Im Interview: Anna Basener über ihren Debütroman "Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte" | 10.03.2017

Anna Basener wurde 1983 in Essen geboren. Ihr Studium in Hildesheim hat sie mit dem Schreiben von Romanheften finanziert und war laut ZEIT die „erfolgreichste Groschenromanautorin Deutschlands“. Ihr Ratgeber Heftromane schreiben und veröffentlichen gilt, so der Deutschlandfunk, als Standardwerk. Vom Groschenroman hat sie sich inzwischen gelöst, geblieben aber ist eine große Liebe für Eierlikör und Kitsch, Trash und Popliteratur.

Ihr Roman "Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte" ist eine feine Ruhrpottkomödie mit einer umwerfenden Omma aus Essen Rellinghausen in der Hauptrolle. Wann stand für Sie fest, dass die Omma die Hauptfigur sein wird?

Das war von Anfang an klar. Ich wusste nicht, dass der Text ein Roman wird, eigentlich habe ich nur eine Kurzgeschichte geschrieben, und in der sollte es um eine promiske und unerschütterliche Kämpferin im Putzkittel gehen. Und um Huren. Aber dann hatte ich eine zehnseitige Geschichte und wollte mehr erzählen. Da kam Bianca ins Spiel, denn eine Figur wie die Omma funktioniert natürlich besser, wenn jemand sie von außen beschreibt, jemand, auf dessen Leben diese etwas andere Großmutter einen Einfluss hat.


Das Buch ist eine Liebeserklärung an Ihre Heimat. Was macht für Sie den Charme des Ruhrgebiets aus?

Watt ist datt denn für eine Frage? Hömma, datt is doch wohl eine Offensichtlichkeit. Den Pott mit seine schönen Wörters, die Zechen, watt heute schickobello Kulturdenkmäler sind, und erst die Ruhr … Eine blaue Oase ist datt (ok, die ist meistens schwatt und war auch schon mal sauberer, aber getz von Prinzip her), einfach astrein, datt sach ich aber für Sie. Müssen Sie mal gucken kommen, da kommen Sie richtig am staunen.


Sie haben eine durchaus ungewöhnliche Schriftstellerkarriere vorzuweisen: Sie begannen als Heftromanautorin und legen nun Ihren Debütroman vor. Wann haben Sie Ihre Vorliebe für Heftromane entdeckt? Was ist bzw. war für Sie das Faszinierende an Heftromanen? Wann ist der Wunsch entstanden, einen Roman zu schreiben?

Ich bin in der Uni mit Groschenromanen in Berührung gekommen. Ich hab mich mit den Beatpoeten und ihrer Cut-up-Technik beschäftigt. Bei uns in Hildesheim muss man sich dann immer auch praktisch mit seinem Gegenstand auseinandersetzen, und ich habe eben Groschenromane auseinandergeschnitten und neu zusammengeklebt, um Texte entstehen zu lassen. Und dann verfiel ich auf die größenwahnsinnige Idee, dass ich „so was“ bestimmt auch kann. Ist ja nur triviales Erzählen von der großen Liebe. Ja, von wegen. Man muss das natürlich lernen, aber es hat mich genug fasziniert, um nicht loszulassen. Ich mag Trash, und wenn andere die Augen verdrehen, weil etwas zu pink, zu glitzernd oder zu romantisch ist, dann finde ich das extra spannend. Das gilt aber auch für die andere Seite des Trashs, die, wo es sehr blutig und gewalttätig ist.


Sie gelten laut ZEIT als „erfolgreichste Groschenromanautorin Deutschlands“. Wie kommen Sie zu dieser Ehre?

Das ist eine sehr gute Frage, denn ich war in den Genres Romantik und (Sex)-Western sicher eine Weile die jüngste Groschenromanautorin, aber nie die erfolgreichste. Da gibt es ganz andere Kaliber, die im Monat vier Romane schreiben, und das seit Jahrzehnten. Die ZEIT hat das damals einfach geschrieben. Vielleicht, weil ich die sichtbarste war. Ich habe relativ viele Interviews gegeben, war im Radio und im Fernsehen. Unter dem Aspekt, dass PR auch eine Erfolgskategorie ist, kann man das also eventuell gelten lassen.


Sie haben an einer der wichtigsten Literaturschmieden Deutschlands, in Hildesheim, Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis studiert. Wie muss man sich diesen Mikrokosmos der angehenden Schriftsteller vorstellen?

