Im Interview: Jay Jay Burridge über Dinosaurier und seine Buchreihe "Supersaurier" | 18.08.2017

Jay Jay Burridge, geboren 1971, ist der wohl größte Dino-Fan der Welt und außerdem Künstler. In seinem Garten stehen meterhohe Dinosaurier-Skulpturen, er richtete das „Dinosaur Diner“ von Jamie Oliver ein und veröffentlicht jetzt die Buchreihe „Supersaurier“. Welcher sein Lieblingssaurier ist und welche versteckte Botschaft in seinen Büchern steckt, verrät der Autor im Interview.

Eine Welt, in der die Dinosaurier niemals ausgestorben sind, sich vielmehr weiterentwickelt haben und heute als Supersaurier Seite an Seite mit uns leben. Das ist die Welt, in der Ihre Kinderbuchserie „Supersaurier“ spielt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Das ist eine Gretchenfrage, die sich leicht beantworten lässt, allerdings nicht mit wenigen Worten. Die Grundidee, dass Dinosaurier Seite an Seite mit den Menschen leben, beschäftigt mich schon seit meiner Kindheit. Das war eine herrliche „Was-wäre-wenn“-Fantasie, von der ich überzeugt bin, dass viele Kinder und Erwachsene sie hatten und heute noch haben. Vor etwa acht Jahren bin ich dann von London nach Oxfordshire gezogen und habe herausgefunden, dass viele der ersten Dinosaurier-Fossilien in den umliegenden Dörfern gefunden wurden. Ich lebte also an einem Ort, an dem früher Dinosaurier umherstreiften, aber heute sind Hühner in meinem Garten. Das war der gedankliche Auslöser für die gesamte „Supersaurier“-Idee. Ich habe mich nie dazu hinreißen lassen zu hinterfragen, wie oder warum Dinosaurier überlebt haben könnten, und habe das Gesamtkonzept lediglich auf die Tatsache gestützt, dass es wohlbekannte Tierarten wie Haie und Krokodile schon sehr viel länger gibt als Dinosaurier. Wenn also alles anders gekommen wäre, dann könnte das möglich sein. Dann habe ich mir all meine Lieblingsdinosaurier angeschaut und mir vorgestellt, wie deren Nachfahren nach weiteren 65 Millionen Jahren Evolution heute aussehen könnten und wie Menschen mit ihnen umgehen würden.

Wer Ihre Lebensgeschichte liest, wird sehr schnell feststellen, dass Dinosaurier von jeher Ihre große Leidenschaft waren. Was war der Auslöser dafür und wie hat sich diese Passion im Laufe der Jahre weiterentwickelt?

Ich wuchs in London auf, und zwar gleich um die Ecke vom Naturhistorischen Museum, was meine Eltern voll ausgenutzt haben. Dinosaurier haben mich ins Staunen versetzt, wie jedes Kind, und da ich aus einer ausgesprochen künstlerischen Familie stamme, war es keine Überraschung, dass ich später an der Londoner CENTRAL SAINT MARTIN’S SCHOOL OF ART Bildhauerei studiert habe. Danach hat es nicht mehr lange gedauert, bis ich die Gelegenheit bekam, die Leidenschaft, die ich in meiner Kindheit für Dinosaurier und Spielzeug hatte, in größerem Maßstab zu erkunden. Ich fing an damit zu experimentieren, wie man sie in voller Größe bauen könnte, allerdings aus der Perspektive eines Kindes. Es hat viele Versuche gegeben in die Realität umzusetzen, was mir da alles durch den Kopf ging. Das fand dann seinen erklärten Höhepunkt in meiner Abschluss-Ausstellung, für die ich eine originalgroße Selbstassemblierung gebaut hatte – einen aus Holzteilen zusammengesteckten Dinosaurier, der von ein paar kleineren Theropoden (Echsenbeckendinosaurier) angefallen wurde. Das Stück erhob sich über all die anderen ausgestellten Kunstwerke und war nicht zu übersehen. Die anderen Studenten und die Lehrer dachten, ich wäre verrückt. Das war ich auch, aber auf mich wurde die BBC aufmerksam, die gerade nach einem neuen Künstler suchte, der eine bekannte Fernsehserie für Kinder moderieren sollte. Diese unerwartete Chance bescherte mir acht Jahre lang eine andere Art von Abenteuer. Danach ging ich jedoch wieder auf den richtigen Kurs, zog aus London weg, legte mir ein großes Atelier zu und hatte die Idee zu den Supersauriern. Eine Galerie sah einige meiner Entwürfe, unter anderem Cowboys, die auf Triceratops ritten, und bot mir eine große Einzelausstellung in L.A. an. Ich musste mit einem ganzen Team von Assistenten nach Los Angeles umsiedeln, um das Ganze aus dem Nichts zu erschaffen. Das hat mich fast ein Jahr meines Lebens und sehr viel Geld gekostet, aber gelohnt hat es sich allemal.

