Wie wird man eigentlich Hörbuchsprecher?

5 Fragen an Thomas Balou Martin | Artikel vom 24.01.2018

Hörbuchsprecher erzeugen mit ihren Stimmen Atmosphäre, lassen Bilder im Kopf entstehen und entführen uns in fremde Welten. Aber wie wird man das eigentlich und was erlebt man so alles als Hörbuchsprecher?

Das wollten wir herausfinden und haben uns deshalb mit Thomas Balou Martin getroffen, der für 3 Tage bei uns im Haus war, um für Lübbe Audio das Hörbuch „Ich bin der Hass“ von Ethan Cross einzusprechen. Ganz schön aufgeregt waren wir, weil wir noch nie ein Interview geführt hatten, schon gar nicht mit so einem berühmten Schauspieler und Hörbuchsprecher wie Thomas Balou Martin. Der hingegen gab uns total entspannt die Hand, bot uns direkt das Du an und beantwortete dann geduldig unsere Fragen.

Später durften wir dann sogar noch ein bisschen zuhören als er wieder im Tonstudio saß und „Ich bin der Hass“ eingesprochen hat – ein tolles Erlebnis! Dank Thomas‘ Stimmenvielfalt hatte man sofort das Gefühl als wäre man mitten im Geschehen und würde alles hautnah miterleben. Am liebsten hätten wir stundenlang zugehört, aber das Interview wollte ja abgetippt werden, damit wir euch diesen Einblick in die Arbeit eines Hörbuchsprechers geben können.

Thomas "Balou" Martin
Thomas Balou Martin im Tonstudio

Wie bereitest du dich für eine neue Sprecherrolle vor?
Überhaupt nicht (lacht). Nein, ich kriege die Strichfassung vom Buch irgendwann zugeschickt, die lese ich einmal durch und dann arbeite ich sie einmal durch. Und da ich gerne mit vielen verschiedenen Stimmen arbeite, muss ich natürlich ziemlich akribisch notieren, was wer spricht und so weiter. Das dauert dann eigentlich doppelt so lange wie das Lesen. Ich schreibe wirklich über jede wörtliche Rede drüber, wer das ist, und übe die Stimmen dann, damit es zusammenpasst. In den Büchern sind auch teilweise sehr viele Stimmen, da muss ich gucken, dass ich genügend unterschiedliche Stimmen dabei habe.

Wie bist du überhaupt dazu gekommen, Sprecher für Hörbücher zu werden?
Ich bin ja ausgebildeter Schauspieler. Ich habe angefangen auf der Bühne, ganz normal, hab viel gedreht und natürlich auch immer wieder gesprochen und irgendwann wurde ich mal gefragt: Hast du nicht mal Lust ein Hörbuch zu sprechen? Da habe ich gesagt: Klar!

Hat beim Einsprechen eines Hörbuchs schon mal etwas so überhaupt nicht hingehauen, dass du immer wieder dieselbe Stelle sprechen musstest?
Komischerweise sind das meistens völlig belanglose Nebensätze, wo man dann hängenbleibt, weil da plötzlich, nachdem man schon vier Stunden gesprochen hat, fünfzehn R nacheinander kommen. Das gibt’s schon, aber meistens liest man die schwierigsten Sätze und sie laufen super durch und dann bleibst du am blödesten Satz hängen.

Liest du selbst auch gerne?
Ich lese sehr viel, ja. Sogar auch, wenn ich hier den ganzen Tag ein Hörbuch eingesprochen habe, lese ich abends immer noch was. Gerade Salman Rushdie, das neue Buch.

Hast du ein Lieblingsbuch? Oder einen Lieblingsautor?
Ich lese wahnsinnig gern Fred Vargas, die Krimis von ihr. Das ist jetzt keine hohe Literatur, aber da kann ich wunderbar bei abschalten. Ich lese aber auch gerne mal ältere Sachen.

Also Klassiker?
Ja, tatsächlich. Das tut immer wieder gut, Shakespeare oder Lessing zu lesen.

 

Ihr habt Lust auf Hörbücher bekommen? Dann schaut mal in unserer aktuellen Hörrunde zu „Ich bin der Hass“ vorbei!

Habt ihr eigentlich Lieblings-Hörbuchsprecher? Stimmen, die euch total entspannen oder von deren Vielfalt ihr fasziniert seid?

Bildergalerie

Im Tonstudio mit Thomas Balou Martin

Habt ihr einen Lieblings-Hörbuchsprecher?

Habt ihr einen Lieblings-Hörbuchsprecher?

Eure Kommentare

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Sidny

Mitglied seit 10.06.2016

Ein Raum ohne Bücher ist wie ein Körper ohne Seele. – Cicero

Veröffentlicht am 26.01.2018 um 12:40 Uhr

Zitat von Squirrel

Das Du mit Stimmen, zu denen du kein Gesicht hast besser zurecht kommst, finde ich interessant, ist mir bisher noch nicht so aufgefallen.



In der alten Lesejury gab es ja jeden Monat neue Lese- und Hörproben, die man sich durchlesen / anhören und anschließend bewerten konnte.

