Cover-Bild Der Zopf
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: S. FISCHER
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 288
  • Ersterscheinung: 21.03.2018
  • ISBN: 9783103973518
Laetitia Colombani

Der Zopf

Roman
Claudia Marquardt (Übersetzer)

Der SPIEGEL-Bestseller - Drei Frauen, drei Leben, drei Kontinente – dieselbe Sehnsucht nach Freiheit
Ergreife Dein Glück - überall auf der Welt kannst Du es finden!

Die Lebenswege von Smita, Giulia und Sarah könnten unterschiedlicher nicht sein. In Indien setzt Smita alles daran, damit ihre Tochter lesen und schreiben lernt. In Sizilien entdeckt Giulia nach dem Unfall ihres Vaters, dass das Familienunternehmen, die letzte Perückenfabrik Palermos, ruiniert ist. Und in Montreal soll die erfolgreiche Anwältin Sarah Partnerin der Kanzlei werden, da erfährt sie von ihrer schweren Erkrankung.
Ergreifend und kunstvoll flicht Laetitia Colombani aus den drei außergewöhnlichen Geschichten einen prachtvollen Zopf.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.06.2018

Fesselnde Geschichte über drei starke Frauen auf drei Kontinenten

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Die Autorin erzählt in „Der Zopf“ die Geschichte von drei ganz unterschiedlichen Frauen auf drei Kontinenten:
In Indien kämpft Smita darum, dass ihre kleine Tochter zur Schule gehen und Lesen und Schreiben ...

Die Autorin erzählt in „Der Zopf“ die Geschichte von drei ganz unterschiedlichen Frauen auf drei Kontinenten:
In Indien kämpft Smita darum, dass ihre kleine Tochter zur Schule gehen und Lesen und Schreiben lernen darf, was für Unberührbare wie sie nicht vorgesehen ist. Guilia in Sizilien muss mit Anfang 20 feststellen, dass das Familienunternehmen ihres Vaters vor dem Ende steht, wenn sie nicht etwas ändert. Und Sarah in Kanada, die eine erfolgreiche Anwältin ist und sich gleichzeitig als alleinerziehende Mutter um ihre drei Kinder kümmert, bekommt eine schreckliche Krankheitsdiagnose.


Meine Meinung:
Der Roman „Der Zopf“ hat mich trotz seiner Kürze extrem gefesselt. Die klare und direkte, dennoch sehr sprachgewaltige Schreibweise hat mich so bewegt, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte zu lesen. Besonders gelungen fand ich, dass sich die drei Perspektiven der Frauen Smita, Guilia und Sarah in kurzen Kapiteln abwechseln. Oft enden die Kapitel in solch einem Cliffhanger, dass man sofort wissen möchte, wie gerade dieser Erzählstrang bei dieser Frau weitergeht.
Alle drei Frauen sind starke Charaktere, ganz wunderbar gezeichnet in ihren inneren Konflikten, auch in ihrer Zerrissenheit, aber vor allem aber in ihrem ganz besonderen und bewundernswerten Mut!
Die Geschichten sind wirklich bewegend und ich habe über die Lebensumstände gerade in Indien vieles „ganz nebenbei“ gelernt, was ich in der Detailtiefe nicht wusste, obwohl ich schon einmal in Indien war. Besonders diese Lebensumstände haben mich sehr berührt.
Die Autorin schafft es sehr gut, auf wenigen Seiten unglaublich viel rüberzubringen und zu bewegen, vor allem aber allen Frauen Mut zu machen, ihren Weg zu gehen.


Fazit:
Mich hat das Buch sehr berührt und ich kann es nur jedem ans Herz legen, der sich intellektuell und emotional mit der Geschichte von drei starken Frauen beschäftigen möchte.

Veröffentlicht am 23.06.2018

Drei Frauenschicksale

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Warnung! Der Klappentext verrät zu viel! Wenn möglich nicht vorher lesen!

Ein richtiger Zopf besteht aus drei einzelnen Strähnen, die sich am Ende zusammenfügen. Genauso ist dieser Roman von Laetitia ...