„Supersaurier – Kampf der Raptoren“ ist der Auftakt zu einer sechsteiligen Reihe, in der die 13-jährige Beatrice Kingsley mit ihrer Großmutter Bunty und ihrer beider Freund und Beschützer Theodore Logan aus dem englischen Oxfordshire auf die Aru-Inseln reist. Was hat Sie veranlasst, diese indonesische Inselgruppe als Schauplatz zu wählen, und – da die Schilderungen so lebendig sind – waren Sie selbst schon einmal dort?

Ich habe sehr viele entlegene Teile Indonesiens, Thailands und Indiens bereist, sodass die Beschreibungen alle auf persönlichen Erfahrungen beruhen. Ich wollte die Geschichte auf einer real existierenden Insel spielen lassen, deshalb habe ich so lange im Internet gesucht, bis ich die Aru-Inseln fand. Von denen hatte ich noch nie gehört, aber da sie sich in der Nähe Papua-Neuguineas befinden und früher ein Teil davon waren, gibt es dort auch einige der verblüffenden Paradiesvögel. Alles schien perfekt zu passen und deshalb wurde das der Schauplatz von Buch 1. Ich würde irgendwann gern mal hinreisen und mir das Ganze in natura ansehen.

Bunty und Theodore unternehmen die weite Reise mit Beatrice unter dem Vorwand, ihr Paradiesraptoren in der freien Wildbahn zeigen zu wollen. Aber der wahre Grund ist natürlich ein ganz anderer und der Dschungel erweist sich überdies als sehr gefährlich, weil dort auch die tödlichen Schattenraptoren lauern. Was können Sie Ihren jungen Lesern über diese Spezies schon jetzt verraten?

Diese alternative Welt ist genau wie unsere reale Welt. In der halten wir gezähmte Hunde als Haustiere, aber es gibt auch wilde, ungezähmte Wölfe. Zu Hause haben wir niedliche, verschmuste Katzen, aber in der Wildnis und in Gefangenschaft gibt es Löwen und Tiger, die uns töten könnten. Auf den Feldern stehen gutmütige Kühe, Stiere in der Arena rasen vor Zorn. Alle Tiere haben eine nette und eine garstige Seite. So ist das auch bei den Sauriern in meiner Welt. Paradiesraptoren haben, wie die real existierenden Paradiesvögel, eine einzigartige Evolution durchlaufen, durch die nicht nur unterschiedliche Verhaltensweisen, sondern auch unterschiedliche Federkleider entstanden sind. Die mit den bunten Federn ziehen mit ihrem Federkleid eine Show ab, während die mit den farblosen Federn es als Tarnung nutzen, um sich in den Schatten zu verstecken. Das hat ihnen beim Jagen einen zusätzlichen Vorteil verschafft und sie zu der aggressiveren Unterart und den gefährlichsten Raubtieren überhaupt gemacht – das heißt, bis die Menschen kamen.

„Supersaurier – Kampf der Raptoren“ hat alles zu bieten, was die Herzen von Kindern (und Erwachsenen!) höherschlagen lässt: Abenteuer, Action, Drama, jede Menge Humor, unerschrockene Helden, entsetzliche Bösewichte und - darin eingewoben - eine eindringliche Botschaft und Mahnung an uns alle, liebevoll und pfleglich mit Tieren, Natur und allem und jedem umzugehen, das „anders“ ist. Haben Sie diese so bedeutsamen Aspekte gezielt eingearbeitet oder hat sich das aufgrund des Themas ergeben und was war Ihnen persönlich am wichtigsten?

Es freut mich sehr, dass Sie diese versteckte Botschaft aus dem Buch herausgelesen haben. Sie wird auch in den Nachfolgebänden enthalten sein. Dass Arten aussterben, ist eine Realität; es passiert ständig in unserer unmittelbaren Umgebung. Das ist beim Laubfrosch nicht anders als beim Brachiosaurus, nur hatten wir nie die Chance, Brachiosaurier zu sehen. Vergleiche zwischen bekannten ausgestorbenen Arten und solchen, die vom Aussterben bedroht sind, zu ziehen, zeigt auf, wie zerbrechlich alles ist und was wir tun können, um dazu beizutragen, die Entwicklung umzukehren. Das Klima, die Abholzung, das Jagen, die Einschleppung von Arten und so viele andere zusätzliche Faktoren sind alle das Werk des Menschen.

Sie sind Vater zweier Jungen. Haben Sie sich beim Schreiben der Serie von Ihren Söhnen beraten lassen und haben Ihre Kinder Ihr Faible für Dinosaurier geerbt?

Sie sind meine größten Fans und meine schärfsten Kritiker. Außerdem kennen sie die Namen all der Dinosaurier, die mir entfallen, folglich... ja, ohne die Beiden säßen wir jetzt nicht hier.

Wenn moderne DNA-Technologie ermöglichen würde, einen Dinosaurier zu züchten, welche Spezies würden Sie sich „erschaffen“ lassen und warum?