Da habe ich das bei mir auch festgestellt: wenn die Stimme sehr prominent ist, weil das Hörbuch eben von einem deutschen Schauspieler oder einem sehr gefragten Synchronsprecher eingesprochen wird, geht's mir genauso.
Ich hab dann immer Christoph Maria Herbst ("Er ist wieder da") oder bei beispielsweise David Nathan das Gesicht von Johnny Depp vor Augen.

Mich lenkt das auch total ab

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Vorleser

Mitglied seit 02.05.2016

Bibliomane ist mein zweiter Name

Veröffentlicht am 26.01.2018 um 14:50 Uhr

wortmelodie schrieb am 26.01.2018 um 12:33 Uhr

Zitat von Vorleser

Mich würde wirklich interessieren, warum Bücher gekürzt werden. Und wer das macht. Und ob die AutorInnen damit glücklich sind. :)



Das habe ich doch direkt mal unsere Hörbuch-Abteilung gefragt und diese Antwort bekommen:

Weshalb die meisten Hörbücher gekürzt und nicht ungekürzt erscheinen, hat viele Gründe.
Ein Grund ist, dass man allein für gekürzte Hörbücher schon mehrere Tage für die Aufnahme einplanen muss. Da wir nur mit professionellen Sprechern oder Personen des öffentlichen Lebens zusammenarbeiten, gestaltet es sich schwierig, die Sprecher für mehrere Wochen zu engagieren, weil sie noch viele andere Engagements haben. Außerdem würden sich durch den längeren Schnitt und die höheren Sprechergagen dann viele Hörbücher nicht mehr rechnen. Ein weiter Punkt ist, dass viele Hörer eben auch sagen, dass sie keine Lust haben, ein 40-stündiges Hörbuch zu hören.

Die Kürzungen selbst nehmen dann erfahrene und professionelle Kürzer vor. Weil ein Hörbuch ein ganz anderes Medium als ein Buch ist, in dem man z.B. nicht zurückblättern kann, ist es für den Stoff sogar oft von Vorteil, wenn zum Beispiel ausschweifende Landschaftsbeschreibungen und ähnliches herausgekürzt werden. Dadurch wird die Handlung gestrafft.

Die meisten Autoren haben sich mit dem Thema arrangiert und sind oft positiv überrascht von den Kürzungen.

Danke für die schnelle und ausführliche Antwort ! Zum Glück gibt es auch ungekürzte Hörbücher, sonst würde ich in die Röhre gucken. ?

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FrauLieschen02

Mitglied seit 02.05.2016

Denn in dem Moment, wo wir aufhören zu lernen, leben wir auch nicht mehr. [aus: Finstere Nacht]

Veröffentlicht am 27.01.2018 um 08:51 Uhr

Thomas Balou Martin ist mir eher als Schauspieler bekannt, aber aufgrund seiner Stimme kann ich mir gut vorstellen, dass seine Stimme gerade für Thriller geeignet ist.

Ich höre gerne Armin Rohde und Simon Jäger als Hörbuchstimmen. Beide haben sehr prägnante Stimmen.

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Sassenach123

Mitglied seit 13.05.2016

Ein Tag ohne Buch ist für mich kein guter Tag!

Veröffentlicht am 27.01.2018 um 17:12 Uhr

Ein toller Blick hinter die Kulisse. So als Nutzer eines Hörbuches kann man ja nur erahnen wieviel Zeit und Arbeit in so einem Werk steckt.

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katrin297

Mitglied seit 27.01.2017

"Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste“ – Heinrich Heine

Veröffentlicht am 29.01.2018 um 09:31 Uhr

Toller Artikel, sehr interessant!
Ich höre zwar Hörbücher, aber lese trotzdem um einiges mehr.

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chipie

Mitglied seit 07.07.2016

Bücher sind Schokolade für die Seele :-)

Veröffentlicht am 29.01.2018 um 09:39 Uhr

Ich find das Magzin echt eine mege Idee und gleich der erste Artikel irre interessant! Nachdem ich mir das Hörbuch "Ich bin der Schmerz" unbedingt noch anhören will, passt das grad sowas von!

Ich habe vor ungefähr einem Jahr Hörbücher für mich entdeckt und hör immer im Auto und seit kurzem auch öfter mal zuhause Mein Lieblingssprecher ist Andreas Fröhlich... einfach genial, wie er Eragon gelesen hat

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Tamagotchi

Mitglied seit 08.11.2017

Abwarten und Tee trinken? - Ach was, lieber lesen und Tee trinken....

Veröffentlicht am 29.01.2018 um 19:38 Uhr

Der Artikel gefällt mir sehr gut, obwohl ich Hörbücher nur auf längeren Autofahrten benutze, sonst sind mir Bücher lieber.....Mein letztes Hörbuch, das ich gehört habe, wurde von Axel Milberg gelesen: 'Die italienischen Schuhe'. Seine Lesung hat mir sehr gut gefallen, sie war total angemessen......