buch auf, das ich gut kenne. Und ich entdecke, dass ich es doch nicht so gut kenne. Es enthält Neues. Obwohl ich es kenne, spüre ich eine neue Erregung. Denn das Buch als Gegenstand ist vielleicht dasselbe, doch ich bin es nicht mehr. Das neue Gefühl macht mir Mut und gibt mir Hoffnung. Und schon bin ich nicht mehr traurig.
Der alte Gadamer behauptet, jede Epoche verleihe einem Roman einen anderen Sinn. Wenn die Menschen des Jahrhunderts der Aufklärung, also des 18. Jahrhunderts, den Don Quijote auf eine Weise gelesen und verstanden haben, so lesen und verstehen ihn die Menschen von heute auf eine andere, und zwar sehr unterschiedliche Weise. Sollte jemand der Meinung sein, ich stellte einen Vergleich an, bei dem die Gegenwart den Kürzeren zieht, dann ist das sein ganz persönlicher Rückschluss. Ich glaube nicht, dass eine Zeit klüger ist als eine andere. Und nur, weil man das 18. Jahrhundert als das der Aufklärung bezeichnet, heißt das noch lange nicht, dass in ihm nicht auch jede Menge ungebildeter Dummköpfe gelebt haben – und genauso wenig, dass in unserer Zeit nicht Millionen außergewöhnlich kluger und sensibler Menschen leben würden. Dem Gedanken von Gadamer würde ich noch eine eigene Beobachtung hinzufügen: Die Lektüre eines Romans in jungen Jahren unterscheidet sich völlig von der Art, wie wir diesen Roman in reiferen Jahren oder im Alter lesen! Mehr noch: Haben wir einen Roman zu einer Zeit gelesen, in der der Autor uns vollkommen unbekannt war, so war das völlig anders, als wenn uns bei der Lektüre der Name des Autors schon viel sagt. Man liest einen Roman sogar anders, wenn man es immer nur morgens tut, als wenn die Lektüre abends stattfindet. Lies ein Buch, wenn es dir finanziell richtig gut geht, und lies es, wenn du extrem arm bist – das ist, als ob du unterschiedliche Bücher gelesen hättest. Und sogar das noch: Lies ein Buch auf einem Minibildschirm und dann noch einmal wunderschön gedruckt auf herrlichem, zartem, duftendem Luxuspapier, schön gebunden – du wirst das Gefühl haben, zwei verschiedene Bücher gelesen zu haben. Überhaupt scheint mir, dass jede Lektüre eines Buches in unserer Seele ein neues Buch entstehen lässt.
Wenn ich bisweilen traurig bin, schlage ich ein Buch auf, das ich gut kenne. Und ich entdecke, dass ich es doch nicht so gut kenne. Es enthält Neues. Obwohl ich es kenne, spüre ich eine neue Erregung. Denn das Buch als Gegenstand ist vielleicht dasselbe, doch ich bin es nicht mehr. Das neue Gefühl macht mir Mut und gibt mir Hoffnung. Und schon bin ich nicht mehr traurig.
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