Das Interview mit Katharina Runden

Was macht eigentlich ein Lektor?

Artikel vom 11.07.18

Da hier bereits mehrfach der Wunsch nach einem Magazinartikel zum Thema Lektorat aufkam, haben wir eine Kollegin aus dem Bastei Lübbe Team gefragt, ob sie nicht Lust hätte, ein wenig von ihrer Arbeit zu erzählen. In den letzten Wochen hattet ihr die Möglichkeit, eure Fragen an die Lektorin einzureichen, die wir fleißig gesammelt haben. Es sind so viele Beiträge zusammengekommen - dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken. Da ein einzelnes Interview mit allen Fragen aber viel zu lang geworden wäre, machen wir nun eine mehrteilige Reihe daraus. Und heute gibt's den ersten Beitrag.

Katharina Runden arbeitet seit Mai 2017 als Lektorin bei Bastei Lübbe und betreut Projekte in den Genres Fantasy & Science Fiction und Frauenunterhaltung. Zehn eurer Fragen haben wir an sie weitergeleitet. Und hier sind ihre Antworten.

© Bertram Rusch

Welche Fähigkeiten/Voraussetzungen sollte man mitbringen, wenn man Lektor werden möchte? Muss man zum Beispiel mehrere Sprachen beherrschen?

Eine wichtige Eigenschaft, die man natürlich mitbringen sollte, liegt auf der Hand: die Liebe zu Büchern und guten Geschichten! Grundsätzlich muss ein Lektor in der Lage sein, jedes Genre zu bearbeiten – unabhängig vom persönlichen Geschmack. Was die Sprachen angeht: Neben perfektem Deutsch sind verhandlungssichere Englischkenntnisse eine Grundvoraussetzung. Weitere Sprachen sind immer von Vorteil, denn so kann man auch Bücher aus anderen Ländern in Originalsprache prüfen.

Wie wird man Lektor? Braucht man eine Ausbildung oder ein abgeschlossenes Studium? Sind ein Volontariat und praktische Erfahrungen wichtiger?

Die wichtigste Voraussetzung ist ein Volontariat, denn hier bekommt man eine praktische Ausbildung und lernt alles, was man für die Lektoratsarbeit wissen und können muss. Voraussetzung für ein Volontariat sind einerseits Praktika und andererseits ein Studium.
Lektoren haben Studienabschlüsse – in den meisten Fällen einen Master – in den verschiedensten geisteswissenschaftlichen Fächern: von Literaturwissenschaften, über Buchwissenschaften, Germanistik oder Anglistik bis hin zu Geschichte. Durch Praktika lernt man bereits während des Studiums die Grundlagen der Lektoratsarbeit kennen, kann herausfinden, ob einem der Job wirklich Spaß macht und lernt ganz nebenbei viele spannende Verlagsmenschen kennen.

Muss man jedes Genre mögen, um Lektor zu werden?
Man muss nicht jedes Genre mögen, um Lektor zu werden. Wichtig ist aber, sich einen professionellen Blick zu bewahren, denn es gibt viele verschiedene Leser mit vielen verschiedenen Vorlieben. Das bedeutet unter Umständen dann eben auch, den eigenen Geschmack hintenanzustellen. Natürlich kann es nicht schaden, wenn man selbst zum Beispiel ein kleiner Fantasy-Nerd ist – denn mit Leidenschaft macht die Arbeit gleich noch mehr Spaß :-)

Wie bist du selbst zu dem Beruf gekommen? War das immer dein Ziel?
Ich habe einen Masterabschluss in Komparatistik und Anglistik und habe bereits während meines Studiums mehrere Praktika in verschiedenen Verlagen gemacht. Nach dem Studium folgte dann mein Volontariat. Und ja – Lektorin ist mein Traumjob :-)

Gibt es Praktikumsstellen im Lektorat? Wie findet man entsprechende Ausschreibungen?
Bei uns gibt es Praktikumsstellen im Lektorat. Jobs werden auf den Websites der Verlage ausgeschrieben, sind aber zum Beispiel auch in der Branchenpresse, wie z.B. Buchmarkt oder Börsenblatt, und in anderen branchenspezifischen Karriereportalen zu finden.

