Die Leseprobe von "Blutroter Schatten" hat mir ausgesprochen gut gefallen. Sie ist spannend und fesselnd geschrieben. Kriminalhauptkommissarin Nadine Herfurth gefällt mir als toughe, patente Ermittlerin und auch Sam wird glaubwürdig als traumatisierte junge Frau geschildert, die sich in Folge dessen sehr von der Außenwelt abgeschottet hat - schon lange keine Beziehung mehr geführt hat, keinen Fernseher besessen und keine Nachrichten gelesen hat. Stattdessen hat sie sich in die Welt ihrer fantastischen Romane u.a. der Tribute von Panem Reihe geflüchtet. Vom weiteren Verlauf würde ich mir erhoffen, Sam bei ihrer Entwicklung begleiten zu dürfen, wenn sie sich mit ihrem Trauma auseinander setzen und der Konfrontation mit ihrem Vater - dem Serienmörder Thomas Rohde - wird stellen müssen. Ich würde mir wünschen, dass in Sam doch ein wenig mehr Katniss Everdenn stecken würde.
Für mich sind aber das Highlight der Leseprobe von "Blutroter Schatten" die Kapitel, die aus Sicht der Antagonisten Thomas Rohde und Paul geschrieben sind, die Patricia Walter in beeindruckener Weise gelungen sind.
So hat mir an der Leseprobe besonders gut der Prolog gefallen, der aus Sicht des Starverteidigers und Serienmörders Thomas Rohde geschildert wird. In eindringlicher Weise wird Thomas Rohde als hochmanipulativer Psychopath geschildert, der in der Vergangenheit immer vor Gericht seinen Willen durchsetzen konnte. Koste es, was es wolle. Wie seine Wut auf Oberstaatsanwältin Julia Wagner nach seiner ersten Niederlage vor Gericht immer größer wird, er dabei aber dennoch weiterhin gekonnt verlogen vor Reportern und auch seinen Nachbarinnen die charmante Fassade wahren kann, ist gleichermaßen fesselnd wie abstoßend. Und dass Thomas Rohde durch eine Verkettung nicht vorhersehbarer Umstände zum Schluss des Prologs als Mörder überführt wird, stellt für mich einen ausgesprochen gelungenen Abschluss des Prologs dar.
Generell finde ich, dass neben Thomas Rohde auch der Reporter Christian Kehl und Paul besonders widerwärtig bzw. unheimlich in der Leseprobe
geraten sind. Christian Kehl erinnert mich schon in der kurzen Charakterisierung, wie er die Dreistigkeit besessen hat weiter zu filmen und Fragen zu stellen, als Nadine Herfurth und ihr Partner angeschossen wurden, stark an Jake Gyllenhaal, wie er den psychopathische Züge aufweisenden Louis Bloom in Nightcrawler spielt. Und wie im Damals von Kapitel 5 geschildert wird, als in Pauls Kopf plötzlich der Gedanke auftaucht, wie es wohl wäre seine kleine Schwester Emily mit einem Kissen zu ersticken, nachdem er sich zuvor so vorbildlich um sie gekümmert hat - sie als Prinzessin gezeichnet, ihr zu essen gegeben und mit ihr Brettspiele gespielt hat, ist einfach nur gruselig.