Toll. Und schrecklich. Das ist eine Welt voller talentierter Narzissten, Hoffnung und Konkurrenz. Alle schreiben und dann reden alle über ihre Texte. Es wird kritisiert und gefeilt und vorgelesen. Manchmal entsteht ein Druck, dass man nie genug lesen oder schreiben kann, um mit den anderen mitzuhalten. Am Ende hat das wenig mit der echten Welt draußen zu tun, aber man kann viel ausprobieren. Tatsächlich habe ich persönlich mehr über das Schreiben gelernt, als ich in Drehbuchseminaren war, die gar nicht dem Literaturinstitut angegliedert waren, sondern bei den Medienwissenschaften. Und natürlich von meinen Groschenroman-„Lehrern“, aber das war dann größtenteils nicht mehr im Unikontext. Ein Grund dafür, dass ich mich während des Studiums den Groschenromanen zugewandt habe, war, dass ich mich unterscheiden wollte. Ich wollte nicht noch eine sogenannte Schreiberin sein, die beim Poetry Slam verdichtete Texte über sich selbst vorliest. Ich wollte meine eigene Nische haben. Dieser Wunsch wäre an einer anderen Uni vielleicht gar nicht entstanden.


Frank Goosen schreibt über Ihren Roman, er sei „rotzig und respektlos, sexy und sentimental, spannend und politisch unkorrekt.“ Das kommt fast einem Ritterschlag gleich. Was bedeutet Ihnen dies?

Es ist natürlich eine große Ehre. Diesen Satz zu lesen, macht mich stolz, klar. Ich kannte Frank gar nicht persönlich, aber als er auf einer Lesung in Berlin war, musste ich als Kind des Ruhrpotts natürlich hin. Nachher habe ich ihn einfach angesprochen und erzählt, dass ich demnächst im gleichen Verlag debütiere wie er. Eichborn war ja auch sein erster Verlag. Und als wir im Gespräch dann auch noch herausfanden, dass er quasi im Bochumer Rotlichtviertel aufgewachsen ist, wo ich für Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte recherchiert und Huren interviewt habe, war klar, dass er das Buch lesen will.


Eine Frage liegt natürlich auf der Hand: Gibt es eine reale Vorlage für die Omma aus Ihrem Roman?

Ja. Meine Omma. Sie war auch sehr stark, liberal und promisk, was ich erst spät wirklich begriffen und schätzen gelernt habe. Sie war eine bemerkenswerte Frau mit einem harten Leben, sie war sogar mal im Knast. Sie war der Auslöser für den Roman, ich habe die Geschichte um sie und Anekdoten aus ihrem Leben gestrickt. Sie hatte fünf Kinder von drei Männern, diverse Liebhaber und noch mehr unterschiedliche Jobs. Aber es ist natürlich ein Roman mit einer gehörigen Portion Fiktion. Meine Omma hat zum Beispiel nie Eve geraucht. Immer nur Kim. Da sieht man schon, wie viel ich erfunden habe ;-)


Sie schreiben nicht nur Heftromane und Romane, sondern sind auch Hörspielautorin bei Audible. Welche anderen Talente schlummern noch in Ihnen?

Netflix. Ich will nicht angeben, aber in Sachen Serien gucken, betrachte ich mich als ganz weit vorn. Vierzehn Folgen Modern Family am Stück? Also, ich kenne keinen, der das sonst noch geschafft hat. (Ich habe wirklich keine weiteren Talente, ich bin ganz gut mit Dialogen und Cliffhangern, was sowohl beim Prosa- als auch beim szenischen Schreiben hilft.)


Die zweite Hauptfigur in Ihrem Roman ist die Enkelin Bianca, die in Berlin lebt und ihre eigene Schlüppi-Kollektion entwirft. Nach einem Schicksalsschlag zieht die Omma aus Essen zu ihr in die WG ins wilde Berlin-Kreuzberg. Wie genau kann man sich das Zusammenleben der beiden vorstellen?

Herausfordernd. Sie haben noch nie zusammengelebt und Biancas ganzes Leben eigentlich aneinander vorbeigeredet. Und während Bianca möchte, dass ihre Omma wieder auszieht, weil sie ihre Ruhe haben will, hat die Omma ganz andere Sorgen. Ihre zwielichtige Vergangenheit holt sie ein und wird bald auch zu Biancas Problem. Ab dem Moment, wo diese Vergangenheit quasi vor der Tür steht, rückt die Frage, ob sie eine harmonische WG sind, sehr weit in den Hintergrund. Aber andererseits ist die Omma eine 1A-Versorgerin. Es ist immer genug Eierlikör da, und das weiß ein Zuckerjunkie wie Bianca durchaus zu schätzen.


Die Omma hat eine Schwäche für Eierlikör. Haben Sie ebenfalls geheime Schwächen und Vorlieben?

Eierlikör, aber das ist nicht geheim. Das steht auf meiner Twitterseite, auf meiner Homepage … ich schreibe das überall hin, wo Platz ist. Es hat den Vorteil, dass man dann hin und wieder Likör geschenkt bekommt. Genau genommen ist das auch keine Schwäche, ich sehe das eher als Stärke – besonders, wenn man den Likör noch selber machen kann. Was mich daran erinnert, dass ich das wirklich mal ausprobieren muss. Jetzt, wo meine Omma gestorben ist, pflegt niemand in der Familie mehr diese Tradition. So kann das nicht weitergehen!

© Ekko von Schwichow
© Ekko von Schwichow

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