Kann man auch „nebenbei“ als Lektor arbeiten?
Nein – Lektor ist ein echter Fulltime-Job. Es kommt nicht selten vor, dass man auch abends auf dem Sofa noch Manuskripte prüft. Ich persönliche nutze auch gern lange Bahnfahrten.

Müssen Lektoren auch Grafik-Erfahrungen mitbringen?
Hier bei Bastei Lübbe haben wir tolle Kolleginnen und Kollegen, die sich um die grafische Gestaltung unserer Bücher kümmern. Wir liefern den inhaltlichen Input, machen Vorschläge und tauschen uns mit den anderen Abteilungen aus, damit am Ende jedes Buch ein tolles Cover bekommt.

Wie gelangt das Manuskript eines Autors zum Lektor?
Die meisten Autoren werden von Agenturen im In- und Ausland vertreten, die uns Manuskripte zur Prüfung zusenden. So landen die Bücher neuer Talente auf unseren Schreibtischen – die Schatzsuche beginnt! Auch Projekte von Autoren, mit denen wir bereits zusammenarbeiten, erreichen uns auf diesem Weg.

Entscheidet der Lektor selbst, ob ein Buch verlegt wird, oder wird diese Entscheidung schon getroffen, bevor er das Manuskript in die Hand bekommt?
Ein Lektor entscheidet niemals allein, ob ein Buch verlegt wird. An dieser Entscheidung sind viele Kollegen aus unterschiedlichen Abteilungen beteiligt. Zu meinen täglichen Aufgaben als Lektorin gehört es, Manuskripte zu prüfen und zu überlegen, ob sie sich für unser Verlagsprogramm eignen. Bei einigen Büchern lässt sich diese Entscheidung schnell treffen – wir sind ein Publikumsverlag, der Genreliteratur in den Bereichen Spannung, Fantasy & Science Fiction, Frauenunterhaltung und Historischer Roman verlegt. Bücher, die sich nicht klar einordnen lassen, werden bei uns eher nicht veröffentlicht. Wenn ich Potenzial in einem Manuskript sehe, bespreche ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Lektorat sowie dem Marketing und Vertrieb. Dabei wird viel diskutiert: über die Geschichte, den Schreibstil, die Originalität, aktuelle Trends auf dem Buchmarkt und natürlich auch darüber, welche Leser sich für das Buch interessieren könnten. Wenn sich alle einig sind, wird ein Angebot zum Kauf des Buches abgegeben. Dieses wird im Idealfall angenommen – nicht selten kommt es aber auch zu Auktionen, in denen man sich als Verlag behaupten muss. Wenn das Buch akquiriert werden konnte, geht die Arbeit am Text los. Dazu erfahrt ihr später mehr!

Der Verlag Bastei Lübbe hat ja ein sehr breites Spektrum an Büchern. Wie wird hier vorgegangen? Spezialisieren sich Lektoren auf bestimmte Genres?
Im Belletristik-Lektorat bei Bastei Lübbe betreut jede Lektorin schwerpunktmäßig zwei Genres. Bei mir sind das zum Beispiel Fantasy & Science Fiction und Frauenunterhaltung. Außerdem gibt es bei Lübbe noch die Genres Spannung und Historischer Roman. Wir treffen uns regelmäßig in Teamrunden, um zum Beispiel über aktuelle Projekte zu diskutieren oder über Trends auf dem Buchmarkt zu sprechen. Jeder Lektor sollte grundsätzlich in jedem Genre arbeiten können. In Verlagen gibt es aber immer eine Art der Spezialisierung – z.B. Genre, Imprint oder Ausgabeform.

Rückmeldung

Rückmeldung

Eure Meinung

Profilbild von yesterday

yesterday

Mitglied seit 02.05.2016

Die Zeit ist zu schade für schlechte Bücher

Veröffentlicht am 11.07.2018 um 23:57 Uhr

Evy_Heart schrieb am 11.07.2018 um 22:24 Uhr

Ich fand die Frage, ob der Lektor allein entscheidet, sehr interessant :P

Ansonsten bin ich ein bisschen enttäuscht, weil das Klischee "Ohne Studienabschluss haste keine Chance" wieder gepflegt wird. Ich denke, das ist überholt - ich kenne Biologen im Literaturbetrieb, Schauspieler usw. Warum soll es, inbesondere auf dem freien Markt, nichte Lektoren geben, die ihr Wissen durch Erfahrung erworben haben.