Warnung! Der Klappentext verrät zu viel! Wenn möglich nicht vorher lesen!

Ein richtiger Zopf besteht aus drei einzelnen Strähnen, die sich am Ende zusammenfügen. Genauso ist dieser Roman von Laetitia Colombani. Er erzählt von drei sehr unterschiedlichen Frauen, die auf den ersten Blick nicht wirklich viel gemeinsam haben. Und doch verbindet sie einiges...

Die Geschichten der drei Frauen wechseln sich immer wieder ab. Wir lesen zuerst über Smita aus Indien, dann über Giulia aus Sizilien und Sarah aus Kanada und jeder Part endet mit einem kleinen Cliffhanger, sodass man das Gefühl bekommt einfach weiterlesen zu wollen. So begleiten wir abwechselnd Smita, Giulia und Sarah in ihren sehr verschiedenen Leben.

Die Autorin hat mich besonders mit dem Strang rund um Smita beeindruckt. Diese ist eine Dalit, eine Unberührbare, die am untersten Ende der Gesellschaft steht. Sie hat keinerlei Rechte und null Chancen mehr aus ihrem Leben machen zu können. Die Beschreibung ihrer Aufgabe, der Einsammlung von Exkrementen höher gestellter Inder wird sehr eindringlich beschrieben. Den Gestank konnte ich durch die lebendige Beschreibung fast riechen. Ebenso erfährt man detailiert von der Arbeit ihres Ehemann Nagajaran, einem Rattenfänger. Sein Fang ist das tägliche Essen seiner Familie. Lohn erhält Smita keinen, bestenfalls ein paar Essenreste. Smita's größter Wunsch ist es ihre Tochter Lalita in die Schule zu schicken und ihr ein ähnliches Schicksal als Müllsammlerin zu ersparen. Mit Nagajaran hat sie einen guten Ehemann gefunden und die Beiden geben ihr gesamtes Erspartes einem Lehrer, damit Lalita die Schule besuchen kann. Dieser nimmt das Geld, verwehrt Lalita aber den Unterricht. Smita kann diese Schmach nicht hinnehmen und flieht mit ihrer Tochter...
Man erfährt in Smitas Abschnitt sehr viel über das Kastensystem, dem Glauben, die Armut und die Diskriminierung von Frauen. Nachdem man die Verbrennung der Witwen großteils abgeschafft hat, haben diese Frauen denselben Status wie Dalits und werden geächtet. Es ist schockierend zu lesen, wie Frauen in Indien behandelt und die Gesetzte missachtet werden.

Der Abschnitt um Giulia in Sizilien konnte mich anfangs nicht sofort begeistern. Giulia ist die jüngste Tochter der letzten sizillianischen Perückenmanufaktur in Palermo. Hier werden noch Echthaarperücken aus ausschließlich sizilianischen Haaren geflochten. Im Gegensatz zu ihren Schwestern interessiert sie sich für das kleine Firmenunternehmen und arbeitet selbst fleißig mit. Giulia möchte später in die Fußstapfen des Vaters treten. Das passiert allerdings schneller als ihr lieb ist, denn als ihr Vater nach einem Verkehrsunfall im Koma liegt, entdeckt sie, dass die Firma hoch verschuldet ist und auch der Privatbesitz samt Haus gepfändet werden kann. Ihre Mutter und ihre Schwestern tendieren zur Aufgabe der Fabrik. Kunsthaar oder Haare aus anderen Ländern kommen nicht in Frage. Sie bestehen auf Tradition oder Verkauf, doch Giullia glaubt an Weiterentwicklung und will nicht so schnell aufgeben. Als sie sich in einem Mann mit Flüchtlingsstatus verliebt, beginnt sie zu kämpfen - für die Fabrik, die Arbeiter und die Liebe.

