Ganz einfach herzerwärmend
Jakob wird fünfzig und will nicht feiern. Ellen ist die, die andere zum Glück zwingt. Seit drei Jahrzehnten kennen sie sich, sind viel zusammen verreist, waren verliebt ineinander, aber nie zur gleichen ...
Jakob wird fünfzig und will nicht feiern. Ellen ist die, die andere zum Glück zwingt. Seit drei Jahrzehnten kennen sie sich, sind viel zusammen verreist, waren verliebt ineinander, aber nie zur gleichen Zeit. Sie hat alles dabei Kuchen, Kerzen und Champagner, doch zuerst muss sie ihn aus der Wohnung kriegen.
Jakob hat eine Auszeit genommen, um sich zu sammeln und zu schauen, ob der Weg, den er eingeschlagen hat, noch seiner ist. Die meiste Zeit allerdings liegt er auf der Couch und spricht mit sich selbst.
Es ist Anfang September an seinem Geburtstag, Ellen überredet Jakob mit ihr ins Schwimmbad zu gehen. Jakob erinnert sich an die vielen Runden, die er gedreht hatte, um seinem schlechten Gewissen davonzuschwimmen. Damals war er Ende dreißig. Er hatte kein Kind gewollt, aber Imken war dennoch schwanger geworden. Dann hat sie das Kind verloren. Jakob entschied sich auf der Couch zu schlafen, weg von ihrem Körper, ihrer Sehnsucht und dann hat sie Oliver kennengelernt. Jakob hat sie Silvester verlassen, ist einfach abgehauen. Er hatte geglaubt, Neujahr wäre ein guter Tag für einen Neuanfang, aber das war er noch nie.
Im Schwimmbad ist Ellen verschwunden. Sie wolle sich umziehen, sagte sie und danach hat er sie nicht mehr gesehen. Er sieht das alte Becken, das dem Umbau nicht zum Opfer gefallen ist und lässt sich hineingleiten. Er breitet die Arme aus, schwimmt ein paar Züge und fühlt sich wie ein Bügelbrett. Nach einigen Bahnen wird er flüssiger und es ist großartig. Warum hatte er damit aufgehört? Warum nur hörte man mit etwas auf, das einem guttat? Als er am Beckenrand verschnauft, taucht plötzlich Imken vor ihm auf. Sie hatten sich seit zehn Jahren nicht gesehen. Sie kommen ins Gespräch und Imken lädt ihn auf ihre Decke in der Liegewiese ein. Sie bietet ihm einen Plastikbecher mit Vinho verde an, leert ihre Kühltasche und zaubert etwas Roquefort, Bergkäse, Fenchelsalami und Oliven hervor. Jakob blinzelt, holt tief Luft. Jetzt bloß nicht heulen! So hatten sie damals auch gepicknickt.
Fazit: Lucy Fricke hat eine herzerwärmende Geschichte geschaffen. Sie lässt ihren melancholischen Protagonisten seinen Geburtstag auf ganz besondere Weise feiern. An diesem Tag findet er längst vergessene, aber auch verdrängte Erinnerungen, die in ihm ein Eigenleben entwickelt haben und ihm Antrieb und Lebenssinn nehmen. Am Ende des Tages wird er von belastenden Schuldgefühlen befreit sein und mit Leichtigkeit die nächsten 50 Jahre angehen. Ohne großen Firlefanz, mit einfachen Worten und Kreativität hat die Autorin mich tief berührt. Wie wohltuend! Es war meine erste Lucy Fricke und sicher nicht die letzte.