Interessant wäre zu erfahren, ob Lektoren mit Studenabschluss anders arbeiten als Lektoren, die über andere Wege zum Beruf gekommen sind.

Aber ich vermute, dass es, wenn Bastei Lübbe Lektoren einstellt, eher auf den Lebenslauf oder den Studienabschluss ankommt. Daher kann ich die Antwort nachvollziehen.

Danke für diesen Einwurf, das dachte ich mir auch.
Was "nutzt" das Studium in der aktuellen Tagesarbeit wirklich? Ist es mehr als ein Türöffner? Ansonsten sehe ich nicht, warum man da darauf bestehen sollte.

Profilbild von Kathleen1987

Kathleen1987

Mitglied seit 12.06.2018

Ich nehme immer ein Buch mit, auch wenn ich weiß, dass ich unterwegs gar nicht zum Lesen komme :D

Veröffentlicht am 12.07.2018 um 09:14 Uhr

Oh super, das ist wirklich ein ganz tolles Interview. Vielen Dank, dass die liebe Lektorin sich die Zeit dafür genommen hat, dass wir einen Einblick in den Beruf bekommen. Sehr informativ!

Profilbild von Booklyn

Booklyn

Mitglied seit 15.03.2018

Lesen stärkt die Seele - Voltaire

Veröffentlicht am 12.07.2018 um 09:42 Uhr

Super Thema, ich freue mich schon sehr auf die folgenden Interviews mit all den gestellten Fragen aus der Umfrage.

Vielen Dank euch allen

Profilbild von Sutchy

Sutchy

Mitglied seit 02.05.2018

Lache nie über die Dummheit eines anderen. Sie ist Deine Chance. - Winston Churchill

Veröffentlicht am 12.07.2018 um 10:08 Uhr

Das ist ein sehr interessanter und informativer Beitrag für Leser, aber auch für Menschen, die den Beruf ergreifen wollen.
Vielnen Dank für die Zeit und die Beantwortung der Fragen.
Eine Art Serie über das Thema zu machen, ist eine wirklich tolle Idee. Ich freue mich schon auf den nächsten Beitrag.

Profilbild von Sutchy

Sutchy

Mitglied seit 02.05.2018

Lache nie über die Dummheit eines anderen. Sie ist Deine Chance. - Winston Churchill

Veröffentlicht am 12.07.2018 um 10:14 Uhr

Zitat von Lese-Kerstin

Ganz lieben Dank für die Beantwortung, aber was ist ein Imprint?



Zitat von Evy_Heart

Ich denke, "Sparte" oder "Verlags-Untergruppe" trifft es.



Bei Bastei-Lübbe sind das z.B. "BeHeartbeat" und "Lyx".

Profilbild von little-book-addict

little-book-addict

Mitglied seit 07.11.2017

Reading to escape reality.

Veröffentlicht am 12.07.2018 um 10:27 Uhr

Tolles Interview!

Profilbild von littleAnn

littleAnn

Mitglied seit 21.04.2018

Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor. - Voltaire

Veröffentlicht am 12.07.2018 um 14:11 Uhr

Super Thema über das ich immer gerne mehr erfahre, denn ich bin mir ziehmlich sicher auch Lektorin zu werden und da kann jede Information helfen.
Und gerade die Informationen mit dem Studium und den verschiedenen Voraussetzungen waren sehr passend für mich und helfen mir weiter.

Profilbild von Yeirah

Yeirah

Mitglied seit 15.06.2017

Phantasie ist nicht Ausflucht. Sich etwas vorstellen heißt, eine Welt bauen, eine Welt erschaffen.

Veröffentlicht am 12.07.2018 um 17:49 Uhr

Zitat von Evy_Heart

Ansonsten bin ich ein bisschen enttäuscht, weil das Klischee "Ohne Studienabschluss haste keine Chance" wieder gepflegt wird. Ich denke, das ist überholt - ich kenne Biologen im Literaturbetrieb, Schauspieler usw. Warum soll es, inbesondere auf dem freien Markt, nichte Lektoren geben, die ihr Wissen durch Erfahrung erworben haben.