Ich glaube, das ist die Frage: “Was ist Ihr Lieblings-Dinosaurier?”, nur anders formuliert. Das ist immer ein Triceratops gewesen und ich fände es einfach herrlich, sie auf einem Feld stehen und wie Kühe grasen zu sehen. Das hört sich etwas langweilig an, aber genau darum geht es ja bei den Supersauriern: Die Dinosaurier so normal wie andere Tiere darzustellen. Ich wette, Sie dachten, ich würde mir einen Tyrannosaurus Rex als Haustier zulegen wollen, was übrigens auch cool wäre.

Sie sind ein äußerst erfolgreicher Künstler mit internationalen Ausstellungen und waren jahrelang Co-Autor und Moderator einer sehr beliebten Fernsehserie für Kinder. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Das Schreiben fällt mir nicht leicht. Das Geschichtenerzählen schon. Künstler ist ein Sammelbegriff für Menschen, die mittels einer Vielzahl unterschiedlicher Medien Kreativität in Realität verwandeln können. Das Schreiben ist ein Medium, das Zeit brauchte, bis ich es richtig hinbekam, und zu Anfang bin ich nur sehr schleppend damit vorangekommen. Und dann musste ich bald schon feststellen, dass es eine zu große Aufgabe war, mich an beidem versuchen zu wollen, am Schreiben und am Illustrieren, also musste ich mir für den spaßigen Teil des Zeichnens Hilfe holen, um mich voll und ganz auf das Schreiben der umfangreichen Hintergrundgeschichte der Bücher konzentrieren zu können.

Was haben Sie am Schriftsteller-Alltag am meisten genossen und was war der ernüchterndste Aspekt des Berufs?

Ich war in der Schule das künstlerisch begabte Kind, dem man schnell das Etikett “Legastheniker” aufdrückte. Die Zeiten haben sich geändert und heute komme ich nicht mehr damit durch, Geschichten zu zeichnen. Ich habe Jahre gebraucht, um das Selbstvertrauen zu entwickeln, etwas zu schreiben. Wenn ich noch einmal zurückkönnte, würde ich gern im Zehnfingersystem Maschineschreiben lernen.

Nun brilliert „Supersaurier – Kampf der Raptoren“ nicht nur mit tollen Figuren und einer großartigen Geschichte, sondern auch mit grandiosen Illustrationen von der ersten bis zur letzten Seite. Was ist bei Ihrem Arbeitsprozess zuerst da? Das Bild einer Person oder einer Landschaft oder die Worte, die diese Person oder Landschaft beschreiben?

Das Ziel ist, dass die Illustrationen eher mehr vermitteln als der Text und nicht das Gleiche erzählen. Um das zu erreichen, habe ich mit meinem großartigen Freund Chris West zusammengearbeitet, der all die fantastischen Illustrationen in den Büchern zeichnet. Wir haben uns häufig und lange über jeden Bereich dieser alternativen Welt, ihre Geschichte und die Wesen unterhalten, die darin leben, sodass er jetzt in der Lage ist, in meinen Kopf zu kriechen und zu sehen, was ich sehe. Wir setzen uns mit einem groben Konzept des jeweiligen Buches zusammen und skizzieren, wie alles aussehen soll, und dann mache ich mich an die Arbeit und liefere die Details. Chris versteht sich überdies großartig darauf, Details hinzuzufügen, auf die ich nie gekommen wäre: Eine Strickleiter, die ein Reiter erklimmen muss, um auf dem Brachiosaurus zu reiten und der Raptorenklauen-Dolch, der in Carters Hosenbund steckt, das stammt alles von Chris. Der Mann ist ein Genie.

Wie in der Presse zu lesen war, wird es zu der Buchserie auch eine Supersaurier-App geben. Was hat es damit auf sich und worauf dürfen Ihre Leser sich da freuen?

Meine Güte, Sie werden sich wundern, wenn Sie die App sehen! Auch dabei gilt, dass die mehr vermittelt als die Worte und visuell mehr vermittelt, als Illustrationen es je könnten. Diese App kann die Illustrationen in Farbbilder verwandeln und Ihnen zeigen, wie die Raptoren tanzen. All das wird Sie auf Miniabenteuer durch das Buch schicken, bei denen Sie nach Dingen jagen können, die Ihnen möglicherweise entgangen sind. Die App kann kostenlos im App-Store heruntergeladen werden und ist ein riesiger Spaß.

Band 1 „Supersaurier – Kampf der Raptoren“ macht so große Lust auf Band 2 und mehr, dass diese Frage einfach kommen muss: Wird es in der Fortsetzung ein Wiedersehen mit den Hauptfiguren geben und wohin wird die Reise dieses Mal gehen?

Die Serie besteht aus sechs Bänden. Die erzählen alle die Geschichte eines großen Abenteuers, das auf sechs Bücher verteilt ist, und an sechs verschiedenen Stellen der Welt spielt. Die Wege unserer Helden und Bösewichte sind auf sehr komplexe Weise miteinander verwoben und das Großartige ist, dass wir noch sehr viel mehr Saurier sehen werden …

© Mel Moss
© Mel Moss

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