Die Dritte im Bunde ist Sarah, die in Montreal, Kanada lebt. Sie erscheint neben Smita und Giulua wie ein Mensch von einem anderen Stern. Sie ist eine Karrierefrau, alleinerziehend und steht kurz davor Partner in der Anwaltskanklei zu werden, in der sie arbeitet. Als Frau muss sie noch härter arbeiten, Schwäche ist unerwünscht, denn "In einem Haifischbecken sollte man lieber nicht bluten". Sarah lebt den Perfektionismus und hat alles im Griff....bis ihr das Schicksal ein Schnippchen schlägt und sie schwer erkrankt. Sie verschweigt ihre Krankheit, wie sie auch ihre Kinder verschwiegen hat und bemerkt sehr schnell, dass Schwäche und Krankheit ein Hindernis ist, um mitspielen zu dürfen...

Sehr gefallen hat mir der Aufbau des Romans - die drei Handlungsstränge, die einander beeinflussen und sich am Ende verbinden...wie ein Zopf.

Smitas Erzählstrang ist eindeutig am intensivsten und hat mich sehr berührt. Alle drei Protagonistinnen kämpfen gegen Diskriminierung, Ausgrenzung, Missachtung der Menschen- und Frauenrechte und für ein besseres Leben, manchmal auch ums Überleben. Der rote Faden der sich durch den Roman zieht, ist das Haar. Für alle drei Frauen haben Haare eine besondere Bedeutung, die ich hier nicht verraten möchte.

Inhaltlich steckt in diesem nur 288 Seiten starken Buch sehr viel. Einzig die Nebenfiguren blieben etwas blass. Die Autorin hat sich größtenteils auf ihre drei Protagonistinnen fixiert.
Das Ende fand ich etwas abrupt und hier hätte ich mir gerne noch mehr Seiten gewünscht. Es werden zwar die wichtigsten Fragen beantwortet, es bleiben jedoch ein paar davon offen. Man kann sich aber selbst das weitere Schicksal von Smita, Giulia und Sarah vorstellen und blickt auf einen hoffnugsvollen Ausgang der Geschichte.

Schreibstil:
Der aussagekräftige und klare Schreibstil der Autorin hat mir sehr gut gefallen. Laetitia Colombani schreibt sehr einfühlsam und bildhaft. Dialoge gibt es kaum, dafür viel indirekte Rede. Die Gedanken und Gefühle von Giulia und Sarah hätten noch mehr in die Tiefe gehen können.


Fazit:
Ein bemerkenswerter Debutroman über drei beeindruckende Frauen, der mir noch lange im Gedächtnis beleiben wird. Gerne hätte ich noch mehr über Smita, Giulia und Sarah gelesen...ein paar mehr Seiten hätten der Geschichte gut getan. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 20.06.2018

Starke Frauen

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Dieses Buch beleuchtet bruchstückahft das Leben dreier Frauen, das unterschiedlicher nicht sein könnte. Während Sarah sich in Amerika mit den typischen Diskriminierungproblemen einer berufstätigen, alleinerziehenden ...

Dieses Buch beleuchtet bruchstückahft das Leben dreier Frauen, das unterschiedlicher nicht sein könnte. Während Sarah sich in Amerika mit den typischen Diskriminierungproblemen einer berufstätigen, alleinerziehenden Frau herumschlagen muss, sehen sich Giulia und Smita mit Problemen konfrontiert, die gefühlt aus einer vergangenen Zeit stammen könnten (und es eigentlich auch sollten).

Wie stark und ungebeugt alle drei darauf reagieren und gegen ihre widrigen Umstände ankämpfen ist beeindruckend. Umso schrecklicher empfinde ich es als Leser, dass solche Probleme, wie Zwangsehe, Diskriminierung aufgrund von Glauben oder Geschlecht und vor allem das Kastensystem in Indien auch heute noch existieren und gelebt werden.

Das Buch offenbart die Umstände der drei Frauen schonungslos und beschönigt nichts. Der Schreibstil ist schnörkellos und geradlinig, was die Geschichte umso eindringlicher wirken lässt.

Ein kleines Manko ist die relative Kürze des Romans: Die vielen wichtigen themen, die hier angeschnitten werden, hätten locker noch ein paar hundert Seiten mehr vertragen. Ich hätte auch gerne die drei Frauen noch weiter auf ihrem Weg begleitet. So ist es eben nur ein Ausschnitt aus ihrem Leben, eindringlich und nachdenklich stimmend, aber eben nur eine Momentaufnahme.