An dieser Stelle kann ich aus persönlicher Erfahrung anfügen, dass wohl viel über Kontakte läuft und auch intern geregelt wird...
Ich studiere selbst Verlagswesen und durfte mich neulich mit einer Lektorin unterhalten. Schon davor war es mein Traum, Lektorin zu werden und ich habe natürlich sofort meinen Prof befragt, wie man denn am besten an diese Stellen kommt.
Sein Kommentar war: "Ach, in das Lektorat kommt man sowieso nicht, wenn man keine Kontakte hat. Es gibt sehr wenig Stellen und nicht einmal Praktika sind ausgeschrieben. Wir sind sowieso nicht darauf spezialisiert."

Da kam bei mir unwillkürlich die Frage auf, warum ich dann Verlagswesen studiere, wenn der Studiengang nicht darauf spezialisiert sei? ...
Ich habe es trotzdem versucht und -siehe da- darf jetzt als Werkstudentin im Programmbereich Ratgeber Lektoren unterstützen

Es mag sicherlich viel über das Studium gehen, aber so wie ich das erfahren habe, kann man aus vielen verschiedenen Fachbereichen Lektor werden. Kommt auch auf den Verlag an. Aber so unmöglich, wie mein Prof mir das geschildert hat, kann ich mir das nicht vorstellen. Und man darf immerhin auch für seinen Traum kämpfen

Profilbild von KleineHexe

KleineHexe

Mitglied seit 14.08.2016

Everyone deserves the chance to fly...

Veröffentlicht am 12.07.2018 um 19:28 Uhr

Yeirah schrieb am 12.07.2018 um 17:49 Uhr

Zitat von Evy_Heart

Ansonsten bin ich ein bisschen enttäuscht, weil das Klischee "Ohne Studienabschluss haste keine Chance" wieder gepflegt wird. Ich denke, das ist überholt - ich kenne Biologen im Literaturbetrieb, Schauspieler usw. Warum soll es, inbesondere auf dem freien Markt, nichte Lektoren geben, die ihr Wissen durch Erfahrung erworben haben.



An dieser Stelle kann ich aus persönlicher Erfahrung anfügen, dass wohl viel über Kontakte läuft und auch intern geregelt wird...
Ich studiere selbst Verlagswesen und durfte mich neulich mit einer Lektorin unterhalten. Schon davor war es mein Traum, Lektorin zu werden und ich habe natürlich sofort meinen Prof befragt, wie man denn am besten an diese Stellen kommt.
Sein Kommentar war: "Ach, in das Lektorat kommt man sowieso nicht, wenn man keine Kontakte hat. Es gibt sehr wenig Stellen und nicht einmal Praktika sind ausgeschrieben. Wir sind sowieso nicht darauf spezialisiert."

Da kam bei mir unwillkürlich die Frage auf, warum ich dann Verlagswesen studiere, wenn der Studiengang nicht darauf spezialisiert sei? ...
Ich habe es trotzdem versucht und -siehe da- darf jetzt als Werkstudentin im Programmbereich Ratgeber Lektoren unterstützen

Es mag sicherlich viel über das Studium gehen, aber so wie ich das erfahren habe, kann man aus vielen verschiedenen Fachbereichen Lektor werden. Kommt auch auf den Verlag an. Aber so unmöglich, wie mein Prof mir das geschildert hat, kann ich mir das nicht vorstellen. Und man darf immerhin auch für seinen Traum kämpfen

Was ist denn das Berufsbild beim Studium Verlagswesen? Ich wusste gar nicht, dass es so ein Studium gibt.
Und eine Frage ist gerade beim Lesen deines Postings aufgetaucht - du machst ja gerade ein Praktikum im Bereich Ratgeber: weißt du, ob Lektoren von Ratgebern "vom Fach" sein müssen? Oder geht's da rein um stilistische Korrekturen?

Liebe Grüße
Katharina

Profilbild von KleineHexe

KleineHexe

Mitglied seit 14.08.2016

Everyone deserves the chance to fly...

Veröffentlicht am 12.07.2018 um 19:31 Uhr

Danke für diese interessanten Antworten, das hat mein Bild von diesem Beruf schon ein bisschen korrigiert.