Fazit:
Jede Frau sollte dieses Buch lesen. Es lässt einen demütig über das Glück nachdenken, dass man selbst hat, so behütet aufgewachsen sein zu dürfen!

Veröffentlicht am 19.06.2018

Der Zopf - drei Frauenschicksale und doch eine Gemeinsamkeit

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Smita lebt in Indien und gehört der untersten Kaste, den Dalits, an. Die zwanzigjährige Giulia lebt in Palermo auf Sizilien und ihrem Vater gehört eine der ältesten Perückenfabriken der Insel in dritter ...

Smita lebt in Indien und gehört der untersten Kaste, den Dalits, an. Die zwanzigjährige Giulia lebt in Palermo auf Sizilien und ihrem Vater gehört eine der ältesten Perückenfabriken der Insel in dritter Generation. Die vierzigjährige Sarah lebt in Montreal, Kanada, und zieht ihre drei Kinder alleine groß. Dazu kommt noch, dass sie eine Karrierefrau ist, die hart für ihren Aufstieg in der Rechtsanwaltskanzlei gekämpft hat. Doch ein Schicksalsschlag bringt ihr gut durchdachtes Leben von heute auf morgen zum Einstürzen. Drei Frauenschicksale, die in unterschiedlichen Schichten und Ländern leben, aber doch etwas gemeinsam haben.


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Das Buch "Der Zopf" von Laetitia Colombani hat mir sehr gut gefallen. Über das Kastensystem in Indien wusste ich sehr wenig. So habe ich mit großem Interesse das Leben von Smita und ihrer Familie verfolgt, die der untersten Kaste, den Dalits, außerhalb der 4 Varnas angehören. So werden sie auch als "die Unberührbaren" bezeichnet und müssen sehr primitiven Arbeiten nachgehen und auch in sehr ärmlichen Verhältnissen leben. Darüber war ich sehr erschüttert. Außerdem war für mich auch die Stellung der Frau in Indien interessant. Ich wusste nicht, dass Witwen oft dem Tod des Mannes folgen müssen oder Frauen durch Vergewaltigungen für die Untaten ihrer Brüder und Ehemänner bestraft werden. Smita versucht mit allen Mitteln ihrer sechsjährigen Tochter ein besseres Leben bieten zu können. Dann gibt es noch die zwanzigjährige Giulia, die auf Sizilien noch sehr traditionell in einem Familienunternehmen aufwächst. Nach diesen beiden Frauengeschichten war ich mir gar nicht so sicher ob die Geschichte im heute und jetzt handelt. Da aber in einem Handlungsstrang der Papst Franziskus erwähnt wird, handelt das Buch wirklich in der Gegenwart. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es heutzutage noch solche Lebensweisen gibt. Ganz anders wirkt die Geschichte von Sarah, deren Leben streng durchorganisiert ist und sie nur ein Ziel hat. Nämlich die Nachfolgerin des Geschäftsführers der erfolgreichsten Rechtsanwaltskanzlei von Monreal zu werden. Erst nach einer Weile wird einem klar wie die drei Frauenschicksale miteinander verflochten sind und ist auch ein bisschen überrascht darüber. Der Titel des Buches ist einfach gut gelungen und sehr themenbezogen. Ich kann an dem Buch nichts bemängeln und gebe ihm gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.06.2018

Gelungener, feministischer Roman mit Schwächen

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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Autorin erzählt drei Geschichten von drei ganz unterschiedlichen Frauen und verflicht diese zu einem literarischen Zopf. Die Inderin Smita setzt alle Hebel in Bewegung, ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Autorin erzählt drei Geschichten von drei ganz unterschiedlichen Frauen und verflicht diese zu einem literarischen Zopf. Die Inderin Smita setzt alle Hebel in Bewegung, um ihrer Tochter die Schule zu ermöglichen. Die Italienerin Giulia kämpft um das Weiterbestehen der Firma ihres Vaters, und die erfolgreiche Anwältin Sarah erhält auf dem Höhepunkt ihrer Karriere eine niederschmetternde Diagnose. Neben ihrem Mut, ihrer Kraft und Entschlossenheit haben die Frauen noch etwas anderes gemeinsam: Haare bedeuten ihnen auf ganz unterschiedliche Art die Welt.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präsens
Perspektive: aus drei verschiedenen Perspektiven (Smita, Giulia, Sarah)
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: - Es wird genau beschrieben, wie Ratten getötet werden. Allerdings werden diese dann zumindest auch verwertet, indem sie gegessen werden. So war ihr Tod wenigstens nicht ganz umsonst. Es gibt außerdem einen Vergleich mit einem sterbenden Stier in der Arena.
Gewalt gegen Kinder: - Ein Mädchen wird von seiner Mutter geschlagen.

Warum dieses Buch?

Im Vorfeld habe ich nur positive Lesermeinungen gehört. Dadurch wurde meine Neugier entfacht.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Ich habe sehr schnell und leicht ins Buch gefunden. Die Schilderungen des Lebensalltages in Indien haben mich sehr schockiert und sofort mit Smita mitfühlen lassen. Zu den anderen Figuren habe ich langsamer eine Bindung aufgebaut, aber auch das dauerte nicht allzu lange. Bezeichnend ist bereits die Widmung („Den mutigen Frauen!“), die ankündigt, dass es sich um ein feministisches Buch handeln wird.

„Heute ist ein Tag, an den sie sich ihr Leben lang erinnern wird. Heute kommt ihre Tochter in die Schule.
Smita selbst hat keine Schule je von innen gesehen. In Badlapur haben Leute wie sie da nichts zu suchen. Smita ist eine Dalit. Eine Unberührbare.“ E-Book, Position 48

Inhalt, Themen & Botschaften (+)

„Der Zopf“ erzählt drei ganz unterschiedliche Geschichten, die alle durch das Thema Haare eher lose, aber dennoch geschickt miteinander verknüpft sind. Nicht alle Leben sind dabei immer gleich interessant, dennoch wird es, auch durch die kleinen Cliffhanger am Kapitelende, niemals langatmig. Ich war stets neugierig, wie es weitergehen würde. Am interessantesten fand ich jedoch Smitas Erzählstrang. Die Unberührbare hat so gut wie keine Rechte, ihre tägliche Arbeit besteht im Leeren der Toilettenecken in den Höfen und Häusern. Der Gestank wird so eindringlich beschrieben, dass man beim Lesen lieber nicht gerade frühstücken sollte. Die Lebensumstände und der Alltag in Indien erschrecken: überall Dreck, in Flüssen treiben Opfergaben, Blumen und Leichen, deren Einäscherung nicht bezahlt werden kann, nebeneinander dahin, durch die schlechte hygienische Lage gibt es viele Krankheiten. Am schockierendsten für jeden Menschen mit einem Funken Mitgefühl, besonders aber für FeministInnen wie mich ist die Stellung der Frau. Heiße Wut beginnt im Bauch zu brodeln, wenn man liest, wie Vergehen in Indien hauptsächlich bestraft werden: durch Vergewaltigungen. Als wäre diese Strafe nicht schrecklich genug, werden Frauen nicht nur für eigene Vergehen bestraft, sondern auch für jene ihrer Ehemänner, Väter und Brüder. Die Zustände dort sind unerträglich. Auch heute noch weibliche Babys lebend begraben, werden Frauen meist von ihren Schwiegermüttern grausam behandelt und sind Witwen geächtet. Gerade deshalb fiebert man auch so mit Smita mit: Sie will aus diesem Kreislauf ausbrechen und ihrer Tochter den Schulbesuch, die Chance auf ein besseres Leben, ermöglichen.

„Dabei tötet man nicht weit von hier neugeborene Mädchen. In den Dörfern von Rajasthan verscharrt man sie lebend in einer Kiste unter dem Sand, gleich nach ihrer Geburt. Es dauert eine ganze Nacht, bis die kleinen Mädchen sterben.“ E-Book, Position 110

Giuilas und Sarahs Erzählstrang können mit Smitas nicht mithalten, sie wirkten auf mich weniger intensiv. Jedoch haben auch sie durchaus ihre Stärken. Man erfährt beispielsweise einige interessante Informationen über das Geschäft mit den Haaren und über das Dasein als erfolgreiche Anwältin. Das Buch behandelt viele wichtige Themen (manche tiefgreifender als andere) wie die Lebensumstände in Indien, die Ersetzbarkeit eines Menschen in unserer Leistungsgesellschaft, die Veränderungen unseres Zeitalters. Meiner Meinung nach ist das Buch aber auch feministisch: Starke Frauen stehen im Zentrum, sie zeigen Mut und Entschlossenheit, sind kompetent, emanzipieren sich von ihrer Familie und kämpfen für das, was ihnen wichtig ist. Smita, Giulia und Sarah haben also durchaus Vorbildwirkung für LeserInnen jeden Alters.

Abwechselnd begleitet man die Frauen ein eher kurzes Stück auf ihrem Weg. Einige wenige Logiklöcher und Klischees sind mir hierbei aufgefallen. Woher kommt zum Beispiel auf einmal das praktische Rad, das Smita gehört, obwohl sie doch so arm ist, dass sie sich nicht einmal Essen leisten kann? Das Ende kam mir dann viel zu schnell, unzählige Fragen waren noch offen, ließen mir keine Ruhe und mich unzufrieden zurück.

Schreibstil (+)

Der Schreibstil gefiel mir eigentlich richtig gut. Ich fand ihn sehr anschaulich, flüssig und angenehm lesbar. Es gibt keine Wiederholungen und ich hatte das Gefühl, dass die Autorin sehr routiniert und gekonnt erzählt. Die Sätze sind teilweise lange Hauptsatzreihen, teilweise sehr kurz, es gibt treffende, schöne Vergleiche und teilweise wird es sogar philosophisch. Manchmal hätte es bei den Emotionen und Gedanken der Figuren aber durchaus noch etwas mehr ins Detail gehen können, mehr Dialoge statt indirekter Rede hätten dem Buch außerdem gutgetan. Eines hat mich gestört: Bei einigen Worten wurde beschlossen, sie nicht zu übersetzen oder zu erklären, vermutlich um ein gewisses z. B. italienisches Flair zu erhalten. Manche Worte konnte ich mir noch irgendwie herleiten oder durch den Kontext erschließen. Andere allerdings definitiv nicht. Ein solches Buch sollte auch für Menschen, die die jeweiligen Sprachen nicht sprechen, verständlich sein, ohne ständig Google bemühen zu müssen. Mehr Erklärungen (oder Übersetzungen) wären hier sinnvoll und angebracht gewesen.

„Es empfahl sich eher zu lügen, eine Ausrede parat zu haben, irgendeine Geschichte zu erfinden, alles war vorteilhafter als zuzugeben, dass man Kinder hatte, mit anderen Worten: Fesseln, Bande, Verpflichtungen. Etwas, das die Verfügbarkeit einschränkte, die Entwicklung der Karriere ausbremste.“ E-Book, Position 326

Protagonistin & Figuren (+/-)

Die Hauptfiguren sind sympathisch, ich bin ihrer Geschichte gerne gefolgt. Jedoch hätten dem Buch einige Seiten mehr gutgetan, da die Charaktere dann liebevoller und einzigartiger gezeichnet werden hätten können. Auch bei den Gedanken und Gefühlen der Protagonistinnen hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht. Nach dem Lesen wurde nämlich schnell deutlich, dass die etwas flachen Figuren wohl schnell wieder vergessen sind. Smita, Giulia und Sarah erscheinen stellenweise eher einen gewissen Menschentyp darzustellen (der stellvertretend für eine ganze Gruppe steht) als eigenständige, lebendige, komplexe Menschen. Auch wenn ich durchaus mit ihnen mitgefiebert habe.

„Auf diese Weise hatte Sarah eine undurchlässige Mauer zwischen ihrem beruflichen und ihrem Privatleben errichtet, beide verliefen parallel zueinander, es gab keine Berührungspunkte. Die Mauer war fragil, zeigte hier und dort Risse, vielleicht würde sie eines Tages einstürzen.“ E-Book, Position 341

Die Nebenfiguren blieben großteils blass. Nur wenige nehmen eine wichtigere Rolle ein, nur wenig erfährt man über sie. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Besonders unsympathisch fand ich den cholerischen Vater von Giulia (egal, wie oft sie von seiner Liebe schwärmt), denn mit Menschen, die glauben, alle Welt müsse es verstehen, wenn sie ständig die Beherrschung verlieren, kann ich leider gar nichts anfangen.

Spannung & Atmosphäre (+)

Dieses Buch ist zwar nicht atemlos spannend, jedoch schafft es die Autorin, die Neugier konstant zu schüren. Ich wollte immer unbedingt wissen, wie es weitergeht. Die kleinen Cliffhanger am Ende der Kapitel sind natürlich ein sehr wichtiges Werkzeug, um diese Wirkung zu erreichen. Manches war ein wenig vorhersehbar, was mich aber nicht weiter gestört hat. Atmosphärisch hätte das Buch stellenweise noch etwas dichter sein können.

Geschlechterrollen (+)

Durch das Aufzeigen der Stellung der Frau in Indien wird Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Thema gelenkt, das vielen LeserInnen möglicherweise vor der Lektüre dieses Buches nicht in diesem Umfang bewusst war. Dies kann helfen, die Lage in Indien zu verbessern. Doch auch der Alltagssexismus im Job der ambitionierten Anwältin und die gläserne Decke, die leider immer noch Tatsache ist, werden gnadenlos enttarnt. Wie die Autorin Chimamanda Ngozi Adichie in ihrem TED-Talk sagt: 52% der Weltbevölkerung sind Frauen. Warum wird die Erde dennoch hauptsächlich von Männern regiert? Die Botschaft von Laetitia Colombani scheint klar: Es muss sich etwas ändern und es ist heuchlerisch, nur mit dem Finger auf Schwellen- und Entwicklungsländer zu zeigen, denn auch bei uns ist es noch ein weiter Weg! Auch wenn die Autorin hier kein feministisches Manifest geschrieben und Lösungswege aufgezeigt hat, ist das Thema schon zentral im Buch. Die starken, mutigen, sich emanzipierenden Frauenfiguren der Geschichte unterstreichen diesen Eindruck nur.

„Die Rolle der Frau besteht darin, den Mann glänzen zu lassen, so hat ihre Mutter es ihr beigebracht.“ E-Book, Position 834

Mein Fazit

„Der Zopf“ ist ein gelungenes, interessantes Buch, das geschickt die Lebensgeschichten dreier ganz unterschiedlicher Frauen verknüpft. Der Schreibstil ist flüssig und routiniert, die Figuren sympathisch, wichtige Themen werden angesprochen. Dieses Buch ist außerdem ohne Frage ein feministischer Roman: Alltagssexismus, die extreme Benachteiligung und schlechte Behandlung der Frauen in Indien und die gläsernen Decken, die auch bei uns noch gibt und die es verhindern, dass talentierte, kompetente Frauen in hohe politische und unternehmerische Positionen aufsteigen, werden gnadenlos enttarnt. Smita, Giulia und Sarah sind selbstbestimmte, mutige, starke, ambitionierte Frauen, die ohne Zweifel Vorbildwirkung haben. Für kleinere Schwächen wie die etwas flachen, austauschbaren Figuren, die Logiklöcher und die teilweise fehlende Tiefe ziehe ich nur einen Stern ab, weil „Der Zopf“ insgesamt ein wirklich angenehmes Leseerlebnis war.

Empfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung, besonders für Frauen (aber auch für Männer)!

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 4,5 Sterne
Protagonistinnen: 3,5 Sterne
Figuren: 3 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Geschlechterrollen: +

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Lilien!